Partikularsynoden im Spätmittelalter - Deutschland, Polen und Tschechien im Vergleich

Partikularsynoden im Spätmittelalter - Deutschland, Polen und Tschechien im Vergleich

Organisatoren
Max-Planck-Institut für Geschichte; Germania Sacra; Polnische Historische Mission
Ort
Göttingen
Land
Deutschland
Vom - Bis
14.10.2004 - 16.10.2004
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Von
Nathalie Kruppa, Max-Planck-Institut für Geschichte

Im Max-Planck-Institut für Geschichte fand vom 14. bis 16. Oktober 2004 eine internationale Tagung zu dem Thema: „Partikularsynoden im Spätmittelalter. Deutschland, Polen und Tschechien im Vergleich“ statt, die von Dr. Nathalie Kruppa (MPIG, Göttingen) und Dr. Dr. Leszek Zygner (PHM, Göttingen) vorbereitet und durchgeführt wurde. Historiker, Kirchenhistoriker und Kanonisten aus den drei Ländern trugen die Ergebnisse ihrer Forschungen zu diesem Thema vor und stellten sich der Diskussion ihrer Fachkollegen. Die Publikation der Beiträge soll im kommenden Jahr in den „Veröffentlichungen des Max-Planck-Instituts für Geschichte; Studien zur Germania Sacra“ erfolgen.

Nach einer Begrüßung durch Prof. Dr. Otto Gerhard Oexle und Dr. Dr. Leszek Zygner führte Dr. Nathalie Kruppa kurz in das Thema ein, indem sie die Bedeutung der Begriffe „Synode“ und „Concilium“ vorstellte und auf ihre historische Entwicklung von der Spätantike bis ins Mittelalter einging. Anschließend wurde ein fulminanter Text von Prof. Dr. Peter Johanek (Münster) von Dr. Caspar Ehlers (Göttingen) verlesen: Prof. Johanek war leider zu diesem Zeitpunkt abwesend und konnte sich erst am Samstag der Tagung anschließen. In diesem Beitrag führte Johanek die Zuhörer an ausgewählten Beispielen des mittelalterlichen Reiches in die Problematik der Partikularsynoden ein. Vor allem betonte er die Funktion der Synoden als Kommunikationsorte. So führten die unterschiedlichen Synodenarten dazu, dass sich Kleriker auf verschiedenen Ebenen in einer gewissen Regelmäßigkeit trafen. Zudem waren die Synoden nicht nur Orte der hierarchischen Herrschaft, sondern auch der Partizipation. Wie ein roter Faden zog sich ab diesem Vortrag die Feststellung durch die Tagung, daß mehr Synoden stattgefunden haben – vor allem auf Diözesan- und Metropolitanebene – als es die Quellen, hier sind vor allem Statuten gemeint, ab dem späten Mittelalter auch Protokolle und Predigten, erkennen lassen – denn nicht jede Synode produzierte Statuten, die zudem bisher nur zu einem gewissen Teil in Editionen vorliegen. Die Begriffsproblematik tauchte auch hier auf, nach Johanek bezeichnen die mittelalterlichen Quellen die Versammlungen auf Diözesanebene als „Synode“, auf Metropolitanebene als „Konzil“; die Versammlungen auf Archidiakonatsebene dagegen, die in den Quellen ebenfalls häufig als Synoden bezeichnet werden, sind es formal nicht.. Wichtig sei auch, daß die Statuten geltendes Kirchenrecht waren und daß die Synoden ursprünglich neben ihren kirchenrechtlichen Funktionen auch juristische besaßen.

