Museum und Geschichtskultur

Museum und Geschichtskultur

Organisatoren
Historisches Seminar der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel; Historiker in der Praxis (HIP); Kieler Stadtarchiv und Stadtmuseen; Gesellschaft für Kieler Stadtgeschichte e.V.; Institut für schleswig-holsteinische Zeit- und Regionalgeschichte (IZRG); Fritz Thyssen Stiftung; Landesarchiv Schleswig-Holstein
Ort
Kiel / Schleswig
Land
Deutschland
Vom - Bis
25.11.2004 - 27.11.2004
Url der Konferenzwebsite
Von
Katja Köhr und Swen Steinberg, Dresden

Vom 25. bis 27. November 2004 fand in Kiel und Schleswig die Tagung "Museum und Geschichtskultur" statt. Die Veranstaltung wurde vom Historischen Seminar der Christian-Albrechts-Universität Kiel und von Historiker in der Praxis (HIP) organisiert und fand in Kooperation mit dem Stadtarchiv und dem Stadtmuseum Kiel, der Gesellschaft Kieler Stadtgeschichte e.V., dem Institut für schleswig-holsteinische Zeit- und Regionalgeschichte (IZRG), der Fritz-Thyssen-Stiftung sowie dem Landesarchiv Schleswig-Holstein statt.

Den Auftakt bildete die Eröffnungsveranstaltung am 25. November 2004 im Kieler Stadtmuseum "Warleberger Hof". Nach der Begrüßung durch die Leiterin des Stadtmuseums eröffnete Karl Heinrich Pohl, Kiel die Tagung mit einem Dank an die Sponsoren und betonte zugleich die Bedeutung des Tagungsthemas für den öffentlichen Diskurs. Dem schloss sich der Eröffnungsvortrag zum Thema "Geschichtslernen an Kunstwerken? Zur geschichtsdidaktischen Erschließung von Kunstmuseen" von Bodo von Borries, Hamburg an. Borries verdeutlichte an verschiedenen Beispielen das Interpretationspotenzial von Bildern für das Verständnis von Geschichte und regte an, Modelle der Geschichtsdidaktik für die Analyse von Kunstwerken heranzuziehen. Borries plädierte nachdrücklich für eine geschichtsdidaktische Nutzung von Kunstmuseen.

Die Tagung, welche dann am 26. und 27. November 2004 im Landesarchiv Schleswig-Holstein in Schleswig fortgesetzt wurde, orientierte sich mit ihrem Programm und der Einteilung der Sektionen - Ästhetik, Politik und Wissenschaft - an den drei von Jörn Rüsen beschriebenen Dimensionen von Geschichtskultur.

Wolfgang Hasberg, Köln eröffnete am 26. November 2004 den inhaltlichen Teil der Tagung mit einem grundlegenden Referat zum Thema "Erinnerungs- oder Geschichtskultur? Überlegungen zu zwei (un-)vereinbaren Konzepten im Umgang mit Geschichte?". Hasberg setzte sich zuerst mit der Konzeption der Begriffe Erinnerung und Gedächtnis auseinander, wobei er die Ansätze von Maurice Halbwachs sowie Aleida und Jan Assmann hinterfragte. Im Anschluss unterzog er das Geschichtskultur-Modell von Jörn Rüsen einer Kritik. Im Gegensatz zum Rüsenschen Ansatz maß Hasberg dem Geschichtsbewusstsein ein besonderes Gewicht bei. Dieses sei ein mentaler Prozess, der sich in zwei Bereich aufteile: Eine innere Seite historischen Lernens, die sich von der äußeren Seite, der Geschichtskultur, unterscheide. Hasberg forderte dazu auf, beide Seiten historischen Lernens in den Diskurs mit einzubringen. Abschließend betonte er, dass die von pragmatischen und ästhetischen Ansätzen determinierte Geschichtskultur zwar weiterhin eine zentrale Größe ausmache. Geschichtskultur stelle jedoch gleichzeitig den Weg zur stark rational ausgerichteten Erinnerungskultur dar.

