Von der Allmende zur Share Economy. Gemeinbesitz und kollektive Ressourcen in historischer und rechtlicher Perspektive

Von der Allmende zur Share Economy. Gemeinbesitz und kollektive Ressourcen in historischer und rechtlicher Perspektive

Organisatoren
Malte Gruber, Fachbereich Rechtswissenschaft, Goethe-Universität Frankfurt am Main; Daniel Schläppi, Historisches Institut, Universität Bern
Ort
Frankfurt am Main
Land
Deutschland
Vom - Bis
03.07.2015 - 04.07.2015
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Von
Robert Brandt, Goethe-Universität, Frankfurt am Main; Daniel Schläppi, Historisches Institut, Universität Bern

Die Tagung „Von der Allmende zur Share Economy“ bezweckte, anhand historischer Beispiele kollektiver Ressourcenbewirtschaftung in interdisziplinärer Perspektive über die Chancen, Risiken und Herausforderungen moderner Figurationen kooperativer Ökonomie nachzudenken.

Der Ideengeschichte des Gemeinbesitzes widmete sich CHRISTIAN HOFFARTH (Essen). Neben der klassischen griechischen Staatsphilosophie zählte die Apostelgeschichte nach Lukas zu den wichtigsten Inspirationsquellen des Diskurses über die Gütergemeinschaft. Die Idee der „Vita communis“ beinhaltete utopisches Potential, dem Klostergemeinschaften seit der Spätantike nachlebten. Um 1140 erklärte das Decretum Gratiani den Gemeinbesitz zur besten aller Gesellschaftsformen. Petrus Iohannis Olivi (1247/8–1298) betonte die völlige Rechts- und Bedingungslosigkeit der urchristlichen Gütergemeinschaft. In den 1320er-Jahren führte der Gegensatz zwischen dem radikal-franziskanischen Postulat von urchristlicher Gütergemeinschaft und einer pragmatischen Lesart der Armut Christi zum sog. „Theoretischen Armutsstreit“. John Wyclif (†1384) entwickelte ein differenziertes Konzept von Gemeinbesitz, das im 15. und 16. Jahrhundert praktische Wirksamkeit entfaltete. Im Gegensatz zum Universalanspruch bei Olivi unterstellte Wyclif die Teilhabe an der Gütergemeinschaft religiösen Bedingungen. Nur Menschen, die in Gottes Gnade standen, hatten Anspruch auf irdische Güter. Im gemeinsamen Gnadenstand begründete sich individuelle Gleichheit, welche die geltende Eigentumsordnung aus den Angeln hob. Bezeichnenderweise gilt Wyclif als Vordenker der Reformation.

HENDRIK BAUMBACH (Marburg) befasste sich mit Landfriedensbündnissen am Rhein, in der Wetterau und in Franken, welche Fürsten, Adelige und Städte seit dem ausgehenden 13. und im 14. Jahrhundert untereinander schlossen. Marodierendes Raubrittertum zwang die Herrschaftsträger zur Kooperation, wollten sie zeitgenössischer Sicherheitsrisiken in Ermangelung finanzieller und militärischer Mittel Herr werden. Die Bündnisse aggregierten Finanzmittel über Abgaben. Repräsentative, proportional zur Finanzkraft formierte Ausschüsse fällten Entscheidungen. Gemeinsame Siegel und einheitliche Kleidung der Boten verliehen den Bündnissen auch ein symbolisches Äußeres. Das langfristige Scheitern der sog. „Einungen“ war weniger strukturellen als finanziellen Problemen geschuldet. Die Einnahmen blieben unter dem faktischen Bedarf. Chronische Zahlungsrückstände erodierten die Beziehungen unter den Beteiligten.

Haushalte fungierten als vormoderne Basisgrössen alltäglichen Wirtschaftens. Ausgehend von Bediensteten in sächsischen und brandenburgischen Adelshaushalten präsentierte SEBASTIAN KÜHN (Hannover) überraschende Befunde bezüglich der Zugänge von Herr- und Dienerschaften zu Haushaltsressourcen. Die Teilhabe der Individuen an den Gütern eines Haushalts beruhte auf der Vorstellung des Haushaltes als von allen Beteiligten gemeinsam gemehrtem und bewirtschafteten Ressourcenpool. Daraus leiteten sich spezifische Nutzungsrechte an Räumen, Kleidung und Speisen ab. Bedienstete trugen als Kreditgeber ihrer Herrschaften zur Finanzierung der Haushalte bei. Im Gegenzug weiteten sie den Kreis der in Genuss von Haushaltsressourcen wie Obdach, Speis und Trank kommenden Personen in Eigenregie auf Verwandte und Bekannte aus. Bei der Festlegung von Alten- und Erbteilen mussten erbrachte Verdienste und geleistete Dienstjahre eingerechnet werden. Selbst testamentarische Begünstigung der Herrschaften durch die Bediensteten kam vor.