Am Beispiel der drei fränkischen Bistümer (Bamberg, Eichstätt und Würzburg) führte Prof. Dr. Helmut Flachenecker (Würzburg) die Bedeutung der Synoden für die Seelsorge vor. Dabei orientierten sich sowohl Eichstätt und Würzburg sowie das exemte Bamberg an den Vorgaben des Erzbistums Mainz. Durch die Statuten des gesamten Mittelalters wiederholten sich die Ermahnungen des Niederklerus zum sittlichen Leben. Themen wie Konkubinat, Gasthausbesuche und Spiel, Ausbildung der Kleriker und die Sorge um die richtige Seelsorge zogen sich durch die Jahrhunderte. Die Tradition der Statuten wurde ebenfalls an Beispielen aus diesen drei Bistümern vorgestellt. Die Frage, inwieweit jüngere Statuten Kopien der älteren waren und in wieweit sie aus aktuellen Anlässen modifiziert wurden, wurde ebenfalls angesprochen. Synoden als Kommunikationsorte wurden hier an einem anderen Beispiel verdeutlicht – mit dem Aufkommen des Buchdrucks folgten die ersten Drucke der Synodalstatuten, vielfach auch ältere Statuten in einer redigierten Version. Als fränkische Besonderheit sind die Statuten, die sich mit der hussitischen Frage beschäftigen müssen, im Reich anzusehen; wegen der Nachbarschaft zu Böhmen betraf diese Bewegung besonders die Diözese Bamberg.

P. Prof. Dr. Stephan Haering OSB (München und Metten) wies in seinem Vortrag darauf hin, daß die Zahl der Synoden aufgrund der sich entwickelnden päpstlichen Gesetzgebung zurückging und führte nochmals in die Begriffsproblematik aus kanonistischer Sicht ein. Nach dem kanonischen Recht ist eine Synode eine Versammlung von mehreren Bischöfen, eine Diözesansynode würde diese Bedingung nicht erfüllen. Die im heutigen Bayern gelegenen Bistümer Freising, Passau und Regensburg sowie das Eigenbistum Chiemsee gehörten alle der Kirchenprovinz Salzburg an und müssen somit im kirchenpolitischen Gesamtkontext dieser Provinz gesehen werden. Die recht gut erforschte Epoche des Früh- und Hochmittelalters dokumentiert eine gewisse Synodenfreundlichkeit; zahlreiche Versammlungen auf Diözesanebene fanden in dieser Zeit statt. Im späten Mittelalter beanspruchte der Salzburger Erzbischof den Titel eines päpstlichen „legatus natus“ und versuchte einen verstärkten Einfluß über seine Suffragane auszuüben. So fanden Provinzialsynoden erst im 15. Jahrhundert häufiger statt (im 13. z.B. nur fünf). Die Themen der spätmittelalterlichen Synoden waren auch hier Klerusdisziplin, Ketzer, Konkubinat etc. Das Verhältnis zwischen Klerus und Laien war auf den Synoden ein immer wiederkehrendes Thema. In der Provinz Salzburg – so wurde es deutlich – fanden wie in Franken dieselben Themen eine wiederholte Behandlung, was sich in einer vergleichbaren Statutengesetzgebung niederschlug.

Der zweite Konferenztag begann mit einer Annäherung an die Statuten von der Adressantenseite her – also vom Niederklerus, der hierarchisch an der untersten Stufe stehend, zwar sehr zahlreich, aber nicht homogen in seiner Zusammensetzung war. Dr. Stefanie Unger (Marburg) betonte, daß von ihm in hohem Maße die Glaubwürdigkeit der ganzen Institution Kirche gegenüber der Laienwelt abhing. Die Referentin klassifizierte die Statuten der Diözesan- und Provinzialversammlungen der beiden Erzdiözesen Mainz und Köln im Hinblick auf den Niederklerus und stellte fest, daß die Instruktionen der Geistlichkeit die Seelsorge betreffend einen führenden Platz einnahmen. Mindeststandards im Leben und der Ausbildung sollten eingeführt werden, wobei das hierarchische Gefüge der Kirche bewahrt werden mußte, wozu Aspekte wie Pfarrzwang und bischöfliche Weisungsbefugnis gehörten. Schutzmaßnahmen zugunsten des Klerus gegenüber Gewalt und Ausbeutung dienten letztendlich wiederum der Sicherung der Seelsorge. Mit den Mainzer Statuten des Erzbischofs Peter von Aspelt von 1310 wurden Statuten mit Vorbildcharakter geschaffen, die weit über die eigene Provinz hinaus wirkten. Die Statuten der beiden Provinzen und ihrer Diözesen wiesen auch – wie schon am Vortag festgestellt – Wiederholungen auf, welche die Statuten über die Jahrhunderte hinweg tradierten, aber auch hier mit Aktualisierungen und Anpassungen an neue Situationen.

