Wissensmärkte in Unternehmen

Wissensmärkte in Unternehmen

Organisatoren
Gesellschaft für Unternehmensgeschichte (GUG)
Ort
St. Leon-Rot
Land
Deutschland
Vom - Bis
14.10.2004 - 15.10.2004
Url der Konferenzwebsite
Von
Mark Jakob, Frankfurt am Main

Das 27. wissenschaftliche Symposium der Gesellschaft für Unternehmensgeschichte e. V. (GUG) fand in diesem Jahr auf Einladung der SAP AG in St. Leon-Rot statt. Mit der Ausrichtung durch das Softwareunternehmen war nicht nur ein Bezug von Tagungsthema und Gastgeber hergestellt. Die Tagung bot somit auch die Gelegenheit, die historische Dimension der Wissenserzeugung, Wissensbeschaffung und Wissensverarbeitung in Unternehmen mit aktuellen Entwicklungen und Diskussionen zu verknüpfen. Auch wenn heutzutage "Wissen" wie selbstverständlich als Wirtschaftsfaktor gedacht wird, stellt sich für die Unternehmensgeschichte doch die Frage, welche Konzepte zur Erfassung des historischen Wandels im Umgang mit Wissen geeignet erscheinen und wie eine angemessene Einbeziehung in die Analyse der Unternehmensentwicklung geschehen soll.

Walter Kaiser (Aachen) zeigte in seiner Einleitung anhand zahlreicher Fallbeispiele die Vielfalt des Umgangs mit Wissen in Unternehmen aus historischer Perspektive auf. Er schilderte die Wandlung der Innovationsstruktur anhand der Ablösung der "vorwissenschaftlichen" Erfinderpersönlichkeit durch den wissenschaftlich gebildeten Unternehmer und die wachsende Bedeutung des Marktes für die Durchsetzung von Innovationen. Die Ausbildung von Systemwissen um die Wirkung von Erfindungen im Markt und über den Kapitalmarkt wurde neben der technischen Expertise entscheidend für den Unternehmenserfolg. Die Kombination verschiedener Wissenszweige im Unternehmen sowie die Organisation des technischen Wissens und die Technisierung des organisatorischen Wissens traten an die Stelle der individuellen Erfinder- und Unternehmerleistungen. Christian Kleinschmidt (Bochum) ergänzte Kaisers Einführung um theoretische Überlegungen und plädierte dafür, die Konzepte der evolutorischen Ökonomik und des Organisationslernens in die Unternehmensgeschichtsschreibung aufzunehmen. Von diesem Ansatz versprach sich Kleinschmidt eine genauere Beantwortung der zentralen Frage nach der Entscheidungsfindung im Unternehmen, auf welche die in den letzten Jahren vorherrschende Neue Institutionenökonomie nur unzureichend antworten könne. Denn während letztere eine gegebene Realität unterstellt, handelt es sich bei Unternehmen um komplexe soziale Systeme, die jeweils eigene Wirklichkeitsdeutungen hervorbringen. Kleinschmidt entwickelte eine Sicht des Organisationslernens, die nicht so sehr nach der Anpassung an veränderliche Umweltbedingungen oder dem Wissenserwerb fragt, sondern sich mit dem Umgang mit Wissen in kontingenten Aushandlungsverhältnissen auseinandersetzt. Wie organisieren Unternehmen ihre (überlebenswichtige) Lernfähigkeit? Anhand der Beispiele der Marketingreform bei den Glanzstoffwerken Wuppertal und der Reaktion der Continental AG auf den sog. "Japanschock" der 70er Jahre verdeutlichte Kleinschmidt seine Konzeption, indem er diese beiden Beispiele einer Ablösung überkommenen Wissens durch neue Wissensstrukturen als zwei Fälle unterschiedlicher Lerntypen - adaptives Erfahrungslernen und selbstreflexives Lernen - klassifizierte. In der anschließenden Diskussion fragten die Teilnehmer nach der Übertragbarkeit des vorgestellten Ansatzes auf vergleichende branchenübergreifende Perspektiven. Eine Konkurrenz zur Institutionenökonomie stelle der evolutorische Ansatz nicht dar, vielmehr ergänzte er deren Fragestellungen - nicht zuletzt um die Einbeziehung des Zufalls, dem in den kulturellen und biologischen Evolutionstheorien große Bedeutung zukomme.