In seinem chronologischen Überblick über die Forst- und Landpolitik der „Burgergemeinde Bern“ orientierte sich MARTIN STUBER (Bern) an den vom Umwelthistoriker Ch. Pfister inspirierten Epochenzäsuren („Agrargesellschaft“ auf regionaler Ressourcenbasis bis 1860, „Industriegesellschaft“ mit Steinkohleimporten bis 1950 und seither die „Konsumgesellschaft“ mit „unbegrenzten“ Energiequellen und explodierenden Preisen für stadtnahes Bauland). In der langen Dauer wurde ein Ressourcenmanagement erkennbar, das im Ancien Régime den Vorrang der regierenden Aristokratengeschlechter und seit dem ausgehenden 19. Jahrhundert die privilegierte Stellung der Nachkommen der historischen Stadtbürgerschaft in Form materieller Begünstigungen (Brenn- und Bauholz) gegenüber gewöhnlichen Einwohnern zu legitimieren bedacht war. Während politische Revolutionen dem Versorgungssystem feudaler Prägung nichts anhaben konnten, veränderten technische Innovationen die Modalitäten der Ressourcenbewirtschaftung. In Betracht effizienterer Energieträger und des einsetzenden Städtewachstums verlor der bis ins 19. Jahrhundert für die Holzversorgung zentrale Wald an Bedeutung gegenüber den Stadtfeldern, die als Bauland einen Wert- und Ertragszuwachs durchmachten.

DIETER KRAMER (Wien) plädierte für die begriffliche Unterscheidung von „Gemeingütern“, d.h. für alle frei zugänglichen Ressourcen, und „Gemeinnutzen“, d.h. der geregelten Nutzung von Gemeingütern durch ständisch privilegierte Gruppen, wie sie in historischen Gesellschaften Europas verbreitet zu beobachten ist. Im Übergang von feudalen zu demokratischen Gesellschaften wurden die ständischen Privilegien der ganzen Bevölkerung als „Grundrechte“ überschrieben. Egalitäre Gesetzgebung beruhte auf Wertvorstellungen und Verhaltensstandards, mithin der „Kultur“, die von den Verfassungen wiederum als „Grundregeln des Miteinanders“ geschützt wurde. Basale Errungenschaften wie Gesundheitsversorgung, Bildung, kulturelles Leben und Schutz des kulturellen Erbes sind aber nicht einfach gesichert, bloss weil Verfassungen sie garantieren. Nebst Einschränkungen der individuellen Freiheit bedarf es in soziale Netze eingewobener sozialer Kontroll- und Sanktionssysteme. In Betracht des politischen, sozialen und ökonomischen Wandels müssen permanent neue Gesetzesprojekte zum Schutz grundlegender Gemeingüter wie etwa dem gemeinwohlorientierten Genossenschaftswesen vorangetrieben werden. Die Parole „Kultur für alle“ – mithin lebendige kulturelle Milieus, Entfaltung und Kreativität breiter Bevölkerungskreise sowie der von Kunst und Wissenschaft verfügbar gemachte Begriffs- und Symbolvorrat – bezweckt die Bewahrung und Evolution der Fundamentalressource demokratischer Gesellschaften.

HANS-DIETER SCHAT (Stuttgart) vermittelte Einblicke in zeitgenössisches Ideenmanagement. Stete Innovationen sind für die Rentabilität von Industriebetrieben von eminenter Bedeutung. Weil die Ideen der täglich an Produktionsabläufen beteiligten Belegschaften unmittelbar zur Kostenreduktion beitragen, sollen Angestellte über Anreizsysteme zu Inputs stimuliert werden. Vergütungen von 50 Euro Bargeld für Verbesserungsvorschläge legen nahe, dass im Fall gewöhnlicher Mitarbeitender nicht privater Bereicherungsdrang als Ansporn veranschlagt wird. Vielmehr verbietet eine quasi-korporative Logik innerhalb der Belegschaften übertriebene Begünstigung Einzelner, erlaubt aber symbolische Auszeichnungen. Falsch gesetzte Anreize wirken kontraproduktiv, indem sie Solidarität und Kooperationsbereitschaft seitens der Angestellten untergraben. Im schlechtesten Fall werden gar keine Erfindungen mehr eingereicht. Das Ziel der Gewinnmaximierung muss Logiken kollektiven Handelns mitbedenken.