Anhand von zwei exemten Bistümern (Meißen und Kammin) zeigte Dr. Peter Wiegand (Dresden) die Entwicklung von Statuten und deren äußeren Abhängigkeiten von jenen benachbarten Provinzen, wobei erneut die Mainzer Statuten von 1310 ins Spiel kamen. Das Bistum Meißen – im 14. Jahrhundert exemiert und praktisch wettinisches Landesbistum – mußte sich dem Widerstands Magdeburgs als ehemaligen Metropoliten erwehren sowie der Versuche Prags, das Bistum in seine Provinz zu ziehen. Im 13. und 14. Jahrhundert dienten die Diözesansynoden hauptsächlich als Orte bischöflicher Gerichtsbarkeit. Auffällig selten lassen sich Synoden für das 14. Jahrhundert nachweisen, nämlich gerade zwei, während für das 15. Jahrhundert auch nur drei belegt sind. Die ältesten Statuten stammen von 1413, erst 1504 wurden neue gedruckt. Kirchliche Gesetzgebung fand auch Eingang in wettinische Landesordnungen, so daß eigene Statuten scheinbar entbehrlich wurden. Auch das Bistum Kammin mußte seine Exemtion verteidigen, zuerst gegen Magdeburg, später (im 14. Jahrhundert) gegen Gnesen und das polnische Königtum. Dies führte zu einer starken eigenständigen Diözesangesetzgebung. Die Statuten von 1352 zeigen einerseits Bestrebungen die exemte Stellung zu stärken, andererseits lassen sich hier Ansätze zu einer eigenen pommerschen Provinz (unter dem Einfluß der pommerschen Herzöge) erkennen. Für beide Diözesen war der Kampf um die Eigenständigkeit also von herausragender Bedeutung bei der Statutengesetzgebung; beide hatten im 15. Jahrhundert die Stellung eines Landesbistums.

Der Vortrag von Prof. Dr. Andrzej Radzimiński (Toruń/Thorn), der leider nicht anwesend sein konnte, stellte die Synodalstatuten der 1243 geschaffenen Diözesen des Deutschordenslandes Preußen vor (Ermland, Kulm, Pomesanien, Samland), die dem Erzbistum Riga unterstanden. 1427 bestätigte der Bischof von Ermland die Provinzialstatuten, die sich mit Klerusdisziplin, Liturgie, Verhältnis des Klerus und der Laien sowie mit wirtschaftlichen Fragen beschäftigten. Dies scheint die letzte Provinzialsynode des Mittelalters gewesen zu sein. Insgesamt haben sich 12 Kodifizierungen von Statuten (teilweise in Fragmenten) aus den vier Diözesen aus der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts erhalten. In den Statuten der einzelnen Diözesen lassen sich neben den bekannte Themen auch regionalspezifische finden: Interessant ist das Verbot für Priester, bei den einheimischen Pruzzen an Trinkspielen teilzunehmen (Samländer Statuten). Ebenso ist das in den Statuten angesprochene Sprachproblem ein Sonderfall. Bei Unkenntnis der einheimischen Sprache soll ein Erwachsener als Dolmetscher bei der Beichte fungieren. Die Pruzzen sollten gleichzeitig angehalten werden, „Vaterunser“, „Ave Maria“ und das „Credo“ zu lernen, parallel dazu sollten die Geistlichen die Gebete in der einheimischen Sprache in den Sonntags- und Feiertagsgottesdiensten wiederholen.