Die erste Sektion "Ästhetik" wurde durch den Vortrag "Zum Umgang mit den Dingwelten in der aktuellen Ausstellungspraxis" von Annemarie Hürlimann, Berlin eröffnet. Ausgehend von der Frage, wie man Dingen ihr sinnlich narratives Potential entlocken kann, stellte Hürlimann drei entscheidende Punkte fest: a) den Unterschied zwischen Ausstellungs- und Alltagsdingen, b) die Präsentationsart und c) die Verantwortung des Museums gegenüber der Öffentlichkeit. Insbesondere das "Dingarrangement" - der Zusammenhang von Thema, Ding, Text und Inszenierung - spiele für die Wirkung einer Ausstellung eine wesentliche Rolle. Dabei müssen sich Komplexität und Popularität nicht ausschließen. Abschließend betonte sie die große Bedeutung des Verhältnisses von Ausstellung und Öffentlichkeit. Sie plädierte für eine sinnliche Wissensvermittlung und eine aktive Vermittlungsarbeit und kritisierte die immer stärkere marktwirtschaftliche Ausrichtung von Ausstellungen, die in einigen Fällen dazu führt, dass oberflächliche Wirkungen ein stärkeres Gewicht bekommen als konzeptionelle und gestalterische Dichte und Tiefe. Ulla M. Nitsch, Bremen referierte anschließend zum Thema "Darf man sich in einer Ausstellung zum Nationalsozialismus wohl fühlen? NS-Geschichte im Schulmuseum" über ihre Erfahrungen im Zusammenhang mit der Ausstellung "Am Roland hängt ein Hakenkreuz" zu Kindheit und Jugend in Bremen 1933-1945. Die Ausstellung, welche auf eine Sammlung zu Kindheit- und Jugend in der NS-Zeit zurückgeht, wurde 2002 und 2004 in Bremen gezeigt und erfreute sich eines großen Zuspruchs von Besuchern aller Altersgruppen. Mit der Ausstellung von lebensweltlichen Exponaten sowie der Einbindung von Zeitzeugen sollte ein Zugang zur nationalsozialistischen Alltagswelt von Kindern und Jugendlichen ermöglicht und zudem der Bedeutungslosigkeit des Nationalsozialismus im kollektiven Gedächtnis der Stadt Bremen begegnet werden. Insbesondere die Kommunikation zwischen den Generationen, welche durch die offene Präsentationsform befördert werden sollte, fand laut Nitsch erfreulicherweise statt: Älteren Besuchern wurde mit der Ausstellung die Möglichkeit zur Erinnerung, jüngeren Besuchern zum Fragen gegeben. Dem folgte der Vortrag von Manfred Treml, München zum Thema "Museen moderner Kunst zwischen Kunstautonomie und Historizität. Überlegungen zum Quellenwert der deutschen Malerei nach 1945 für den Historiker." Treml formulierte die Thesen, dass moderne Kunst vom visuellen Lernen in seiner ästhetischen, kommunikativen, emphatischen und kognitiven Dimension nicht ausgeschlossen ist und dass das Bild als historisches Dokument einen hohen Stellenwert einnimmt. Es bleibe jedoch weitgehend unbeachtet oder werde zudem marginalisiert. Mit verschiedenen Bildbeispielen untermauerte Treml seine These, dass auch die moderne Kunst ein immenses Potential für die Geschichtswissenschaft und das historische Lernen biete. Detlef Hoffmann, Oldenburg ging in seinem die erste Sektion abschließenden Vortrag auf die "Die inhaltlichen Folgen der Präsentation von historischen Ausstellungen" ein und verdeutlichte u.a. am Beispiel des "In Flandern Fields" Museum, Ypern den engen Zusammenhang von Präsentation und Interpretation. Darüber hinaus verdeutlichte er am Beispiel des Museo di Castelvecchio, Verona anschaulich das Zusammenspiel von Architektur und Konzeption eines Museums.

