Die Tondi mit Kaiserbildern in Venedig und Washington, D.C.

Die Tondi mit Kaiserbildern in Venedig und Washington, D.C.

Organisatoren
Deutsches Studienzentrum Venedig; Ludwig-Maximilians-Universität München; Universität Padua; Universität UIAV Venedig
Ort
Venedig
Land
Italy
Vom - Bis
05.03.2015 -
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Von
Albrecht Berger, Institut für Byzantinistik, Ludwig-Maximilians-Universität München

Dieser Studientag am Deutschen Studienzentrum in Venedig befasste sich mit den beiden Tondi (das heißt marmornen, aus einer Säule geschnittenen Scheiben) mit Reliefbildern eines byzantinischen Kaisers, die aus der Stadt stammen, und von denen der eine am Campiello Angaran in Venedig, der andere im Museum des Forschungszentrums von Dumbarton Oaks in Washington D.C. erhalten ist.

Diese beiden Stücke, die gewöhnlich ins 11. oder 12. Jahrhundert datiert werden, sind einzigartig und ohne jede Parallele; die Frage, ob sie im Osten oder in Venedig angefertigt wurden, ob sie also als authentische byzantinische Kaiserbilder oder als venezianische Nachschöpfungen anzusehen sind, ist bisher nicht zufriedenstellend gelöst.

Am Anfang der Tagung standen zwei einführende Vorträge: ALBRECHT BERGER (München) skizzierte die Entstehung der Republik Venedig aus einem entlegenen Territorium des byzantinischen Reichs und ihr Verhältnis zu diesem Reich bis zum Vierten Kreuzzug 1204; NICCOLÒ ZORZI (Padua) untersuchte die Darstellung der byzantinischen Kaiser in historischen und rhetorischen Texten aus der mutmaßlichen Entstehungszeit der beiden Tondi.

Eine Datierung und historische Einordnung der beiden Tondi ist nur anhand der Details von Tracht und Insignien des dargestellten Kaisers möglich. Die folgenden Beiträge versuchten deshalb, sich diesem Problem von verschiedenen Seiten her zu nähern:

ANDREA BABUIN (Ioannina) stellte die Kaisertracht anhand von Bildzeugnissen der mittelbyzantinischen Zeit dar und setzte sie mit der Darstellung auf den Tondi in Beziehung. CÉCILE MORRISSON (Paris) untersuchte anhand von Münzen und Siegeln die Ikonographie des Loros, also des langen, kunstvoll geschlungenen Stoffstreifens der Kaisertracht, der auf beiden Tondi in einer sehr merkwürdigen Weise abgebildet ist. OLGA KARAGIORGOU (Athen) weitete die Analyse, diesmal insbesondere gegründet auf die Siegel der Kaiser und ihrer hohen Beamten, auf die anderen Bestandteile der Tracht aus. Die auffälligste Besonderheit der beiden Tondi, nämlich das gemeinsame Auftreten von Loros und Chlamys, ist außer auf einer unklaren Darstellung des späten 11. Jahrhunderts tatsächlich nirgends nachzuweisen.

Der folgende Beitrag von GUDRUN BÜHL (Dumbarton Oaks) stellte, ausgehend von den bisher vorgeschlagenen Identifizierungen der dargestellten Kaiser als Alexios I. Komnenos (1081–1118) oder seinem Sohn Ioannes (1118–1143), die Frage nach dem möglichen ursprünglichen Kontext und auch erneut nach der Authentizität der Tondi als Objekte aus dem byzantinischen Osten.

BENJAMIN ANDERSON (Cornell) befasste sich mit der Rezeptionsgeschichte des Tondos von Dumbarton Oaks, der kurz vor dem Zweiten Weltkrieg für das dortige Museum erworben wurde, nachdem er sich zuvor seit ca. 1850 in der Kunstsammlung des Prinzen Karl von Preußen im Klosterhof von Klein-Glienicke befunden hatte. Frühere Zweifel an der Authentizität des Stücks wurden damals beiseitegeschoben, der Tondo durch die Arbeiten von Hans Peter L’Orange und Ernst Kantorowicz zum Symbol der byzantinischen Ideologie von Weltherrschaft und Sonnenkönigtum erklärt.

Der zweite Teil der Tagung befasste sich mit dem Stück von Venedig im Kontext der mittelalterlichen Skulptur in dieser Stadt.

MARA MASON (Udine) bezweifelte nach stilistischen und technischen Kriterien die venezianische Herkunft des Tondos vom Campiello Angaran. LORENZO LAZZARINI (Venedig) wies auf die Schäden der letzten Jahrzehnte an diesem Stück hin und diskutierte die Möglichkeiten einer Restaurierung und einer besser geschützten Anbringung.

AMALIA BASSO (Venedig) setzte sich, nun nicht mehr bezogen auf das Kaiserbild allein, mit dem gravierenden Problem der Umweltschäden an den Skulpturen in Venedig auseinander. Danach stellte ALBERTO RIZZI (Venedig) diejenige Gattung der mittelalterlichen venezianischen Skulptur vor, die den beiden Kaiserbildern am nächsten steht, nämlich die zahlreichen aus Säulen geschnittenen und mit Reliefs verzierten sogenannten patere, von denen bis heute viele in Hausfassaden verbaut sind.

Am Ende der Tagung stand ein Abendvortrag von LUIGI SPERTI (Venedig) über die Wiederverwendung antiker Skulptur in Venedig. Diskutiert wurden besonders die Statuen auf den Säulen am Markusplatz mit den Darstellungen des heiligen Theodors und des geflügelten Markuslöwen, die beide aus antiken Stücken zusammengesetzt, mehrfach verändert und restauriert sind.

Als Ergebnis der Tagung ist festzuhalten, dass zwar viele strittige Details im Zusammenhang mit den beiden Tondi geklärt werden konnten, eine eindeutige Aussage über Herkunft und originalen Kontext aber nach wie nicht erreicht wurde, vielleicht auch nie zu erreichen sein wird.

Konferenzübersicht:

Begrüßung
Albrecht Berger (München)/Niccolò Zorzi (Padua)/Lorenzo Lazzarini (Venedig)

Albrecht Berger (München), Il quadro storico

Niccolò Zorzi (Padua), L’imperatore nella retorica di età comnena: continuità e cambiamento

Andrea Babuin (Ioannina), L’iconografia del costume imperiale

Cécile Morrisson (Paris), The Venice and Dumbarton Oaks roundels in context : the loros on imperial coins and seals

Olga Karagiorgou (Athen), Figural iconography on “imperial” and “pre-imperial” seals: norms and innovations

Gudrun Bühl (Dumberton Oaks), The Tondo at Dumbarton Oaks

Benjamin Anderson (Cornell), The Prussian Tondo

Mara Mason (Udine), Un imperatore bizantino a Venezia: osservazioni sulla tecnica e lo stile del tondo Angaran

Lorenzo Lazzarini (Venedig), Lo stato di conservazione del tondo e proposte per il restauro

Amalia Basso (Venedig), Sul restauro della scultura esterna a Venezia

Alberto Rizzi (Venedig), Le patere veneziane: usi e riusi

Conferenza pubblica
Luigi Sperti (Venedig), Reimpiego di scultura antica a Venezia: proposte e ipotesi recenti


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Land Veranstaltung
Sprache(n) der Konferenz
Englisch, Italienisch
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