Prof. Dr. Stanisław Tymosz (Lublin) stellte die Provinz Gnesen, Sitz des Erzbischofs und Primas und damit Zentrum des religiösen Lebens in Polen, vor. Für das 14. Jahrhundert lassen sich keine Diözesansynoden und nur sieben Provinzialsynoden nachweisen, im 15. Jahrhundert sind 46 Synoden belegt, elf Diözesan- und 35 Provinzial- sowie zwei synodale Beratungen, die nicht den Status einer Synode erhielten. Aufgabe der Provinzialsynoden war erneut die Vereinheitlichung und Vereinfachung des Kirchenrechts; Beschlüsse des Konstanzer Konzils wurden in die Gesetzgebung übernommen. Weitere Beeinflussung der Statuten fand von den Synoden der Magdeburger, Prager und Salzburger Provinz aus statt. Die vereinheitlichte Kodifikation der mittelalterlichen Synodalstatuten durch Erzbischof Mikołaj Trąba von 1420 war von einer ähnlich durchdringenden Wirkung in Polen (in beiden Erzdiözesen Gnesen und Lemberg) wie die Statuten Peters von Aspelt von 1310 für die Reichskirche.

Die Nachmittagssektion begann mit dem Vortrag von Prof. Dr. Marek Derwich (Wrocław/Breslau), der feststellte, daß Orden selten ein Thema bei den polnischen Synoden waren; die vermutliche Ursache lag in der relativ geringen Dichte an Benediktinerklöstern und Kanonikerstiften. Dennoch entstand 1336 die vom Papst geforderte Gneser Benediktinerprovinz, die sich auch den spätmittelalterlichen Reformen anschloß. Eine Ausnahme bildete das Bistum Krakau, in dem im 14. Jahrhundert die Orden ein recht häufiges Thema bildeten – hier gab es auch mehr Klöster als in den anderen polnischen Diözesen. In den Statuten von 1320 wurde bestimmt, daß jede Abtei die Reformkanones von Vienne besitzen solle sowie die Konstitution Clemens V. „ne in agro Domini“. Die Statuten von 1331 beschäftigten sich unter anderem mit dem Ordensleben der Frauen, hier vor allem mit der Klausur, und mit Mendikanten. Auf der Synode des Piotr Wysz, die vermutlich 1394 stattfand, wurden für Benediktiner und Prämonstratenser alljährliche bischöfliche Visitationen eingeführt – ein Novum in Polen. Das 15. Jahrhundert war in Polen und Schlesien eine Zeit der Ordensreformen. Die Provinzialsynode des Gneser Erzbischofs Mikołaj Trąba von 1420 in Wieluń und Kalisz übte hier entsprechend Einfluß aus – die Ziele waren eine Verbesserung der Observanz. Mit dem Ende des Jahrhunderts verschwand das Thema Orden aus den Statuten.

Prof. Dr. Krzystof Ożóg (Kraków/Krakau) wies in seinem Vortrag darauf hin, daß westeuropäische Erfahrungen der Seelsorge in Polen zeitlich versetzt rezipiert wurden. Bischof Nanker von Krakau, später Breslau, legte großen Wert auf eine gute Ausbildung seines Klerus, was sich auch in seinen Statuten widerspiegelte. Die seit dem 14. Jahrhundert überlieferten pastoralen Kompendien, die einen Bestandteil der Synodalpublikationen bildeten, beinhalten Lehrbücher für den Niederklerus, so z.B. eines zur Sakramentenlehre. Sie wiesen eine klare Gliederung und Sprache auf, komplizierte Causae wurden weggelassen. Ob das älteste Lehrbuch auf Nanker zurückgeht, ist nicht bekannt, sicher ist, daß in der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts sich alle Pfarreien der Diözese Krakau (ca. 600) anscheinend daran hielten. Auch die in mehreren Vorträgen angesprochene Provinzialsynode von 1420 veröffentlichte ein Lehrbuch zu den Sakramenten, das eine Ergänzung des älteren Werkes sein sollte. Beide Kompendien wirkten über Krakau hinaus und spielten eine große Rolle in der Ausbildung des Niederklerus.

