Moderne Patronage. Formen und Legitimationen personaler Verflechtung im 19. und 20. Jahrhundert

Moderne Patronage. Formen und Legitimationen personaler Verflechtung im 19. und 20. Jahrhundert

Organisatoren
Robert Bernsee / Jens Ivo Engels / Volkhard Huth / Volker Köhler, Institut für Geschichte, TU Darmstadt; Institut für Personengeschichte, Bensheim
Ort
Annweiler
Land
Deutschland
Vom - Bis
21.10.2015 - 23.10.2015
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Von
Daniel Kück, Historisches Seminar, Goethe-Universität Frankfurt am Main

Das theoretische Herzstück von Organisationssoziologie und Neuer Institutionenökonomik bildet der Gedanke, dass Organisationen nicht mit ihren formalen Regelwerken gleichzusetzen sind, sondern aus einem – ebenso veränderlichen wie vielgestaltigen – hybriden Ineinander von formalen Funktionsmodi und informellen Sozialbeziehungen bestehen. Das Zusammenspiel von Formalität/Formalisierung und Informalität in der sozialen Praxis fasst als eigenständiges Forschungsthema zunehmend auch in der Geschichtswissenschaft Fuß1 und taucht gerade in der sich entfaltenden historischen Korruptionsforschung auf, die über interdisziplinäre Entlehnungen hinaus unter anderem nach Anschlüssen an das erprobte Konzept der ‚Mikropolitik‘ sucht und konzeptionelle Aus- und Umgestaltungen entwerfen kann. Während sich beispielsweise in der Frühneuzeitforschung eine breite und anhaltende Auseinandersetzung mit Patronage ausgeprägt hat, stehen in der Annäherung an interpersonale Verflechtungen der Moderne die systematische Ausarbeitung und Erprobung von Analysekonzepten sowie damit die Etablierung eines Forschungszusammenhangs noch aus. Ergiebige Anfänge lassen sich in Frankreich beobachten, wo sich die Neueste Geschichte dem politischen Klientelismus während der Dritten Französischen Republik verstärkt zugewandt hat.2 Daher begriffen die Veranstalter die Tagung als Orientierungsversuch, um mögliche Forschungsfelder abzustecken, Erkenntnispotenziale abzuschätzen und methodisch-theoretische Aufgaben wie Probleme auszumachen. Entsprechend breit war die Palette der referierten Themen aufgefächert, variierten Grad und Art der konzeptionellen Durchdringung. Den Unterbau der Tagung spannte die Annahme auf, dass Patronage und andere Praktiken personaler Verflechtung weder als Überbleibsel noch als Atavismus der Vormoderne in modernen Gesellschaften aufträten, sondern einen integralen Bestandteil derselben bilden würden – wenngleich sie sich abhängig vom jeweiligen soziokulturellen Kontext in ihrer Ausformung unterschieden. Zudem beabsichtigten die Veranstalter, die Besonderheiten moderner gegenüber frühneuzeitlichen Verflechtungspraktiken hervortreten zu lassen; hierzu steuerten von Seiten der Frühneuzeitforschung BIRGIT EMICH (Erlangen-Nürnberg) und HILLARD v. THIESSEN (Rostock) Überlegungen bei.

JÜRGEN SCHMIESING (Tübingen) beleuchtete informelle Verfahrensweisen bei der Besetzung bayerischer (Erz-)Bistümer im ausgehenden 19. Jahrhundert: Durch das Konkordat von 1817 fiel dem bayerischen König das Ernennungsrecht für Bischöfe zu, allerdings fehlte eine differenzierte Regelung des Besetzungsverfahrens – und so weiteten sich umgekehrt die Möglichkeiten der informellen (Vor-)Auswahl. In dieser Undeutlichkeit prallten konkurrierende Gruppen aufeinander: In den 1870er-Jahren schwollen die Differenzen in der Personalpolitik zu einem „stillen Kulturkampf“ an, in dem die bürgerlich-liberal gesinnte Ministerialbürokratie unter dem Kultusminister Johann von Lutz die staatskirchlichen Rechte gegen ultramontane Strömungen innerhalb der katholischen Kirche mit ihrer Vorstellung von der libertas ecclesiae durchzusetzen versuchte. Bei der Suche nach staatsloyalen Bischöfen spielte der „Bischofsmacher“ Jakob von Türk, Hofgeistlicher und persönlicher Freund von Lutz, eine zentrale Rolle. Als Vermittler bediente er sich seines weit verzweigten Kontaktnetzwerkes im Klerus, griff geeignete Kandidaten heraus und wirkte 1875-1878 auf sieben Bischofsernennungen in Bayern ein.

