Geschichtslernen in biographischer Perspektive. Nachhaltigkeit - Entwicklung - Generationendifferenz. 20. Zweijahrestagung der KGD

Geschichtslernen in biographischer Perspektive. Nachhaltigkeit - Entwicklung - Generationendifferenz. 20. Zweijahrestagung der KGD

Organisatoren
Konferenz für Geschichtsdidaktik (KGD)
Ort
Göttingen
Land
Deutschland
Vom - Bis
25.09.2013 - 27.09.2013
Url der Konferenzwebsite
Von
Manuel Altenkirch, Institut für Gesellschaftswissenschaften, Pädagogische Hochschule Heidelberg; Marco Zerwas, Institut für Sekundarstufe I und II, Pädagogische Hochschule FHNW

Forschungsfelder zu erschließen, zählt zu den wichtigsten Aufgaben einer Forschungsdisziplin. In diesem Sinne ist es zu begrüßen, dass sich die Geschichtsdidaktik im Rahmen der XX. Zweijahrestagung ihres Fachverbandes (KGD) vom September 2013 mit der anspruchsvollen Problematik des „Geschichtslernens aus biographischer Perspektive“ beschäftigte. Darüber hinaus gab es disziplinären Anlass zur Selbstreflexion: 40 Jahre zuvor fand am gleichen Ort die erste Tagung dieser traditionsreichen Reihe statt. Rückblickend kann festgestellt werden, dass sich die Zweijahrestagungen im Laufe ihrer Entwicklung immer stärker als ein Forum etabliert haben, in dem sich die Geschichtsdidaktik als eigenständige, pluralistische und forschungsstarke Disziplin präsentieren konnte.

Neben Beiträgen zu den Themen „Geschichte-Biographie-Identität“ (Sektion 1), „Nachhaltiger Geschichtsunterricht“ (Sektion 2), „Geschichte in außerschulischen Ausbildungskontexten“ (Sektion 3) und „Entwicklung des Geschichtsbewusstseins“ (Sektion 4) wurde in einer eigenen Sektion (Sektion 5) die „Zeitgeschichte der Geschichtsdidaktik“ thematisiert. Dem akademischen Nachwuchs wurde im Rahmen einer Poster Session ermöglicht, mit dem Fachpublikum die eigenen Projekte zu diskutieren.

Den Beginn der Tagung markierten die einleitenden Vorträge von MICHAEL SAUER (Göttingen) und CHARLOTTE BÜHL-GRAMER (Nürnberg). Sauer skizzierte in seinem Bericht zum Stand der Disziplin zunächst die sehr positive organisatorische Entwicklung des Verbandes (Mitgliederzahl, Information, Kommunikation, Archivierung). Er hob die Bedeutung der Nachwuchsförderung hervor, die ihren Ausdruck in den zweijährlichen Nachwuchstagungen finde, aber auf mittlerer, regionaler Ebene noch intensiviert werden könne. Die Produktivität der Disziplin habe in den letzten Jahren weiter zugenommen. Eine inhaltliche und methodische Profilbildung wurde vor allem bei den empirischen Arbeiten, aber auch im Bereich der Geschichtskultur vollzogen. Problematisch stehe es mit dem bei Berufungsverfahren nachgefragten fachspezifischen Qualifikationsprofil, das eher unscharf sei, sich nicht unbedingt an disziplinspezifischen Qualitätsstandards orientiere. Abschließend referierte Sauer Ergebnisse der Umfrage zum Stand der Disziplin, die er vor der Tagung vorgenommen hatte. Als Probleme seien vor allem Belastungen durch Lehr- und Prüfungsaufgaben hervorgetreten, die die Zeitressourcen für Forschungsarbeit reduzierten.