Die Bewirtschaftung humanen Kreativpotentials jenseits betrieblicher Strukturen thematisierte ISABELL HENSEL (Frankfurt an der Oder) anhand des „Crowdworkings“. Zunehmend beauftragen gewinnorientierte Unternehmen sogenannte „Crowdsourcer“ (auf Abschöpfung des globalen Ideenreichtums spezialisierte Online-Plattformen) mit der Beschaffung von Innovationen für Produkte und Designs. „Kreativität“ und „Intelligenz“ werden als durchgehend skalierbar, Dienstleistungen als unendlich parzellierbar vorgestellt, weshalb sie ohne betriebliche Einbindung der Arbeitskräfte generiert werden können. „Crowdworker“ stammen aus der erfolgshungrigen, leistungsbereiten urbanen Kreativindustrie. Nach dem „Prinzip Hoffnung“ lassen sie sich auf Knebelverträge ein und verpflichten sich zum Verzicht auf geistiges Eigentum, auf Eigennutzung ihrer Ideen, auf Kontaktnahme mit anderen „Crowdworkern“ und auf Informationsaustausch bezüglich ihrer Auftraggeber. Obwohl meist nur tatsächlich verwendete Vorschläge abgegolten werden, verzeichnet „Crowdworking“ enorme Zuwachsraten. Dringender Bedarf nach Selbstorganisation der ungeschützt agierenden Arbeitskräfte manifestiert sich in Form erster Portale, auf denen „Crowdsourcer“ bewertet und „Crowdworker“ zu vermehrter Kommunikation stimuliert werden sollen. In nationalen Kategorien denkende Rechtswissenschaft vermag die von grenzüberschreitenden Geschäftsmodellen generierten Rechtsfragen bislang nur unpräzise zu fassen. Ob Anliegen wie ein Mindestlohn dereinst durchgesetzt werden können, ist fraglich.

Mit Wikipedia, der klassischen „Internet-Allmende“, befasste sich OLAF DILLING (Bremen). Das digitale Nachschlagewerk ist global unbeschränkt zugänglich und verzeichnet hohe Nutzungsziffern. Die Summe des Wissens der „Free Content-Bewegung“ gilt als ebenso verlässlich wie durch akademische Meriten belegte Gelehrtheit. Angaben aus Wikipedia-Artikeln flossen zuletzt in Begründungen von Gerichtsurteilen ein. Dem Bekenntnis zur unbedingten Offenheit und Egalität aller Beitragenden zum Trotz ist im inneren Zirkel der elektronischen Enzyklopädie in Analogie zu historischen Allmenden eine soziale Struktur, eine eigentliche Ständehierarchie gewachsen, die sich aus den Verdiensten um das Gemeingut herleitet. An Entscheidungen über grundlegende Weichenstellungen partizipiert, wer an vielen Artikeln mitgeschrieben hat. Intensive, wechselseitige Beobachtung gewährleistet eine effektive inhaltliche Kontrolle. Konflikte über strittige Inhalte werden nach korporativem Muster über Vermittlung und Schiedsverfahren moderiert. Für die meisten Beitragenden stellen Ehre und Status in der selbstreferentiellen Internetgemeinde den primären Anreiz dar. Obwohl das Funktionieren von Wikipedia auf generalisierter Reziprozität, also dem Vertrauen auf Redlichkeit und dem Bemühen um maximalmögliche Neutralität aller Mitwirkenden beruht, werden zunehmend gegen Bezahlung erstellte Artikel online gestellt. Nach intensiver Diskussion der mit derartiger Schleichwerbung verbundenen Probleme sind im Auftrag verfasste Texte unterdessen offiziell zugelassen.

VIOLA HILDEBRAND-SCHAT (Frankfurt am Main) stellte die Frage, ob Kunst sich umfassend popularisieren lasse, und ortete ein Spannungsfeld zwischen dem Postulat „Kultur für alle“ einerseits, der Hermetik des Kunstwerks und den Exklusionsmechanismen des Kunstbetriebs andererseits. Anhand von im öffentlichen Raum präsenter Konzeptkunst verdeutlichte sich das Dilemma disparater physischer und intellektueller Zugänglichkeit. Kunst wird nicht zum öffentlichen Gut, nur weil sie die Kulturpolitik zu einem solchen erklärt oder weil das Publikum in eine Performance einbezogen wird. In der Diskussion wurde dafür plädiert, Kunst als deutungsoffenen „Symbolvorrat“ zu verstehen. Als solcher ähnelt sie einer Naturressource, die nutz- und belanglos bleibt, solange sie nicht aktiv aneignet wird. Das Kunstwerk wird erst in der Rezeption zu Kunst, wobei unterschiedliche Milieus Kunst in ihren eigenen Diskursen und Verwendungszwecken deuten bzw. operationalisieren (Kunstszene, -wissenschaft, -kritik, -pädagogik, -vermittlung, -handel).

