Crises in Early Modern Times: Scenarios – Experiences – Management – Coping

Crises in Early Modern Times: Scenarios – Experiences – Management – Coping

Organisatoren
Arno Strohmeyer / Susanne Höll / Lena Oetzel, Fachbereich Geschichte, Universität Salzburg; Thomas Winkelbauer / Martin Scheutz, Institut für Österreichische Geschichtsforschung, Wien; Csaba Szabó, Balassi-Institut / Institut für Ungarische Geschichtsforschung, Wien; András Forgó, Institut für Geschichte, Katholische Péter Pázmány Universität, Piliscsaba; Julia Kellner / Christoph Würflinger, Studienvertretung am Fachbereich Geschichte der Universität Salzburg
Ort
Salzburg
Land
Deutschland
Vom - Bis
02.10.2014 - 04.10.2014
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Von
Anna Huemer / Christoph Würflinger, Fachbereich Geschichte, Universität Salzburg; Sandra Pfistermüller, Institut für Sozial- und Wirtschaftsgeschichte, Universität Linz

Von 2. bis 4. Oktober 2014 boten der Fachbereich Geschichte (Salzburg), das Institut für Österreichische Geschichtsforschung (Wien), das Balassi-Institut / Institut für Ungarische Geschichtsforschung (Wien) sowie die Studienvertretung (FB Geschichte/Salzburg) Nachwuchshistoriker/innen die Gelegenheit, ihre Projekte zum Thema „Crises in Early Modern Times” vorzustellen. Die Veranstaltung fand als Fortsetzung der seit 2011 organisierten Symposien zum Austausch und zur Vernetzung junger Wissenschafter/innen statt.

Einleitend wies LENA OETZEL (Salzburg) auf die Allgegenwärtigkeit des Begriffs Krise hin, der breitgefächert und in der Perspektive der Zeitgenossen unterschiedlicher Lebenswelten und Epochen in steter Wandlung begriffen sei. In unserem modernen Verständnis bedeute Krise eine außergewöhnliche Situation, in der traditionelle Handlungsweisen nicht mehr funktionierten, wodurch ein Individuum oder Gruppen, aber auch Gesellschaften gefährdet sein könnten und neue Lösungen gefunden werden müssten. Solche Ereignisse können ökonomischer, politischer, sozialer, religiöser, ökologischer oder kultureller Natur sein. Trotz oder gerade wegen dieser breiten Definition bot der Begriff Krise den an der Tagung teilnehmenden Historiker/innen eine ausgezeichnete Basis zur Operationalisierung spezifischer Fragen an den Zeitraum vom 16. bis ins frühe 19. Jahrhundert.

VERONIKA CHMELAŘOVÁ (Olomouc) eröffnete das erste Panel zum Thema „Konfliktherd Religion“ mit einem Vortrag über das Alltagsleben in der Stadt Teschen in Schlesien, wo es zu Versuchen kam, nichtkatholische Gemeinschaften zu verdrängen. Sie konzentrierte sich auf das religiöse Leben im 17. Jahrhundert, die Gründung der sogenannten Gnadenkirche und deren Auswirkungen. Im zweiten Vortrag befasste sich REGINE PUCHINGER (Wien) mit der Rolle von Bruderschaften als Rückhalt in Zeiten von Krankheit, Krieg und Hunger sowie mit deren Funktion innerhalb der Gesellschaft. Sie zeigte, dass die Bruderschaften in finanzieller, räumlicher und personeller Hinsicht mit den Kirchengemeinden verbunden waren und sich von einem Instrument der Konfessionalisierung zu einer populären Organisation entwickelten. Der darauffolgende Beitrag von IBOLYA FAZEKAS (Piliscsaba) beleuchtete Interessenkonflikte in der postjosephinischen Kirchenpolitik. Sie beschäftigte sich mit der Aufarbeitung der Berichte, die dem Kaiser von den ungarischen Bischöfen erstattet wurden.

