The Impact of Arabic Sources on Divination and the Practical Sciences in Europe and Asia

The Impact of Arabic Sources on Divination and the Practical Sciences in Europe and Asia

Organisatoren
Internationales Kollegs für Geisteswissenschaftliche Forschung (IKGF) der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg; Union Académique Internationale (UAI), Brüssel; Centre for the History of Arabic Studies in Eurpoe (CHASE), The Warburg Institute, London; Micrologus. Nature, Sciences and Medieval Societies (SISMEL), Florenz
Ort
Erlangen
Land
Deutschland
Vom - Bis
21.01.2014 - 23.01.2014
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Von
Lisa Walleit, Internationales Kolleg für geisteswissenschaftliche Forschung "Schicksal, Freiheit und Prognose", Universität Erlangen-Nürnberg

Johannes de Plano Carpini, Wilhelm von Rubruk oder Marco Polo sind die bekanntesten Reisenden, die im Mittelalter vom Westen aus den Osten erkundeten. Doch der Austausch zwischen Europa und Asien erfolgte nicht nur durch diese wissensdurstigen Fremden, sondern auch – und das bereits viel früher – mittels des Transfers von Wissen und Wissenschaften. Vor allem hinsichtlich der Kenntnisse in Divination, Astrologie, Medizin, Algebra und Mechanik nahmen arabische Gelehrte und ihre Schriften eine Schlüsselrolle ein. Charles Burnett (London), Klaus Herbers (Erlangen-Nürnberg, stellvertretender Direktor des Internationales Kolleg für Geisteswissenschaftliche Forschung (IKGF)), Danielle Jacquart (Paris) und Agostino Paravicini Bagliani (Florenz) luden in Kooperation mit der Union Académique Internationale (Brüssel) zu der internationalen Konferenz „The Impact of Arabic Sources on Divination and the Practical Sciences in Europe and Asia“ nach Erlangen ein, um den Einfluss des Arabischen/Islamischen über die Landesgrenzen hinweg auf die praktischen Wissenschaften zu untersuchen und zu diskutieren.

KARL-DIETER GRÜSKE, der Präsident der Friedrich-Alexander Universität Erlangen-Nürnberg, begrüßte die 30 Teilnehmer aus zehn Ländern von vier Kontinenten und hob die Besonderheit der Veranstaltung hervor, die erstmals die Bedeutung des Arabischen in Ost und West untersucht. MICHAEL LACKNER (Erlangen Nürnberg, Direktor des IKGF) betonte im Anschluss die Aufgaben der vergleichenden Perspektive und unterstrich, dass das Internationale Kolleg und nicht zuletzt die Konferenz selbst Beispiele für interkulturellen Wissensaustausch seien. In seinem Grußwort verdeutlichte auch KLAUS HERBERS (Erlangen-Nürnberg) diesen Punkt, indem er besonders den Transfer und die Rekontextualisierung von Wissen sowohl im Mittelalter als auch heute und in Hinblick auf die folgenden Vorträge hinwies. Er unterstrich, dass es um mehr gehe als nur Rezeption, es gehe um die aktive Anwendung praktischen Wissens.

DANIELLE JACQUART (Paris) spürte in ihrer Einführung dem arabischen Wissen des westlichen Europas in spanischen Quellen nach. Auch die in griechischen Handschriften dargestellten Erkenntnisse seien teilweise islamischen Quellen entnommen und in zahlreichen Hybriden (z.B. Meteorologie von Aristoteles) zusammengestellt worden.

CHARLES BURNETT (London) erörterte in seinem Vortrag die Übersetzungen arabischer, hebräischer und griechischer Texte über Divination ins Lateinische. Hierbei erklärte er die Schwierigkeit der Darstellungen, aus denen nicht immer eindeutig hervorgehe, wer letztlich bei der Divination handle. Urteilten die Sterne und der Astrologe las nur in ihnen oder urteilte der Astrologe über die Sterne? Die grundsätzliche Problematik lasse sich bereits an der Terminologie ablesen: in frühen lateinischen Texten gäbe es kein Wort für ‚Astrologie’, vielmehr wurde der Begriff ‚judicia’ vor allem für praktische Anweisungen verwendet.

Anschließenden lenkte VÉRONIQUE BOUDON-MILLOT (Paris) den Blick auf die Werke Galens und stellte die Frage nach deren Authentizität. Beispielhaft zeigte sie einige in der Übersetzung von Ḥunain Ibn Ishāq erhaltene Texte und verwies auf die recht späte „griechische“ Tradition Galens (das älteste erhaltene Manuskript stammt aus dem 14. Jahrhundert). Die Lücke in der Überlieferung lasse sich nur durch die arabischen Handschriften schließen.