JONAS PERRIN (Luzern) zeigte auf, wie über territorialstaatliche Grenzen ausgreifende, kollektive Landnutzung durch „indigene Völker“ Lateinamerikas in den letzten Jahren Niederschlag in der internationalen Völkerrechtsdebatte gefunden hat. Als ethnisch gerahmte Gemeinschaften verstehen sich indigene Kulturen als Nutzer der von ihnen bewohnten Gebiete, die sie als Schlüssel ihrer Existenz, Spiritualität, Bräuche, Traditionen und Kultur betrachten. Dieses kollektivistisch-holistisch biozentrische Verständnis von Landnutzung kollidiert mit den in westlichen Kategorien als Individualrechte gegenüber dem „Staat“ konzipierten Menschenrechten. „Indigene Völker“ reklamieren Menschenrechte im Kollektiv. Multinationale Trusts und Rohstoffkonzerne als ihre Gegner wickeln Landgeschäfte zwecks Rohstoffabbau zwar mit staatlichen Regierungen ab, lassen sich aber nicht in völkerrechtliche Logiken fassen. Trotz des mit den Namen Hugo Grotius und Emmerich de Vattel verbundenen Nimbus’ der zwingend an die Idee vom „Nationalstaat“ gebundenen Konzeption von „Souveränität“ hat die hegemoniale Völkerrechtsordnung zuletzt einige Durchbrechungen erhalten. Kollektive Landnutzung jenseits exklusiver Eigentumsrechte ist daran, einen Paradigmenwechsel der gängigen Völkerrechtsdoktrin einzuläuten: weg von einer staatszentrierten Konzeption hin zu einer pluralistischen Ordnung, die nichtstaatliche De-facto-Akteure miteinbezieht.

Die Tagung spannte einen Bogen über vielfältige Figurationen kollektiver Ressourcenbewirtschaftung. Aus interdisziplinärer Perspektive wurden theoretische Diskurse ebenso in den Blick genommen wie empirische Beispiele aus unterschiedlichen Epochen. Die Ergebnisse in fünf Themenblöcken:

1) Strukturmerkmale: Kollektive Handlungsformen bedürfen nicht zwingend scharf umrissener Nutzerkreise, wie sie die Designprinzipien von E. Ostrom verlangen. Besonders interessant sind grenzübergreifende Institutionen und Nutzungssysteme mit permeablen Grenzen unter potentiell Partizipierenden. Um die Bandbreite von der hermetisch verschlossenen vormodernen Allmende bis zu den Gemeingütern der Gegenwart deskriptiv und analytisch fassen zu können, braucht die Forschung differenziertere Typologien und Begrifflichkeiten.

2) Charakteristika von Ressourcen: Kollektiv allozierte bzw. bewirtschaftete Güter haben ihre jeweils eigene Logik. Um Wald, Weide oder Wikipedia zu verstehen, müssen die den Ressourcen eingeschriebenen Merkmale und objektiven Sachzwänge erkannt und hinsichtlich ihrer Wirkungsmacht dechiffriert werden.

3) Ökonomische und hegemoniale Logiken: Allen beschriebenen Phänomenen wohnen spezifische Zielsetzungen, gängige Strategien und implizite Regeln inne. Dabei stellt sich die Frage nach Unterschieden zwischen „nachhaltig“ operierenden historischen und den im 21. Jahrhundert entstehenden Institutionen. Nutzerschaften früherer Jahrhunderte dachten in Generationen überspannenden Zeiträumen und bildeten entsprechende Vorräte an materiellen Gütern, Knowhow und Identifikation.

4) Abkehr von Dichotomien: Von eschatologischen Hoffnungen getrieben, deklarieren gegenwärtig florierende Utopien die „Commons“ als Königsweg im „Jenseits von Markt und Staat“, um die Gesellschaft aus den Zwängen globaler Ökonomie und den mit ihr einhergehenden sozialen Verwerfungen zu befreien. Indes zeigte die Tagung, dass ideologische Dichotomien und antagonistische Begriffe wie Staat und Markt, Herrschaft und Freiheit, Gewinnstreben und Solidarität oder Ausbeutung und soziale Gerechtigkeit zu kurz greifen, um gemeinschaftliche Ressourcenbewirtschaftung und -distribution zu verstehen.

