Die Sprachen der Blumen. Medien floraler Kommunikation

Die Sprachen der Blumen. Medien floraler Kommunikation

Organisatoren
Arbeitsgruppe „Floriographie“
Ort
Erfurt
Land
Deutschland
Vom - Bis
26.09.2013 - 28.09.2013
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Von
Karin Kröger / Mareike Vennen, Graduiertenkolleg "Mediale Historiographien", Weimar, Erfurt, Jena

"Die Sprachen der Blumen“ stand in großen schwarzen Lettern, einen scharf gezogenen rechtwinkligen Rahmen sprengend, auf einem Bogen hellgrünen Blumeneinwickelpapiers, bedruckt mit grünen Blätterranken. Das Material lieferte damit einen Hinweis auf den Gegenstand der internationalen Tagung mit dem gleichen Titel, die vom 26. bis 28. September 2013 in Erfurt stattfand: Es ging um Form und Inhalt, um die Gesten des Umhüllens – Verhüllens und Enthüllens – von Sendungen durch Blumen und zwischen Blumen. Dabei machte der Plural „Sprachen“ im Titel deutlich, dass nicht nur verschiedene Formen der Blumen- und Pflanzenkommunikation behandelt wurden, sondern auch die Frage, inwiefern Pflanzen und Blumen mitbestimmen, was Sprache(n) überhaupt sind und was sie umfassen. An die Einleitung der drei InitiatorInnen ISABEL KRANZ (Erfurt), ALEXANDER SCHWAN (Berlin) und EIKE WITTROCK (Berlin) in die Medien und Gegenstände von Blumensprachen und Floriographie schlossen sich vier Panel mit Beiträgen vornehmlich aus der Literatur- und Kunstwissenschaft sowie der Wissenschafts- und Mediengeschichte an.

ISABEL KRANZ (Erfurt) leitete mit der aktuellen Videokampagne für Damenmode von Prada in die knapp dreihundertjährige Geschichte des Verhältnisses von Frauen und Blumen ein, die sie als eine Geschichte der Zuschreibungen im Kontext von Genderfragen verstand, in der Blumen mit anthropomorphen Eigenschaften belegt werden und diese wiederum Frauen zugeschrieben werden. Als prominente Beispiele führte Kranz die Fleurs Animées (1847), eine lithographische Schrift Jean Ignace Isidore de Grandvilles über Pflanzenphysiologie an sowie eines der Gründungsdokumente der Blumensprache, den Text Le langage des fleurs (1818) von Madame Charlotte de Latour, der prägend für das Genre der Blumensprachenbücher wurde. Der historische Bogen zeigte die Transformationen des Verhältnisses von Frauen und Blumen auf.

Ebenfalls anhand von Blumensprachenbüchern verhandelte ALEXANDER SCHWAN (Berlin) die Deutungsoffenheit in den jeweiligen sprachlich-floralen Zuordnungen, indem er die Dysfunktionalität der Blumensprache(n) mit den Ambivalenzen und Variationen in den Zuordnungen erklärte. Die häufigen Missverständnisse entstünden vor allem durch die unterschiedlichen Codierungen verschiedener Blumensprachen(-bücher) sowie durch Unkenntnis und (Fehl-)Interpretation. Zugleich sei jedoch diese Willkürlichkeit der Zuschreibungen ein Anreiz der jahrhundertelangen literarischen und psychoanalytischen Auseinandersetzung mit den Sprachen der Blumen, die sich im Modus einer Floriographie entfaltet.

EIKE WITTROCK (Berlin) legte den Fokus auf die Empfindungen und die Empfindlichkeit von Blumen selbst anhand der hierfür emblematischen Mimose (Mimosa pudica). Naturwissenschaftliche Studien gehen heute davon aus, dass Pflanzen und Blumen unter anderem fühlen, riechen und schmecken können sowie über ein Gedächtnis verfügen. Wittrock ging auf die Anfänge dieser Forschungen im späten 19. Jahrhundert ein. Damals ginge es, ebenso wie im 20. Jahrhundert, darum anhand von Reizreaktionen aufzuzeigen und aufzuzeichnen, wie Pflanzen und Blumen untereinander kommunizieren. Letztlich müsse jedoch, so Wittrock, gefragt werden, inwiefern bei den experimentalen Anordnungen weniger die Pflanzen durch die Apparaturen kommunizierten, sondern letztere (stellvertretend) für die Blumen sprächen.

Über Pflanzen, die sprechen, zu sprechen, sei, so STEFAN RIEGER (Bochum), der das erste Panel „Zirkulation“ eröffnete, eine delikate Angelegenheit. Wer definieren will, was Pflanzenkommunikation ist, bewege sich auf einem schmalen Grad zwischen Wissenschaft und dem Vorwurf einer Para- oder Pseudowissenschaft. Rieger stellte historische Fallbeispiele aus unterschiedlichen Disziplinen des 19. und 20. Jahrhunderts vor, wie etwa die Arbeiten des Ingenieurs Joe Sanchez, der die Kommunikationsfähigkeit von Pflanzen durch Spannungsunterschiede zu messen versuchte. Mittels experimenteller Anordnungen, technischer Apparaturen und eines Satzbauprogramms sollte der wissenschaftliche Beweis erbracht werden, dass und vor allem was Pflanzen kommunizieren, um sodann die geheime Sprache der Blumen in eine allgemeinere Sprache und Wahrnehmbarkeit zu übertragen. Rieger zeigte, inwiefern diese Versuche jedoch in erster Linie auf den Fragenden selbst und auf seine Zuschreibungen an die Pflanzen zurückverwiesen.

