Generic Enrichment in Plutarch’s _Lives_: Narrative, Character, and Moralising

Generic Enrichment in Plutarch’s _Lives_: Narrative, Character, and Moralising

Organisatoren
Chrysanthos Chrysanthou, Classics Department, University of Oxford
Ort
Oxford
Land
United Kingdom
Vom - Bis
28.11.2015 -
Url der Konferenzwebsite
Von
Sabrina Buchebner, Institut für Alte Geschichte und Altorientalistik, Universität Innsbruck; Jack W. G. Schropp, Zentrum für Alte Kulturen, Universität Innsbruck

„Generic Enrichment in Plutarch’s Lives: Narrative, Character, and Moralising“ war das Thema eines eintägigen Workshops an der Universität Oxford, der von Chrysanthos Chrysanthou organisiert wurde und auf dessen Einladung hin sich die Vortragenden der Frage stellten, inwieweit einzelne Arbeiten des griechischen Biographen und Philosophen eine Gattungsbereicherung erfuhren. Dieses sogenannte generic enrichment geht auf den Latinisten STEPHEN HARRISON (Oxford) zurück, der das Konzept in seinem Buch „Generic Enrichment in Vergil and Horace“ an den augusteischen Dichtern Vergil und Horaz exemplifiziert hat.1 Er eröffnete den Workshop, wobei er nicht nur sein intertextuelles Gattungsmodell vorstellte, sondern auch Werkbeispiele von Plutarch anführte, welche eine Verschmelzung von host- und guest-​Gattungen seien, wie die Consolatio ad uxorem als eine Mischung zwischen Brief und Trostschrift, die Apophthegmata der Könige und Generäle zwischen Brief und Spruchsammlung, die Quaestiones Romanae bzw. Graecae zwischen ätiologischer Tradition und peripatetischer Problembehandlung oder auch die Schrift De cohibenda ira zwischen Dialog und Diatribe.

Einer der wichtigsten archaischen Autoren für Plutarch war sicherlich Hesiod. Dank der Werkliste im Lampriaskatalog ist bekannt, dass er eine (verlorene) Hesiod-Vita geschrieben hat; außerdem verfasste Plutarch einen (nur noch fragmentarisch erhaltenen) Kommentar zur Erga; insgesamt bieten die erhaltenen Schriften der Moralia eine Fundgrube an Hesiod Zitaten. In ihrem Vortrag richtete ZOE STAMATOPOULOU (Pennsylvania) ihr Augenmerk nicht auf die oben genannten Felder, sondern auf die bisher weniger beachtete Hesiod Rezeption in Plutarchs Biographien – vornehmlich auf die Theseus- und Solon-Vita sowie auf die Cato/Aristides Synkrisis. Ihr zufolge nutzte Plutarch die hesiodische Poesie einerseits als historische Quelle zur Rekonstruktion der Vergangenheit, andererseits gelang es ihm durch die Poesie, den der Dichtung innewohnenden didaktischen Sinngehalt in die Gegenwart zu transferieren.

LARRY KIM (Heidelberg / Trinity) widmete sich dem plutarchischen Einsatz archaischer Lyrik am Beispiel Solons. Überraschend gering sei die Verwendung von archaischen Lyrikern gewesen, nur über Archilochos, Sappho und eben Solon scheint Plutarch weitreichende Kenntnisse gehabt zu haben. Die hohe Zahl an solonischer Dichtung erkläre sich allerdings aus der Vita des athenischen Aisymneten. Grundsätzlich bediente sich Plutarch der Verse Solons, um sein politisches und juridisches Handeln zu beschreiben, daneben fanden aber auch lyrische Themen Eingang, wenngleich Plutarch solchen wie der Homosexualität, der Opulenz oder dem Amüsement nicht viel abgewinnen konnte. In den Gesprächen mit Thales und Kroisos aber sei die Verwendung der lyrischen Motive des Reichtums und der Ungewissheit eminent sichtbar (vgl. Plut. Solon 6f., 27f.); insbesondere hier greife man so Kim die archaische Lyrikwelt, von der Theon in Plutarchs De Pythiae oraculis 23f. erzählt.