MICHAEL MCVAUGH (North Carolina) beschäftigte sich mit der medizinischen Ausbildung an der Fakultät von Montpellier im 14. Jahrhundert. Er stellte fest, dass das Curriculum vom persischen Gelehrten Avicenna Abstand genommen und dafür die Schriften Rhazes in den Fokus gerückt habe. Er bemerkte, dass dies am Praxisbezug Rhazes gelegen haben könne, welcher in relativ einfacher Sprache Lösungsmöglichkeiten für bestimmte Symptome geboten habe. Für die mittelalterlichen Studenten habe sich demnach Avicenna mit seinen Theorien als abstrakte Autorität gezeigt, Rhazes hingegen habe weit weniger theoretisch gearbeitet, vielmehr habe er sich auf die Beschreibung von Symptomen konzentriert und praktische Hinweise zur Behandlung und Anwendung neuer Techniken gegeben. Der arabische Gelehrte sei ein Vertreter praktischen arabischen Wissens gewesen, zumindest so lange, bis sich der Fokus wieder zurück zur Theorie, wieder zu Avicenna, verschoben habe.

Die letzte Sektion des ersten Tages stand ganz im Zeichen der Medizin. JOËL CHANDELIER (Paris) konzentrierte sich auf chronische Krankheiten und stellte einige Ergebnisse seiner Untersuchung zu diesem Krankheitsverlauf von der Antike bis ins 14. Jahrhundert, die Behandlung des Themas durch Aretaios, Galen, Avicenna und Hippokrates und die Rezeption durch mittelalterliche Ärzte (z.B. Taddeo Alderotti, Gentile da Folgino) dar.

Einen Blick in die Werkstatt erlaubte IOLANDA VENTURA (Orléans). Sie warf Fragen in Hinblick auf die kritische Edition der Circa Instans auf, an der sie gerade arbeitet. Sie gab Einsicht in ihren Arbeitsprozess, bei dem sie auf über 200 Versionen des mittelalterlichen pharmazeutischen Ratgebers Rücksicht nehmen müsse. In Hinblick darauf erklärte sie vor allem die Schwierigkeiten der Vereinbarung von Überlieferung und Entstehungskontext. Ihr besonderes Augenmerk liege in der Edition darauf, nicht nur den Text eines Autors zu edieren, sondern den Kontext, in dem sich die Texte bewegen, mit zu berücksichtigen.

MOHAMMAD BAGHERI (Teheran) referierte über den mathematischen Ansatz in Kushyar Ibn Labban’s astronomischem Handbuch (al-Zij al-Jamī) aus dem 10./11. Jahrhundert. Besonderes Augenmerk legte er auf die Quellen dieses iranischen Wissenschaftlers, auf Ptolemäus und al-Battani, deren Erkenntnisse von Kushyar Ibn Labban mit Hilfe eigener Beobachtungen ergänzt worden seien.

KRISTINA BUHRMAN (Florida) beleuchtete in ihrem Beitrag den islamischen Einfluss auf japanische Vorhersagen, insbesondere Horoskope. Sie revidierte dabei die Meinung, dass der Einfluss des Westens auf Japan erst im 16. Jahrhundert stattgefunden habe, vielmehr habe sich bereits im 14. Jahrhundert ein indirekter Einfluss des Arabischen über Indien und China gezeigt. Indirekt deswegen, weil er über die chinesische Sprache zustande gekommen sei. Es gebe keine linguistischen Hinweise darauf, dass die Japaner Arabisch verstanden hätten. Pilgernde buddhistische Mönche seien demnach an der chinesischen Küste auf arabische und indische Gemeinschaften getroffen und hätten durch diesen Kontakt Elemente des Sukuyōdō nach Japan einführen können.

Eine weitere Sektion konzentrierte sich auf den islamischen Einfluss in China. BENNO VAN DALEN (München) kam bei der Vorstellung islamischer Astronomie-Tabellen und deren Einfluss auf chinesische astrologische Prophezeiungen zu dem Schluss, dass während der Yuan-Dynastie der Einfluss deutlich zugenommen habe. Dies könne auch an der Gründung des islamischen astronomischen Büros 1271 festgemacht werden, in dem zahlreiche Texte und Handbücher übersetzt und herausgegeben worden seien, darunter auch das ‚Huihui lifa’, das islamische Tabellen gestützt von chinesischen Beobachtungen darstelle.

Daran anknüpfend vertiefte SHI YUNLI (Hefei) in seinem Vortrag die Frage nach dem Gebrauch islamischer Methoden in der chinesischen Astrologie und weitete den zeitlichen Untersuchungszeitraum auf das 14. bis 19. Jahrhundert aus. Dabei kam er zu dem Schluss, dass vor allem ab dem 17. Jahrhundert zwar mit arabischen Manuskripten gearbeitet wurde, die Texte der Jesuiten jedoch bevorzugt worden seien. Unter dem Astronomen Xue Fengzuo sei es so zu einer Verknüpfung von islamischem und europäischem astrologischen Wissen gekommen, welches als präziser als das chinesische angesehen wurde.

