Visuelle Kommunikation. Kontinuität und Wandel in der späten Republik und frühen Kaiserzeit in Rom und Mittelitalien

Visuelle Kommunikation. Kontinuität und Wandel in der späten Republik und frühen Kaiserzeit in Rom und Mittelitalien

Organisatoren
Deutsches Archäologisches Institut (DAI), Berlin
Ort
Berlin
Land
Deutschland
Vom - Bis
03.12.2015 - 04.12.2015
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Von
David Biedermann / Barbara Sielhorst, Deutsches Archäologisches Institut

Der zweitägige Workshop am DAI widmete sich der Bildsprache der späten römischen Republik und frühen Kaiserzeit in Rom und Mittelitalien. Rund dreißig Jahre nach den grundlegenden Werken von Paul Zanker und Tonio Hölscher 1 unternahm eine Gruppe von jungen Wissenschaftlern den Versuch, diesem Thema neues Leben einzuhauchen. Dies geschah unter der Prämisse, dass von Objekten aus dem Bereich der Kleinkunst (Münzen, Keramik) bis hin zur Erscheinung ganzer Städte alles als Bilder aufgefasst wurde, was visuell erfahrbar war und mittels seiner formalen Gestaltung, Ästhetik und Semantik eine bestimmte Wirkung auf den Betrachter entfaltete. Zu diesem Zweck wurde ganz bewusst eine Synthese der allzu oft getrennt voneinander praktizierten inhaltlich-semantischen und formal-ästhetischen Betrachtungsweise von Bildern angestrebt. Angeknüpft wurde dabei an aktuelle Forschungen zur Bildevidenz im Bereich der Kunstgeschichte, die dabei helfen sollten, das visuelle Potenzial von Bildern stärker als bisher bei ihrer Interpretation zu berücksichtigen. Aus diesem Grund hielt Friederike Wille (Freie Universität Berlin) als wissenschaftliche Koordinatorin der Kollegforschergruppe „BildEvidenz. Geschichte und Ästhetik“ einen Impulsvortrag, in dem sie die den Ansatz, die Ziele und die Vorgehensweise der Forschergruppe darlegte.

Ziel des Workshops war, das von Tonio Hölscher entwickelte und allseits bekannte semantische System an Hand verschiedenster Materialgruppen zu überprüfen, auszudifferenzieren und weiterzuentwickeln sowie diesen Ansatz mit dem der Bildevidenz zu kombinieren. Neben einem detaillierten Verständnis der Bildsprache einer bestimmten Region und Zeit wurde auch ein besseres Verständnis des Wirkungspotentials sowie der historisch angemessenen Interpretation von Bildern generell angestrebt. Zu diesem Zweck waren neben den Vortragenden auch ‚erfahrene‘ Experten wie Tonio und Fernande Hölscher (Heidelberg), Adolf. H. Borbein (Berlin) sowie Johanna Fabricius (Berlin) eingeladen worden, die die Diskussionen stimulierten und bereicherten.

Am Beginn der Veranstaltung erläuterte FRIEDERIKE WILLE (Berlin) in ihrem Impulsvortrag das Anliegen der Kollegforschergruppe „BildEvidenz“ vor dem Hintergrund unterschiedlicher Konzepte im Umgang mit Bildern. Innerhalb der Kunstgeschichte gab es bis vor kurzem zwei gegenläufige Tendenzen, die Bilder entweder als Zeichen für etwas oder als rein ästhetische Objekte mit überzeitlichen Qualitäten sahen. Das Ziel der Forschergruppe sei es, diese beiden Ansätze zu verbinden, um sowohl der genuin visuellen Präsenz von Bildern als auch ihrem referenziellen Bezug zum jeweiligen historischen Kontext gerecht zu werden. Frau Wille erläuterte dies an Hand eines theoretischen Teils zur Geschichte des Begriffes der „Evidenz“ und eines konkreten Beispiels, nämlich der von Giotto gemalten Fresken in der Arenakapelle in Padua. Der zweite Teil des Vortrages vermittelte dabei auf besonders anschauliche Art und Weise, dass sich die Bildevidenz nicht im bloßen Addieren einzelner Elemente erschöpft, sondern gerade die medienspezifischen Qualitäten (formale Umsetzung, Komposition, Struktur etc.) für einen Mehrwert sorgen, der nur medial erfahr- und erfassbar wird. Es folgte eine Diskussion zum methodischen Potential dieses Ansatzes, bevor mit den thematischen Vorträgen des Workshops begonnen wurde.