ALEXEI ZADOROJNYI (Liverpool) versuchte mit den philosophischen Einschätzungen Plutarchs einen Richtwert zu verbinden, mit dem der griechische Philosoph intellektuelle und literarische Betätigungen eingeschätzt habe. Die plutarchische Philosophie vertrete eine Idee, in welcher die Lebensweise und Prinzipien im Einklang stünden, die Nomoi geachtet würden und Reden inhaltlich korrekt seien. Nach Zadorojnyi beanspruchte Plutarch in den Lebensbeschreibungen aber einen anderen philosophischen Zugang: Auch wenn z.B. ein Philosoph wie Solon den Ansprüchen Plutarchs nicht gerecht wurde, erwies sich diese Diskrepanz für die Erzählung als nützlich, weil dadurch anderen nicht-philosophischen Problemen nachgegangen werden konnte. Diese Vorgehensweise illustrierte schließlich nichts anderes als Plutarchs eigenen philosophischen Standpunkt in den Viten und zur zeitgenössischen Literatur.

TIMOTHY DUFF (Reading) referierte über die Platon Reminiszenzen in den Werken Plutarchs. Zweifellos war Plutarch Platoniker, seine Werke von den platonischen Schriften geprägt, und diese darüber hinaus Quelle für die historischen Personen des klassischen Athens im 5. und 4. Jahrhundert v.Chr. All dies sind in der Plutarchforschung Gemeinplätze. Im Vergleich dazu erfuhren die platonischen Dialoge als ein wichtiger Aspekt des plutarchischen Textaufbaus etwa im Fall der drei delphischen Dialoge oder für De Genio Socratis geringe Beachtung. Im Schatten dieser klaren Würdigung des platonischen Dialogs in den Moralia stehen vergleichbare Anspielungen in den Viten. Am deutlichsten treten diese in Plutarchs Alkibiades zu Tage, wo auf Platons Charmides, Alkibiades, Phaedrus oder Lysis Bezug genommen wurde, was von einer tiefen Kenntnis Platons sowohl vonseiten Plutarchs als auch vonseiten seiner Leser zeuge.

In puristischer Weise thematisierte MIKE EDWARDS (Roehampton) die Bedeutung der Rhetorik für Plutarch anhand der Lebensbeschreibung des Demosthenes. JUDITH MOSSMAN (Nottingham) dagegen analysierte das Kapitel 38 der Demetrius-Vita, in welcher beschrieben ist, wie Seleukos I. seinem Liebestrunkenen Sohn Antiochos I. voll Großmut und Mitleid die eigene Gattin, Stratonike I., zur Ehefrau gab. Plutarch spiele in dieser Stelle sowohl mit tragischen als auch mit komödiantischen Elementen, welche auch auf die restliche Biographie ausstrahlen würden, und sie damit im Ganzen bereichere. Als nächstes überprüfte MARIA VAMVOURI ROUFOU (Lausanne) die Parallelbiographien dahingehend, ob die Hinweise auf Heilbehandlungen und Physionomie einem medizinischen Interdiskurs geschuldet sind. Ihrem Dafürhalten nach sprächen die Anzahl der Stellen und der spezifische Wortgebrauch von einem deutlichen Einfluss medizinischer Vorstellungen, die einer ärztlichen Ausdrucksweise sehr nahekommen. Plutarch habe diesen medizinischen Soziolekt dafür genutzt, um die körperlichen Folgen von Charakterschwächen bzw. von Lastern anschaulicher werden zu lassen und um bestimmte Taten von politischen Anführern als heilbringend oder verderbend für sein Umfeld darzustellen.

Mit den Landschaftsbeschreibungen in den römischen Biographien befasste sich JASON KÖNIG (St. Andrews). Vor allem im Kontext von Bergschlachtszenen bestächen solche Geländebeschreibungen durch das Stiften von Verwirrung, hervorgerufen durch das heikle Terrain einerseits und durch militärischen Verrat andererseits. Die eingehende Beschreibung solcher Situationen diente vermutlich zur Veranschaulichung der Besonnenheit und des Kontrollverlusts der porträtierten Figuren. Nicht unwesentlich war dabei die Benutzung verschiedener historiographischer Quellen, wie Catos Origines in der Vita des Älteren Cato oder Sallusts Historien in der Sertorius-Vita. Gerade bei Marcus Cato 13f. (handelt von Catos Taten während der Schlacht bei den Thermopylen im Jahr 191 v.Chr.) und bei Sertorius 17 (beinhaltet die Ausräucherung des höhlenbewohnenden Stammes der Characitani) werde Plutarchs besonderes Interesse an Landschafts- bzw. Bergschlachtszenen für die Einschätzung von militärischer Stärke sichtbar, die darin liege, Sinnestäuschungen nicht zu erliegen und schwierigen Ausgangslagen erfolgreich zu begegnen.

