Unternehmertypen und Führungsstile. 12. Sitzung des Arbeitskreises „Kleine und Mittlere Unternehmen“

Unternehmertypen und Führungsstile. 12. Sitzung des Arbeitskreises „Kleine und Mittlere Unternehmen“

Organisatoren
Gesellschaft für Unternehmensgeschichte e.V. – Arbeitskreis „Kleine und Mittlere Unternehmen“
Ort
Frankfurt am Main
Land
Deutschland
Vom - Bis
13.11.2015 -
Url der Konferenzwebsite
Von
Dennis Röhrig, Frankfurt am Main

Für seine 13. Sitzung wählte der Arbeitskreis das Thema “Unternehmertypen und Führungsstile“. Dass diese Thematik sehr erkenntnisfördernd ist, belegt die vergleichende Analyse der hier vorgestellten Unternehmertypen und ihres ökonomischen Erfolges. Als aufschlussreich kann dabei vor allem der historische Vergleich von Unternehmenskulturen gesehen werden, welche unterschiedliche Führungsstile hervorbrachten. Diesen thematisierte die Sitzung mit unterschiedlichen Beiträgen.

Bereits das Begrüßungswort durch WERNER PLUMPE (Frankfurt am Main), Leiter des Arbeitskreises „Kleine und Mittlere Unternehmen“, und MATTHIAS GRÄßLE (Frankfurt am Main) von der Industrie- und Handelskammer Frankfurt am Main belegte, wie sich Meinungen über Unternehmertypen und Führungsstile im Wandel der Zeit veränderten. Herrschte etwa in den 1950er- und 1960er-Jahren noch die Überzeugung vor, dass Unternehmensführung quasi „angeboren“ und damit nicht erlernbar sei, dominiert heute die gegenteilige Meinung. Gleichzeitig überwogen bis weit in die 1960er-Jahre autoritäre Unternehmensstrukturen. Die heutige Unternehmensführung ist dagegen von Partizipation geprägt. Allerdings existieren keine wissenschaftlichen Belege, dass von Teilhabe geprägte Führungsstile stets ökonomisch erfolgreicher sind als autoritäre Unternehmertypen.

KRISTINA HUTTENLOCHER (Oberursel) erläuterte daraufhin den Führungsstilwandel bei Sprengel-Schokolade und Appel-Feinkost von 1860 bis zum Ende des 20. Jahrhunderts. Sie beschrieb, dass Verwandtschaft bei der Unternehmensgründung von Sprengel eine entscheidende Rolle spielte, was die Integration der Frauen der Gründerfamilie in die Arbeitsabläufe belegt. Auch strategische Aspekte, wie etwa eine klare Präferenz für Residenzstädte als Wirtschaftsstandorte, waren bei der Standortwahl überdies von großer Relevanz. Den Führungsstil des Unternehmens, insbesondere in den ersten Dekaden beschrieb sie als zwar autoritär, aber dennoch von dezentralen Elementen beeinflusst. Als ökonomische Problematik, mit der die Firma Sprengel über viele Generationen konfrontiert war, bezeichnete die Referentin die sehr volatilen Preise für Rohkakao, die längerfristige Investitionen erschwerten. Im Jahr 1932 befand sich Sprengel aus diesem Grund kurz vor der Insolvenz, erholte sich aber im Zuge des allgemeinen wirtschaftlichen Aufschwungs 1932–1934 wieder. Im Jahr 1939 trat der damalige Unternehmensführer in die NSDAP ein. Auch hierfür spielte die Sicherstellung des Zugangs zu Rohkakao eine entscheidende Rolle, wenn auch bald eine Verlagerung der Produktion auf kriegswichtige Güter stattfand.