Die Bedeutung von drei polnischen Bischöfen des späten 14. und frühen 15. Jahrhunderts für die Synodengesetzgebung stellte Dr. Dr. Leszek Zygner (Göttingen) vor. Piotr Wysz, Krakauer Bischof, veranstaltete in seiner Regierungszeit drei Diözesansynoden, die eindeutig der kirchlichen Reform gewidmet waren. Auch bei ihm spielte die oft angesprochene verstärkte Bemühung um den Niederklerus eine Hauptrolle. Jakub von Kurdwanowo, Bischof von Płock, berief wahrscheinlich vier Synoden ein. In seiner Zeit wurden die Płocker Rechtssammlungen angelegt, die eine Reform des Diözesanrechtes beinhalten. Einflüsse aus dem „Corpus iuris canonici“, den Mainzer Stauten von 1310 und den Gneser Provinzialstatuten von 1420 sind zu erkennen. Aus der Zeit des Posener Bischofs Andrzej Łaskarzewic ist nur eine Synode bekannt, die sich ebenfalls der Reform der Kirche und des Klerus widmete. Die erhaltenen Statuten weisen Verwandtschaft zu den Gneser von 1420 auf, wobei die Anhängerschaft des Bischofs zu den großen Konzilen der Zeit ebenfalls zur erkennen ist.

Dr. Wojciech Mrozowicz (Wrocław/Breslau) führte in die Breslauer Synoden ein; 37 sind bekannt, von 18 sind Statuten erhalten. Besondere Aufmerksamkeit des Publikums fand die Bemerkung, daß Verordnungen Kopien der Statuten verlangten, die auf Holztafeln aufgezogen in Kirchen aufzuhängen gewesen seien. Die jeweils aktuellsten Statuten sollten als Kopien dem Klerus von den Archidiakonen zur Verfügung gestellt werden; die Visitatoren hatten dies zu prüfen. Jedoch ist die tatsächliche Erfüllung der Vorschrift nicht bekannt; es müßten über 1000 Kopien für jede Statutensammlung im Umlauf gewesen sein – mehr Quellen hätten sich dann erhalten müssen. Breitere Verbreitung läßt sich erst für das späte Mittelalter beobachten, als Papier das teure Pergament ersetzte und der Buchdruck aufkam.

Statuten als Auskunftsquelle für das religiöse Leben stellte Prof. Dr. Thomas Wünsch (Passau) in den Vordergrund seines Vortrages. Die Statuten waren seiner Ansicht nach Ausdruck der kirchlichen Gesetzgebung und gleichzeitig reagierten sie – zumindest teilweise – auf gesamtkirchliche und regionale Probleme, die z.B. durch Visitationen sichtbar wurden. Als Beispiel dienten ihm Fragen nach Magie und Aberglauben in den spätmittelalterlichen Statuten der böhmisch-mährischen und polnischen sowie schlesischen Diözesen. Deren Aussagen wiesen immer wieder daraufhin, daß die Geistlichen/Pfarrer die Menschen über „das Wahre der Kirche“ aufzuklären haben und sie daran hindern sollten, bei Krankheiten, Unfruchtbarkeit oder landwirtschaftlichen Problemen die Hilfe der Wahrsager und Magier zu suchen. Diese Hilfe wäre nur vordergründig und würde nicht den Kern anpacken, der Mensch würde immer weiter in den „Teufelskreis“ hineinrutschen. Weitere Aussagen betrafen den Schutz der durch schwarze Magie besonders gefährdeten kirchlichen Güter wie Weihwasser oder Hostien, die immer abgesperrt zu sein hatten. Auch die Verehrung von Heiligen sollte reguliert werden – in Posen z.B. sollte der Bischof bestimmen, wer als Heiliger zu verehren sei. Durch diese Statuten erfuhren die jüngeren christlichen Landschaften eine weitere Regulierung und Normierung ihres kirchlichen Lebens, die allerdings in Bezug auf die angesprochenen Punkte der Magie und des Aberglaubens unterschiedlich stark ausgeprägt waren.