Im Zuge seines Vortrages lies DAVID JUSTE (München) Zahlen sprechen. Er generierte anhand der aus dem Mittelalter und der Renaissance überlieferten Manuskripte eine Liste der 50 populärsten lateinischen Texte über Astrologie. Er konzentrierte sich auf Texte, die von Zeitgenossen als nicht-arabisch verortet wurden, auch wenn dies aus heutiger Forschungsansicht anders beurteilt werde. Er stellte fest, dass mindestens 49,3% der Manuskripte arabischen Ursprung hätten, die reale Zahl liege sogar noch etwas höher. Weiterhin bemerkte er, dass die ersten lateinischen Texte solche gewesen seien, die keine thematischen oder inhaltlichen Vorbilder in der islamisch-arabischen Welt gehabt hätten.

JEAN-PATRICE BOUDET (Orléans) lenkte den Blick auf die pseudo-ptolemäischen Texte Centiloquium und De Cometis und glich die darin enthaltenen Beschreibungen von Kometen mit denen anderer antiker und mittelalterlicher Autoren (z.B. Karpos, Aḥmed Ibn Yūsuf, Plato von Tivolo) ab. Vor allem im 13. Jahrhundert sei es demnach in zahlreichen astrologischen Kompilationen zu einem Rückgriff auf De Cometis gekommen (z.B. im Liber Astronomicus von Guido Bonatti).

NICOLAS WEILL-PAROT (Paris) brachte mit seinem Vortrag über „l’art talismanique“ die praktische Seite der mittelalterlichen Astrologie ins Spiel. Der Ursprung dieser Magie sei in arabischen Texten zu finden und im Spätmittelalter nach Europa gekommen. Die Integration in die westliche Gesellschaft sei allerdings nicht problemlos gewesen, da das Erstellen von Glücksbringern und Talismanen nicht immer mit den christlichen Normen im Einklang gestanden sei.

DAG NIKOLAUS HASSE (Würzburg) stellte in seinem Vortrag die Frage, ob die arabische Astrologie im 16. Jahrhundert „überlebt“ war. Als Grundlage für diese humanistische Diskussion untersuchte er das Werk Disputationes adversus astrologiam divinatricem des Gelehrten Giovanni Pico della Mirandola, der mit seinem Werk die Astrologie letztlich komplett zerstören oder zumindest zur Astrologie, wie sie Ptolemäus lehrte, zurückkehren wollte. Sein reaktionärer Vorschlag – so zeigte Hasse – war umstritten und habe letztlich auch nicht zu dem von Pico erhofften Ziel geführt, nicht zuletzt, weil die astrologische Tradition um 1500 längst nicht mehr nur durch Ptolemäus Werk Tetrabiblos abgedeckt gewesen sei. Letzten Endes habe jedoch dieser griechisch-arabische Antagonismus der Astrologie zu einem neuen Level des theoretischen Diskurses verholfen.

Am letzten Tag der Konferenz führte AHMED DJEBBAR (Alger und Lille) in die arabische Algebra und ihre Verbreitung in Europa ein. Dabei konzentrierte er sich vor allem auf andalusische Gebiete und die dort kursierenden „livre savants“ (z.B. von al-Chwarizmi, Abu Kamil oder Muhyī d-Dīn Ibn ‘Arabī/Ibn al-Shaykh, der eventuell mit al-Qurashî identisch sei) und kam zu dem Schluss, dass die arithmetischen Texte aus dem Maghreb, die auf der Iberischen Halbinsel zirkulierten, andere Theorien beinhaltet hätten als diejenigen, welche im Orient verwendet worden seien.

MOHAMMED ABATTOUY (Rabat) stellte in seinem Vortrag den Corpus der Mechanik von Al-Isfizārī vor. Diesen rekonstruierte er aufgrund bislang unbeachteter Manuskripte. Er demonstrierte, wie sich die Wissenschaft der Gewichte um das Jahr 1106/07 sukzessive von der Wissenschaft der Mechanik als unabhängige Wissenschaft ablöste. Dabei stellte er den Corpus Al- Isfizārī als einzigartige Möglichkeit heraus, die theoretische und angewandte Mechanik der Zeit rekonstruieren zu können.