Das zweite Panel über soziale Dimensionen von Krisen leitete SARAH PICHLKASTNER (Wien) ein. Sie referierte über Bewältigungsstrategien des Wiener Bürgerspitals, das vor allem während der beiden Wiener Türkenbelagerungen, aber auch der Pestzeit mit Problemen zu kämpfen hatte. MARKUS GNEISS (Wien) sprach anschließend über die Rolle von Handwerkern in sozialen und politischen Unruhen im spätmittelalterlichen und frühneuzeitlichen Wien. Er konzentrierte sich dabei auf zwei Krisenarten: den Aufstieg der Handwerker und die daraus resultierenden innerstädtischen Konflikte sowie auf Auseinandersetzungen zwischen den Meistern und ihren Gesellen.

Es folgte ein größerer Block zur Diplomatiegeschichte, der sich mit den habsburgisch-osmanischen Beziehungen beschäftigte. ANELIYA STOYANOVA (Sofia) stellte ihr Dissertationsprojekt vor, in dem sie sich mit der kaiserlichen und spanischen Türkenpolitik beschäftigt. Sie ging der Frage nach, warum die österreichischen und die spanischen Habsburger nicht gemeinsam gegen die Osmanen vorgegangen waren. JULIA KELLNER (Salzburg) setzte mit einem Vortrag über Krisenszenarien in der diplomatischen Korrespondenz des Grafen Hermann Czernin fort, der 1644/45 als Großbotschafter nach Konstantinopel reiste. Sie legte ihren Schwerpunkt nicht auf die alltäglichen Probleme, die einen Diplomaten erwarteten, sondern auf unvorhersehbare Schwierigkeiten. Mit dem Geschenkwesen, das solche Probleme teilweise lösen konnte, beschäftigte sich ANNA HUEMER (Salzburg). Sie befasste sich mit Geschenken als politisches Werkzeug in den habsburgisch-osmanischen Beziehungen des 17. Jahrhunderts. Dafür untersuchte sie die Inventarlisten dreier ausgewählter Großbotschaften (Adam von Herberstein, Graf Walter Leslie, Wolfgang von Öttingen-Wallerstein) sowie Berichte in deren Kontexten. JÁNOS SZABADOS (Szeged) sprach über die Tätigkeit Michael Talmans als kaiserlicher Resident in Konstantinopel zur Zeit des ungarischen Aufstands gegen die Habsburger zu Beginn des 18. Jahrhunderts. Er stellte vier Krisensituationen und die jeweiligen Bewältigungsstrategien Talmans vor. Ebenfalls im 18. Jahrhundert war der Vortrag von CHRISTOPH WÜRFLINGER (Salzburg) verortet. Er referierte über das diplomatische Zeremoniell in den habsburgisch-osmanischen Beziehungen am Beispiel der Großbotschaft Graf Ulfeldts (1740/41). Dabei rückte er die Zeremonie beim Grenzwechsel in den Mittelpunkt, die ziemlich konfliktanfällig war.

Einen umweltgeschichtlichen Zugang wählte ONDŘEJ HUDEČEK (Prag): Er gab mit seinem Beitrag einen fundierten Einblick in seine Studien zum Umgang der Behörden mit umweltbedingten Krisen. Dabei konzentrierte er sich auf die Überschwemmungen Ende des 18. Jahrhunderts in Böhmen und bearbeitete die Frage, welche Rolle nationale und regionale Entscheidungsträger wie das Böhmische Landesgubernium hinsichtlich der Koordination bestehender- und Prävention zukünftiger Überflutungen spielten.

Ein weiterer Themenblock widmete sich Krisensituationen in der politischen Kommunikation. DORIS GRUBER (Graz) beschäftigte sich mit „Prodigien in mediengeschichtlicher Perspektive“ und fokussierte dabei auf die „Ungeheuerlichkeiten“ in der medialen Darstellung dreier Jahrhunderte: die Kometenbeobachtungen der Jahre 1577/78, 1680/81 und 1744. Flugblätter und Pamphlete dienten als Hauptquellen. Die Veränderung der zeitgenössischen Wahrnehmung und Interpretation solcher Ereignisse sah sie als Ergebnis eines komplexen und vielschichtigen Prozesses, dessen Ursprünge sie in wissenschaftlicher, gesellschaftlicher, kultureller und politischer Wandlung verortete.

