Antikenrezeption in der Science-Fiction-Literatur

Antikenrezeption in der Science-Fiction-Literatur

Organisatoren
Michael Kleu, Historisches Institut, Universität zu Köln
Ort
Köln
Land
Deutschland
Vom - Bis
09.05.2015 -
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Von
Michael Kleu, Historisches Institut, Universität zu Köln

Die Erforschung der Antikenrezeption in der Science-Fiction erfreut sich in letzter Zeit zwar einer größeren Beliebtheit1, befindet sich aber angesichts der bloßen Menge des zur Verfügung stehenden Materials immer noch in den Kinderschuhen. Das Ziel der Kölner Tagung war es daher, das vergleichsweise junge Forschungsfeld weiter voranzubringen, wobei der thematische Schwerpunkt auf die Antikenrezeption in der Science-Fiction-Literatur gelegt wurde.

Nach einer kurzen Begrüßung leitete Frank Weinreich (Bochum) mit seinem Vortrag „Platons Raumschiff“ die Veranstaltung ein, indem er das Verhältnis der Antike zur Science-Fiction beleuchtete. Angesichts der Schwierigkeit der unterschiedlichen Forschungsrichtungen, eine allgemeingültige Definition von Science-Fiction zu finden, schlug Weinreich die folgende Definition für seine weiteren Überlegungen vor: „Science-Fiction sind phantastische Geschichten, deren irreale Anteile dem wissenschaftlichen Erkenntnisstand der Autorinnen und Autoren nicht widersprechen.“ Aufgrund der mit dieser Definition verbundenen Wissenschaftlichkeit zählte Weinreich die entsprechende Literatur ab etwa 1800 zur Science-Fiction und stufte frühere Erzählungen bestenfalls als Proto-Science-Fiction ein. Die in zahlreichen Werken zutage tretende Verbindung zwischen Antike und Science-Fiction erklärte er damit, dass das Wesen des Menschen sich im Wesentlichen nicht verändert habe und daher gewisse grundlegende Bedürfnisse des Menschen als zeitlos einzustufen seien, was dazu geführt habe, dass viele in antiken Schriften thematisierte Gedanken noch heute eine große Anziehungskraft besäßen. Abschließend wies Weinreich noch auf einen möglichen Unterschied zwischen antiker Überlieferung und Science Fiction hin: Während sich die Gedankenwelt der Antike primär mit Vergangenheit und Gegenwart und damit verbunden mit Stillstand oder sogar Degeneration beschäftigt habe, sei die Science-Fiction eher von Veränderungs-, Entwicklungs- und Fortschrittgedanken geprägt.

Im zweiten Vortrag beschäftigte sich Christian Weigel (Bonn) mit dem Thema „Starship Troopers zwischen Kaltem Krieg und Utopie nach antiken Vorbildern“. Nachdem Weigel die Entstehungsgeschichte von „Starship Troopers“ nachgezeichnet hatte, ordnete er diese in die Biographie Robert A. Heinleins ein, der sich vor der Niederschrift des Werkes von einem linksliberalen Demokraten mit sozialistischen Anklängen zu einem rechtskonservativen Republikaner gewandelt hatte. Bezüglich der Handlung von „Starship Troopers“ wies Weigel darauf hin, dass der Protagonist Johnny Rico in seinen Monologen wiederholt auf Exempla aus der griechischen und römischen Geschichte zurückgreife, was jedoch zu keiner vertieften Auseinandersetzung mit diesen Exempla führe. Weitere Verweise auf die Antike erfolgen über den Unterricht im Schulfach „History & Moral Philosophy“, das Heinlein nutze, um dem Lehrer seine eigenen politischen Überzeugungen in den Mund zu legen. Parallelen zur Antike zeigen sich laut Weigel besonders im Bürgerstatus und im Wahlrecht, wie Vergleiche der diesbezüglichen Darstellung Heinleins mit den jeweiligen Systemen in Athen, Sparta, dem Achaiichen Bund und Rom zeigen, wobei diese Parallelen jedoch nicht zwingend belegen, dass sich der Autor direkt von der Antike beeinflussen ließ. Letztlich sei die Antikenrezeption in „Starship Troopers“ eher vom Austausch eines gemeinsamen Bildungshorizonts mit der Leserschaft als von tiefgreifenden inhaltlichen Auseinandersetzungen mit dem Altertum geprägt.

Im nächsten Beitrag erläuterte David Engels (Brüssel) die Zusammenhänge zwischen Oswald Spenglers „Untergang des Abendlandes“ und H.P. Lovecrafts „Berge des Wahnsinns“, wobei er zunächst darlegte, weshalb die Werke Lovecrafts als Science-Fiction zu betrachten seien, obwohl man seinen Namen gewöhnlich eher mit Schauer-Romanen in Verbindung bringe. Es folgte eine kurze Einführung in die wesentlichen Merkmale der Geschichtsphilosophie Spenglers, bevor Verweise auf Briefe Lovecrafts dessen tiefe Beeinflussung durch Spenglers Gedanken verdeutlichten. In „Berge des Wahnsinns“ orientiere sich die Geschichte der „Alten Wesen“, einer außerirdischen Rasse, die vor Urzeiten die Erde kolonisiert hatte, an den Entwicklungsstufen antiker Kulturen, während die Entschlüsselung der Geschichte dieser „Alten Wesen“ deutlich durch altertumswissenschaftliche Stereotype des 19. und 20. Jahrhunderts geprägt seien. Gewisse Abweichungen von Spenglers Gedankenwelt ergeben sich laut Engels dadurch, dass Lovecraft diese mit rassistischen sowie sozialdarwinistischen Überzeugungen vermischt habe, was sich etwa an der jeweiligen Bewertung spätantiker Kunst zeige.