Die entscheidenden wirtschaftsstrategischen Fehler unterliefen dem Unternehmen in der Nachkriegszeit unter Bernhard Sprengel. Dieser verfolgte eine expansive Umsatzstrategie auf Kosten von Qualität und Markenimage, was, verbunden mit schnell steigenden Kosten zu einer „Ertragsklemme“ führte. Auch war er nicht mehr „mit vollem Herzblut“ dabei. Der Einstieg von Nabisco (USA) im Jahr 1967 bedeutete somit den Anfang vom Ende für das Unternehmen. Obwohl bei Sprengel die Arbeiterschaft noch zur Zeit der Sozialistengesetze starken Restriktionen unterworfen war, entstanden bereits unmittelbar nach deren Beendigung selbstständige Gewerkschaften. Dies verdeutlicht auch die Tatsache, dass bereits im Jahr 1903 ein erster Tarifvertrag abgeschlossen wurde. Dennoch kam es nach der Revolution von 1918 zu Schwierigkeiten der Arbeiterschaft mit dem konfliktfreudigen damaligen Inhaber. Im Zuge des allgemeinen ökonomischen Aufschwungs in den Jahren 1932–1934 wurden allerdings, auf Druck der deutschen Arbeiterfront (DAF) und auch bedingt durch einen Führungswechsel, soziale Leistungen und gemeinschaftliche Veranstaltungen durchgesetzt, die eine nachhaltige Verbesserung des Betriebsklimas bewirkten. Das sehr gute Betriebsklima und die sozialen Leistungen des Unternehmens überdauerten auch die Kriegszeit. Dementsprechend blieb die Mehrzahl der Mitarbeiter dem Unternehmen ein Leben lang treu. Auch bei Appel-Feinkost spielten standortstrategische Kriterien bei der Wahl der ersten Niederlassungen eine entscheidende Rolle, die primär in der Nähe bedeutender Eisenbahnlinien errichtet wurden. Selbstständige Gewerkschaften existierten bei Appel im Gegensatz zu Sprengel allerdings in der Zeit nach der Auflösung der Sozialistengesetze noch nicht. Nach der Revolution setzten sich jedoch auch hier soziale Leistungen für die Mitarbeiter in Form einer Fürsorgekasse für Betriebsrenten und einer Krankenunterstützung durch, die mehr als ein Drittel des Gewinns ausmachten. Auch hier war eine gute Betriebsgemeinschaft anzutreffen, die sich durch eine geringe Fluktuation der Mitarbeiter äußerte. Auch Appel erlebte nach dem zweiten Weltkrieg zunächst einen beträchtlichen Aufschwung im Verbrauchssegment. Der mit einer expansiven Verkaufsstrategie verbundene Verlust von Qualität und Marke sowie steigende Kosten verursachten auch hier den Niedergang. Das Unternehmen wurde im Jahr 1973 an die Südzucker AG verkauft.

Den sich in den 1960er-Jahren vollziehenden Wandel hin zu einem kooperativen Führungsstil beschrieb daraufhin JÖRG LESCZENSKI (Frankfurt am Main) in seinem Beitrag. Angesichts der immer komplexer werdenden Betriebsabläufe zu dieser Zeit wollten immer mehr Mitarbeiter in die Entscheidungsprozesse eingebunden werden. Dies begünstigte die Entstehung von zahlreichen Fortbildungsinstituten, die über Inhalt und Form kooperativer Führungsstile debattierten. Das in diesem Kontext entstandene Harzburger Modell sah die Delegation von Verantwortung der Unternehmensführung an die Mitarbeiter vor, von denen es im Gegenzug mehr Eigeninitiative (Fortbildungen, etc.) erwartete. Die letzte Entscheidungsgewalt sollte aber hiernach bei den Vorgesetzten verbleiben. Damit entsprach dieses Modell durchaus zeitgenössischen Studien, wonach Eigentümer und Manager sowohl autoritäre, als auch demokratische Führungsstile strikt ablehnten. Des Weiteren stellte Lesczenski Studien der 1960er- und 1970er-Jahre vor, wonach Präferenzen zu einem autoritären Führungsstil mit dem Alter der Unternehmensleiter korrelierten. Auch die Art der anstehenden Entscheidungen spielte gemäß diesen Studien dabei eine Rolle, ob Verantwortung delegiert wird, was etwa bei Personalentscheidungen am seltensten vorkam. Abschließend kam er zu dem Fazit, dass kooperative Mitarbeiter nicht produktiver, aber auch nicht ineffizienter arbeiten, aber das kooperative Modell aus Gründen des besseren Betriebsklimas dennoch eindeutig zu bevorzugen ist.

