Der Rittersaal der Iburg- ein ungehobener Schatz

Der Rittersaal der Iburg- ein ungehobener Schatz

Organisatoren
Landschaftsverband Osnabrücker Land e.V., Bad Iburg
Ort
Bad Iburg
Land
Deutschland
Vom - Bis
07.10.2004 - 09.10.2004
Url der Konferenzwebsite
Von
Birgit Kehne, Niedersächsisches Staatsarchiv Osnabrück

Neigte Fürstbischof Franz Wilhelm von Wartenberg zu einer wittelsbachischen Überidentifikation und Selbstüberschätzung? Und wenn ja, wie passt dies zusammen mit seiner Herkunft aus einer Seitenlinie des bayerischen Fürstenhauses? Fragen wie diese begleiteten die durchweg rege besuchte Tagung und ihre Gäste aus der gesamten Republik. Fazit: Der Rittersaal gibt nach wie vor viele Rätsel auf.

In thematischen Blöcken näherten sich Kunst- und Kulturwissenschaftler, Restauratoren und Denkmalpfleger, Residenzenforscher, Historiker und Theologen dem "Großen Saal" der ehemaligen Residenz und seinem Erbauer Franz Wilhelm von Wartenberg (Bischof von Osnabrück 1628 - 1661). So zeigte sich in den Vorträgen zu Restaurierung und Rekonstruktion von Peter Butt, Peter Königfeld und Erwin Uhrmacher, dass die faktischen und gedanklichen Grundlagen des heutigen Rittersaales im Rahmen mehrerer Restaurierungskampagnen der 1980er/90er Jahre zum Teil rekonstruiert werden mussten. Denn ein aus seinem ursprünglichen Zusammenhang gerissenes Raum- und Bildprogramm der Vergangenheit, gepaart mit unzureichender Quellen- und Befundlage macht zwangsläufig Kompromisse notwendig. So musste das Gesicht des Jupiter im Deckenzentrum komplett ergänzt werden, nachdem über hundert Jahre lang ein Stützbalken die Figur durchschnitten hatte. Als noch wenig im kulturgeschichtlichen Denken verankert erwiesen sich in anregender Diskussion die Lichtverhältnisse im Rittersaal: Die Fenster, die ursprünglich zur Saalausstattung gehörten, dämpften das Licht in weitaus stärkerem Maße als dies heute der Fall ist. Dadurch war auch die gesamte Raumwirkung eine völlig andere, so dass beispielsweise das illusionistische Deckenbild noch deutlich an räumlicher Tiefe gewann. Einhellig wurde betont, dass dieses letzte Puzzlestück in der Restaurierung des Rittersaales noch immer fehlt - ein Appell, der nicht ungehört verklingen sollte.

Die Vorträge von Bianca Grommel, Michael Feldkamp und Susanne Tauss waren einzelnen Aspekten der Raumausstattung gewidmet und konnten zahlreiche bisherige Fehlurteile und -datierungen korrigieren - wie beispielsweise hinsichtlich des Kamins mit seinem aufwendigen Bildprogramm, der als Teil des ursprünglichen Bildprogramms nachgewiesen werden konnte. Gleichwohl bleiben hinsichtlich der Porträtgalerie der Bischöfe und bezüglich des Herkuleszyklus noch viele Fragen offen, die nur in eingehenden nächsten Arbeitsschritten beantwortet werden können. So blieben zunächst verschiedene Interpretationsweisen der von Wartenberg intendierten Hängung der Bilder über der Kredenz unvereinbar nebeneinander stehen; in diesem Zusammenhang wurde auch eine Edition sämtlicher Texte in den Porträts sowie in den Herkulesbildern angemahnt. Der Herkuleszyklus selbst eröffnete gleichfalls ein breites Spektrum an Deutungsangeboten - von der genealogischen Selbstüberhöhung Wartenbergs (Abendvortrag von Siegrid Westphal) bis hin zu jesuitisch beeinflussten Lesweisen. In jedem dieser Fälle wartet also noch lohnende Forschungsarbeit.

Der Blick auf andere Residenzen der Zeit, den Heiko Laß, Marianne Sammer und Gabriele Wimböck in ihren Vorträgen freigaben, lieferte wichtige Anstöße zu einer vertieften Auseinandersetzung mit Vorbildern, Parallelen, aber auch Unterschieden. Insbesondere das Münchner Vorbild ließ sich bezüglich des Bildprogramms an vielen Details erhärten, so die mögliche Verbindung zwischen dem thronenden Jupiter sowie dem Herkuleszyklus und heute verlorenen Raumausstattungen in der Münchner Residenz. Doch auch die Perspektive, die Ansätze zur Residenzbildung in Osnabrück vor und nach Wartenberg näher zu beleuchten, hat sich einmal mehr als lohnendes Forschungsfeld erwiesen, auf dem noch vieles zu ackern ist.