Bühl-Gramer verwies in ihrer Einführung auf die thematische Weite der Tagung. Empirische Forschungen zur Nachhaltigkeit von Geschichtslernen beziehen sich bislang vor allem auf unterrichtsbezogene Untersuchungen der Entwicklung kindlichen und jugendlichen Geschichtsbewusstseins. Welche Rolle jedoch Geschichtsunterricht in der nachschulischen Biografie und für lebenslanges historisches Lernen spielt, ob eine nachschulische Stabilisierung und Konsolidierung stattfindet, in welchen Zeithorizonten möglicherweise eine Lernwirksamkeit eintritt und von welchen Faktoren dies abhängt, sind weitgehend unbearbeitete Fragestellungen. Ebenso konstatiert sie ein Defizit an Längsschnittstudien zur biographischen Entwicklung des Geschichtsbewusstseins auf allen Altersstufen, die der Frage nachgehen, wie eigenes, fortschreitendes Leben mit Geschichte verknüpft wird und ob sich gegebenenfalls individuelle Sinnbildungsprozesse im Lebenslauf verändern. Empirisch fassbar werden derartige Fragestellungen durch Zugriffe auf bestimmte Gruppen, Lernkontexte sowie auf Formen der sozialen Kommunikation über Geschichte, für die Bühl-Gramer forschungspragmatische Perspektiven skizzierte.

Die erste Sektion der Tagung beschäftigte sich mit biografischen Einflüssen auf die Identität und das individuelle Geschichtsbild. Bühl-Gramer betonte, dass insbesondere autobiografische Selbstzeugnisse als Auskunftsinstrument über die Identitätsbildung herangezogen werden können. Dabei gelte es aber immer, die Beziehung der kommunikativen Wirklichkeit zwischen Autor und seinem Produkt zu beachten. Dies wurde von FELIX HINZ (Freiburg) aufgegriffen, der in einer Studie die geschichtliche Sinnbildung und die Einschätzung der eigenen Identität von Autoren historischer Romane untersuchte. Aus seiner Untersuchung zu den Einflüssen auf das jeweilige Geschichtsbild formulierte er das Ergebnis, dass das Interesse der Autoren an geschichtlichen Stoffen bereits in der Kindheit verfasst werde. Ihr jeweiliges Selbstverständnis als Autor ginge über das eines Erzählers hinaus, sodass sie sich mitunter gar als Lehrer verstünden. Der reziproke Austausch mit der Leserschaft außerhalb des Leseprozesses sei gering; gepaart mit einem hohen fachlichen Selbstanspruch sei eine regelrechte Tendenz zur Vereinzelung der Autoren erkennbar. MARTIN LÜCKE (Berlin) verfolgte einen anderen Ansatz, der am Beispiel der autobiografischen Texte von Martin Lampel (1894-1965) das Potenzial autobiografischer Erzähler für die Erforschung des historischen Bewusstseins ergründete. Lampel wurde als frühes Mitglied der SA nach 1933 wegen seiner Homosexualität politisch verfolgt, exilierte später und kehrte nach Gründung der Bundesrepublik zurück. Anhand von autobiografischen Textstellen zur Herrschaftsübernahme der Nationalsozialisten untersuchte Lücke den konstitutiven Zusammenhang von Selbst- und Geschichtsdeutung: In unterschiedlichen biografischen Situationen verlaufe die historische Sinnbildung divergent. Der subjektive Charakter der Autobiografie sei demnach historisch variabel und unterliege starken kontextuellen Zeiteinflüssen. MARCO DRÄGER (Göttingen) untersuchte am Beispiel von Denkmälern die geschichtskulturelle Auseinandersetzung von unterschiedlichen Generationen. Er beschrieb am Beispiel von Göttinger Denkmälern den Diskurs um die Auseinandersetzung einer älteren, im Nationalsozialismus sozialisierten Generation zu Kriegerdenkmälern und kontrastierte dagegen eine jüngere, durch die Friedensbewegung beeinflusste Generation zu einem Deserteur-Denkmal.