FANNI HENDE (Piliscsaba) befasste sich mit „Konfliktbewältigung in der politischen Kommunikation“ und stellte dabei die Landtagssitzung nach dem Abschluss des Rákóczi-Aufstandes im Zeitraum von 1703 bis 1711 in den Mittelpunkt. Im Vordergrund standen die Reden, die während des Empfanges des Königs und der Eröffnung des Landtages gehalten worden waren. Deren symbolische Aussagekraft bildete eine wichtige Determinante innerhalb der politischen Kommunikation der Stände, des Erzbischofes von Gran und Kalocsa, des Notars von Preßburg und des Kaisers selbst. Über das Feld der Sprache näherte sich HENRIK HŐNICH (Budapest) dem Thema der Tagung mit seinem Vortrag „Sprache und Krise. Konstruktionen über den Verfall des Nationalcharakters in den Streitschriften vom Ende des 18. Jahrhunderts im Königreich Ungarn“, in dem er Veränderungen in der politischen Öffentlichkeit zu Beginn der 1790er Jahre aufzeigte. Konkret ging es um die Ereignisse rund um den Tod Josephs II. und den „Sturz“ seines Regimes. Dabei thematisierte Hőnich sowohl gesellschaftliche Krisendiagnosen und deren Lösungsvorschläge als auch Strategien sprachlich-diskursiver Innovation und deren Mischung bzw. Übereinstimmung mit politisch-gesellschaftlichen „Idiomen“.

Ökonomischen Krisen widmete sich das nächste Panel: VANJA KOČEVAR (Ljubljana) behandelte in seinem Vortrag die Kipper- und Wipperzeit im Herzogtum Krain und die Auswirkungen der großen Inflation im Heiligen Römischen Reich auf das zentrale slowenische historische Land von 1619 bis 1627. Krain war in dieser Zeit noch weiteren Krisen ausgesetzt, nämlich der Pest, Erdbeben und schlechter Ernte. Die mit der „Kipper- und Wipperzeit“ verbundene Knappheit zeigte sich in Krain schon zwei Jahre vor dem Ausbruch der Inflationskrise. Subsidien, die für das (Weiter-)Führen von Kriegen nötig waren, machte PATRICK SWOBODA (Wien) zum Thema seiner Ausführungen. Er zeichnete ein Bild von den Schwierigkeiten, die mit der Art und Übermittlung von Subsidien einhergingen. Der Schwerpunkt lag dabei auf der Französischen Revolution und den napoleonischen Kriegen 1792 bis 1815.

Den Abschluss bildete ein Panel über Konsequenzen von Krisen aus kultur- und rezeptionsgeschichtlicher Sicht. SANDRA PFISTERMÜLLER (Salzburg) beschäftigte sich mit dem Wandel des Wissens über die Osmanen – sie hatten im 18. Jahrhundert ihre bedrohliche Wirkung verloren – anhand von Einträgen im Universallexikon Johann Heinrich Zedlers. Die Artikel „Türcken“ und „Türckey“ dienten ihr als Basis, solche Veränderungen darzustellen. Mit den Niederlanden, in denen zwischen 1568 und 1648 ein nationaler Befreiungskampf stattfand, beschäftigte sich STEFANIIA KOVBASIUK (Kiew). Die Turbulenzen in dieser Zeit hatten großen Einfluss auf die Populärkultur. Unter anderem wurde die Frage gestellt, welche Auswirkungen die Krise auf die Formierung einer neuen Identität der niederländischen Elite hatte. Das Forschungsziel besteht in einem besseren Verständnis der Treiber, die der Reform der Populärkultur unterlagen.