In der ersten Sektion zu Bildern der öffentlichen Repräsentation wurden mit Triumphbildern, Porträtstatuen und Grabreliefs drei verschiedene Gattungen präsentiert. Der Vortrag zu den Triumphbildern von SVEN SCHIPPOREIT (Wien) zeigte, dass in den Schriftquellen stets ein ‚idealer‘ Triumph beschrieben wird, während die erhaltenen bildlichen Darstellungen (Münzbilder, Architekturfriese, Reliefs, Grabfresken) eine additive Aufzählung bieten. Die auf eine Bildebene begrenzte Darstellung wird so zu einem in die Länge gezogenen Moment eines in der Realität ephemeren Ereignisses. Der Vortrag von BARBARA SIELHORST (Berlin) stellte eine Gruppe von acht Statuen in den Mittelpunkt der Betrachtung, die sich durch vollkommen nackte Körper in Kombination mit einem veristischen Porträts auszeichnen. In ihrem Vortrag versuchte sie herauszuarbeiten, dass dieser für den modernen Betrachter zunächst irritierende Anblick mit Hilfe der Bildevidenz verständlich gemacht werden kann. Die modernen Sehgewohnheiten würden eine bildliche Kohärenz einfordern, die jedoch in der Entstehungszeit der Werke keinesfalls als gegeben vorausgesetzt werden können. Am Beispiel einer Statue aus Formia arbeitete sie heraus, dass das „additive Sehen“ 2 den antiken Betrachter dazu in die Lage versetzte, eine so komplexe Botschaft wie die der Statue und ihres Kontextes selbstständig zusammenfügen und verstehen zu können. Durch die Formgebung des Objektes wurden scheinbar in einem Widerspruch zueinander stehende Bedeutungschiffren zu einem aussagefähigen Ganzen. Einen Einblick in die Repräsentation am Grab gewährte darauf der Vortrag von CHRISTIANE NOWAK-LIPPS (Berlin). Sie zeigte an Hand eines systematischen Überblicks zu den Grabdenkmälern Hirpiniens die Bandbreite der Grabformen und der bildlichen Darstellungen auf. Es zeigte sich, dass die Gründe für regionale Besonderheiten (z. B. die Darstellung in Form einer Halbfigur) auf die vermittelnde Rolle der Region zwischen Rom und dem griechisch beeinflussten Osten zu suchen sind. Im Bild am Grab war in Hirpinien offenbar die Nähe zur dargestellten Person von Bedeutung.

In der zweiten Sektion zur Bildsprache im ‚privaten‘ Bereich wurden mit der Wandmalerei und der Arretinischen Reliefkeramik zwei Gattungen näher betrachtet, die bisher noch nicht in das semantische System von Tonio Hölscher eingeordnet worden sind. THOMAS LAPPI (Berlin) gab in seinem Beitrag einen Überblick zur Verbreitung der Wandmalerei des 1. Stils im gesamten Mittelmeerraum. Beispiele aus den mittelitalischen Städten Pompeji, Fregellae, Cosa und Formia vermittelten einen Eindruck von der reliefhaften Struktur und seinem Farbreichtum. Der 1. Stil war demnach Teil der luxuria privata und kann als eine Wohlstandschiffre gelesen werden, mit dessen Hilfe man sich in Mittelitalien einer gehobenen bürgerlichen Klasse zuordnete. Im Anschluss daran beleuchtete MANUEL FLECKER (Tübingen) in seiner Studie die Übergangszeit von der späten Republik zur frühen Kaiserzeit an Hand der Erzählweise von Mythendarstellungen auf Arretinischer Reliefkeramik. An Hand dieser konnte er zeigen, dass die Themen in ihrer Vielfalt reduziert und in ihrer Darstellung vereinfacht wurden. Die Abnahme der narrativen Dichte und die Hinwendung zur emblematischen Darstellungsweise sind somit schon in der späten Republik nachweisbar und nicht, wie oftmals angenommen, erst mit dem Beginn der augusteischen Zeit.