Die zweite Sektion beschäftigte sich mit der Frage, wie Geschichtsunterricht nachhaltig gestaltet werden kann. In ihrem einführenden Vortrag wies ANKE JOHN (Jena) auf Desiderate in diesem Bereich der geschichtsdidaktischen Forschung hin, die sie unter anderem in der Auseinandersetzung mit der Wirksamkeit des Unterrichts für den Zeitraum nach Beendigung der Schullaufbahn sieht. MANFRED SEIDENFUSS und MARKUS DAUMÜLLER (beide Heidelberg) nahmen sich eben jener Thematik in ihrem Vortrag über die Relevanz des Geschichtsunterrichts aus Perspektive von Schulabgängern von Haupt-, Real-, Berufsschulen und Gymnasien an. Die Reflexion des eigenen historischen Lernens im Rahmen des Geschichtsunterrichts stand im Zentrum der Untersuchung. Aus den gewonnen Daten konnten Seidenfuß und Daumüller Typen konstruieren, die unterschiedliche Zugänge zur Frage darstellen, was historische Erkenntnis sei. DIRK URBACH (Bochum) nahm die entgegengesetzte Perspektive, wie nachhaltiger Unterricht aus Lehrersicht beurteilt wird, in den Blick. Im Rahmen einer Interviewstudie konnte er feststellen, dass die Wirksamkeit des eigenen Geschichtsunterrichts auf einen Zeitpunkt nach der Schulzeit projiziert werde, welcher selbst nicht von den Lehrkräften überprüft werden könne. Aus den gewonnenen Ergebnissen formulierte Urbach im Anschluss Forderungen an den Geschichtsunterricht, die neben einer Operationalisierung des Begriffs des Geschichtsbewusstseins auch die Bedeutung der Geschichtskultur für den Unterricht und die Favorisierung forschungsbasierter Lernarrangements beinhalteten. JÖRG VAN NORDEN (Bielefeld) ging in seinem Beitrag der Frage nach, welches Lehrkonzept zu einem nachhaltigeren Lernen führt. Grundlegend für seine Überlegungen war das von ihm entwickelte Konzept des „Narrativen Konstruktivismus“. Er stellte fest, dass narrative Kompetenz lebensdienlich sei und daher als zentrale Kompetenz zu sehen sei. Er stellte Möglichkeiten der Adaption wissenschaftlicher Methoden für die Geschichtsdidaktik vor, betonte jedoch, dass hier für die Disziplin noch weitere vertiefte Auseinandersetzungen nötig seien.

In der dritten Sektion der Tagung wurde die Vermittlung von Geschichte und historischer Sinnbildung in außerschulischen Kontexten thematisiert. ALFONS KENKMANN (Leipzig) stellte hierzu einführend fest, dass in den nachschulischen Ausbildungsinstitutionen die gesellschaftswissenschaftlichen Themenfelder eher in der Hand der Politikdidaktik lägen, daher von Seiten der Geschichtsdidaktik eine defizitäre Behandlung vorherrsche. SABINE MECKING (Duisburg) stellte das Fach Geschichte als Ausbildungsinhalt der Finanzverwaltung Nordrhein-Westfalens vor. Verwaltungsschüler beschäftigen sich im Rahmen der Ausbildung zum gehobenen Dienst mit der Aufarbeitung der NS-Vergangenheit der Finanzbehörden; seit dem Jahr 2001 sei dies sogar curricular verpflichtend. Auf Basis einer differenzierten Auseinandersetzung mit der Aufarbeitung der eignen Vergangenheit beobachtet Mecking allerdings einen Rückgang der curricularen historischen Inhalte im Ausbildungsgang seit einer Studienreform. CHRISTOPH SPIEKER (Münster) thematisierte die institutionelle Traditionspflege der Polizeibehörden. Er betonte die durch Traditionsarbeit geschaffene Distanz zum realen Geschehen. Am Beispiel der Dauerausstellung in der Villa ten Hompel (Münster), die als realer Geschichtsort zur Aufarbeitung von Polizei- und Verwaltungshandeln während der nationalsozialistischen Zeit institutionalisiert ist, erörterte er die in Seminaren und Führungen geschaffene Partizipation von jungen Erwachsenen und Seminargruppen der Polizei. CHRISTINA KAKRIDI (Göttingen) untersuchte die Theorie und Praxis der historischen Bildungsarbeit im Rahmen von Einbürgerungsverfahren. Kakridis Untersuchung führte zu der Einschätzung, dass sich in den Einbürgerungstests das kollektive Erinnerungswissen der Allgemeinbevölkerung abbilde und somit nicht das Zielgruppeninteresse der Zuwanderer beinhalte. Zwar stellten die entwickelten Verfahren keine Gesinnungsprüfung dar, doch böten sie andererseits auch kein Integrationsangebot. CHRISTIAN BUNNENBERG (Essen) eröffnete einen weiteren Bereich der außerschulischen historischen Bildung mit seiner Darstellung der Geschichte der Offiziersausbildung seit Begründung der Bundeswehr im Jahr 1955. Bunnenberg richtete den Fokus seiner Untersuchung auf den Traditionserlass der Bundeswehr. Dort sind als Grundlage soldatischer Identität die preußische Heeresreform, der Widerstand gegen den Nationalsozialismus und die Geschichte der Bundeswehr seit ihrer Begründung angeführt. Der Umgang mit historischen Artefakten stelle damit die curriculare Grundlage der historischen Bildung innerhalb der Streitkräfte dar. Nach einer internen Auswertung der Streitkräfte über den Zustand der politischen Bildung innerhalb der Luftwaffe würde jedoch beklagt, dass die Offiziersanwärter zunehmende Interessenlosigkeit über Geschichte zeigten.

