Familienunternehmen – Der Unternehmer und seine Familie

Familienunternehmen – Der Unternehmer und seine Familie

Organisatoren
Arbeitskreis „Kleine und Mittlere Unternehmen“ der Gesellschaft für Unternehmensgeschichte e.V.
Ort
Hasloch
Land
Deutschland
Vom - Bis
07.11.2014 -
Url der Konferenzwebsite
Von
Thomas Hermann, Hochschule der Wirtschaft für Management, Mannheim

Der Familieneinfluss war in den Beiträgen und Fallstudien der 10. Sitzung des Arbeitskreises Kleine und mittlere Unternehmen als wichtiger Erfolgsfaktor von Hidden Champions herausgearbeitet worden. Zu einfache Erklärungszusammenhänge zeitigen bei Historikern Störgefühle, wenn nicht sogar ernsthaftes Bauchgrimmen. Zwangsläufig war es eine der Zielsetzungen der 11. Sitzung, einmal die dysfunktionalen Wirkungen der Familie auf das Unternehmen in den Fokus zu nehmen.

Am Veranstalter selbst, der KurtzErsa Group, ließ sich allerdings vor allem der positive Familieneinfluss studieren, ist sie doch ein hervorragendes und mit dem Werk von Robert Meier1 auch wohldokumentiertes Beispiel für einen Hidden Champion in langjährigem Familienbesitz.

KurtzErsa ist heute auf den Gebieten Electronics Production Equipments, Metal Components und Moulding Machines mit 171 Mio. Euro Umsatz (2013) und 1.000 Mitarbeitern unterwegs. Das Unternehmen erwies sich in der Eröffnungsrede des Geschäftsführers RAINER KURTZ (Hasloch), Mitglied der sechsten Familiengeneration, als besonders gutes Beispiel für hervorragendes Krisenmanagement durch die Familie. Im 18. Jahrhundert war es die Krise des Kerngeschäftes (Eisenhammer), die Kurtz durch frühzeitige kluge Diversifikation als eines der wenigen Unternehmen der Region überleben ließ. Ebenso die Finanzkrise von 2008, bei der mehr als die Hälfte des Umsatzes wegbrach, konnte Ersa überwinden; im Jahre 2013 wurde mit 171 Mio. Euro der Vorkrisenumsatz von 2008 leicht übertroffen. Dabei ist es gerade nicht die von Hermann Simon als typisch für Hidden Champions herausgearbeitete hohe Fertigungstiefe2, die KurtzErsa auszeichnet, sondern das Konzentrieren auf den Kernkompetenzbereich, verbunden mit einer niedrigen Fertigungstiefe. Die Nachfolge scheint geregelt, die siebte Generation, die Kinder der drei Brüder Rainer, Bernhard und Walter, arbeitet bereits im Unternehmen mit und ist als Junggesellschafter am Unternehmen beteiligt. Durchaus spannend scheint daher die Frage, wie bedeutsam der Einfluss einer harmonischen Familienbeziehung auf den Unternehmenserfolg ist, eine Frage, die Jörg Lesczenski in seinem Vortrag ex contrario vertiefte. Der Gang durch das mit Unterstützung der GUG didaktisch hervorragend mit interaktiven Elementen ausgestattete Unternehmensmuseum gab dann unter anderem en miniature einen Überblick von der Funktionsweise von Aufwerfhämmern und Schwanzhämmern. Dass ein Aufwerfhammer tatsächlich mit bis zu 120 Schlägen pro Minute arbeitet, konnten die Teilnehmer dann in einer Schmiedevorführung live bewundern.

An vielen Beispielen aus der Industriearchitektur – dem Backsteinbau der als Feilenhauerwerkstatt gegründeten Messerspezialisten Dick aus Esslingen oder dem epochalen Glasbau der Firma Steiff (Giengen an der Brenz) aus dem Jahre 1903 – ging MICHAEL HASCHER (Stuttgart) vom Landesamt für Denkmalpflege der Frage nach, wann und warum es sich lohnt, sich um diese Industriedenkmale zu kümmern. Sein Satz, „dass von ihrem Tun mehr bleibt als ein Gedenkstein“ war dann aber mehr ein Plädoyer denn eine empirische Aussage zum besonderen Umgang von Familien mit den ehernen Zeugnissen ihrer Vergangenheit. Die Frage, warum Familienunternehmen diese „Denkmale“ errichten, bedarf der Forschung. So entzündete sich die Diskussion dann vor allem an der gesellschaftlichen Frage, was denn Kriterien für das Bewahrenswerte seien. Denn, so dass von WERNER PLUMPE (Frankfurt am Main) herausgearbeitete Paradox, je mehr Zeit vergeht, umso mehr scheinbar Bewahrenswertes entsteht: „die Geschichte zerstört ihre eigene Musealität“. Dies gelte umso mehr, als die Investitionszyklen immer kürzer werden und es oft gerade die staatlichen Auflagen sind, die dafür sorgen, dass bewahrenswerte Artefakte nicht lange halten. Letztlich gehe es also darum, so die conclusio, Regeln zu schaffen, nach denen eine Gesellschaft vergisst; Regeln, für deren Entwicklung Historiker als Spezialisten des Erinnerns und, so das scheinbare Paradoxon, des Vergessens geradezu prädestiniert erscheinen. Ob das Bewahrenswerte nach dem Prinzip des öffentlichen Interesses gemäß Denkmalschutzgesetz, wie Hascher forderte, oder des Schönen, des Ästhetischen, wie es Plumpe wollte, auszuwählen sei, blieb letztlich offen. Das von Plumpe zitierte, vom Vorstandsvorsitzenden der Bayer AG, Marijn Dekkers, stammende Bonmot „Der Kern der deutschen Familienunternehmen ist das deutsche Erbrecht“ war der ideale Introitus für die beiden anschließenden Vorträge.