PETER KARL BECKER und SEBASTIAN LIEBOLD (Chemnitz) stellten drei Unternehmerinnen vor, deren geschäftliche Betätigungen den Restriktionen der Planwirtschaft in der ehemaligen DDR unterlagen. Dennoch schufen sie sich einen „kleinen Markt“ im „großen Plan“. In ihrem Eingangsplädoyer gingen die Referenten auf das Frauen- und Unternehmerbild, sowie die staatlichen Eingriffe in der DDR ein. Demnach passten berufstätige Frauen zwar ins Bild, Eigeninitiative allerdings nicht. Unternehmerinnen spielten in bedeutenden ökonomischen Positionen meist eine nur untergeordnete Rolle. In diesem Kontext thematisierten Becker und Liebold das Beispiel Irmgard Fuhrmann, die die 1913 gegründete „Likörfabrik und Weingroßhandlung“ ihres Schwiegervaters Hugo Fuhrmann in Querfurt während des zweiten Weltkrieges übernahm und über Jahrzehnte leitete. Sie konnte ihren Umsatz zwischen 1963 und 1989 verdreifachen, obwohl ihre Firma durch die Politik der DDR in den Kommissionshandel getrieben wurde. Als entscheidende Ursachen hierfür sahen die Referenten ihre relativ hohe Lagerhaltung, die dreimal höher als die Kaution ausfiel, sowie zumindest für die Anfangsjahre der DDR die exzellenten überregionalen Wirtschaftskontakte von Frau Fuhrmann ins Elsass, die noch aus der Vorkriegszeit stammten. Frau Fuhrmann ging es dabei weniger um den ökonomischen Profit als um die Bewahrung ihrer Selbstständigkeit, die unter dem kommunistischen System stets gefährdet war. Nach der Wende traute sich die inzwischen betagte Dame nicht mehr, die nötigen 500.000 DM aufzubringen, um die Wettbewerbsfähigkeit ihrer Firma nach marktwirtschaftlichen Kriterien zu bewahren, bewies aber durch den geschickten Verkauf von Lizenzen für ihren Likör abermals ihr ökonomisches Geschick. Daneben schilderten die Referenten den beruflichen Werdegang von Ulrike Kaufmann, die ein Geschäft für Medizinbedarf in Karl-Marx-Stadt – heute Chemnitz – führte und von Eleonore Vogel, die eine Druckerei in Schwarzenberg leitete.
Im letzten Vortrag thematisierten THOMAS HERMANN und CHRISTOPH SOLBACH (Mannheim) die Führungsstile von Familienunternehmen im Generationenwandel. Zu Beginn Ihrer Präsentation klassifizierten sie das Unternehmen BPW als Hidden Champion. Hierunter zählten sie die Zugehörigkeit zu den Top 3 Unternehmen auf dem Weltmarkt, einen Umsatz unter 5 Milliarden Euro und einen geringen öffentlichen Bekanntheitsgrad. Anschließend stellten die Referenten verschiedene Studien vor. Hierzu zählte die Studie von Kurt Lewin. Er unterschied zwischen einem autoritären, einem demokratischen (kooperativen) und einem laissez faire Führungsstil. Bei den Auswirkungen auf die Leistungen der Mitarbeiter stellte er keine eindeutige Überlegenheit eines Führungsstils fest. Lediglich bei der persönlichen Zufriedenheit der Mitarbeiter überwogen für ihn die Vorteile eines kooperativen Führungsstils. Darüber hinaus thematisierten die Referenten eine Studie von Rump und Eilers (2013), die die Erwartungen von Mitarbeitern an Autoritäten im Wandel der Generationen beinhaltete. Diese kam zu dem Ergebnis, dass jüngere Generationen oft eine skeptischere Haltung zu Autoritäten und Hierarchien haben und bei diesen die Meinung dominiert, dass man sich Respekt vor Autorität erst verdienen muss. Auch spielen hiernach individuelle Freiheiten, sowie höhere Erwartungen an ein Feedback der Vorgesetzten für die jüngere Generation eine größere Rolle.

Die Abschlussdiskussion begann mit dem Vorschlag, dass sich Verhalten und Einstellungen möglicherweise mit dem ‚älter werden‘ anpassen. Daher handelt es sich zwischen den autoritären Strukturen weniger hinterfragenden Einstellungen der älteren Generation und den gegenüber Hierarchien skeptischen Meinungen der jungen Generation möglicherwiese gar nicht um neue Diskrepanzen. Eine Teilnehmerin der Tagung schilderte, dass bei der jungen Generation ihrer Erfahrung nach meist eine innovativere Herangehensweise an Problemstellungen vorherrscht. Daher sei es sehr selten, dass ein Mitglied der alten Unternehmergeneration noch Geschäftsstrategien entwickelt, die erfolgreich sind. Ein anderer Teilnehmer betonte die Schwierigkeit der „Stellschraube“ der Übergabe eines Unternehmens. Er erwähnte, dass es seiner Ansicht nach nur in den seltensten Fällen gelingt, dass sich die ältere Generation rechtzeitig zurückzieht und auf die reine Beratung der Nachfolgegeneration beschränkt. Verschiedene Teilnehmer der Tagung sprachen daraufhin von der sozialen Bindung, die oft mit einem Generationen überdauernden Familienunter-nehmen verbunden ist und daher Beständigkeit zu einem oft wichtigeren „Erfolgskriterium“ macht als reiner ökonomischer Erfolg. Hierzu trägt auch die regionale Verwurzelung vieler lokaler Familienunternehmen bei, die durch „soziale Wohltaten“ in Form von Spenden für etwa Wohnanlagen begründet sein kann.

Konferenzübersicht:

Kristina Huttenlocher (Oberursel): Der Führungsstilwandel bei Sprengel-Schokolade und Appel-Feinkost von 1860 bis zum Ende des 20. Jahrhunderts

Jörg Lesczenski (Goethe-Universität Frankfurt am Main): „Divide et coordina!" Theorie und Praxis des kooperativen Führungsstils in den 1960er-Jahren

Peter Karl Becker / Sebastian Liebold (TU Chemnitz): Kleiner Markt im großen Plan. Drei Unternehmerinnen in der DDR

Thomas Hermann / Christoph Solbach (Hochschule der Wirtschaft für Management, Mannheim): Führungsstile von Familienunternehmen im Generationenwandel


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