Arbeitskreis Historische Kartographie

Arbeitskreis Historische Kartographie

Organisatoren
Arbeitskreis Historische Kartographie
Ort
Münster
Land
Deutschland
Vom - Bis
30.10.2014 -
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Von
Ria Hänisch, Institut für vergleichende Städtegeschichte an der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster

Der 1956 gegründete „Arbeitskreis Historische Kartographie“ dient dem regelmäßigen Austausch innerhalb der regionalen Atlasprojekte und thematisiert Ideen und Herausforderungen für zukünftige Arbeiten. Die Treffen sind offen für alle an kartographischen Arbeiten und Projekten interessierten Personen. Sie finden in zweijährigem Turnus statt und werden jeweils von den Institutionen, die regionale Atlanten herausgeben und erarbeiten, ausgerichtet. In diesem Jahr tagte der Arbeitskreis im Institut für vergleichende Städtegeschichte (IStG) in Münster, in dem der Deutsche Historische Städteatlas und der Historische Atlas westfälischer Städte erarbeitet werden. Neben Projektberichten stand das Thema Geoinformationssysteme (GIS) und deren Nutzung zur Ergänzung der Printmedien durch Onlineangebote im Mittelpunkt.

URSULA BRAASCH-SCHWERSMANN (Marburg) informierte über die Arbeiten am „Hessischen Städteatlas“1 (bislang 15 Ortsmappen), für den aktuell das Blatt „Battenberg“ bearbeitet wird. STEFAN AUMANN und MELANIE MÜLLER-BERING (Marburg) stellten verschiedene kartographische Module des landesgeschichtlichen Informationssystems (LAGIS) vor, wie die Aufbereitung des „Historischen Ortslexikons“2 mit nun georeferenzierten historischen Kartenwerken oder die Vernetzung der Eisenbahnkarten aus dem „Geschichtlichen Atlas von Hessen“3 mit verschiedenen Themen (z.B. Industriekultur). Ein Beispiel, wie sich herkömmlich gedruckte Atlanten um interaktive Module erweitern lassen, ist das in Zusammenarbeit mit der Stadt Bad Homburg realisierte Onlineangebot „Orte der Kur“4.

Für den „Deutschen Historischen Städteatlas“5 berichtete DANIEL STRACKE (Münster) über die Projekte „Braunschweig“ sowie „Dortmund“. Der 2013 erschienene Atlas Braunschweig wurde 2014 mit 600 Exemplaren nachgedruckt. Zum Kanon dieses Werkes gehören ein illustriertes Textheft, Materialtafeln (z.B. Stadtkarten verschiedener Zeitschnitte), Thementafeln (z.B. „NS-Zeit“) sowie eine CD-ROM. Anschließend wurde das Folgeprojekt für Dortmund thematisiert, zu dem schon einige Vorarbeiten6 vorliegen. Herausforderungen für die bevorstehende Arbeit ergeben sich unter anderem durch die Siedlungsausdehnung Dortmunds, da nicht das gesamte Stadtgebiet auf den gedruckten Tafeln abgebildet werden kann. Hierfür bieten sich ergänzende Online-Module an.

THOMAS KALING (Münster) berichtete über den neuen „Historischen Atlas westfälischer Städte“7, für den 2014 die ersten sechs Bände erschienen sind: Eversberg und Grevenstein (beide Meschede), Olfen, Westerholt (Herten), Gütersloh sowie Ramsdorf (Velen). Zum Inhalt gehören ein 16-seitiges illustriertes Textheft und bis zu sechs Kartentafeln: Urkataster, Umlandkarten (Urmesstischblatt und, wo nötig, bis zu drei weitere Zeitschnitte der TK 25), eine aktuelle Stadtkarte und thematische Karten zu Besonderheiten des Ortes (z.B. Montanwesen in Eversberg, Gewerbestruktur in Gütersloh um 1900). Zukünftig sollen 1 bis 2 Bände pro Jahr erscheinen.

Über den „Historisch topographischen Atlas schlesischer Städte“8 sprach MARC FRIEDE (Marburg). Nach Görlitz/Zgorzelec, Opole/Oppeln und Węgliniec/Kohlfurt ist zuletzt ein Atlas zu Nowa Sól/Neusalz erschienen, der unter anderem durch die Unterstützung von Stadtverwaltung und Stadtmuseum realisiert wurde. Alle Bände sind vollständig zweisprachig. Für den auf insgesamt 34 Städte angelegten Atlas sind ca. 29 externe Autoren im Einsatz. Die begleitenden Onlinemodule werden derzeit mit Adobe, ProGIS sowie Web-Flash-Anwendungen umgesetzt und sollen zukünftig durch HTML5 ersetzt werden.