Die Sektion "Wissenstransfers" leitete Manuel Schramm (Dresden) mit dem Beitrag "Hochschulen, Unternehmen und Innovationen in der Bundesrepublik Deutschland. Die Beispiele optische Industrie und Werkzeugmaschinenbau" ein. Er untersuchte die Rolle der Hochschulen als Institutionen des Wissenstransfers in die Unternehmen. Dass diese Rolle nicht unumstritten ist, belegten disparate Thesen zur Funktion der Hochschulen, die sich zwischen den Polen von "im Kern verrottet" (Glotz) und "Kerninstitutionen" (Stichweh) bewegten. Ein Nachweis sei aufgrund der Spezifika verschiedener Branchen nur schwer zu führen. Zitationsanalysen von Firmen- und Fachzeitschriften legen demnach einen branchenspezifisch unterschiedlich ausgeprägten Wissenszufluss aus den Hochschulen nahe. Im Falle Zeiss sei vorrangig eine informelle, personengebundene Zusammenarbeit von Unternehmen und Hochschulen zu beobachten, während der Werkzeugmaschinenbau sich wissenschaftsnäher präsentierte und publizierte Forschungsergebnisse stärker rezipierte.

Im folgenden Vortrag zum Thema "Patente, Lizenzen, Studien- und Verwertungsgesellschaften. Zur kommerziellen Nutzung von Forschungsergebnissen aus Kaiser-Wilhelm-Instituten" untersuchte Manfred Rasch (Duisburg) die unterschiedliche Handhabung der Patentrechte der wissenschaftlichen Institute im Kaiserreich und der Weimarer Republik. Die Kaiser-Wilhelm-Institute übernahmen selten die Regelungen ihrer Vorgängereinrichtungen, sondern die Art und Weise der Patentnahme und der Abführung von Einkünften aus Patenten war meist das Ergebnis von Aushandlungsprozessen zwischen Institutsleitung, Wissenschaft und Industrie. Erst nach dem Ersten Weltkrieg erfolgte die Gründung von Patentverwertungsgesellschaften. Als Ergebnis hielt Rasch fest, dass die Direktoren der Institute stets beträchtliche Verhandlungsmacht in der Frage der Entgelte besaßen.

Den Abschluss der Sektion bildete der Beitrag von Ruth Rosenberger (Trier): "Experten für Humankapital. Zur Verwissenschaftlichung betrieblicher Personalpolitik und zum Wandel von Wissensformen in westdeutschen Unternehmen, 1945-1980." Sie ging der Frage nach, wie in der Bundesrepublik das Problem der Transformation von Arbeitskraft in Produktivität zu lösen versucht wurde, mit anderen Worten: der Rolle von Expertenwissen bei der Einführung neuartiger Maßnahmen zur Erzielung stetiger Leistungsstandards und Verhaltenskonformität der Arbeitnehmern. Während in den fünfziger Jahren ein patriarchalisches Verständnis von Unternehmensleitung vorherrschte und die Unternehmensleitungen versuchten, eine als Kollektiv begriffene Arbeitnehmerschaft mit Hilfe sozialpolitischer Maßnahmen an das Unternehmen zu binden, setzten sich in den siebziger Jahren wissenschaftliche (d. h. vor allem betriebspsychologische) Ansätze durch. Diese zielten auf die gesamte Persönlichkeit des individuellen Arbeitnehmers und versuchten, die traditionelle untergeordnete, weisungsorientierte Arbeitnehmerrolle durch die sog. reflexive Handlungsorientierung zu ersetzen. Damit einher ging die Aufwertung der Personalabteilungen und der Personalexperten. Das aus den verschiedenen Instituten für Arbeitspsychologie und Betriebsführung einströmende Wissen sowie das Interesse der Unternehmen an einer Rationalisierung der Arbeitsabläufe auf der anderen Seite führte zu einem Spannungsverhältnis der schon in der Weimarer Republik etablierten Arbeitswissenschaft und Psychotechnik mit den ganzheitlich ausgerichteten Auffassungen der Betriebspsychologie. Da die neuen Ansätze sich zunächst im außerbetrieblichen Raum institutionalisierten und professionalisierten und erst auf Umwegen in die Unternehmensstrukturen gelangten, so Rosenberger, stünden sie exemplarisch für die Durchsetzung neuen Wissens gegen innerbetriebliche Widerstände. Nicht die Unternehmen sieht Rosenberger somit als Akteure im Wissenstransfer, sondern die Expertengruppen.