Im folgenden Vortrag behandelte Simon Lentzsch (Köln) die Antikenrezeption in Tad Williams „Otherland“ und konzentrierte sich dabei auf drei Aspekte dieser Rezeption. Zunächst zeigte sich, dass einige der virtuellen Welten, die in ihrer Gesamtheit das namensgebende Otherland-Netzwerk bilden, an antike Szenarien angelehnt sind, wobei Lentzsch den Schwerpunkt seiner Untersuchung auf ein virtuelles Szenario legte, dass der homerischen Welt entspricht. Eine zweite Ebene der Antikenrezeption ergibt sich laut Lentzsch dadurch, dass die Protagonisten der Erzählung in diesen virtuellen Welten in die Rollen historischer und mythischer Figuren schlüpfen. Eine dritte Ebene erkannte Lentzsch in dem Umstand, dass die Protagonisten aufgrund ihrer persönlichen Kenntnisse der Alten Geschichte und der Mythologie entscheiden müssen, wie sie sich als eine bestimmte berühmte Persönlichkeit im jeweiligen Setting zu verhalten haben. Letzteres konfrontiere die Charaktere wiederholt mit der Frage, weshalb sie sich eigentlich nicht besser mit Alter Geschichte und Mythologie auskennen, was laut Lentzsch zur Folge haben könnte, dass durch die Lektüre von „Otherland“ auch die Leserschaft angeregt werden könnte, ihren eigenen Wissensstand über diese Themengebiete zu reflektieren.

Christian Urs Wohlthat (Hagen) thematisierte Barbarentopiken als Immersionsangebote am Beispiel der Eldar aus dem Warhammer 40,000-Universum, wobei seine Hauptthese darin bestand, dass sich die Darstellung des uralten Volks der Eldar an der griechisch-römischen Ägyptenrezeption orientiere. Um diese These zu belegen, verglich er aktuelle Publikationen zu den Eldar wie Regelwerke, Romane und Spiele mit Plutarchs mythologisch-theologischem Traktat „De Iside et Osiride“, um im Anschluss das Eldar-Narrativ mit der seid Herodot bestehenden älteren Barbarentopik in Verbindung zu bringen. Letztlich kam Wohlthat zu dem Schluss, dass es die Rolle dieser an der griechisch-römischen Ägyptenrezeption angelehnten Eldar sei, den Rezipientinnen und Rezipienten aufgrund des hohen Alters ihrer Zivilisation die Möglichkeit zu einem vertieften Eintauchen in das Warhammer 40k-Universum zu bieten.

Zum Abschluss der Tagung beschäftigte sich Michael Kleu (Köln) mit der Antikenrezeption in den Werken Isaac Asimovs. Da sich die Antikenrezeption bei Asimov, der selbst mehrere populärwissenschaftliche Bücher zur Alten Geschichte verfasst hat, als recht umfangreich erwies, konzentrierte sich Kleu auf zwei Kurzgeschichten, die ihm besonders prägnant erschienen. Während aus einem Frühwerk Asimovs (C-Chute, 1951) Rückschlüsse auf eine nähere Beschäftigung mit dem hellenistischen König Demetrios Poliorketes gezogen wurden, zeigte sich anhand einer anderen Kurzgeschichte (The Dead Past, 1956), dass Asimov ein großer Bewunderer Karthagos und im Besonderen Hannibals war, dessen Niederlage bei Zama er nach eigener Aussage nie überwunden hatte. Gerade die letztgenannte Kurzgeschichte sei hinsichtlich der Antikenrezeption von besonderem Interesse, da Asimov hier die Abhängigkeit der Altertumswissenschaft von der griechisch-römischen Perspektive der überlieferten Quellen zu einem zentralen Thema gemacht habe.

In Verbindung mit den lebhaften Diskussionen zeigten die Vorträge, dass die Antikenrezeption in der Science Fiction ein äußerst lohnenswertes Forschungsfeld darstellt, dass längst noch nicht erschöpft ist und noch zahlreiche weitere Untersuchungsmöglichkeiten bietet.

Konferenzübersicht:

Frank Weinreich (Bochum): Platons Raumschiff

Christian Weigel (Bonn): Starship Troopers zwischen Kaltem Krieg und Utopie nach antiken Vorbildern

David Engels (Brüssel): Lovecraft, Oswald Spengler und die Berge des Wahnsinns

Simon Lentzsch (Köln): Antikenrezeption in Tad Williams „Otherland“

Christian Urs Wohlthat (Hagen): Das „Imperium of Man“ und die „Xenos“

Michael Kleu (Köln): Antikenrezeption in den Werken Isaac Asimovs

Anmerkung:
1 Vgl. diesbezüglich etwa den kürzlich erschienenen und sehr empfehlenswerten Sammelband von Brett M. Rogers und Benjamin Eldon Stevens: Classical traditions in science fiction, Oxford / New York 2015.


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