In der Einführung zur vierten Sektion „Entwicklung des Geschichtsbewusstseins“ hob ihr Leiter, Michael Sauer (Göttingen), hervor, dass empirische Untersuchungen hierzu einen mosaikhaften Charakter hätten. Aus der Darstellung beispielhafter Forschung heraus formulierte Sauer Desiderate der geschichtsdidaktischen Forschung und forderte zu einer intensiveren Auseinandersetzung mit diesen auf. GEORG GÖTZ (Oldenburg) stellte seine Forschungen zum Thema „Fachfremdes Geschichtsbewusstsein“ vor. Kern seiner Untersuchung war die Frage nach der Bedeutung der beruflichen Sozialisation für die Vorstellung von Geschichte und Geschichtsunterricht fachfremd unterrichtender Lehrkräfte. SABINE BIETENHADER (Chur) und MARKUS KÜBLER (Schaffhausen) stellten anhand einer Studie zum historischen Denken von 4- bis 10-jährigen in der Schweiz im Anschluss dar, dass historisches Wissen vor allem über Bücher, Spielzeug, Fernsehsendungen sowie den Besuch von Museen erworben würde. Hieraus formulierten sie didaktische Überlegungen, die, aufbauend auf der Erkenntnis, dass Kinder sich bereits früh für historische Themen interessieren würden, die Zeitlichkeit von Ereignissen, Geschichte als Re-Konstruktion und die Betonung von sozialen und wirtschaftlichen Aspekten der Geschichte als mögliche Zielrichtungen einer frühen historischen Bildung beinhalteten. In LALE YILDIRIMs (Köln) Beitrag über die Entwicklung des Geschichtsbewusstseins bei Lernenden mit Migrationshintergrund wurden türkischstämmige Schülerinnen und Schüler der dritten Migrationsgeneration in den Blick genommen. Yildirim stellte die Frage, ob es ein doppeltes semi-historisches Bewusstsein geben könne, wobei die (nationale) Zugehörigkeit und die eigene Identität von besonderem Interesse waren. Sie stellte fest, dass historisches Lernen per se interkulturelles Lernen sei, da historisches Bewusstsein für die „bi-kulturelle“ Identitätsbildung von Bedeutung sei.