In der Sektion III, "Wissensmärkte im internationalen Vergleich", stellte zunächst Kees Boersma (Amsterdam) seine Forschungen zum Thema "Knowledge Management at Philipps Research. A Historical Analysis on three levels" vor. Der Übergang bei Philipps von der Massenproduktion von Glühbirnen zu einer diversifizierten Palette von Konsumgütern (wie Radios) in den zwanziger Jahren bedeutete auch eine Herausforderung im Bereich der Forschung und Entwicklung. Unternehmenseigene Innovationen waren aufgrund der Novelle des niederländischen Patentrechtes 1910 für das Unternehmen überlebenswichtig. Die unterschiedlichen Forschungskulturen von Universitätslaboratorien und der Industrie stellten jedoch ein nicht zu unterschätzendes Problem für die erfolgreiche Einbettung der Wissenschaftler in das Unternehmen dar. Erfindungen waren nicht mehr das Resultat individueller Anstrengungen, sondern gingen auf die systematische Tätigkeit von Forschergruppen zurück, die ihre eigenen Interessen gegenüber den Ansprüchen des Unternehmens zurückstellen mussten. Wissensmanagement musste demnach auf drei Ebenen ansetzen und die individuellen Forscher, die Forschergruppen und schließlich den Unternehmenszusammenhang berücksichtigen. Bei Philipps ließ sich beobachten, wie ein Unternehmen erst langsam Wissenschaftsorganisation erlernen musste, da es auf keine entsprechenden Erfahrungen zurückgreifen konnte. Der Aufbau der Forschungsabteilung, so schloss Keesma, ließe sich also am besten selbst als Lernprozess beschreiben.

Eine nationalstaatliche Perspektive nahm Kenneth Bertrams (Brüssel/New York) in seinem Beitrag "Technical-Scientific ‚Platforms' and the making of Industry-University Cooperative Research in Belgium, 1900-1970" ein. Die soziale Konfiguration des Wissens erschien ihm als Reflexion des Wissenstransfers selbst: Ausgehend vom Mangel an Belegen für formelle Kooperationen zwischen Hochschulen und Unternehmen und vom Befund einer quasi nichtexistenten Innovationskultur in Belgien zu Beginn des 20. Jahrhunderts, ging er den interpersonellen Transferwegen zwischen Industrie und Wissenschaft nach. Innovationen erscheinen in seinem Modell als das Resultat personeller Interaktionen, die sich nicht so sehr in Programmen und Institutionen, als vielmehr in Beziehungsnetzen, Milieus und informellem Austausch (die er als Plattformen bezeichnete) abspielten. Im Mittelpunkt stand die auf Betreiben des Staatsmannes und Bankiers Emile Francqui (1863-1935) geschaffene Plattform. Diese versuchte u. a., die in der belgischen Hochschullandschaft angelegten Spannungen zu vermeiden und ein sowohl wissensbasiertes wie industrieorientiertes Innovationsmilieu zu schaffen. Konkret schlug sich diese Tätigkeit in der Schaffung von Wissenschaftsfonds und Forschungszentren an den Universitäten nieder.

Der die Sektion beschließende Vortrag von Alexander Engel (Göttingen), "Wissensorganisation im Systemwettstreit um den Weltmarkt für Indigo, 1880-1910", verknüpfte dann die Unternehmens- und die internationale Perspektive unter dem Gesichtspunkt der Wissenskonkurrenz. Die Konkurrenten waren in diesem Falle die BASF, der 1897 die Markteinführung synthetischen Indigos gelang, und die Produzenten natürlichen Indigos in Britisch-Indien. Zwei Leitfragen versuchte der Beitrag zu beantworten: Warum war der künstlich hergestellte Indigo trotz fehlender Preisvorteile erfolgreich? Und warum wurde die Produktion natürlichen Indigos nicht optimiert? Die Indigosynthese war dabei keinesfalls das Resultat eines zielgerichteten, gesteuerten Innovationsprozesses, so dass eine überlegene wissenschaftliche Unternehmensführung der BASF als Grund ausscheidet. Die Marktreifung durch die Lösung verfahrenstechnischer Fragen zwischen 1890 und 1897 kam aufgrund paralleler Bemühungen verschiedener Abteilungen der BASF zustande, die in informellen "Werksseminaren" ihre Ergebnisse verglichen. Gelang im chemischen Großunternehmen die Synthese trotz eines relativ hohen Innovationsdruckes nur verzögert, führte bei den Produzenten natürlicher Indigofarbstoffe das Fehlen dieses Druckes dazu, Potenziale zur Prozessoptimierung gar nicht erst zu nutzen. Die Indigoproduktion erfolgte in kleinen und mittleren Einheiten, es gab daher auch keine den Großunternehmen vergleichbare Industrieforschung. Versuche, diese ins Leben zu rufen, scheiterten an persönlichen Differenzen. Zum Durchbruch des synthetischen Farbstoffs und der Verdrängung des natürlichen Indigo bis zum Ersten Weltkrieg verhalfen aber weniger spezifische Produkteigenschaften, sondern vielmehr die effiziente Vertriebsstruktur der BASF, während die Distribution der britisch-indischen Produzenten zersplittert war. Deren durchaus vorhandene Potenziale für eine verbesserte Marktbeobachtung wurden nie realisiert, und ihre mangelnde Kundenbindung wirkte sich als gravierender Nachteil aus. Auch wenn die BASF letztlich erfolgreich war, so führte Engel in seinem Fazit aus, könne auch für sie der modisch gewordene Begriff ‚Verwissenschaftlichung' kaum angewandt werden. Vielmehr seien Indizien für eine - überspitzt gesagt - ‚Entwissenschaftlichung' seit Ende des 19. Jahrhunderts insofern zu verzeichnen, als die Expertenkulturen der Universitäts- und der Industriechemiker auseinander traten und die ältere, an die universitäre Forschung angelehnte freiere Praxis einem an die kaufmännischen Erfordernisse angepassten starren Berichtswesen wich. Als ‚Verwissenschaftlichung' könne eigentlich nur die Rationalisierung im Umgang mit Wissen bezeichnet werden, und erst der wirtschaftliche Wandel am Ende des 19. Jahrhunderts habe den Anstoß zur systematischen Durchdringung des Wissens gegeben.