Die Sektion "Politik" wurde durch den Vortrag von Bernd Holtwick, Stuttgart zum Thema "Nagelprobe ‚Frieden'. Zur Musealisierung einer nachwirkenden politischen Kontroverse am Beispiel der Ausstellung ‚Baden-Württemberg und der NATO-Doppelbeschluss' im Haus der Geschichte Baden-Württemberg" eröffnet. Neben den zentralen Anforderungen an die Ausstellung, etwa der Verlängerung der Thematik "Frieden schaffen" in die Gegenwart oder der Darstellung der baden-württembergischen Landesgeschichte innerhalb der globalen Entwicklung, betonte der Referent die Abwesenheit von Einflussnahme seitens der Politik. Holtwick führte zudem als Erweiterung der Rüsenschen Kategorien eine vierte Dimension von Geschichtskultur ein: Die der Ökonomie. Er betonte, dass die öffentliche Abnahmebereitschaft des Angebotenen bereits im Planungs- und Konzeptionsprozess eine wesentliche Rolle spiele und durch keine der Kategorien Rüsens einbezogen werde. Dem folgte der Vortrag von Ulrike Jureit, Hamburg über "Generationenprojekte? Die beiden Ausstellungen über die Verbrechen der Wehrmacht." Jureit skizzierte zunächst die Geschichte der Ausstellungen. Ferner erläuterte sie die zentrale Problematik der Ausstellung, welche in den hauptsächlich verwendeten Quellen, den Fotos, lag. Letztlich konnten die Fotos, die ohnehin in der Geschichtswissenschaft eine kritische Quellengattung darstellen, den eigentlichen Nachweis der beabsichtigten Aussage nicht liefern. Ein Zugang wurde erst durch zusätzliche Textquellen möglich. Dass die erste Wehrmachtsausstellung auf eine so große Resonanz stieß, die zweite hingegen ohne eine breite Debatte rezipiert wurde, führte Jureit darauf zurück, dass die zweite Ausstellung durch eine neue Sachlichkeit und die stärkere Orientierung am wissenschaftlichen Diskurs gekennzeichnet war und somit weniger Konfliktstoff enthielt. Das angeführte Erklärungsmodell des "Generationenbruchs" greife hier zu kurz. Fritz Backhaus, Frankfurt referierte im Anschluss zum Thema "Deutsch-jüdische Geschichte im Museum - Ein geschichtspolitisches Happy-End?", wobei er in erster Linie auf die Entwicklung jüdischer Museen in Deutschland Bezug nahm. Die bereits vor 1933 durch jüdische Gemeinden getragenen Museen waren auf Judaica spezialisiert und erreichten hauptsächlich ein jüdisches Publikum. Sie hatten vor allem eine Selbstvergewisserungsfunktion und zielten auf die Bekämpfung von Vorurteilen. Erst in den 1980er Jahren wurden in Deutschland, vornehmlich von Nicht-Juden, wieder jüdische Museen gegründet. Diese wurden zumeist aus öffentlichen Geldern finanziert, befanden sich in Städten mit (ehemals) großen jüdischen Gemeinden und zudem oft an authentischen Orten. In ihren Konzeptionen sahen sich die Museen vor die Herausforderung gestellt, jüdische Geschichte nicht als objektivierte Opfergeschichte, sondern als Geschichte handelnder Akteure zu rekonstruieren. In diesem Zusammenhang erläuterte Backhaus abschließend die großen Kontroversen um die Museen in Frankfurt und Berlin, wobei sich in Bezug auf eigenständige Gründungen besonders Aspekte wie Integration und "Ghettoisierung" entgegenstanden. Ferner seien jüdische Museen in Deutschland, auch wenn es nicht deren Selbstverständnis entspreche, gleichsam Holocaustmuseen. Im letzten Vortrag der Sektion zum Thema "Aufklärung, Identifikation oder Repräsentation? Politische Motive zur Errichtung von Museen zur deutschen Landes- und Nationalgeschichte - und wieweit man ihnen folgen darf" präsentierte Uwe Danker, Flensburg die vorläufigen Ergebnisse einer Betrachtung der Thematik. Er untersuchte hierzu die politischen Motive der Bestrebungen zur Errichtung eines Hauses der Geschichte Schleswig-Holsteins unter der vergleichenden Perspektive der Gründungen des Hauses der Geschichte Bonn und des Deutschen Historischen Museums Berlin. Nach der Formulierung möglicher politischer Motive - etwa Identifikation, Traditionsstiftung oder Konsensversicherung - konstruierte Danker ein grundlegendes Gegensatzpaar: Politik und Wissenschaft. In seiner Untersuchung kam er jedoch zu dem Schluss, dass der Gegensatz zwischen beiden bei weitem nicht so groß sei, wie angenommen. Die Politik stelle zwar stets im Vorfeld Anforderungen, hingegen sei Geschichtswissenschaft aber nicht politikfrei und erhalte - etwa in Fachgremien - Gestaltungsmacht. Abschließend formulierte er Bedenken gegenüber einem unbedingten demokratischen Ausgleich, der jeder Museumsgründung voraus gehe und möglicherweise zu einer Kritikunmöglichkeit führe.

