814-1414 – Das Mittelalter im Schulunterricht. Große Themen und lokalgeschichtliche Quellen von Karl dem Großen bis zum Konstanzer Konzil. 15. Karlsruher Tagung für Archivpädagogik

814-1414 – Das Mittelalter im Schulunterricht. Große Themen und lokalgeschichtliche Quellen von Karl dem Großen bis zum Konstanzer Konzil. 15. Karlsruher Tagung für Archivpädagogik

Organisatoren
Landesarchiv Baden-Württemberg; Landesmedienzentrum Karlsruhe
Ort
Karlsruhe
Land
Deutschland
Vom - Bis
21.02.2014 -
Url der Konferenzwebsite
Von
Andreas Neuburger, Landesarchiv Baden-Württemberg

Schon seit Jahren sind der Beschäftigung mit dem Mittelalter kaum Grenzen gesetzt. Der Buchmarkt wird mit historischen Romanen überschwemmt, Kino und Fernsehen zeigen farbige bewegte Bilder, Mittelaltermärkte und Ritterspiele locken vielerorts Besucher an die historischen Stätten. Die 1.000 Jahre etwa zwischen 500 und 1500 sind längst Teil einer allgegenwärtigen, überaus vielschichtigen Geschichtskultur geworden. Für die Behandlung des Mittelalters im Schulunterricht bedeutet dies, dass Schülerinnen und Schüler bereits recht konkrete Vorstellungen vom Leben einer vergangenen Zeit in den Unterricht mitbringen. Eine erfolgreiche Vermittlung des Mittelalters sollte dementsprechend zum Ziel haben, neben den inszenierten Epochenvorstellungen unserer und vormoderner Zeiten auch das „historische Mittelalter“ ins Blickfeld zu rücken.

Die feste Verankerung des Zeitalters in der modernen Geschichtskultur bildete auch den Ausgangspunkt des Eröffnungsvortrags. Vor dem Hintergrund der vielfältigen Vorstellungswelten vom Mittelalter skizzierte THOMAS MARTIN BUCK (Freiburg im Breisgau) Probleme, Perspektiven und Anstöße für die Praxis des Schulunterrichts zum Thema Mittelalter.

Das zentrale Anliegen des Referenten bestand darin, die in der populären Geschichtskultur dominierenden Vorstellungen vom Mittelalter im Unterricht zunächst als (legitime) Geschichtsbilder zu identifizieren und dann in einem zweiten Schritt an das Selbstverständnis der Epoche heranzuführen. Neben der Vermittlung von Faktenwissen kann der Geschichtsunterricht somit eine Brücke zwischen den zahlreichen Bildern des Mittelalters schlagen, indem zusätzlich zur Chronologie, den Ereignissen und Personen auch die Vorstellungswelten über die Epoche an maßgeblicher Stelle zur Sprache kommen.

Als wegweisend für eine moderne Mittelaltervermittlung im Schulunterricht sieht Buck dabei das Bestreben, ein Bewusstsein für die Andersartigkeit des Vergangenen zu entwickeln und dieses zu schärfen. Zur unverzichtbaren Voraussetzung bei der Erfassung dieser Alterität diene die (vielfach beschwerliche) Konfrontation mit den Quellen. Quellenarbeit lässt neben der Befähigung zu historischem Denken ein Bewusstsein für die Formung historischen Wissens entstehen. Zugleich stellen die aus den Quellen sprechenden Alternativmodelle zur modernen Welt den im Bildungsplan stets verlangten Bezug zur gegenwärtigen Lebenswelt her. „Der Weg zurück in die mittelalterliche Vergangenheit führt allerdings nur über die Archive bzw. die dort liegenden Quellen,“ so Buck. Vor diesem Hintergrund biete die Quellenarbeit im Archiv Möglichkeiten zur Vertiefung historischen Lernens. Dabei rücke das Archiv als bislang außerschulischer Lernort im Zuge wachsender Verfügbarkeit digitalisierter Quellen enger an den Unterricht im Klassenzimmer heran.

An den Vortrag anknüpfend demonstrierte DOMINIK JENNE (Freiburg im Breisgau) am konkreten Beispiel einer digitalisiert und ediert im Internet verfügbaren Urkunde die Heranziehung von Archivquellen für den Unterricht. Abhängig von der didaktischen Aufbereitung lassen sich für die verschiedenen Klassenstufen jeweils geeignete Vermittlungsansätze entwickeln und Elemente der historischen Methode erlernen.