Das Aufkommen und Abebben von Korruptionsdiskursen in der Abfolge unterschiedlicher politischer Ordnungen im 19. und 20. Jahrhundert zeichnete KLAUS BUCHENAU (Regensburg) am Beispiel Serbiens/Jugoslawiens nach. Besonders spannungsreich gestaltete sich, so Buchenau, das Reden über Korruption in der Ära des Staatssozialismus, in der es in einem Widerstreit zwischen ideologischer Selbststilisierung und alltäglicher Gegenwart von Begünstigungspraktiken verfangen war: Korruption habe der kommunistischen Führung, in der das Askese- und Altruismusideal der Partisanenbewegung fortwirkte, weitgehend der diskursiven Alteritätsproduktion gedient. Sie habe sich hierdurch von dem als korrupt gebrandmarkten ‚bürgerlichen‘ Vorgängerstaat, dem Königreich Jugoslawien, abgegrenzt. Allerdings habe sich der kommunistische Staatsapparat (unfreiwillig) als Klientelagentur entpuppt, da er gemäß seinem Führungsanspruch die Verteilung von Ressourcen, die infolge wirtschaftlicher Modernisierungsmaßnahmen zunahmen, sowie den Zugang zu Posten in Wirtschaft und Bürokratie kontrollierte. Buchenau zufolge sei mit der Auffächerung der Verwaltungsstrukturen eine Hierarchisierung einhergegangen, die Patronage als asymmetrische Dyade befördert habe. Daneben hätten sich Ideologie und Leistungsprinzip vielfach kaum gedeckt – was sich zum Beispiel in der Bevorzugung ehemaliger Partisanen widergespiegelt habe.

Dem verborgenen Treiben von Geheimgesellschaften spürte FRANK JACOB (New York City) nach, der sie als globalen, weder epochen- noch kulturspezifischen Organisationstypus verstand. Hierbei verglich er vor allem deutsche und japanische Erscheinungsformen und versuchte zu umreißen, in welcher Weise Patronage und Korruption in Rekrutierungs- wie Aufnahmepraktiken hineinwirkten oder diese fallweise aufweichten. Jacob trennte zwei Typen geheimer Gesellschaften: (a.) elitäre Geheimbünde, in denen die Dichte personaler Nahbindungen höher sei, und (b.) Massengesellschaften, die demgegenüber stärker durch ein Organisationsziel zusammengehalten würden. Die abweichende Anfälligkeit beider Typen für Korruption fasste Jacob in folgender Regel zusammen: Je kleiner eine Gruppierung sei und je höher dadurch ihr finanzieller Bedarf ausfalle, desto leichter könnten Außenstehende mit ihrem monetären Potenzial locken und Aufnahmekriterien umgehen.

Die Wandlung von Patronage im Nebeneinander der Modernisierung europäischer Verwaltungssysteme und der Sozietäten-Kultur während der ‚Sattelzeit‘ legte ROBERT BERNSEE (Heidelberg) dar. Im Übergang zum 19. Jahrhundert sei Patronage nicht verschwunden, sondern habe sich durch die Einbindung von reformorientierten Verwaltungsangestellten in das Beziehungsgespinst der Sozietäten mit einem meritokratischen Prinzip verquickt. Das Inklusionspotenzial der Sozietäten überschritt ständische, landsmannschaftliche, verwandtschaftliche und konfessionelle Differenzen, in ihnen kristallisierte sich um die normativen Konzepte ‚Freundschaft‘ und ‚Bildung‘ herum die Gesinnung als Muster kollektiver Solidarität. Die Denkachse aus individueller Leistung und Tugendhaftigkeit fundierte ihr Selbstverständnis. Durch die sozietätsbasierte Zusammengehörigkeit und den Selbstentwurf als gesellschaftliche (Leistungs-)Elite gelangten die personalen Bindungen in die bürokratischen Apparate hinein, wie Bernsee an den Reformverwaltungen in Bayern und Preußen um 1800 veranschaulichte. Diese „Gesinnungspatronage“ hoben Reformer unter Betonung des Leistungsprinzips von traditionellen, als korrupt ausgelegten Spielarten der Patronage ab. Aus ihrer Sicht hakten abstrakte, regelgebundene Rekrutierungsverfahren und das elitäre Selbstverständnis der Sozietäten im Grundsatz der individuellen Leistung und Befähigung ineinander.