Am zweiten Tag des Workshops referierte DAVID BIEDERMANN (Berlin) in der numismatischen Sektion zu Münzbildnissen und Bildnisangleichungen in der späten Republik. An Hand der unterschiedlichen Darstellungen des bärtigen Octavians konnte er beispielsweise eine große und offenbar bewusste Vielfalt in der Bedeutung der Bärtigkeit herausarbeiten. Bildnisangleichungen wurden in jener Zeit sowohl als Anspielungen auf Vorfahren oder bereits Verstorbene als auch als Verweis an noch lebende Personen genutzt. Außerdem wurden veristische Porträts auf Münzen auch unter Augustus weiterhin fortgesetzt, so dass z.B. Vespasian später problemlos daran anknüpfen konnte.

Die vierte Sektion widmete sich dem Stadtbild Roms zur Zeit Sullas und Caesars. Zunächst gab GABRIELE SCRIBA (Rom) einen Überblick zu den städtebaulichen Maßnahmen in sullanischer Zeit. Dieser machte deutlich, dass deren Schwerpunkt unter Sulla erstmals im politischen Zentrums Roms (Forum, Kapitol) lag. Diese Phase unterscheidet sich somit deutlich von der des 2. Jahrhundert v. Chr., in der der Konkurrenzkampf unter anderem auf dem Marsfeld seinen architektonischen Niederschlag fand. Unter Sulla stand diese Konkurrenz quasi still, so dass Augustus mit seiner Baupolitik später daran anknüpfen konnte. JON ALBERS (Bonn) setzte mit seinem Beitrag zu den Bauten Caesars die Analyse des Stadtraumes von Rom fort. Er erläuterte, wie sich Caesar z. B. beim Bau des Forum Iulium an bereits vorhandene Komplexe wie den des Pompeius Theaters anlehnte, aber zugleich durch seine Aktivitäten an zahlreichen anderen Orten erstmals eine Art städtebaulichen Gesamtplan verfolgte. Er unterteilte die Baupolitik Caesars in drei Phasen, wobei er zeigte, in wie vielen Fällen Augustus später als Vollender auftreten konnte.

In seinem abschließenden Resümee nahm RALF VON DEN HOFF (Albert-Ludwigs-Universität Freiburg) zunächst Bezug auf die grundsätzliche Frage nach der Koppelung zwischen Evidenz und Bedeutung. Um dem Ansatz des Workshops gerecht zu werden, schlug er daher vor, besser von visuellen Systemen als von Semantik zu sprechen. Im Rückblick auf die verschiedenen Vorträge benannte er zusammenfassend die Aspekte der Additivität und der Emblematik, die von gesellschaftlichen Phänomenen wie der Luxuskonkurrenz und der Baukonkurrenz begleitet werden. Es sei außerdem feststellbar, dass der viel beschworene Wandel der Bildsprache bereits vor Augustus begonnen habe. Die Geschwindigkeit dieses Wandels variiere dabei von Medium zu Medium. Um den Umgang mit dem Evidenzbegriff konkreter werden zu lassen, riet er dazu, das, was man sieht auch ernst zu nehmen. Als Hilfestellung formulierte er dazu folgende Leitfragen, die man sich bei der Auseinandersetzung mit dem Material stellen sollte: Was wird dargestellt? Wie wird es dargestellt? Wie wird Präsenz erzeugt? Warum werden Bilder komplizierter oder einfacher?