Die abschließende Sektion "Wissenschaft" am 27. November 2004 wurde durch Gisela Weiß, Münster und dem Vortrag "Wir wollen nicht mehr den Standpunkt des Historikers - zum spannungsvollen Verhältnis von Museumsdisziplin und Geschichtswissenschaft im 19. und 20. Jahrhundert" eröffnet. Weiß teilte ihre historische Betrachtung in drei Phasen ein, welche durch das gewandelte Verhältnis von Kunst und Wissenschaft gekennzeichnet sind. Während in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts die Entwicklung der Museen parallel zur Etablierung und Professionalisierung der Geschichtswissenschaft - und unter deren Einbindung - verlief, kristallisierten sich bis zum Ende des Jahrhunderts bereits erste Widersprüche heraus. So standen sich beispielsweise unterschiedliche Ansätze - zwischen chronologischen Ansätzen der Geschichtswissenschaft und ersten diachronen Ansätzen neu gegründeter Museen wie dem Germanischen Nationalmuseum Nürnberg - gegenüber. Ferner nahm mit der Jahrhundertwende die Kunst einen größeren Stellenwert ein, die sich vor allem am Durchbruch der modernen Kunst deutlich zeigte. Fortan stand die Ästhetik der Kunst und weniger die Erkenntnis des Historikers im Vordergrund. Erst seit den 1970er Jahren erfuhr dies einen erneuten Wandel, welcher zu einer stärkeren Nachfrage des Standpunktes der Historiker führte. Dies hing eng mit dem Wandel der Geschichtswissenschaft selbst zusammen, deren neue Interessen - etwa das der Kulturgeschichte an dinglichen Quellen - mit denen der musealen Darstellung zusammengingen. Weiß schloss ihren Vortrag mit einem Appell an die Verbesserung der Ausbildung von Studenten im musealen Bereich. Insbesondere interdisziplinäre Ansätze, Methodenvielfalt und ein größeres Gewicht auf Didaktik seien dringend notwendig. Den anschließenden Vortrag zum Thema "Museumskonzeptionen und Geschichtskultur im 19. Jahrhundert - Formen museal repräsentierten Geschichtsbewusstseins in Deutschland" wurde von Olaf Hartung, Kiel gehalten. Hartung stellte die Konzeption von vier im 19. Jahrhundert gegründeten Museen vergleichend vor, um an ihnen Praktiken und Veränderungen musealer Präsentation zu verdeutlichen. Während die Glyptothek München mit ihrem chronologischen Aufbau und dem aufklärenden Ansatz ein klassisches Kunstmuseum darstellte, zeigte sich beim Germanischen Nationalmuseum Nürnberg bereits eine neue Form, das (thematisch) universelle Museum. Das Hauptgewicht lag hierbei auf der chronologischen Darstellung der Entwicklung sozialer und gesellschaftlicher Umstände der deutschen Kulturgeschichte und ihrer Historisierung. Eine weitere Form musealer Präsentation machte Hartung im Museum für Volkstrachten und Erzeugnisse des Hausgebrauches Berlin aus, dessen Konzeption nicht nach Epochen, sondern nach Themen geordnet war und einen Bruch mit der klassischen Längsschnittreihe darstellte. Besonderes Gewicht lag auf der Darstellung von Entwicklung und Wandel. Als letztes Beispiel führte Hartung das Deutsche Museum München ins Feld, welches - basierend auf einem evolutionär-idealistischen Ansatz - die Entwicklung der Technik thematisierte und die Technik als Mittel zum Fortschritt darstellte, nicht den Fortschritt selbst. Insbesondere die Subjekte verschwanden in dieser Darstellung hinter der wissenschaftlich-technischen Entwicklung. Abschließend betonte Hartung, dass den vier Museen auch vier verschiedene Geschichtskonzepte zugrunde liegen, die jeweils verschiedene Geschichtskulturen spiegeln. Monika Flacke, Berlin erläuterte in ihrem Vortag " Mythen der Nation. 