Kampf um die Ressourcen – Relevanz der Energiepreise für deutsche Unternehmen

Kampf um die Ressourcen – Relevanz der Energiepreise für deutsche Unternehmen

Organisatoren
Gesellschaft für Unternehmensgeschichte e.V.
Ort
Köln
Land
Deutschland
Vom - Bis
19.03.2015 -
Url der Konferenzwebsite
Von
Steffen Schneewind, Gesellschaft für Unternehmensgeschichte e.V.

Die Veranstaltung fand im Zeichen der aktuellen Umbrüche und Entwicklungen im Bereich der globalen Energiemärkte statt. Einerseits widmete sie sich dieser Thematik aus einer historischen Perspektive, andererseits stand die Tragweite des „Kampfes um die Ressourcen“ für deutsche Unternehmen aus makroökonomischer Perspektive im Zentrum. Des Weiteren wurde nach der Sicherheit Europas und Deutschlands als Standort für Unternehmer gefragt.

Als Gastgeber eröffnete Michael Hüther, Direktor und Mitglied des Präsidiums des Instituts der deutschen Wirtschaft Köln e.V., die Vortragsveranstaltung. Das Zusammenfinden im Hause des Instituts der deutschen Wirtschaft Köln e.V. (IW), anlässlich der von der Gesellschaft für Unternehmensgeschichte e.V. (GUG) veranstalteten 38. Vortragsveranstaltung, nahm Hüther als Anlass, auf die Anfänge der GUG zurückzublicken. Darin war eine Rückkehr zu den Ursprüngen zu sehen und dies unterstrich zudem die traditionell enge Verknüpfung der GUG mit dem IW.

Anschließend verwies ROLF NONNENMACHER (Berg), Vorsitzender des Vorstands der GUG, in seiner Begrüßungsrede auf die gemeinsame Geschichte des IW und der GUG. In den 1970er-Jahren des vergangenen Jahrhunderts sei die Zeit reif gewesen, eine insbesondere sich in den Reihen des IW entwickelnde unternehmenshistorische Initiative zu institutionalisieren. Dies geschah letztlich im Jahre 1976 als die GUG, unterstützt durch das IW Köln, gegründet wurde. Nonnenmacher hob hervor, dass sich die GUG seither den Zielen und Aufgaben der Förderung, Verbreitung und Vermittlung von Unternehmensgeschichte und unternehmenshistorischer Forschung widme. Auf das einleitende Thema der Vortragsveranstaltung stellte Nonnenmacher fest, dass Ressourcen zweifelsohne einen wichtigen Erfolgsfaktor für Regionen und Unternehmen und für die Wirtschaft eine Herausforderung darstellen.

Im ersten Vortrag stellte JOCHEN STREB (Mannheim) voran, dass die „entwickelten Volkswirtschaften seit der Industrialisierung bereits mehrere einschneidende Energiewenden durchlaufen“ haben und fokussierte seinen Blick auf folgende historische Beobachtungen: Erstens sei im Zuge dieser Energiewenden eine Dezentralisierung der Energiequellen und die Verringerung der auf einheimische Quellen beruhenden Standortvorteile zu beobachten. Dadurch verringeren sich die Standortgebundenheit und Standortvorteile „energie-intensiver“ Industrien. Hiermit seien die Voraussetzungen für ein gleichmäßigeres globales Wachstum geschaffen worden. Zweitens basiere modernes Wirtschaftswachstum (bisher) auf langfristig stabilen oder gar sinkenden realen Energiepreisen. Als dritte historische Beobachtung führte Streb an, dass eine Beschleunigung des Anstiegs der Energieproduktivität seit den 1970er-Jahren zu verzeichnen sei. Die Ursachen dafür seien einerseits auf den Ölpreisschock in dieser Zeitspanne zurückzuführen, da steigende Ölpreise die Notwendigkeit von technologischen Anpassungsprozessen zur Erhöhung der Energieeffizienz signalisierten. Andererseits hänge dies mit dem Übergang zur Dienstleistungsgesellschaft zusammen. Die Verschiebung des Marktschwerpunktes auf den Tertiären Sektor, die „De-Industrialisierung“, habe zu einer Verringerung des notwendigen Energieeinsatzes pro Einheit BIP geführt. Auch die sogenannte IT-Revolution wirke auf den beschleunigten Anstieg der Energieproduktivität. Dadurch seien einerseits der Output von Dienstleistungsindustrien und andererseits auch die Erhöhung des Energie- und Rohstoffeinsatzes in den energieintensiven Industrien durch verbesserte Steuerungstechniken ermöglicht worden. Die vierte These besagte, dass Ressourcenreichtum bzw. billige Energie nicht zwangsläufig einen Standortvorteil nach sich ziehe. Streb illustrierte dies anhand des Beispiels Württemberg, das im 19. Jahrhundert unter hohen Transportkosten für Kohle litt und dies mit dem Aufbau einer äußerst erfolgreichen dezentralen Industriestruktur, basierend auf Wasserkraft, ausgleichen konnte. Die Chancen der aktuellen Energiewende sah Streb insbesondere in der Konzentration auf humankapitalintensive Industrien. Ausblickend sah er ein längerfristig starkes Sinken der Preise für erneuerbare Energie im Vergleich zu traditionellen Energieträgern.