NILS GÜTTLER (Erfurt) befragte in seinem Beitrag die kartographischen Praktiken der Pflanzengeographie und Ökologie im späten 19. Jahrhundert. Aus praxeologischer Perspektive rekonstruierte Güttler die epistemische und soziale Rolle von Karten als neue (Beobachtungs-)Medien der Botanik zu dieser Zeit. Die Herstellung dieser Karten basiere auf einer kollektiven Beobachtungspraxis, die auf Lokalkartierungen von Pflanzenliebhabern angewiesen war und eine Verschränkung von professionellen und populären Wissenskulturen im Verbund mit Publikationsnetzwerken sichtbar mache. Ähnlich dem pflanzengeographischen Blumenstrauß des Dresdener Botanikers Oscar Drude, der als Zusammenschau der Pflanzen des Botanischen Gartens fungierte, ermöglichten die neuen Karten laut Güttler, lokale Einzelbeobachtungen systematisch zu vergleichen und in global zirkulierenden Informationen räumlich-zeitlicher Phänomene (Verteilung und Blütezeit) zu synthetisieren.

Eine ambitionierte tour d’horizon der Ideen- und Wissenschaftsgeschichte der Pflanzenseele von der Antike bis in die Gegenwart lieferte HANS WERNER INGENSIEP (Duisburg-Essen). Der Vortrag machte deutlich, dass die anthropomorphistische Frage nach der Pflanzenseele von Aristoteles über Carl von Linné und Charles Darwin bis hin zu aktuellen Forschungen der Pflanzenpsychologie reicht und damit noch heute aktuell ist. Obwohl die Fülle des Materials zwangsläufig eine kursorische Zusammenschau der historischen Wandlungen innerhalb philosophischer und wissenschaftlicher Diskussionen lieferte, machte die Pluralität der vorgestellten Konzepte deutlich, dass und wie anhand der Pflanzenseele grundsätzliche Fragen um den Lebensbegriff und die Grenzziehungen zwischen Mensch, Tier und Pflanze verhandelt wurden und werden.

In seinem materialreichen Beitrag, der das zweite Panel „Animation“ eröffnete, führte EIKE WITTROCK (Berlin) in die Figur der Arabeske ein, um die genderpolitischen Implikationen der Belebung und Anthropomorphisierung von Blumen zu untersuchen. Anhand eines Beispiels aus der illustrierten Zeitschrift Die Dame stellte Wittrock sogenannte Szenenbilder von „belebten Blumen“ vor, die Tänzerinnen in arabesken Anordnungen zeigen. Die doppelte florale Kodierung der Tänzerinnengruppen beziehe sich dabei auf die Blumengirlanden als Tanzrequisiten bzw. zeichnerische Illustrationen wie auch auf die choreographische Anordnung. Die Figur der Arabeske ähnele deswegen der Choreographie, da auch sie Grundformen mit Variationen ausführe, wodurch die Choreographie selbst zum Ornament werde. Die Belebung der Blumen durch den Tanz wird so laut Wittrock zu einer Aus- und Aufführung floraler Choreographien.

Loïe Fullers Choreographien des Floralen, die als getanzte Szenarien eine Mischung aus Schauspiel und Ornament vorführen, stellte GABRIELE BRANDSTETTER (Berlin) als „ephemere Plastiken“ vor. Fullers Schleiertänze (ab 1892) arbeiten mit Farbeffekten und Textilgebilden, wobei die Blumen sich stets im Werden befinden und so in eine Ästhetik des Ephemeren eingeschrieben sind. Dieses Blütenwerden untersuchte Brandstetter als Medienereignis, das durch Bewegungs- und Lichtregie eine Metamorphose von Mensch und Pflanze performierte. Brandstetter stellte die medientechnische Seite der Herstellung dieser ephemeren Plastiken heraus, da Fuller neue Medien und von ihr (mit-)entwickelte Licht- und Bühnentechniken einsetzte.

OLIVER GAYCKEN (College Park) widmete sich der medialen Technik des Zeitraffers im Kino des frühen 20. Jahrhunderts, da diese zunächst für Aufnahmen des Pflanzenwachstums eingesetzt wurde. Anhand von Beispielen des britischen Filmemachers Percy Smith zeigte Gaycken, inwiefern der Zeitraffertechnik damals das Potential zugeschrieben wurde, das bislang „geheime Leben“ der Pflanzen in Form sichtbarer Bewegung auf neue Weise zugänglich zu machen. Diese zeitliche Manipulation löste laut Gaycken neue Diskussionen über die technische Macht des Kinos wie auch über das Zeitverständnis der long durée aus. Die explizite Sichtbarmachung der „dunklen Seite“ der Blumen in Form von Verwelken, Absterben oder der Präsentation amorpher, hybrider, parasitärer und monströser Formen in Smiths Filmen erweiterten laut Gayken noch grundsätzlicher den Referenzrahmen dessen, was unter Leben verstanden werden kann.