Im „Rheinischen Städteatlas“9, über den HELMUT RÖNZ (Bonn) sprach, sind mit Bedburg, Goch sowie Randerath die Bände 96 bis 98 erschienen. Als 100. Band ist Düsseldorf vorgesehen. Parallel zu den Printmedien entsteht im Projekt „Widerstand im Rheinland 1933–1945“ eine „Widerstandskarte“ (für Rheinland und Saarland), die online über das Portal Rheinische Geschichte10 abrufbar ist. Die Karten bieten Informationen in den Kategorien: Name, Stufe, Art, Ort und Beschreibung des Widerstandsaktes sowie Quellen und Literatur. Die Religionszugehörigkeit bzw. politische Ausrichtung der Betroffenen sind farbig unterschieden. Bislang sind die Karten für das Saarland und den Südrhein fertiggestellt.

DANIEL STRACKE (Münster) informierte im letzten Vortrag der ersten Sektion über die Angebote zur interaktiven Kartographie am IStG, die über das im September 2014 freigeschaltete Portal Städtegeschichte.de11 abgerufen werden können. Das digitale Kartenangebot umfasst zum einen interaktive Karten zu einzelnen Städten. Zum anderen werden Verbreitungskarten zu städtegeschichtlichen Themen in vergleichender Perspektive angeboten. Im Bereich der interaktiven Stadtkarten liegen bisher Module zu Braunschweig und Dortmund vor; letzteres in Kooperation mit dem Exzellenzcluster „Religion und Politik“ der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster. Masterarbeiten untersuchten z.B. mögliche konfessionelle Clusterbildungen in Dortmund.

Die zweite Sektion zu aktuellen Fragen der Anwendung von GIS leitete NIELS PETERSEN (Göttingen) ein und sprach über 50 Jahre historisch-landeskundliche Karten für Niedersachsen. Die seit 1964 herausgegebenen Regionalkarten werden als Exkursionskarten mit Begleitheft publiziert. Die bislang gedruckten Bände (geplant sind 120) unterscheiden sich stark in ihrem Umfang und sollen zukünftig auf maximal 150 Seiten reduziert werden und als Doppelblätter erscheinen – wie z.B. Hildesheim/Bad Salzdetfurth.12 Die neu gezeichneten Karten (Toolkit, DGK, Preußische Landesaufnahme) sind den Printversionen als CD-ROM beigegeben. Derzeit ist ein Onlinemodul in Vorbereitung, das die historischen und kartographischen Inhalte interaktiv zur Verfügung stellen und langfristig auch mobil abrufbar sein soll.

BENJAMIN HAMANN (Münster/Bochum) beschäftigte sich anschließend mit der Frage nach „Katasteredition mit GIS – Städteatlas 2.0?“ und verdeutlichte die veränderten Arbeitsprozesse in der Kartographie durch die Nutzung von Geoinformationssystemen. Den Problemen mangelnder Genauigkeit bei einer nachträglichen Georeferenzierung gedruckter Karten sowie der wenig qualitätvollen Grafik bei einem Print mit GIS-Systemen stellte er als möglichen Lösungsweg die Arbeit mit ArcGIS und ergänzenden Programmen AdobeIllustrator und MAPublisher entgegen. Die Karten werden von den Städten bzw. Katasterämtern bezogen und können direkt mit Zusatzinformationen (z.B. aus den Flurbüchern) angereichert werden. Der Vorteil ist neben einer ansprechenden Grafik vor allem die Möglichkeit, die Daten in drei verschiedenen Formaten speichern und publizieren zu können (PDF, html sowie Shape). Demnach ist die Katasteredition mit GIS kein „Städteatlas 2.0“, sondern der „StädteatlasPlus“.

HOLGER PRZIBYTZIN (Münster) stellte in seinem Vortrag „Verortung und semantische Erschließung historischer Karten mit Hilfe des Georeferenzers“ die Arbeiten der Universitäts- und Landesbibliothek Münster vor, die zur effektiven Nutzung von Linked Open Data und zur Optimierung der ETL-Tools (extract-transform-load) geleistet wurden. In Zusammenarbeit mit dem von der DFG geförderten Projekt LIFE/LODUM wurden unter anderem für das Portal Städtegeschichte.de Daten unterschiedlicher Programmiersprachen in rdf-Vokabularien (resource description framework) umgeschrieben, um eine Datenbank übergreifende Suche zu ermöglichen und die Inhalte mit Linked Open Data verknüpfen zu können. Im zweiten Teil des Vortrages ging Przibytzin auf den „Georeferenzer“ ein, der ebenfalls im LIFE-Projekt entwickelt wurde. Ziel ist es, historische Karten auf aktuellen Karten zu verorten, so dass eine kartenbasierte Suchfunktion angeboten werden kann. Diese Datensätze können mit verschiedenen Normdaten (hbz) zur Beschreibung der Karteninhalte angereichert werden.