Der zweite Referent MARC OLIVER BETTZÜGE (Köln) mahnte einleitend, die Bedeutung von Fristen und Zeiträumen für die Betrachtung des Preisanstieges fossiler Brennstoffe nicht außer Acht zu lassen. So sei beispielsweise die Nachfrage auf den Märkten ein bedeutsamer Faktor und könnte zu erheblichen Preisveränderungen führen. Zu einem Nachfrageschub an Energie sei es etwa durch die stark steigende Wachstumsrate von China und Indien gekommen. Belege dafür, dass der Markt jedoch auch durch eine Marktmengenzurückhaltung einen Preisanstieg verzeichnen kann, seien die beiden Ölkrisen von 1973 und 1979. Ein weiterer Faktor für die fehlende Vorhersehbarkeit der Entwicklungen auf den globalen Energiemärkten sei die Dynamik dieser Märkte. So sei es den USA, denen bisher eine eher geringe Bedeutung auf dem Ölmarkt zukam, im Zuge des Schiefergasbooms ab 2008 gelungen, in den vergangenen Jahren einen starken Zuwachs zu verzeichnen. Aufgrund dieser Dynamik des Marktes sei eine perspektivische Verortung eines preislichen Gleichgewichts nicht möglich. Bettzüge wies zudem darauf hin, dass Reserven eine ökonomisch relevante Größe darstellen und veranschaulichte dies mit einem Langfrist-Modell nach Adelman. Bei einem knappheitsbedingten Preisanstieg würden Ressourcen, die vorher nicht wirtschaftlich waren, zu wirtschaftlich relevanten Ressourcen. Grund dafür sei der Umstand, dass in dieser Situation einerseits mit Nachdruck nach Substitutionen gesucht werde, andererseits der Preisanstieg dafür sorge, dass Ressourcen zu Reserven werden und längerfristig als Antwort auf die Substitute wieder für den Markt freigegeben werden. Zudem kommt es als Reaktion auf die Preisentwicklung zu verstärkten Innovationsanstrengungen auf der Angebots- und Nachfrageseite. Diese wiederum wirkten langfristig senkend auf die Preisbildung. Aktuell sei als langfristige Perspektive beispielsweise die Substitution von Öl durch Kohleverflüssigung zu sehen.