Welche hohe gesellschaftliche Bedeutung das Beziehungsmuster ‚Verwandtschaft‘ für ökonomische Entwicklungen in der Moderne besaß, machte VOLKHARD HUTH (Bensheim/Darmstadt) an Mannheim deutlich. Im ausgehenden 19. Jahrhundert mauserte sich die aufgegebene Residenzstadt der Kurpfalz zur aufstrebenden Hochburg des Handels- und Wirtschaftsbürgertums. Diese Metamorphose habe sich entscheidend aus den Beteiligungsüberlagerungen von Banken und Unternehmen gespeist, wobei das Knüpfen verwandtschaftlicher Bindungen soziale und Geschäftsbeziehungen ebenso vermehrt wie verstärkt habe. Aus diesem dichten Beziehungsgeflecht, dem Huth in einem laufenden Forschungsprojekt in prosopografischer Feinbeobachtung nachgeht, griff er die beiden seit 1881 verwandtschaftlich miteinander verbundenen Familien Ladenburg und Bassermann heraus, die zusammen über annähernd zwei Dutzend konnubiale Beziehungsstränge, zum Teil interreligiös, mit Industriellen, Kaufleuten, Militärs, Honoratioren und Politikern verbunden waren.

Spielräume, Spannungen und Grenzen mikropolitischen Agierens während der Weimarer Republik vermaß VOLKER KÖHLER (Darmstadt). Er betrachtete zwei sozialdemokratische Politiker, den preußischen Innenminister Carl Severing und den sächsischen Ministerpräsident Georg Gradnauer, als Mikropolitiker, die zwischen ihren formalen Pflichten als Amtsträger und Vertreter des Staates einerseits und ihrer Zugehörigkeit zu einer politischen Organisation andererseits eingefasst waren. Die Gleichzeitigkeit doppelter, vielfach auseinanderstrebender Rollenerwartungen stellte Severing und Gradnauer vor die Herausforderung, Amt und Parteimitgliedschaft zu balancieren, ohne sich über formale Vorgaben und Verwaltungsabläufe hinwegzusetzen und ohne Parteigenossen bzw. die Parteiklientel zu verdrießen. Bittbriefe, die auf Severings und Gradnauers Funktion als Minister mit Zugang zu staatlichen Ressourcen abhoben, beschieden beide in unterschiedlich standardisierter Weise meistenteils abschlägig. Zu den erfolgreichen Ausnahmen zählten diejenigen Anliegen, die von Vermittlern vorgebracht wurden, mit denen sowohl die Bittsteller wie auch die Minister bekannt oder befreundet waren. Hier zeichnen sich zum einen die indirekten wie direkten Verbindungen eines Freundschaftsnetzwerkes ab, in dem Staatswesen und Parteiorganisation in einem Klientelismus zusammengingen; zum anderen tritt die beträchtliche Bedeutung personaler Nähe in einer modernen Organisation hervor.

In der Weimarer Republik kam die erste Generation von Bausparkassen auf, deren Tätigkeit nur von einem dünnen Rahmen rechtlicher Bestimmungen und institutioneller Kontrollmechanismen umrandet wurde. In ihrem Vortrag zeigten KLEMENS GRUBE und JAN KÖRNERT (beide Greifswald), wie in einem solchen Umfeld freundschaftliche wie verwandtschaftliche Beziehungen das organisatorische Gerüst der kirchlichen Bausparkasse Deutsche Evangelische Heimstättengesellschaft (Devaheim) durchzogen. Protagonisten waren der Aufsichtsratsvorsitzender Pastor Paul Cremer und Geschäftsführer Wilhelm Jeppel, die – neben zahlreichen Fällen von Fehlverhalten – Verwandte und Freunde mit Posten in den Gesellschaften des Devaheim-Konzerns versorgten, wobei Cremer die Anstellung seines Sohnes durch die Gleichsetzung von verwandtschaftlicher Nähe mit Vertrauen und Zuverlässigkeit als berechtigt hinstellte. In diesen interpersonalen Verflechtungen seien mangelhaftes Fachwissen, ein eigensinniger Führungsstil und Eigennutz zusammengefallen, wodurch sich geschäftliche Probleme aufgestaut hätten, die im Sommer 1931 in den Zusammenbruch der Devaheim mündeten.