Die letzten drei Vorträge des dritten Konferenztages beschäftigten sich mit den Synoden der böhmischen Kirche – und das hieß mit jenen der Diözese Prag. Der geplante Vortrag von Pavel Krafl (Brno/Brünn) mußte leider ausfallen. Prof. Dr. Ivan Hlaváček (Praha/Prag) berichtete in seinen Ausführungen, daß die Prager Synoden und ihre Statuten seit dem späten 19. Jahrhundert erforscht werden. Allerdings hätte niemand bisher sie aus kodikologischer Sicht betrachtet, auch nicht in der jüngsten Ausgabe der Statuten.1 Anhand dieser stellte Hlaváček die Überlieferung der Statuten des Prager Erzbischofs Ernst von Pardubice von 1349 vor, die in 85 in Tschechien und im Ausland verstreuten Handschriften des 14. und 15. Jahrhunderts sowie in drei Wiegendrucken bekannt sind. Ein Teil der Handschriften befand sich nachweislich in der Hand von Pfarrern, ein Teil in der Hand von „Privatpersonen“, deren Zugehörigkeit zu geistlichen Einrichtungen nicht nachvollziehbar ist, sowie in Klöstern und Stiften. Das deutet darauf hin, daß es eine sehr große Menge der Handschriften gegeben hat – diese Frage wurde schon im Zusammenhang mit den Breslauer Statuten aufgeworfen. Auffallenderweise wurden viele Statutentexte im Rahmen von Sammelhandschriften publiziert.

Frau Prof. Dr. Zdenka Hledíková (Praha/Prag) stellte die spätmittelalterlichen Synoden in der Diözese, später Erzdiözese Prag vor. Da Prag ursprünglich zur Provinz Mainz gehörte, galten hier die entsprechenden Provinzialstatuten. Besonders auffallend war, daß Diözesansynoden in Böhmen ursprünglich unbekannt waren. Erst ab den 1280er Jahren lassen sich Diözesansynoden nachweisen; von 1308 sind entsprechende Statuen erhalten, die unter dem Einfluß Peters von Aspelt entstanden sind und unter anderem die Aufgabe hatten, von kirchlicher Seite Ruhe in Prag nach dem Aussterben der Premysliden zu bewahren. 1310, nach der Rückkehr des Bischofs vom Konzil in Vienne, fand ebenfalls eine Synode statt – mit der Teilnahme des Königs und Adels, was hier einzigartig blieb. Ab diesem Zeitpunkt waren die Prager Synoden, die in der Regel in der Prager Kathedrale stattfanden, eigenständig. Zur Vorbereitung fanden kleine Landsynoden statt. Die erste eigene Provinzialsynode veranstaltete der Erzbischof 1349. Solche Zusammenkünfte blieben – wohl wegen der geringen Größe der Provinz – selten und sind nicht immer von Diözesansynoden zu unterscheiden. Bis 1419 sind insgesamt 72 Prager Synoden bekannt, danach erfolgte die Unruhephase der Hussitenzeit. Eine Besonderheit bei den Prager Synoden und ihren Statuten war, daß Wiederholungen kaum vorgenommen wurden – hier unterschieden sie sich zentral von den meisten anderen.