Im anschließenden Kommentar zog MICHAEL HÜTHER (Köln) eine Bilanz der beiden Vorträge. Diese hätten auf ihre Weise ein „Quantum Trost“ geliefert. Hüther sah die Kernaussage des Vortrags von Streb darin, dass wir bisher immer mit Energiewenden zurechtgekommen seien. Eine Strukturwende bedeute jedoch immer, dass auf der einen Seite Gewinner und auf der anderen Seite Verlierer stehen. Zudem eröffnete sich die Frage, welche Intentionen hinter der Energiewende von fossilen zu erneuerbaren Rohstoffen stehen. Sind wir etwa aus Autarkiegründen dazu gezwungen, die Energiewende voranzutreiben? Der von Bettzüge geforderten Beachtung von Fristen und Zeiträumen in der Betrachtung von Preisentwicklungen auf den globalen Energiemärkten entgegnete Hüther, dass Unternehmer mit weitaus kürzeren Fristen umgehen müssen und sich so die Frage stelle, wie man durch die Betrachtung derartig kurzer Fristen überhaupt einer historischen Perspektive gerecht werden könnte. Das von Streb angeführte Beispiel Württembergs sei laut Hüther ausschließlich im Kontext der Erstindustrialisierung zu sehen und könnte daher nicht mit den heutigen Voraussetzungen und Verhältnissen bezüglich erneuerbarer Energie verglichen werden. Aus der Frage nach dem Zusammenhang von lokalen Ressourcen mit einem Standortvorteil leitete Hüther hingegen die Frage ab, inwiefern Energiekosten heutzutage eine zentrale Standortbedingung darstellen. Wie das Beispiel Griechenland zeige, hätten Energiekosten in einigen Fällen eine größere Bedeutung als Arbeitskosten.

Die von HOLGER STELTZNER (Frankfurt am Main) geleitete und moderierte Runde der Podiumsdiskussion setzte sich zusammen aus CHRISTOPH SIEVERING (Leverkusen), dem Referenten MARC OLIVER BETTZÜGE (Köln), MICHAEL HÜTHER (Köln) sowie dem ehemaligen Staatssekretär und ehemaligen Präsidenten der Bundesnetzagentur MATTHIAS KURTH. Sievering sah den Unterschied zwischen der aktuellen und den vergangenen Energiewenden in der richtungsweisenden Motivation. Sei der Tonus im 20. Jahrhundert etwa ein „hin zu“ beispielsweise Öl als Ressource gewesen, sei heute ein „weg von“ (fossiler Energie) zu erkennen.

Insbesondere im Rahmen der beiden Vorträge konnten Impulse bezüglich der historischen Verortung der aktuellen Energiewende und ihrer Implikation auf die Lebenswelt des Menschen gesetzt werden. Darüber hinaus wurden Analogien zwischen allen bisherigen Energiewenden festgestellt, deren Herausforderungen der Mensch seit Anbeginn der Industrialisierung zu meistern gezwungen war. Die Vortragsveranstaltung führte letztlich zu der Erkenntnis, dass die Bedeutung wirtschaftlicher und sozialer Verquickung und ihrer Wechselwirkungen ab der Industrialisierung zu einem basalen Bestandteil der modernen Gesellschaft avancierte, deren Nachwirkungen sich auch in den aktuellen wirtschaftlichen und sozialen Problemfeldern deutlich abzeichnen.

Konferenzübersicht:

Michael Hüther (Institut der deutschen Wirtschaft e.V. Köln)/Rolf Nonnenmacher (GUG e.V.), Begrüßung

Vorträge

Jochen Streb (Universität Mannheim), Energieverbrauch, Energiepreise und Wirtschaftswachstum aus historischer Perspektive

Marc Oliver Bettzüge (Universität zu Köln), Zurück in die 1980er? Versuch einer Einordnung der aktuellen Umbrüche auf den globalen Energiemärkten

Kommentar
Michael Hüther (Institut der deutschen Wirtschaft e.V. Köln)

Podiumsdiskussion
Moderation: Holger Steltzner (Frankfurter Allgemeine Zeitung)

Teilnehmer:
Marc Oliver Bettzüge (Universität zu Köln)
Michael Hüther (Institut der deutschen Wirtschaft e.V. Köln)
Matthias Kurth (Executive Chairman Cable Europe/Staatssekretär a.D.)
Christoph Sievering (Bayer MaterialScience AG)


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