JULIA SCHNAUS (Regensburg) stellte zentrale Ergebnisse ihrer Staatsexamensarbeit zur „Familie als Achillesferse des Unternehmens am Beispiel des Niedergangs der Frank AG“ dar. Die Frank AG geht auf einen im Jahre 1607 vom Grafen Georg von Nassau gegründeten Schmiedehammer zurück, wurde 1839 von Christian Frank übernommen und hatte sich seit Beginn des 19. Jahrhunderts zu einem führenden Hersteller von freistehenden Heiz- und Kochöfen entwickelt. Der Strukturwandel in den 1970er- und 1980er-Jahren, der Einzug der Einbauküchen in die deutschen Haushalte führte dann zu einer schweren Krise des Unternehmens. Die Eigenkapitalquote sank von über 30 auf unter 10 Prozent, Branchendurchschnitt waren 28 Prozent. Die schon seit 1970 eher bescheidenen Gewinne, mit einer Verlustphase während der Ölkrise, rutschten seit 1984 endgültig in den tiefroten Bereich. Nun erwies sich die familienzentrierte Unternehmenspolitik als Finanzierungshindernis. Schon der 1927 erfolgte Rechtsformwechsel zur AG hatte nicht der Erweiterung der Finanzierungsmöglichkeiten, sondern dem Ordnen der Eigentümerstruktur gedient, Aktien waren ausschließlich auf den Kreis der 140 Familiengesellschafter beschränkt. Die ausgesprochen gute Aktenlage ermöglichte es Schnaus, die Krise als spezielle innerfamiliäre Führungskrise zu rekonstruieren. Bernhard Rolfes, aus einem eingeheirateten Familienzweig, gelang es nicht, sich aus dem Unternehmen zugunsten seines Sohnes Dieter zurückzuziehen, er nahm immer wieder Einfluss auf strategische Entscheidungen. Die an sich schon problematische Doppelregierung erwies sich als fatal angesichts einer grundlegenden Meinungsdifferenz zwischen der vom Sohn präferierten Diversifizierungsstrategie (unter anderem in die Reinigungstechnik) und des vom Vater verfochtenen Festhaltens am traditionsreichen aber defizitären Kerngeschäft. Besonders bezeichnend sei für den Konflikt der Brief von Bernhard Rolfes an seinen Bruder Hans vom 16. März 1972, in dem er von der hohen Beanspruchung durch die Tatsache spricht, „gegen die völlig andersartigen Auffassungen und Einstellungen zu den althergebrachten, bewährten Grundsätzen der Führung eines Familienunternehmens ununterbrochen ankämpfen zu müssen.“ Sohn Dieter hingegen sucht in einem Schreiben an den Aufsichtsratsvorsitzenden Hamman-Kloss vom 28. Juli 1972 verzweifelt nach einer Stelle „.. wo ich mich frei äußern kann und mich nicht unentwegt kontrolliert oder eingeschränkt zu fühlen brauche.“ Im so wichtigen Aushandeln zwischen ökonomischen und familiären Werten haben bei Frank (vermeintliche) familiäre Werte letztlich die Oberhand. Die halbwegs erfolgreichen Sparten konnten seit Mitte der 1980er-Jahre die Verluste der defizitären Sparten nicht mehr ausgleichen, zumal gerade auf dem Gebiet der von Dieter geförderten Reinigungstechnik mit Kärcher ein überaus erfolgreicher Konkurrent agierte. Um Handlungsspielraum zu gewinnen, sei man gezwungen gewesen, kurzfristiges Fremdkapital aufzunehmen und geriet in stärkere Abhängigkeit der Deutschen Bank. Bernhard zog sich letztlich nur auf ausdrücklichen ärztlichen Wunsch, Dieter auf Wunsch der Deutschen Bank aus der Geschäftsführung zurück. Dass Banken mit hohen Fremdkapitalpositionen trotz eines privilegierten Wissensstandes als Aufsichtsräte kaum Anreize haben, Topmanager zu kontrollieren, sondern vor allem auf die Sicherheit der ausgegebenen Kredite achten, wie es die Neue Institutionenökonomik lehrt, belegt auch der Fall Frank. Die Deutsche Bank gab bei Frank vor allem vor, was nicht zu tun war, die von ihr lancierte Wachablösung zu dem Unternehmensberater Hans-Michael Hornberg als Vorstand kam zu spät.