Am Ende des zweitägigen Workshops waren sich alle Vortragenden einig, dass sie dem Wandel der Bildsprache in der späten Republik und frühen Kaiserzeit weiter nachgehen wollen. Dies soll unter verstärkter Berücksichtigung der visuellen Präsenz der Objekte geschehen. Man verständigte sich darauf, im Anschluss an den Workshop einen gemeinsamen Artikel zu verfassen, der eine Synthese der vorgestellten Themen und Erkenntnisse liefert und in dem jeder Vortragende das Potential visueller Effekte in Bezug auf seine Objekte ausschöpft und prägnant darlegt. Außerdem soll in nicht allzu langer Zeit ein weiteres Treffen stattfinden.

Konferenzübersicht:

David Biedermann und Barbara Sielhorst (DAI Berlin): Begrüßung und Einführung

Friederike Wille (Freie Universität Berlin, Kollegforschergruppe „BildEvidenz. Geschichte und Ästhetik“): Bildevidenzen – Methodisches aus der Kunstgeschichte (Impulsvortrag)

Sektion „Zwischen Konkurrenz und Angleichung: Bilder öffentlicher Repräsentation“

Sven Schipporeit (Universität Wien): Zur Struktur triumphaler Bilder in der späten Republik und frühen Kaiserzeit

Barbara Sielhorst (DAI Berlin): Das hellenistische statuarische Idealporträt in Rom und Mittelitalien: Rezeption, Funktion und Bedeutung

Christiane Nowak-Lipps (Freie Universität Berlin): Bilderwelten in funerären Kontexten Hirpiniens

Sektion „Raum für Individualität? – Zum Wandel der Bildsprache im ‚privaten‘ Bereich“

Thomas Lappi (Freie Universität Berlin): Spätrepublikanische Wanddekorationen des Ersten Stils in Mittelitalien und deren überregionale Kontexte

Manuel Flecker (Eberhard Karls Universität Tübingen): Bildlichkeit und Mythenerzählung zwischen später Republik und früher Kaiserzeit. Das Fallbeispiel der Arretinischen Reliefkeramik

Sektion „An den Grenzen der Kommunikation: Die vielfältige Bildsprache der Münzen“

David Biedermann (DAI Berlin): Bildsprache römischer Münzporträts zwischen später Republik und früher Kaiserzeit

Sektion „Politisierung oder Ästhetisierung? – Zum Kommunikationspotential republikanischer Architektur“

Gabriele Scriba (DAI Rom): Die sogenannte sullanische Baupolitik zwischen Konkurrenz und Konsens

Jon Albers (Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn): Caesar baut für Rom. Zum Baukonzept des augusteischen Rom

Ralf von den Hoff (Albert-Ludwigs-Universität Freiburg): Resümee

Anmerkungen:
1 Paul Zanker, Augustus und die Macht der Bilder, München 1987; Tonio Hölscher, Römische Bildsprache als semantisches System, Abhandlungen der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Heidelberg 1987.
2 Der Begriff des „additiven Sehens“ geht zurück auf die Ausführungen von Ernst Gombrich und Erwin Panofsky, die darlegen, dass man in der Antike von einem additiven „Aggregatraum“ im Gegensatz zum modernen „Systemraum“ ausgehen müsse. Vgl. Ernst Gombrich: Die Raumwahrnehmung in der abendländischen Kunst“, in: Ders.: Das forschende Auge. Kunstbetrachtung und Naturwahrnehmung, Frankfurt am Main 1994, S. 69-92. Erwin Panofsky: Die Perspektive als symbolische Form, in: Vorträge der Bibliothek Warburg, 1924-1925, Leipzig 1927, S. 158-131.


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