Drei Workshops boten im Anschluss an das Eröffnungsplenum die Gelegenheit, bereits bestehende archivpädagogische Angebote zu Themen der mittelalterlichen Geschichte kennenzulernen. JOHANNES HOF (Freiburg im Breisgau) präsentierte in seinem Workshop „Das Konstanzer Konzil 1414-1418: Krisenbewältigung und Kulturaustausch an der Wende vom Mittelalter zur Neuzeit“ die Aufbereitung des komplexen Konzilsgeschehens für den Unterricht.1 Arbeits- und Ergebnisblätter mit Text- und Bildquellen führen über den ereignisgeschichtlichen Hintergrund an Einzelaspekte heran und bieten Einblick in die Lebenswelt des Spätmittelalters. Ein Konzils-Quiz und eine Stadtrallye zur Lernorterkundung runden das Angebot ab.

Unter dem Titel „Mittelalterliche und frühneuzeitliche Stadtgeschichte – Erfahrungsaustausch und Ideen für den Unterricht“ stellten WERNER FÖLL (Heilbronn) und ULRICH MAIER (Stuttgart) Unterrichtsbausteine zur Heilbronner Stadtgeschichte vor. Die einzelnen Module basieren auf der didaktischen Aufbereitung von Text- und Bildquellen des Archivs wie auch der stadtgeschichtlichen Ausstellung „Heilbronn historisch!“.2 Zusätzlich zur Einbeziehung in den Geschichtsunterricht lassen sich die Unterrichtsbausteine auch leicht mit einem Besuch vor Ort in Archiv und Museum verbinden.

In einem dritten Workshop vermittelte JOACHIM BRÜSER (Kirchheim unter Teck) Grundlagen zur Lektüre mittelalterlicher und frühneuzeitlicher Quellen. Ziel war es, Berührungsängste bei der Arbeit mit Archivalien abzubauen und einige Hürden beim oft schwierigen Verständnis solcher Quellen zu überwinden.

Am Nachmittag bot sich auf dem „Markt der Möglichkeiten“ Gelegenheit, an insgesamt zwölf Ständen weitere Projekte detailliert kennenzulernen. In diesem Rahmen konnten die Teilnehmer auch untereinander über Ansätze und Konzepte, Erfahrungen und Ideen ins Gespräch kommen.

Erneut wurde hier das Konstanzer Konzil von 1414 bis 1418 als Gegenstand archivpädagogischer Angebote aufgegriffen. Im Rahmen einer „Großen Landesausstellung“ wird das „Weltereignis“ in Baden-Württemberg während der kommenden Jahre in Konstanz umfassend aufbereitet. Das Badische Landesmuseum Karlsruhe und die Konzilstadt Konstanz stellten ihre hierzu für die unterschiedlichen Klassenstufen entwickelten pädagogischen Rahmenprogramme vor. Präsentiert wurde darüber hinaus ein im Auftrag des Religionspädagogischen Instituts der Evangelischen Landeskirche in Baden zusammen mit dem Landesmedienzentrum entwickeltes iBook zu Jan Hus.

Einen zweiten Schwerpunkt bildeten die im Zuge der Digitalisierung entstandenen neuen Möglichkeiten für die Verwendung von Archivgut im Unterricht. Das Staatsarchiv Marburg und das Stadtarchiv Speyer stellten Projekte zur Digitalisierung (nicht ausschließlich) mittelalterlicher Urkunden und deren Aufbereitung im Internet vor und wiesen auf die damit verbundenen Recherche- und Nutzungsmöglichkeiten hin.

Einen Überblick über ihr bereits seit längerem erfolgreich etabliertes archivpädagogisches Angebot und die bestehenden Erfahrungen mit Bildungspartnerschaften boten Vertreter des Staatsarchivs Ludwigsburg sowie der Stadtarchive Heilbronn und Pforzheim. Der Lehrstuhl für Deutsche Philologie des Mittelalters an der Universität Bamberg stellte das Projekt „Mittelalter macht Schule“ (MiMaSch) vor, welches Praxiskonzepte unter anderem zur Vermittlung mittelalterlicher Texte im Unterricht entwickelt und im Kontext der Lehrerausbildung an Schulen umsetzt.

Dem Bau eines Klosters ausschließlich mit den Mitteln des 9. Jahrhunderts widmet sich das Projekt „Campus Galli. Karolingische Klosterstadt Meßkirch“. Neben Informationen zum Stand und der weiteren Planung des ambitionierten Vorhabens wurde das pädagogische Programm vorgestellt, welches das Frühe Mittelalter im 21. Jahrhundert erlebbar zu machen versucht.

Abgerundet wurde das Nachmittagsprogramm durch eine Präsentation von BETTINA BOURESH (Pulheim), die am Beispiel des Projekts „Rolling Stones“ eine Bildungspartnerschaft zwischen Archiv und Schule vorstellte. Hierbei erhalten Schulklassen in der Abtei Brauweiler Einblick in das mittelalterliche Klosterleben, ergänzt um eine Führung durch das Archiv des Landschaftsverbands.