Den Auftakt der abschließenden Sektion "Finanzwelt" bestritt Nicola Jentzsch (Berlin) mit ihrem Vortrag über die historische Entwicklung der Kreditauskunfteien in Britannien, Deutschland, Europa und den USA. Nach einer einleitenden Darstellung der Funktionsweise von Kreditauskunfteien schilderte sie den daraus erwachsenden Wettbewerb in einem Informationsmarkt. Die spezifischen Eigenschaften des Handels mit Informationsgütern (hohe Anfangs- und geringe Folgekosten, prohibitiv teurer Nutzungsausschluss, Betrugsmöglichkeiten, Möglichkeit der Mehrfachverwertung desselben Produkts) liefen im Wettbewerb auf eine immer umfassendere Datenerhebung hinaus, wodurch das Informationsbedürfnis der Auskunfteien mit den staatlichen Bemühungen zum Schutze der Privatsphäre in Konflikt geraten sei.

Last but not least sprach Christopher Stadlin (Zürich) über Wissen und Wissensmanagement in der Versicherungswirtschaft am Beispiel der "Zürich" Versicherungsgesellschaft. Er stellte verschiedene Modi der Wissensverarbeitung anhand von Quellen der "Zürich" dar. Zuerst nannte er das Wissen um Märkte, d. h. Wissen über Vorgänge, die den Markt beeinflussen, und Wissen über die Anbahnung von Geschäften. Dies zeigte er am Beispiel der vorausschauend geplanten Reaktion auf die Einführung der gesetzlichen Unfallversicherung in Deutschland 1880, mit der die Zürich bis zur Verstaatlichung 1886 steigende Einnahmen erzielte. Die zweite Wissenskategorie bildete das Expertenwissen über Statistik und Versicherungsmathematik. Wie statistische Methoden zur Schaffung von Wissen über das eigene Unternehmen und über Klienten eingesetzt wurden, illustrierte Stadlin anhand der Einzel-Unfallstatistik, welche die "Zürich" befähigte, Risikoabschätzung und Reservenplanung zu betreiben. Die Statistik erfüllte aber auch eine Ersatzfunktion für fehlende Erfahrungswerte, indem aus statistischen Ergebnissen Handlungsgrundsätze abgeleitet wurden. Geschäftsgrundsätze bildeten dann auch die dritte Wissenskategorie des Wertewissens, wobei von einer Prägung des Unternehmens durch die Grundsätze der jeweiligen Geschäftsführung ausgegangen wurde. Dies erläuterte Stadlin an den Beispielen der Generaldirektoren Heinrich Müller und Fritz Meyer. Während ersterer die Grundsätze stetigen Wachstums, genauester Prüfung jedes Falles und einer sauberen Buchhaltung aufstellte, erkannte sein Nachfolger Meyer, dass ab einer bestimmten Größe die individuelle Prüfung jedes Falles unverhältnismäßig große Informationskosten verursache und dem ansteigenden Risiko durch Kosten verursachende Fälle mit einer Erhöhung der Kapitalreserven begegnet werden müsste.