Auch in der Hussitenzeit fanden in der Diözese Prag Synoden statt – sowohl hussitische, auf die Frau Dr. Blanka Zilynská (Praha/Prag) einging, als auch katholische Versammlungen. 1437 versuchte ein Legat des Konstanzer Konzils Hussiten und Katholiken auf einer gemeinsamen Versammlung zu einigen; weitere Treffen fanden auf Wunsch der böhmischen Könige statt. Die hussitischen Versammlungen lassen sich in drei Gruppen einteilen, zuerst diejenigen der Kriegszeit (bis 1448), die in die Prager Hussiten-Versammlungen mit „klassischen“ Synodenformen und in Tabor-Versammlungen unterteilt wurden, bis sie schließlich vereinigt wurden. Die Beschlüsse der hussitischen Versammlungen hatten nicht die Form der Statuten und konzentrierten sich vor allem auf die dogmatische Seite der Seelsorge. In den 50er Jahren des 15. Jahrhundert fanden Versammlungen statt, die die Aufgabe hatten, die Folgen der hussitischen Auseinandersetzungen in Böhmen zu restaurieren; in der Zeit der Jagiellonen wurde eine neue utraquistische Kirchenverwaltung eingeführt. Nach kanonischem Recht sind die Beschlüsse der Versammlungen der hussitischen Zeit nicht gültig, daher war ihre Wirksamkeit eingeschränkt. Sie bemühten sich um die Reform der Kirche und nahmen so in gewisser Weise die Reformation vorweg.

Zum Schluß stellte Frau Prof. Marie Blahová (Praha/Prag) die Synodalpredigten des Johann Milič von Kremisier, eines der frühesten böhmischen Reformer, vor. Sein Hauptthema war die Verbesserung der Priestermoral, der er auch seine Predigten widmete, bei denen er keine Angst vor Konsequenzen hatte, wenn er z.B. Karl IV. als Antichrist bezeichnete. Die kirchlichen Mißstände kritisierte er scharf. Die drei bekannten Synodalpredigten, die sich mit keinen bestimmten Synoden in Verbindung bringen lassen, wurden aufgeschrieben, umgearbeitet und unter Priestern verbreitet, so daß sie den engen Kreis der Synodenteilnehmer verlassen haben – ca. 40 Handschriften sind bekannt.

Die Vorträge der Tagung beschäftigten sich von verschiedenen Seiten und Aspekten her mit dem Problem der Partikularsynoden – an Beispielen aus den drei heutigen Ländern Deutschland, Polen und Tschechien. Wenn es auch gewisse Unterschiede gab, die vor allem in zeitlichen Verschiebungen zu beobachten waren, traten doch identische Fragen und Motivlagen auf, die sich durch (fast) alle Vorträge zogen. So gehörten die Verbesserung von Disziplin und Moral sowie eine adäquate Ausbildung des Niederklerus zu den am häufigsten vorkommenden Themen der Statuten, unabhängig von der Art der Synode und der Diözese. Die Frage nach der reinen Wiederholung bzw. der Art der Aktualisierung der Statuten wurde zu einer Grundsätzlichen. Einig waren sich die Teilnehmer auch, daß Synoden häufiger stattfanden, als es die Quellenüberlieferung und ihre zum Teil noch mangelhafte Edition andeutet. Großes Interesse fand die zum Schluß nochmals angesprochene Frage nach der (heutigen) kanonistischen Definition der Synode und die damit verbundene Frage, ob die Diözesansynoden überhaupt Synoden seien.

Insgesamt bot die Tagung einen ersten Zugriff auf viele Synoden in höchst unterschiedlichen Regionen, deren Statuten jedoch – durch ihre Nachbarschaft? – von einander beeinflußt wurden. Mit den Ausführungen wurden neue Anregungen für eine übergreifende Synodenforschung geweckt.

Anmerkung:
1 Jaroslav V. Polc, Zdenka Hledíková (Hg.), Prazské synody a koncily. Predhusitské doby. Praha, Univ. Karlova Nakl. Karolinum, 2002


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