Im Rahmen einer „Infothek“ stellten schließlich Schülerinnen und Schüler ihre für den von der Körber-Stiftung organisierten Geschichtswettbewerb des Bundespräsidenten erarbeiteten und mit Preisen ausgezeichneten Beiträge vor. Zu dem Thema „Vertraute Fremde. Nachbarn in der Geschichte“ beschäftigten sie sich unter anderem mit Recherchen und Quellenstudien im Archiv oder auch der Durchführung von Zeitzeugeninterviews. Die Qualität und inhaltliche Breite der von Schülerinnen und Schülern der Grundschule bis zur Oberstufe vorgelegten Arbeiten unterstrichen dabei nachdrücklich Nutzen und Ertrag archivpädagogischer Projekte und Angebote.

Wie bereits in den vergangenen Jahren bot der „Markt der Möglichkeiten“ ein offenes Forum, das von den Teilnehmern zum regen Gedankenaustausch genutzt werden konnte.3 Dabei zeigte sich erneut, dass der Erfolg und die Resonanz archivpädagogischer Angebote entscheidend von möglichst konkreten Anknüpfungsmöglichkeiten an die Bildungspläne abhängen. Dementsprechend kommt es bei der Zusammenarbeit von Lehrern und Archivaren weiterhin und in Zukunft sogar noch verstärkt darauf an, das Archiv als außerschulischen Lernort zu verankern und, soweit möglich, auch in die Lehrpläne einzubinden. Zusätzliche Chancen ergeben sich für die Archive in diesem Zusammenhang daraus, dass der Lernort Archiv den Schulen gleichermaßen in Bezug auf Inhalte wie auch über die Vermittlung von Methodenkompetenzen (Quellenrecherche und -auswertung, Analyse und Interpretation) attraktive und abwechslungsreiche Angebote bieten kann. Der einmal mehr gute Besuch der Tagung unterstreicht gleichermaßen das Interesse an einer engen Zusammenarbeit von Lehrern und Archivaren wie auch die vielfältigen Möglichkeiten, solche Partnerschaften für ganz unterschiedliche Themenbereiche zu entwickeln und umzusetzen.

Konferenzübersicht:

Einführung

Vortrag
Thomas Martin Buck / Dominik Jenne (Pädagogische Hochschule Freiburg), Das Mittelalter im Schulunterricht. Probleme, Perspektiven und Anstöße für die Unterrichtspraxis

Workshop1 (Unterrichtsmodul)
Johannes Hof (Landeskundebeauftragter des RP Freiburg), Das Konstanzer Konzil 1414-1418: Krisenbewältigung und Kulturaustausch an der Wende vom Mittelalter zur Neuzeit

Workshop 2 (Unterrichtsbausteine)
Werner Föll (Stadtarchiv Heilbronn) / Ulrich Maier (Landeskundebeauftragter des RP Stuttgart), Mittelalterliche und frühneuzeitliche Stadtgeschichte – Erfahrungsaustausch und Ideen für den Unterricht

Workshop 3 (Quellenlektüre)
Joachim Brüser (Stadtarchiv Kirchheim unter Teck), Alte Schriften entziffern – Methoden und Hilfen für die Praxis

„Markt der Möglichkeiten“
Vorstellung von archiv- und museumspädagogischen Angeboten und Projekten, Informationsmöglichkeiten im Internet (u.a. digitalisierte Quellen zum Mittelalter), Präsentation prämierter Arbeiten des Geschichtswettbewerbs des Bundespräsidenten.

Schlussdiskussion

Anmerkungen:
1 Landesbildungsserver Basen-Württemberg, Das Konstanzer Konzil 1414 - 1418: Krisenbewältigung und Kulturaustausch an der Wende vom Mittelalter zur Neuzeit, <http://www.schule-bw.de/unterricht/faecheruebergreifende_themen/landeskunde/modelle/epochen/mittelalter/konzil/konstanz/>, (25.6.2014).
2 Haus der Stadtgeschichte Heilbronn, Bausteine für den Geschichtsunterricht, <http://www.stadtarchiv-heilbronn.de/stadtgeschichte/unterricht/bausteine/?a=edit_c&i=3&e=edit&t=000001amp;t=000001>, (25.6.2014).
3 Informationen zu den früheren Tagungen sind dem Internetangebot des Landesarchivs Baden-Württemberg zu entnehmen: <http://www.landesarchiv-bw.de/web/46206>, (25.6.2014).


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