Die stabilisierenden Wirkungen personaler Nahbeziehungen in der Wirtschaft zeigen sich in der ‚Deutschland AG‘ – Sinnbild für die Konzentration deutscher Unternehmensverflechtungen –, deren Entwicklungsphasen in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts und deren Funktionsweisen CHRISTIAN MARX (Trier) umriss. Indem Vorstände und Direktoren von Unternehmen und Banken in den Aufsichtsräten anderer Unternehmen saßen, entstand ein „System sich überkreuzender Gruppen“ und wechselseitiger Interessen, das als funktionales Äquivalent zu einer regulierenden ökonomischen Zentralinstitution gewirkt habe: also Marktprozesse koordinierte, Konkurrenz kanalisierte sowie Investitionen und Unternehmensführung kontrollierte. Soziale Selbstkontrolle und enges personales Vertrauen innerhalb der Gruppe der Manager hielten die Verflechtungen zusammen und sanktionierten eigennützige Zuwiderhandlungen mit Ächtung und dem Entzug sozialen Kapitals, der Reputation. Um nicht bei einer quantitativ-strukturellen Abmessung des Netzwerkes, seiner „Infrastruktur“, stehen zu bleiben, legte Marx exemplarisch an Hermann Paul Rausch und Hermann Josef Abs, die beide zahlreiche Aufsichtsratsmandate innehatten, die Beweggründe, die hinter der Knüpfung interpersonaler Bindungen steckten, sowie die Art und Weise, in der die beteiligten Akteure sie gebrauchten, frei. Außer der Absicherung von Krediten und der Kontrolle von Aktienbeteiligungen öffneten die Kontakte, gerade bei der Akkumulation von Mandaten, Zugänge zur begehrten Ressource Information, weiterhin dienten sie der Abstimmung geschäftlicher Aktivitäten und dem Gedankenaustausch bei der Auswahl neuer Aufsichtsratsmitglieder.

ANTONIN DUBOIS (Paris/Heidelberg) hielt die Gruppenformierung deutscher und französischer Studentenorganisationen und -verbindungen im letzten Drittel des 19. Jahrhunderts nebeneinander. In seinem Vergleich ging er der Frage nach, inwieweit der Diskurs der ‚akademischen Proletarisierung‘, in dem sich – vor dem Hintergrund der Vervielfachung der Studentenzahlen – Ängste vor prekären Lebensverhältnissen, sozialem Abstieg und der Destabilisierung der sozialen Ordnung ausdrückten, auf die studentischen Zusammenschlüsse einwirkte. Indes begegneten die Studentenorganisationen den diagnostizierten und prognostizierten sozialen Widrigkeiten nicht mit allgemeinen Konzeptionen, sondern sie zielten auf die Sozialisation und Qualifizierung ihrer Mitglieder im gruppenspezifischen Binnenraum hin. Allerdings erweise es sich als schwierig zu beobachten, in welcher Weise und zu welchen Zwecken die Mitglieder der Studentenorganisationen nach Absolvierung des Studiums auf ihre Kontakte als soziale Ressource zurückgriffen.

Im akademisch-universitären Milieu lag auch das Thema des Vortrages von CHRISTIAN EBHARDT (Bremerhaven), der sich mit der Wiedererrichtung der schiffsbautechnischen Forschung in der Bundesrepublik Deutschland in den frühen 1950er-Jahren auseinandersetzte. In einem Kooperationsmodell wurden Schiffsbaustudiengänge an der Fachhochschule Hannover und der Universität Hamburg angesiedelt. Bei der Berufung der insgesamt fünf neuen Ordinarien im Jahr 1952 fielen neben wissenschaftlicher Qualifikation und technisch-praktischer Expertise besonders persönliche Bekanntschaften ins Gewicht. Kontakte, die sich vor 1945 an Hochschulen und in Schiffbauorganisationen (zum Beispiel der Schiffbautechnischen Gesellschaft) entsponnen hatten, überdauerten während der Phase strikter alliierten Demilitarisierungsmaßnahmen im Informellen und traten anschließend in das neu geschaffene formale Gefüge ein.