Ist es oft das zu späte Denken an einen geeigneten Nachfolger, der Familienunternehmen scheitern lässt, so ist der Fall des Großindustriellen August Thyssen ganz anders gelagert, wie JÖRG LESCZENSKI (Frankfurt am Main) eindrucksvoll belegte. „Wenn ich Briefe von dir erhalte, so weiß ich stets, dass mir neuer Kummer bevorsteht“ schrieb er am 17. Juni 1910 an seinen zweitältesten Sohn August. Und weiter: „Ich weiß, dass Du den gefährlichsten Charakter hast, den ich kenne.“ Nicht gerade die besten Voraussetzungen für eine gelungene Nachfolgeregelung. Das Ganze hatte die Ausmaße einer griechischen Tragödie, August Thyssen, scheint sich wie Laios im Ödipos-Mythos zu verhalten, dessen Mordversuch an Ödipus gerade nicht eine Freudianische Phantasie des Ödipus war, sondern ganz real. Dabei waren gerade August Thyssens gute Ausbildung (am Polytechnikum in Karlsruhe und der Handelshochschule Antwerpen), sein Leistungsethos und der solidarisch-loyale Familienverbund das Erfolgsgeheimnis seines Aufstiegs. Lesczenski arbeitete vier zentrale Konfliktfelder zwischen August und seinen vier Kindern heraus: Erstens: Unterschiedliche Auffassungen über den Stellenwert des Konzerns in den jeweiligen Lebensentwürfen. Dabei scheint das Problem bei Fritz und Heinrich weniger das fehlende Können als vor allem das mangelnde Wollen gewesen zu sein; zweitens: Unterschiedliche Auffassungen über das Verhältnis zum Adel, den August Thyssen eher als „leisure class“ mit der Beschäftigung „rauchen, jagen und reisen“ ansah, so eine Sottise Augusts über die acht Kinder des Barons Fürstenberg in einem Brief aus dem Jahre 1902 an den Bankier Carl Klönne. Die Söhne August und Heinrich hingegen hielten den Adel für das für ihre Ambitionen adäquate gesellschaftliche Umfeld; drittens: Unterschiedliche Auffassungen über den innerfamiliären Führungsanspruch Thyssens, durchaus typisch für Autoritätskonflikte in der wilhelminischen Gesellschaft; viertens: Die Scheidung von seiner ersten Frau Hedwig, an der die Kinder sehr hingen, die nicht nur Folgen für das familiäre Vermögen, sondern auch das Sozialkapital der Familie, den emotionalen Zusammenhalt hatte.

Eine gewisse familiäre Tragik lag auch darin, dass August immer in familiären Zusammenhängen gedacht hatte. So sinnierte er noch im Winter 1925/26 angesichts der Gespräche über die Gründung der Vereinigten Stahlwerke, er hätte gerne das „Familienunternehmen … erhalten“ und könne „den Trust entbehren“. Seine eigene Position in den Konflikten reflektierte er erst in seinen letzten Lebensjahren selbstkritischer. Ein Jahr vor seinem Tod meinte er, um eine innige Beziehung zu seinem Nachkommen „zu erreichen, müssen wir Alles opfern.“

Letztlich stellt sich beim Nachdenken über Thyssen erneut die alte (Chandlersche) Frage, ob die Einheit von Eigentum und Kontrolle ab einer gewissen Größe überhaupt noch möglich ist. War es letztlich der spezielle Führungsstil Thyssens, der eine dynastische Lösung unmöglich machte? Die Frage nach den unternehmerischen Führungstypen wird den Arbeitskreis weiter beschäftigen.

Konferenzübersicht:

Rainer Kurtz (Hasloch) / Werner Plumpe (Frankfurt am Main), Begrüßung

Michael Hascher (Stuttgart), (Familien-)Unternehmen und ihre Denkmale

Julia Schnaus (Regensburg), Die Familie als Achillesferse des Unternehmens – Der Niedergang der Frank AG in den 1970er-/1980er-Jahren

Jörg Lesczenski (Frankfurt am Main), „Du trägst leider meinen Namen, den Du überall beflecktest und entehrest“. August Thyssen und die gescheiterte Dynastiebildung (1890 – 1926)

Anmerkungen:
1 Robert Meier, Vom Haslocher Eisenhammer zu KurtzErsa: Eine glühende Unternehmensgeschichte aus dem Spessart, Essen 2014.
2 Hermann Simon, Hidden Champions - Aufbruch nach Globalia, Frankfurt am Main 2012.


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