Erhellend waren die Einblicke in die Struktur sowie die Lebenswirklichkeit von Hof und Residenz, die Christian Hoffmann, Heiko Laß, Marianne Sammer und Susanne Tauss boten: Nur anhand von Vergleichsbeispielen können viele dieser Details geklärt werden. Als schriftliche Grundlage für die weitere Vertiefung bieten sich insbesondere die Hofordnung von 1651 sowie die umfangreichen Rechnungsbücher zum Um- und Ausbau unter Wartenberg (jeweils im Staatsarchiv Osnabrück) an - eine Befundlage, die als Glücksfall der Überlieferung bezeichnet werden kann, aber noch eingehend zu untersuchen ist. Denn welchen Quellenwert haben beispielsweise die Angaben zum Tafelzeremoniell, die der Hofordnung Wartenbergs zu entnehmen sind? Spiegeln sie tatsächlich den realen Alltag wider, oder beschreiben sie lediglich den Idealfall? Und schließlich: Was fand im sogenannten Großen Saal tatsächlich statt: Wurde der Raum nach seiner Fertigstellung (vor 1660) vorrangig auswärtigen Gästen gezeigt? Wurde er zugleich auch für Feierlichkeiten genutzt?

Überaus anregend wirkte in diesem Zusammenhang das am zweiten Tagungsabend veranstaltete Konzert mit dem Ensemble Bremer Ratsmusik unter der Leitung von Harry Hoffmann: Es brachte Kompositionen zu Gehör, die in unmittelbarem Zusammenhang mit den Fürstbischöfen auf der Iburg stehen. Lieder der Hofkomponisten Siegfried Otto Harnisch und Nikolaus Zangius, kombiniert mit Pavanen auf die ostfriesischen Städte (Louis de Moy) spiegelten die Zeit von Fürstbischof Philipp Sigismund von Braunschweig-Wolfenbüttel. Anschließend folgte ein virtuos musizierter Block italienischer Musik, wie sie Franz Wilhelm von Wartenberg in Italien kennen gelernt hatte: Es wurden brilliante Violonsonaten von Antonio Bertali und Dario Castello (Anette Sichelschmidt, Violine) sowie zwei neu edierte Soloarien von Giacomo Carissimi (Ursula Fiedler, Sopran) musiziert.

Wolfgang Schlüter beleuchtete die archäologischen Befunde auf der Iburg und die enorme Tradition der Anlage, die in permanenter baulicher Veränderung begriffen war. Die häufigen Um- und Neunutzungen bestimmen den Alltag der ehemaligen Residenz und des Klosters bis heute. Sie hatten augenfällig Auswirkungen auch auf den Rittersaal, der heute isoliert und seinem ursprünglichen Funktionszusammenhang entrissen im Baugefüge liegt. Der weiteren Forschung - doch auch der behutsamen weiteren Öffnung von Schloss und Kloster - bleibt es überlassen, diese Zusammenhänge nachvollziehbar und sichtbar zu machen.

Fazit von Dr. Hermann Queckenstedt, der die Abschlussdiskussion moderierte: "Wir haben am Beispiel Franz Wilhelms und seines Rittersaales wieder einmal gelernt, dass in der Osnabrücker Geschichtsschreibung - da sind alle hier vertretenen Disziplinen einbezogen - noch viele offene Fragen einer Beantwortung harren." Ein wichtiger Schritt auf dem Weg dorthin, so Dr. Susanne Tauss vom Landschaftsverband, werde bereits mit der Publikation der Vorträge geleistet, die unmittelbar im Anschluss an die Tagung geplant ist. Sie bietet die Grundlagen für die weitere lohnende Erforschung der Iburg und ihrer nun zunehmend in den Blick kommenden Geschichte - ganz im Sinne von Wilhelm Jänecke, der vor rund 100 Jahren zu den "Ersterforschern" der Iburg gehörte: "Dank dem Zusammenwirken der verschiedenen Kräfte ist es gelungen, die Perle des Iburger Landes vom Staube der Jahrhunderte zu reinigen." Als Ziel - auch im übertragenen Sinne - formuliert, hat dies immer noch Gültigkeit.


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