CRAIG COOPER (Lethbridge) gab in seinem Vortrag einen Überblick über Plutarchs Verwendung nicht-literarischer Quellen – mit besonderem Fokus auf Inschriften und Monumente.2 Der Rückgriff auf diese Quellenarten hatte den Zweck, das in den Biographien gefällte Charakterurteil zu unterstreichen (vgl. Plut. Nikias 1.5). Solch eine Ergänzungsfunktion werde z.B. in der Nikias-Vita gut sichtbar. Nikias weihte dem delischen Apoll einen bronzenen Palmbaum und kaufte ein Stück Land, aus dessen Einnahmen Opfergaben und Feste bezahlt werden sollten – Verordnung und Weihgeschenk ließ er inschriftlich festhalten (Nikias 3.6). Mit diesen Beispielen habe Plutarch den gegen Nikias vorgebrachten Vorwurf der Ruhmsucht zu entkräften versucht, indem er sie als Zeichen einer tiefen Religiosität auslegt und hierfür Thukydides als Gewährmann anführt (Nikias 4.1). In diesem Sinn bestätige sowohl die historiographische als auch die nicht-literarische Quelle den pietistischen Charakterzug Nikias`.

Im Anschluss untersuchte LUCY FLETCHER (Reading) in ihrem Beitrag, inwieweit es zulässig ist, zwischen einem historiographischen und einem fiktionalen Narrativ in den Biographien zu unterscheiden: unter dem ersten der beiden „Intertexte“ könne man eine sehr quellennahe Erzählweise verstehen, hinter dem zweiten stünde dagegen eine weniger quellenorientierte Darstellung, die sich dafür auf literarische Traditionen beziehe. Ihr Zusammenspiel verrate die intertextuelle Dimension der plutarchischen Biographien.

In seinem zusammenfassenden Kommentar zog CHRIS PELLING (Oxford) ein nachdenkliches Resümee zur Anwendbarkeit des generic enrichment-Modells und dessen terminologische Nützlichkeit für die zukünftige Plutarchforschung. Zunächst hinterfragte er den grundsätzlichen value of enrichment. Pelling sprach sowohl die Gefahr einer Begriffsaushöhlung an als auch sein Unbehagen in der Frage, von wem die Bereicherung ausgehe bzw. wer sie erfahre. In diesem Kontext sei es daher wichtig, dass man sich der verschiedenen generic matters bei Plutarch bewusst sei, die er bediene. Plutarch arbeitete unter anderem nach historiographischer, biographischer, didaktischer und intertextueller Methode. Solch methodische Vielfalt lasse es einem oft schwerfallen, im plutarchischen Werk Gattungsbegrenzungen auszumachen. Dies dürfe aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass für Plutarch insbesondere in den Biographien die genus demarcation eine zentrale Rolle spielte. Er bereicherte sich an den anderen Gattungen nicht nur, sondern grenzte sein Vorhaben z.B. in den Parallelbiographien von den anderen Gattungen ab. In ihrer Gesamtschau zeige das Konzept der Gattungsbereicherung erneut Plutarchs Bestreben, das Scheitern bzw. den Sukzess einer porträtierten Person zu veranschaulichen.

Konferenzübersicht:

Chrysanthos Chrysanthou, University of Oxford: Welcome/Introduction

Stephen Harrison, University of Oxford: Introduction to the concept of ‘Generic Enrichment’

Zoe Stamatopoulou, Pennsylvania State University: Hesiodic Poetry in Plutarch’s Lives

Larry Kim, University of Heidelberg/Trinity University: Archaic Lyric Poetry in Plutarch’s Life of Solon

Alexei Zadorojnyi, University of Liverpool: The Unbearable Lightness of philosophia

Timothy Duff, University of Reading: Plutarch and the Platonic texts

Mike Edwards, University of Roehampton: Rhetorical Enrichment in Plutarch’s Life of Demosthenes

Judith Mossman, University of Nottingham: Tragicomedy? Generic enrichment in Plutarch, Demetrius 38

Maria Vamvouri Roufou, University of Lausanne: The effects of medical intertext in Plutarch’s Lives

Jason König, University of St. Andrews: Plutarch’s landscapes

Craig Cooper, University of Lethbridge: Plutarch’s use of non-Literary texts

Lucy Fletcher, University of Reading: Varieties of Plutarchan Intertext

Chris Pelling, University of Oxford: Conclusions/Final discussion

Notes:
1 Stephen J. Harrison, Generic Enrichment in Vergil and Horace, Oxford 2007.
2 Zur Numismatik bei Plutarch siehe Aurelio P. Jiménez, Plutarco y la iconografía monetaria Antigua, in: C. Alcalde Martín / L. de Nazaré Ferreira (Hrsg.), O sábio e a imagem. Estudos sobre Plutarco e a arte, Coimbra 2014, 31–68.


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