Die fünfte Sektion „Zur Zeitgeschichte der Geschichtsdidaktik“ wurde von MARKO DEMANTOWSKY (Basel) eingeleitet, der nach einem Überblick zum Forschungsstand den Jubiläumscharakter der XX. Zweijahrestagung hervorhob. In der Sektion zur Zeitgeschichte der Geschichtsdidaktik solle mit dem Blick auf die Vergangenheit die Entwicklung eines Gegenwartsbildes der Disziplin gelingen. Viele neue Herausforderungen verlangten eine selbstkritische historische Rückversicherung. THOMAS SANDKÜHLER (Berlin) betrachtete die Geschichtsdidaktik als gesellschaftliche Repräsentation und untersuchte die Diskurse der Disziplin in ihrem zeitgeschichtlichen Kontext während der Gründungsjahre um 1970. Diese Gründungsjahre zeichneten sich durch eine bemerkenswerte Reformeuphorie aus. Für Sandkühler begannen die ‚langen 1970er-Jahre‘, die in geschichtsdidaktischer Perspektive den Beginn einer Aufbruchsstimmung markierten und unter der Dominanz der sogenannten ‚Fünfundvierziger‘ bis in die 1980er-Jahre anhielten. Einen anderen Ansatz verfolgte FRIEDERIKE VOLKMER-TOLKSBERG (Bochum), die in einem chronologischen Überblick die Verbandsgeschichte der KGD von 1973-1998 präsentierte. Anlass zur Gründung der KGD sei das wachsende Bedürfnis nach gegenseitigem Austausch gewesen. Die Organisation, die diesem Bedürfnis folgend gegründet wurde, hätte die Akteure unabhängiger sowohl vom Geschichtslehrerverband als auch vom Historikerverband gemacht und eine eigenständige Meinungs- und Willensbildung ermöglicht. MARKUS BERNHARDTs (Essen) Vortrag führte in den gegenwartsanalytischen Teil der Sektion. In einer bibliometrischen Untersuchung unterzog er die Zeitschriften der Disziplin einer quantitativen Analyse und entwickelte daraus Fragen an die Disziplingeschichte. Bernhardt stellte fest, dass die seit 1970 begonnene Emanzipation von den Erziehungswissenschaften auch in jüngerer Zeit Fortsetzung fand. In den vergangenen 15 Jahren sei zudem eine Wandlung von dem bis dahin leitenden Thema der Geschichtsbewusstseinsforschung zugunsten einer vermehrten Beschäftigung mit geschichtskulturellen Themen erkennbar. Dem gängigen Vorurteil einer mangelnden Beschäftigung mit der Praxis des Geschichtsunterrichts entgegnete er, dass sich immerhin ein Drittel der Beiträge entsprechenden Fragen gewidmet habe. Bernhardt bemerkte auch Defizite: Zu selten seien Lernende Gegenstand der Publikationen. Außerdem wurden mangelnde Internationalität und der geringere Anteil weiblicher Autoren festgestellt. MICHELE BARRICELLI (Hannover) knüpfte daran unmittelbar an. Seit dem PISA-Schock sei die Kompetenzorientierung bevorzugtes Forschungsfeld der Geschichtsdidaktik. Der diesen Modellen gegenüber immer wieder erhobenen Forderung, ein einheitliches, verbindliches Modell zu definieren, widersprach Barricelli. Seit der Jahrtausendwende habe sich außerdem das Forschungsthema der Narrativität entfaltet. Durch die Entwicklung narrativer Fähigkeiten seien auch Zugewinne etwa bei der Frage- und Urteilskompetenz gewährleistet. Er erkenne zudem einen „Zenit“ in der sozioempirischen Methodik, der die Leistungsfähigkeit der Disziplin hinreichend markiere. Außerdem werde zu geschichtskulturellen Debatten zu selten Stellung genommen; die Etablierung des Open Access-Journals PUBLIC HISTORY WEEKLY sei daher hilfreich.

Die Göttinger Zweijahrestagung unter ihrem Rahmenthema ‚Geschichtslernen in biographischer Perspektive‘ zeigte die Vielfältigkeit und Weite des Themas: In den Sektionen wurden nicht nur individuelle biographische Lernentwicklungen aufgezeigt, sondern auch übergreifende Muster etwa von Berufsgruppen oder Generationen identifiziert. Dass die biographische Perspektive für den Professionalisierungsprozess der Geschichtsdidaktik eine bedeutende Rolle spielt, konnte durch Vorträge zu Lernprozessen in allen Altersstufen – von Vorschulkindern bis zum Lifelong-Learning – unter Beweis gestellt werden. Im Rahmen der Jubiläumstagung konnte diese Perspektive sogar auf die eigene Institution ausgeweitet werden: Auch die Konferenz für Geschichtsdidaktik hat in ihrer 40-jährigen Verbandsgeschichte einen biografischen Prozess durchlaufen, der sich durch verschiedene Phasen der Interessens- und Forschungsschwerpunkte auszeichnet. Die Geschichtsdidaktik präsentiert sich im Jahr 2013 als leistungsfähige, empirische Kulturwissenschaft, die den Vergleich mit benachbarten Disziplinen nicht scheuen muss.