5) Forschungsdesiderata: Die Konferenz vermittelte konzeptionelle Anregungen. Gleichzeitig machten Vorträge und Diskussionen deutlich, welche Forschungslücken künftig zu schliessen sein werden:

- Soziale Praxis: Die „Commons-Bewegung“ thematisiert soziale Praktiken unter der Chiffre „Commoning“ (P. Linebaugh), womit die kulturellen Ausformungen von „Allmendeinstitutionen“ angesprochen sind. Rituale, Kommunikationsformen, Entscheidungs- und Verwaltungsprozeduren, Face-to-Face-Handeln, Gemeinwerk, alltägliche Geselligkeit und symbolträchtige Soziabilität sowie vertikale und horizontale Ressourcentransfers trugen entscheidend zur epochenübergreifenden Persistenz körperschaftlicher Institutionen bei. Können moderne Figurationen analoge Techniken und Strategien entwickeln oder diese wenigstens substituieren?

- Herrschaft und soziale Ungleichheit: Die Regelwerke und sozialen Praktiken historischer Korporationen lassen vermuten, dass soziale Gegensätze überbrückt oder mindestens symbolisch überspielt werden müssen, sollen innerer Frieden und Kontinuität gewahrt werden. Wie hegemoniale Gegensätze nicht nur abgefedert, verkraftet und idealerweise produktiv umgesetzt werden, muss auch moderne „Commonsorganisationen“ interessieren.

- Programmatik und Selbstreflektion: Institutionen bedürfen schlüssiger Selbstbeschreibungen (Chroniken, Erzählungen, Symbolik, rituelle und architektonische Inszenierung etc.). Als Leitmotiv im Selbstverständnis historischer Genossenschaften dient die generationsübergreifende Langlebigkeit der Institution. Verfügen auch moderne „Commons“ über ein Bewusstsein des Bedarfs nach Erzählungen und Perspektiven, die über die unmittelbar antizipierbare Zukunft hinausreichen?

- Rechtliche Kategorien: Entwickelten sich die rechtlichen Grundlagen historischer Gesellschaften noch langsam und im Licht konkreter Problemstellungen, machen multiple Entgrenzung bzw. Emanzipation von ökonomischen Handlungsräumen, territorialstaatlicher Souveränität sowie sozialer Verantwortung vor Ort den Bedarf nach Begriffen und Kategorien deutlich, die eine globale Gesellschaft adäquat zu fassen und reglementieren vermögen (Stichworte: Souveränität, Nation, Menschenrechte, Eigentum, persönliche Freiheit versus öffentliches Interesse, etc.).

Konferenzübersicht:

Malte Gruber (Frankfurt am Main), Daniel Schläppi (Bern), Begrüssung und Einleitung ins Tagungsthema

Christian Hoffarth (Essen), «Omnia debent esse communia». Zur Ideengeschichte der Gütergemeinschaft im Spätmittelalter unter besonderer Berücksichtigung John Wyclifs

Hendrik Baumbach (Marburg), Gemeinsam für den Frieden! Die Genese kollektiver Ressourcen und ihre Nutzung in den spätmittelalterlichen Einungen

Sebastian Kühn (Hannover), Teil-Habe am Haushalt. Dienerschaften in Adelshaushalten der Frühen Neuzeit

Martin Stuber (Bern), Kollektive Ressourcen in der «Longue durée» – die burgerlichen Wälder der Stadt Bern

Dieter Kramer (Wien), Verwaltete Gemeinnutzen und aktuelle Politik

Hans-Dieter Schat (Stuttgart), Gelehrtenrepublik im Industriebetrieb. Die Behandlung von Ideen zur Prozessoptimierung

Isabell Hensel (Frankfurt an der Oder), Crowdworking – eine neue Form der Arbeitsteilung?

Olaf Dilling (Bremen), Wissensallmende oder Werbeplattform? Wikipedia am Scheideweg zwischen Schenkökonomie und Kommerzialisierung

Viola Hildebrand-Schat (Frankfurt am Main), Kunst für die Gemeinschaft zwischen Gesetz und Freiheitsanspruch

Jonas Perrin (Luzern), Kollektive Landrechte indigener Völker Lateinamerikas. Vom Menschenrecht auf Eigentum zu indigener Souveränität?


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