Die Tagung stellte die Vielfältigkeit und die elementare Funktion personaler Verflechtung in diversen sozialen Räumen und Regionen während des 19. und 20. Jahrhunderts heraus. Vielfach trat aber deutlich die Notwendigkeit zur Auffächerung einer vielschichtigen und präzisen Begrifflichkeit zutage, um die Vielgestaltigkeit der Wechselwirkung formeller und informeller Elemente im interindividuellen Handeln abzustufen: mehrere Referenten verwendeten implizit-undeutliche oder weit gefasste Begriffsbestimmungen, sodass Patronage mit Begünstigung, personaler Verflechtung und/oder Korruption vermengt wurde. Von dieser Verschwommenheit stachen Emichs und Thiessens Kommentare ab. Beide zogen die fest umrissene Bestimmung des frühneuzeitlichen Patronageentwurfs (ein asymmetrischer, auf Dauerhaftigkeit wie Reziprozität beruhender und sozialnormativ verankerter Beziehungstypus) zum Abgleich heran und brachten Zweifel vor, dass dieser Beziehungstypus in der Moderne gleichfalls eine gesellschaftlich konstitutive Bedeutung besitze. Gleichwohl kamen ähnliche Erscheinungsformen, die durchaus wichtig für die Konstituierung und Stabilisierung von Beziehungsgefügen waren, auch dort vor 3 – hierbei wiesen die Organisation als Sozialformation und die Gesinnung als Sinnkontext eine hohe Bedeutung auf, die auch in mehreren Vorträgen aufschien. Zudem war auf der Tagung das gehäufte Auftreten symmetrischer und/oder durch einen Vermittler (‚broker‘) geknüpfter Relationen auffällig. Welche Formen personaler Verflechtung und des darin eingeschlossenen Tausches materieller wie immaterieller Ressourcen in welchen sozialen Zusammenhängen entstanden, wie sie funktionierten, welche sozialen Konstrukte (zum Beispiel Verwandtschaft) darin wirkten und wie sich ihre Bandbreite durch das Hinzukommen, Überlappen und Zurückgehen von Praktiken umbildete, muss intensiver und systematischer ergründet werden. Die Suche nach Ähnlichkeiten und Unterschieden sollte dabei nicht auf eine zu starke Kontrastierung von Früher Neuzeit und Moderne hinauslaufen, um einem (allzu) geradlinigen Modernisierungsnarrativ aus dem Wege zu gehen.

Konferenzübersicht:

Jens Ivo Engels (Darmstadt): Key Note

Panel I
Moderation: Jens Ivo Engels

Jürgen Schmiesing (Tübingen): Der Bischofsmacher – Kirchliche Personalpolitik im Bayern des ausgehenden 19. Jahrhunderts

Klaus Buchenau (Regensburg): Zwischen Glaube und Gewinn. Patronagebeziehungen in Serbien vor, im und nach dem Sozialismus

Panel II
Moderation: Hillard v. Thiessen (Rostock)

Frank Jacob (New York City): Geheimgesellschaften

Robert Bernsee (Heidelberg): Societäten und Verwaltung im 19. Jahrhundert

Panel III
Moderation: Annika Klein (Frankfurt am Main)

Volkhard Huth (Bensheim/Darmstadt): Genealogische Modernisierung. Verwandtschaftliche und wirtschaftliche Beziehungsgeflechte in Mannheim und im Pfälzer Raum

Volker Köhler (Darmstadt): Genosse Minister. Sozialdemokratische Politiker und Bittbriefe in der Weimarer Republik

Panel IV
Moderation: Morten Reitmayer (Trier)

Klemens Grube / Jan Körnert (beide Greifswald): Vettern, Günstlinge und Pastoren – Zur Rolle der Personalpolitik beim Zusammenbruch der kirchlichen Bausparkasse Devaheim

Christian Marx (Trier): Verflechtungsstrukturen. Funktionsmechanismen und Netzwerkpraktiken in der Deutschland AG im 20. Jahrhundert

Panel V
Moderation: Volkhard Huth

Antonin Dubois (Paris/Heidelberg): Akademische Verbindungen in Deutschland und Frankreich

Christian Ebhardt (Bremerhaven): Personale Netzwerke und der universitäre Wiederaufbau – Die Einrichtung schiffbautechnischer Lehrstühle in Hamburg und Hannover nach 1945

Abschlussdiskussion, Leitung: Birgit Emich

Anmerkungen:
1 Vgl. u.a. Barbara Stollberg-Rilinger, Die frühe Neuzeit – eine Epoche der Formalisierung?, in: Andreas Höfele / Jan-Dirk Müller / Wulf Oesterreicher (Hrsg.), Die Frühe Neuzeit. Revisionen einer Epoche, Berlin u.a. 2013.
2 Vgl. Frédéric Monier, La politique des plaintes. Clientélisme et demandes sociales dans le Vaucluse d’Edouard Daladier (1890-1940), Paris 2007.
3 Vgl. Frank Bajohr, Parvenüs und Profiteure. Korruption in der NS-Zeit, Frankfurt am Main 2001, S.17–62; Guido O. Kirner, Politik, Patronage und Gabentausch. Zur Archäologie vormoderner Sozialbeziehungen in der Politik moderner Gesellschaften, in: Berliner Debatte Intial 14 (2003), S. 168–183, bes. S. 173f.


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