Konferenzübersicht:

Begrüßung: Wolfgang Lücke (Vizepräsident der Georg-August-Universität Göttingen) / Ulrich Bongertmann (Vorsitzender des Verbandes der Geschichtslehrer Deutschlands) / Michael Sauer (Vorsitzender der KGD)

Grußwort: Horst Kuss (Göttingen), Ein Rückblick auf 1973

Michael Sauer (Göttingen), Zum Stand der Disziplin

Charlotte Bühl-Gramer (Nürnberg), Einführung in das Tagungsthema

Sektion 1: Geschichte – Biographie – Identität
Leitung: Charlotte Bühl-Gramer (Nürnberg)

Felix Hinz (Freiburg), Identität und geschichtliche Sinnbildung bei Autoren historischer Bestsellerromane

Martin Lücke (Berlin), Fragmentarische Geschichte und kohärentes Leben – autobiographische Texte von Martin Lampel (1894-1965)

Marco Dräger (Göttingen), Generation(en) und Geschichte(n) – Auseinandersetzungen über Geschichtsdeutungen am Beispiel von Krieger- und Deserteur-Denkmälern

Sektion 2: Nachhaltiger Geschichtsunterricht
Leitung: Anke John (Jena)

Manfred Seidenfuß / Markus Daumüller (Heidelberg), Geschichtsunterricht – was bleibt? Die Sicht der SchulabgängerInnen

Dirk Urbach (Bochum), Nachhaltiger Geschichtsunterricht aus Lehrersicht

Jörg van Norden (Bielefeld), Historisches Lernen zwischen Instruktion und Konstruktion

Sektion 3: Geschichte in außerschulischen Ausbildungskontexten
Leitung: Alfons Kenkmann (Leipzig)

Sabine Mecking (Duisburg), Neben Steuern und Recht – Geschichte als Ausbildungsinhalt der Finanzverwaltung Nordrhein-Westfalens

Christoph Spieker (Münster), Polizeiliche Traditionsarbeit in der Erinnerungsarena

Christina Kakridi (Göttingen), Integrationshilfe oder Gesinnungsprüfung? Theorie und Praxis historischer Bildungsarbeit im Rahmen von Einbürgerungsverfahren

Christian Bunnenberg (Essen), Geschichte der Offiziersausbildung der Bundeswehr

Sektion 4: Entwicklung des Geschichtsbewusstseins
Leitung: Michael Sauer (Göttingen)

Georg Götz (Oldenburg), Fachfremdes Geschichtsbewusstsein? Welche Rolle spielt die berufliche Sozialisation von Lehrkräften für Vorstellungen von Geschichte und Geschichtsunterricht?

Sabine Bietenhader (Chur) / Markus Kübler (Schaffhausen), Historisches Denken bei 4- bis 10-jährigen Kindern in der Schweiz

Lale Yildirim (Köln), Doppeltes semi-historisches Bewusstsein? Entwicklung des Geschichtsbewusstseins bei Schüler/innen mit Migrationshintergrund

Sektion 5: Zur Zeitgeschichte der Geschichtsdidaktik
Leitung: Marko Demantowsky (Basel)

Thomas Sandkühler (Berlin), Geschichtsdidaktik als gesellschaftliche Repräsentation. Diskurse der Disziplin im zeitgeschichtlichen Kontext um 1970

Friederike Volkmer-Tolksberg (Bochum), Zur Verbandsgeschichte der KGD 1973-1998

Markus Bernhardt (Essen), Geschichtsdidaktik nach PISA. Bilanzen und Perspektiven

Michele Barricelli (Hannover), Geschichtsdidaktik nach PISA. Bilanzen und Perspektiven


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