1945 - Arena der Erinnerung. Zur Konzeption einer Ausstellung über Erinnerungskulturen zum Zweiten Weltkrieg" den Abschnitt "Der Mord an den europäischen Juden" der gleichnamigen Ausstellung im Deutschen Historischen Museum Berlin. Flacke gab zuerst einen Überblick über den Umgang mit dem Mord an den europäischen Juden in Europa nach 1945, der keineswegs gleichförmig verlief und länderspezifische Unterschiede aufweist. Ferner erläuterte sie an verschiedenen Beispielen die unterschiedliche "Bildsprache", welche sich durch bestimmte, immer wieder verwendete Motive entwickelte. Flacke ging zudem auf die verschiedenen Phasen des Umgangs mit dem Mord an den europäischen Juden in Deutschland und Westeuropa ein, die sich in drei Phasen einteilen lässt: In der ersten Phase, die nach 1945 einsetzte, war die Auseinandersetzung in der Öffentlichkeit sehr begrenzt und durch individuelle Beispiele - etwa Anne Frank - bestimmt. In der zweiten, in den 70er Jahren beginnenden Phase, kam es nicht nur zu einer Universalisierung und damit zu einer Entsubjektivierung der Opfer, der Völkermord wurde fortan mit dem Begriff Holocaust - nach der gleichnamigen amerikanischen Fernsehserie - beschrieben. Zudem erweiterte sich in dieser Phase die Bildsprache um massenwirksame Medien, wie Fernsehen oder Kino. In einer dritten und bis in die Gegenwart anhaltenden Phase wuchs schließlich die Kritik an der erstarrten Erinnerung und der Auseinandersetzung mit dem Thema, welche hauptsächlich über gewohnte Bildmotive verlaufe. Hinzu kam die Erweiterung der Perspektive auf die Täter. Den abschließenden Vortrag zum Thema "Wann ist ein Museum "historisch korrekt"? Kontroversität und Multiperspektivität als Grundprinzipien musealer Geschichtspräsentation?" wurde von Karl Heinrich Pohl, Kiel gehalten. Pohl betonte eingangs, dass er bei seiner Argumentation den Standpunkt des Historikers einnehme. Von grundlegenden geschichtswissenschaftlichen Prämissen ausgehend - Geschichtswissenschaft rekonstruiert Vergangenheit, sie ist gesellschaftsrelevant und arbeitet theoriegestützt - forderte Pohl, dass diese auch bei der Konzeption von Ausstellungen Berücksichtigung finden. Daraus ableitend formulierte er einen idealtypischen Anforderungskatalog an historische Ausstellungen. Zu den gestellten Grundforderungen gehören: Multiperspektivität, die Vermittlung eines offenen Geschichtsbildes, die Betonung von Kontroversität und Konstruktionscharakter, das Ermöglichen von kritischer Bewertung durch den Besucher, die Einbindung des Fragehorizontes des Publikums und eine klare, erkennbare Fragestellung, die in ihrer Relevanz begründet sein muss. Pohl betonte abschließend, dass diese Forderungen in ihrer Ganzheit schwerlich umsetzbar seinen, sie stellten vielmehr ein "Angebot" dar, welches in die Konzeption von Ausstellungen Beachtung finden sollte.