MICHELA PEREIRA (Siena) untersuchte das Streben der Alchemisten nach dem perfekten Elixier, welches alle Krankheiten heilen könne und Metalle in ihrer Struktur perfektionieren würde. Sie erklärte den Diskurs, bei dem Theorie und Praxis der Alchemie untrennbar miteinander verknüpft gewesen seien, und stellte fest, dass westliche und östliche Traditionen hier im tiefsten Inneren einen gemeinsamen Ursprung in Roger Bacon gefunden hätten und das, obwohl es keinen nachweisbaren Kontakt der beiden Bereiche auf diesem Gebiet gegeben habe.

JEAN-MARC MANDOSIO (Paris) stellte das Werk Lucidarius de rebus mirabilibus von Petrus Franconis de Zelandia vor und zeigte anhand zahlreicher Textbeispiele die darin enthaltene Adaption und Abwandlung von al-Kindī’s De radiis. Besonderes Augenmerk lag dabei auf der Verwendung von Bibelzitaten, die dazu dienen sollten, die Kernaussage Petrus’, der Wille eines Menschen sei von einer höheren (astralen) Macht determiniert, zu unterstreichen.

Abschließend fassten MICHIO YANO (Kyoto) und Agostino Paravicini Bagliani die Beiträge sowohl aus östlicher als auch westlicher Sicht zusammen und betonten nochmals den grundlegenden Ansatz der Konferenz, dass Wissen keine Grenze kenne, sondern vielmehr als Bindeglied der Kulturen zu verstehen sei und bis heute zu einem fruchtbaren Austausch anrege. Zentral gehe es um Adaption und Innovation, aber auch um Wandlung und Verzerrung. Diese verschiedenen Arten von Überlieferung und Einflussnahme verdienen auch in Zukunft und nach Möglichkeit in einem Anschlussprojekt weiterhin Beachtung.

Konferenzübersicht:

Begrüßung durch Karl-Dieter Grüske, Michael Lackner und Klaus Herbers (alle Erlangen-Nürnberg)

Einführung:
Chair: Øivind Andersen (Oslo)

Danielle Jacquart (Paris): La Confluence des Sources Grecques et Arabes dans l’Occident Latin

Charles Burnett (London): Arabic and Latin Texts on Astrology and Divination

Chair: Danielle Jacquart (Paris)

Véronique Boudon-Millot (Paris): L’Apport des Traductions Arabes dans le Débat sur l’Authenticité des Traités Galéniques

Michael McVaugh (Chapel Hill): Why Rhazes?

Chair: Agostino Paravicini Bagliani (Florenz)

Joël Chandelier (Paris): Problèmes Théoriques et Pratiques Autour des Maladies Chroniques: Sources Arabes et Lecteurs Latin à la Fin du Moyen Âge

Iolanda Ventura (Orléans): Medieval Pharmacy and the Arabic Heritage: The Salernitan Collection Circa instans

Chair: Idris Khalil (Amman)

Mohammad Bagheri (Tehran): Kushyar ibn Labban’s Mathematical Approach in his Astronomical Handbook

Kristina Buhrman (Tallahassee): Foreign Fates: Tracing the Journey of and Influences on Horoscope Astrology in Japan

Chair: Georges Tamer (Erlangen-Nürnberg)

Benno Van Dalen (München): Islamic Astronomical Tables in China and their Role in Astrological Predictions

Shi Yunli (Hefei, Anhui): Calculating the Fate of Chinese Dynasties with the Islamic Method: Chinese Appropriation of Islamic Astrology from the 14th to 19th Centuries

Chair: Charles Burnett (London)

David Juste (München): The impact of Arabic sources on European astrology: facts and numbers

Jean-Patrice Boudet (Orléans): Les comètes dans le Centiloquium et le De cometis attribués à Ptolémée

Chair: Alexander Fidora (Barcelona)

Nicolas Weill-Parot (Paris): L’Art Talismanique: les Usages Latins de Sources Arabes (XIIe-XVe siècle)

Dag Nikolaus Hasse (Würzburg): The Greek-Arabic Antagonism in Renaissance Handbooks of Astrology

Chair: Moneef R. Zou’bi (Amman)

Ahmed Djebbar (Alger / Lille): La circulation de l’algèbre arabe en Europe et son impact

Mohammed Abattouy (Rabat): The Arabic Tradition in Mechanics

Chair: Klaus Herbers (Erlangen-Nürnberg)

Michela Pereira (Siena): Projecting Perfection. Alchemy as Practical Wisdom in Western Medieval and Early Modern Culture

Jean-Marc Mandosio (Paris): The use of al-Kindi’s De radiis in Peter of Zealand’s Lucidarius de rebus mirabilibus (end of the 15th century)

Chair: Klaus Herbers (Erlangen-Nürnberg)

Michio Yano (Kyoto): Summary of Eastern Perspective of the Conference

Agostino Paravicini Bagliani (Florenz): Summary of Western Perspective of the Conference