Der Tagung in Salzburg ist es einerseits gelungen, das breite Themenspektrum - Krisen in der Frühen Neuzeit – historisch greifbarer zu machen. Dabei standen die unterschiedlichen Projektschwerpunkte einander nicht im Wege. Vielmehr kristallisierten sich aus der vorgegebenen Klammer Leitkategorien heraus, die zugleich neue Ausgangspunkte für ein Erfassen des Krisenaspekts der Frühen Neuzeit bildeten. Zum anderen trug der Anspruch der Veranstaltung, die wissenschaftliche Vernetzung junger Historiker/innen, Früchte. So wurden die diskutierten Lösungsmodelle aus einer ergebnisreichen Verkettung unterschiedlicher kultureller Zugänge und wissenschaftlicher Traditionslinien erschaffen. Die daraus entstandenen, neuen Zugänge bzw. Ergänzungen öffneten den Blick für bisher vernachlässigte Fragestellungen. Ein gut organisiertes Rahmenprogramm führte die Teilnehmer/innen abschließend auf die Festung Hohensalzburg sowie zum Lern- und Erinnerungsort Obersalzberg.

Konferenzübersicht:

Begrüßung und Einleitung
Arno Strohmeyer (Salzburg)
Lena Oetzel (Salzburg)

I. “Religion as Trouble Spot and Origin of Crises”

Veronika Chmelařová (Olomouc), Crisis of Coexistence. Practice of Everyday Life in Biconfessional City of Teschen (Silesia)

Regine Puchinger (Wien), Confraternities – tools of confessionalisation, the way to salvation and convincing lenders

Ibolya Fazekas (Piliscsaba), Interessenskonflikte in der postjosephinischen Kirchenpolitik

II. “Social Dimensions of Crises”

Sarah Pichlkastner (Wien), A hospital in crisis. Coping strategies of the Vienna Public Hospital in the Early Modern Period

Markus Gneiß (Wien), Craftsmen and their role in social and political unrests in late medieval and early modern Vienna

III. “Crises in Diplomatic Relations: Management and Prevention I+II”

Aneliya Stoyanova (Sofia), Wien und Madrid im Spannungsfeld der habsburgisch-osmanischen Beziehungen, 1555–1606

Julia Kellner (Salzburg), Crisis scenarios in diplomatic communication – the grand embassy of count Hermann Czernin to Constantinople (1644/45)

Anna Huemer (Salzburg), Conflict management at the Sublime Porte? Gift-giving as a political and strategic tool in Habsburg intercultural diplomacy. A Case Study of selected Habsburg Grand Embassies of the 17th Century

János Szabados (Szeged), Krisensituation und Krisenmanagement: die Tätigkeit des kaiserlichen Residenten in Konstantinopel Michael Talman zur Zeit des ungarischen Aufstandes gegen Habsburg am Anfang des 18. Jahrhunderts

Christoph Würflinger (Salzburg), Aiming for Parity. Diplomatic Ceremonial in Ottoman-Habsburg Relations

IV. “Crises in Administration, Administration as Part of Crises Management”

Doris Gruber (Graz), Prodigies: A media-historic perspective (Prodigien in mediengeschichtlicher Perspektive)

Ondřej Hudeček (Prag), The formation of systematic flood risk management in 18th century Bohemia and the oldest preserved flood instruction for Prague

V. “Crises mirrored in Political Communication”

Fanni Hende (Piliscsaba), Konfliktbewältigung in der politischen Kommunikation. Die Landtagssitzung nach dem Abschluss des Rákóczi-Aufstandes (1712)

Henrik Hőnich (Budapest), Sprache und Krise. Konstruktionen über den Verfall des Nationalcharakters in den Streitschriften vom Ende des 18. Jahrhunderts im Königreich Ungarn

VI. “Economic Crises and Economic Effects of Political Crises”

Vanja Kočevar (Ljubljana), “Die Kipper- und Wipperzeit” im Herzogtum Krain: Auswirkungen der großen Inflation im Heiligen Römischen Reich auf das zentrale slowenische historische Land (1619–1627)

Patrick Swoboda (Wien), Subsidies as sign of crisis. The Habsburg monarchy in the French Revolutionary and Napoleonic Wars 1792–1815

VII. “Consequences of Crises: Culture, Perception, Values”

Sandra Pfistermüller (Salzburg), Producing knowledge in time of metamorphosis: The complex endeavor of Zedler to capture the changing image of the Ottomans

Stefaniia Kovbasiuk (Kiew), The Reform and the Popular culture: political and religious crises as determinants of the changes in the Popular culture of the Early modern Netherlands


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