In der Diskussion stieß die von Engel eingebrachte These der ‚Entwissenschaftlichung' erwartungsgemäß auf Widerspruch, wirkte aber sichtlich belebend auf die Reflexion des Verwissenschaftlichungsbegriffes. So wurde angeführt, dass der Auf- und Ausbau unternehmensinterner Forschungseinrichtungen eine Folge der Entkoppelung universitärer Forschung und unternehmerischen Handelns gewesen und somit eine Verlagerung der wissenschaftlichen Methode erfolgt sei. Des Weiteren stehe die Ausweitung der Industrieforschung im Zusammenhang mit dem paradigmatischen Wechsel zur qualitativen Massenproduktion in Verbindung mit Dienstleistungen. Zudem müssten verschiedene Innovationskulturen innerhalb der Chemiebranche berücksichtigt werden, denn die BASF habe sich in dieser Hinsicht stark von Bayer oder Hoechst unterschieden. Mit Verwissenschaftlichung dürfe jedoch nicht das Kopieren des Hochschulbetriebes in Unternehmen verwechselt werden, da die Arbeits- und Publikationsbedingungen zu unterschiedlich ausfielen und die Gefahr einer Idealisierung des Hochschulbetriebes bestünde. Kontrovers diskutiert wurde weiterhin Rosenbergers These, dass die dargestellten Entwicklungen in der Personalführung einen Bruch mit der schon vorher etablierten Arbeitswissenschaft und keinesfalls als deren Weiterführung mit anderen Mitteln zu interpretieren seien. Während Rosenberger für das ganzheitliche Konzept der neueren Betriebspsychologie deutliche qualitative Unterschiede zur älteren Psychotechnik betonte, erblickten andere Teilnehmer darin eine Fortsetzung der bestehenden Lösungsversuche für das zugrunde liegende principal-agent-Problem.

Die Tagung beschloss eine Podiumsdiskussion unter Leitung von Werner Plumpe (Frankfurt a. M.). Die Teilnehmer, Joachim Schaper (SAP Research), Michael Kloss (McKinsey & Company, Inc., Berlin), Wolfgang Scheunemann (Geschäftsführer, TecComm GmbH) und Walter Kaiser (Aachen) bestritten einen trivialen Zusammenhang von komplexem Wissensmanagement und Unternehmenserfolg. Komplexes Wissensmanagement bedeute auch hohe Ressourcenbindung, wodurch übergroße Rationalisierung selbst irrational zu werden drohe. Nur eine gleich hohe Pflege und Förderung sowohl des kaufmännischen wie des wissenschaftlich-technischen Wissens könne zum Erfolg führen. Ältere Unternehmen mit gewachsenen Hierarchien scheinen jedoch weniger offen für informellen Wissenstransfer zu sein. Nicht-Lernen komme oft durch in den Machtstrukturen begründete Kommunikationsbarrieren zustande. Dementsprechend favorisierten gerade jüngere Unternehmen die psychologisch attraktivere interaktive Informationsstruktur. Nach dem Umgang mit Wissen im Unternehmen zu fragen, sei somit gleichbedeutend mit der Reflexion seiner Struktur.

Insgesamt hinterließ die Tagung den Eindruck, dass Wissen in seiner Bedeutung für die Unternehmensentwicklung von der Unternehmensgeschichtsschreibung in Zukunft stärker berücksichtigt werden muss. Sie machte deutlich, dass die zahlreichen Modi und Facetten des Umgangs mit Wissen auf dem derzeitigen Stand der geschichtswissenschaftlichen Forschung allenfalls für einzelne Unternehmen, aber kaum für ganze Branchen oder Volkswirtschaften theoretisch und empirisch in befriedigender Weise erfasst werden können. Auch wenn die Vorträge und Diskussionsbeiträge Etappen eines erfolgversprechenden Weges markierten, harrt vor allem das Problem des angemessenen theoretischen Zugangs noch seiner Lösung. Eine trennscharfe Definition des Wissensbegriffs und seiner Anwendung auf Unternehmen (z.B. als sogenannte "Verwissenschaftlichung") muss erst noch erfolgen. Es wurde mehrfach darauf hingewiesen, wie notwendig die Einbeziehung des Faktors Wissen in die Unternehmensgeschichte als gleichberechtigter Faktor neben Kapital, Arbeit und Boden erscheint. Noch bedeutsamer erscheint jedoch die Frage, wie sich diese Faktoren verknüpfen lassen, um eine angemessene Beschreibung des komplexen Systems "Unternehmen" zu erzielen.


Redaktion
Veröffentlicht am
Autor(en)
Beiträger
Klassifikation
Weitere Informationen
Land Veranstaltung
Sprache(n) der Konferenz
Deutsch
Sprache des Berichts