Den letzten Vortrag hielt CARSTEN SCHMIDT (Hamm) über „Digitalisierung und Georeferenzierung des historischen Liegenschaftskatasters auf Basis von QGIS“. Am Beispiel des Katasters von Unna, das 1822 bis 1834 sowie 1834 bis 1951 erstellt wurde, ging er zunächst auf die Hintergründe der unterschiedlichen Nummerierungsmethoden ein (preußische Nummerierung, Nummerierung nach Abstammung, freie Nummerierung), deren Kenntnis für die exakte Zuordnung von Flurstücken notwendig ist. Die historischen Kartenwerke, gescannt und digital bearbeitet, werden nun mit QGIS georeferenziert und anschließend in ein Datenbanksystem (Postgre SQL/PostGIS) überführt, um ein digitales Bildarchiv zu erstellen (ca. 55.000 Dokumente). Neben der Kostenersparnis durch eine freie Lizenz für QGIS ergeben sich laut Schmidt weitere Vorteile, wie eine intuitive Bedienung, gute Scanergebnisse, eine effektive Bildbearbeitung und vor allem eine schnelle Georeferenzierung, die erhebliche Zeitersparnisse bringt.

Die nächste Tagung des Arbeitskreises Historische Kartographie findet 2016 in Bonn statt.

Konferenzübersicht:

Berichte aus den Atlasprojekten

Ursula Braasch-Schwersmann / Stefan Aumann / Melanie Müller-Bering (Marburg), Hessischer Städteatlas

Daniel Stracke (Münster), Deutscher Historischer Städteatlas

Thomas Kaling (Münster), Historischer Atlas westfälischer Städte

Marc Friede (Marburg), Historisch-topographischer Atlas schlesischer Städte

Helmut Rönz (Bonn), Rheinischer Städteatlas und Widerstand im Rheinland 1933–1945

Daniel Stracke (Münster), Interaktive Kartenprojekte am IStG

Historische Kartographie und GIS: Neue Möglichkeiten und Anwendungen

Niels Petersen (Göttingen), 50 Jahre historisch-landeskundliche Karten für Niedersachsen zwischen analog und digital

Benjamin Hamann (Bochum/Münster), Katasteredition mit GIS – Städteatlas 2.0?

Holger Przibytzin (Münster), Verortung und semantische Erschließung historischer Karten mit Hilfe des Georeferencers

Carsten Schmidt (Hamm), Digitalisierung und Georeferenzierung des historischen Liegenschaftskatasters auf Basis von QGIS

Schlussdiskussion

Anmerkungen:
1 Hessischer Städteatlas, <http://www.hlgl.hessen.de/irj/HLGL_Internet?cid=5af01201241ff4535a314889484f2a09> (25.11.2014).
2 Historisches Ortslexikon, <http://www.lagis-hessen.de/de/subjects/index/sn/ol> (25.11.2014).
3 Geschichtlicher Atlas von Hessen, <http://www.lagis-hessen.de/de/subjects/xsform/sn/ga> (25.11.2014).
4 Bad Homburg – Orte der Kur, <http://www.lagis-hessen.de/de/odk> (25.11.2014).
5 Der Deutsche Historische Städteatlas, <http://www.uni-muenster.de/Staedtegeschichte/Forschung/DHStaedteatlas.html> (25.11.2014).
6 Deutscher Städteatlas: Dortmund (1973/75), Westfälischer Städteatlas: Hörde (2001), Atlas Stadtentwicklung 1840–1940 (unveröff.), Westfalia Picta, Dt. Königspfalzen, verschiedene Masterarbeiten.
7 Historischer Atlas Westfälischer Städte, <http://www.uni-muenster.de/Staedtegeschichte/Forschung/Historischer_Atlas_westfaelischer_Staedte.html> (25.11.2014).
8 Historisch-topographischer Atlas schlesischer Städte, <http://www.herder-institut.de/forschung-projekte/laufende-projekte/historisch-topographischer-atlas-schlesischer-staedte.html> (25.11.2014).
9 Der Rheinische Städteatlas, <http://www.rheinische-landeskunde.lvr.de/de/geschichte/rheinischer_staedteatlas/detailseite_11.html> (25.11.2014).
10 Portal Rheinische Geschichte, <http://www.rheinische-geschichte.lvr.de/Seiten/home.aspx> (25.11.2014).
11 Städtegeschichte.de, <http://www.uni-muenster.de/Staedtegeschichte/portal/> (25.11.2014).
12 Niels Petersen /Gudrun Pischke / Gerhard Streich (Hrsg.), Hildesheim und Bad Salzdetfurth, Göttingen 2014.