Joachim Rohlfes, Bielefeld war mit dem letzten Programmpunkt der Tagung bedacht worden: Dem Versuch einer ersten Tagungsbilanz, welche überaus prägnant ausfiel. Rohlfes machte, unabhängig von der grundlegenden Konzeption der Tagung, vier Herangehensweisen aus, denen die einzelnen Vorträge zuzuordnen seien. Ein Teil der Referate zeichnete sich durch eine theoretische Herangehensweise aus und wurde grundlegend durch die Rüsenschen Kategorien bestimmt, die in der Veranstaltung fast "kanonischen Rang" erhalten hatten. Trotz dieser grundlegenden Funktion mangelte es aber auch nicht an Kritik am Modell. So erfuhr es durch einige Referenten und Diskutanten verschiedene Ergänzungen bzw. Erweiterungen, etwa durch Holtwigs ökonomischen Aspekt oder Hasbergs Kategorie des Erinnerns. Zudem hätten die Betrachtungen von Danker und Hartung zu einzelnen Dimensionen und deren Beziehung zum Gesamtkonzept zu neuen Überlegungen führen können. Abschließend stellte Rohlfes die Frage nach Nutzen und Nachteil von Theorien, die er offen beantwortete: Theorien befördern nicht zwangsläufig bessere Ausstellungen, ihnen stehe jedoch ein grundlegendes "Vetorecht" zu. Die zweite Herangehensweise an das Thema war eine historische. Es sei deutlich geworden, dass Museen und Ausstellungen im historischen Zusammenhang stehen und deren Kontextualisierung viel evidenter sei, als es wahrgenommen werde. In den vorgestellten Beispielen stellte Rohlfes verschiedene Ziele und Intentionen heraus, die ihn zu einer, wenn auch unzulänglichen, Typologie von Museen und Ausstellung führte: Neben klassischen Repetitorien gebe es vor allem Ausstellungen, die durch Thesen oder eine offene Problematisierung geprägt seien. Zudem existierten identitätsbezogene Museen und pluralistische Ausstellungen. Die dritte Herangehensweise beschrieb Rohlfes als eine empirische, welche sich vor allem in den Vorträgen der "Ausstellungsmacher" und in den Diskussionen um die Publikumswirkung zeigte. Dieses "klassische Feld" der Analyse der Wirkung sei besonders in Hinblick auf die Präsentationsmuster kontrovers, da in der Konzeption die Rezeption bereits eine wesentliche Richtung erhalten könne. Nach seiner Meinung müsse vor allem der Begriff der Dekonstruktion in Ausstellungen offener ausgelegt werden, wobei es nicht zu einer Überforderung der Besucher kommen dürfe. Unter der letzten Oberkategorie fasste Rohlfes die Vorträge zusammen, welche sich der pragmatischen Dimension, der Fragen von Umsetzung und Vermittlung widmeten. Der Zusammenhang der "Trias der Ausstellung" - Sprache, Text, Objekt - sei in diesen Vorträgen deutlich geworden, wobei er die Bedeutung der textlichen Aufschließung von Bildern betonte. Er schlussfolgerte aus den Betrachtungen zum Einsatz von Bildern, dass deren erfolgreicher Einsatz von ihrer Interpretierbarkeit abhänge. Abschließend widersprach er der von Hoffmann postulierten Nicht-Trennung von Geschichtswissenschaft und Kunstwissenschaft. Diese sei zwar erstrebenswert, aber bei weitem noch nicht realisiert. Die Tagung habe jedoch hierzu einen wichtigen Beitrag geleistet.

Karl Heinrich Pohl beendete die Tagung mit Worten des Dankes an alle Vortragenden, Teilnehmer und Helfer der Tagung - insbesondere an Olaf Hartung, welcher die Veranstaltung organisiert hatte. Im Laufe des Jahres 2005 soll der ebenfalls von Olaf Hartung unter dem Titel der Veranstaltung herausgegebene Tagungsband erscheinen.