DIETER VOLKMANNs (Bonn) Beitrag, der als Abendvortrag im Deutschen Gartenbaumuseum stattfand, bot Einblicke in den aktuellen Stand zur Frage der Pflanzenkommunikation aus neurowissenschaftlicher Sicht und stellte Ansätze aus seinen Forschungen vor. Diese behandeln vor allem die komplexen Austauschbeziehungen zwischen Pflanzen und ihrer Umwelt und untersuchen die Sinne der Pflanze und ihre jeweiligen Anpassungen an die Umgebung als kommunikative Prozesse. Volkmanns in der Biologie reichlich kontrovers diskutiertes Hauptargument bestand in der Annahme, dass die Pflanze für die interne Kommunikation und den Austausch mit ihrer Umwelt Sinnesnetzwerke ausgebildet hat, die bislang nur Tieren und Menschen zugesprochen wurden. Insbesondere in Bezug auf neuronale Strukturen und Signalverarbeitung geht diese Forschungsrichtung von einer höheren Ähnlichkeit zwischen tierischen und pflanzlichen Sensorsystemen und damit einer näheren Verwandtschaft der Pflanze zum Tier und gar zum Menschen aus, als bisher angenommen.

Was unter einer Gender- und insbesondere Sexualpolitik der Blumen zu verstehen ist, untersuchte CAROL ARMSTRONG (New Haven) in ihrem Beitrag anhand eines diachronen Blicks auf künstlerische Arbeiten mit Blumen – insbesondere Blumen- bzw. Blütengemälde aus dem 17. und dem 20. Jahrhunderts. Sie eröffnete damit das dritte Panel „Attraktion“. Armstrong analysierte die politische Aussagekraft von Blumenmotiven in der Kunst, die nicht nur aufgrund des Geschlechts der Künstlerinnen in den Bereich von Genderfragen eindringen. Ihr Vortrag behandelte als Beispiele Maria Sibylla Marians Arbeiten zu den Interdependenzen zwischen Blumen und Insekten bei der Fortpflanzung sowie den Einfluss der Malerin auf nachfolgende Künstlergenerationen. Im zweiten Teil stellte sie Georgia O'Keeffes malerische „blow ups“ von Geschlechts- und Fortpflanzungsorganen verschiedener Blumen vor, die sich mit diesen explizit sexualisierten Darstellungen künstlerisch an einer genderpolitischen Debatte beteiligte.

Unter dem Begriff „Pulp Fiction“ fasste ALISON SYME (Toronto) Geschichten über (lebens)-gefährliche Pflanzen. In ihrem Beitrag präsentierte sie textliche und bildliche Darstellungen der so genannten Vegetable Vampires vom späten 18. bis zum frühen 20. Jahrhundert: Pflanzen, die Menschen fressen bzw. ihnen Blut und Körpersäfte aussaugen. Die in diesem Genre variantenreich verhandelten Topoi vermischen Wissen über fiktive und existierende Pflanzen. Laut Syme werden anhand der Erzählungen gesellschaftliches Verhalten, gesellschaftliche Normen und ihre Transgressionen verhandelt. Zudem können diese Pflanzen, so Syme, dezidiert als Figuren einer Leser-Medien-Beziehung im Aufkommen der Massenmedien gelesen werden, wobei insbesondere der Austausch und das Strömen von Flüssigkeiten auf eine (massen-)mediale Wissenszirkulation übertragen werden könne. Ihr letztes Beispiel The deadly Upas of Wallstreet, eine Illustration aus dem New Yorker von 1882, aktualisiert diese Medienfigur der Vegetable Vampires noch einmal als Gesellschaftsfigur und wissensverarbeitende bzw. -verdauende „Maschinerie“.

ALEXANDER SCHWAN (Berlin) untersuchte anhand eines aktuellen und eines historischen Fallbeispiels, wie Blumenbotschaften als Medien emotionaler Kommunikation fungieren. Geheimes, Verbotenes oder Unsagbares werde insbesondere ab dem 19. Jahrhundert häufig buchstäblich durch die Blume übermittelt, sei es als Beleidigung der Queen of Pop Madonna in Form einer Blumengabe oder als Liebeserklärung zwischen Johann Wolfgang von Goethe und seiner Geliebten Marianne von Willemer. Während jedoch einerseits mittels Blumen moralische Schranken oder die Grenzen emotionaler Verbalisierung überwunden werden könnten, indem einzelnen Blumen oder ganzen Sträußen jeweils spezifische Gefühle zugewiesen werden, bedürften Schwan zufolge andererseits die Blumengrüße aufgrund der kulturell (unterschiedlich) gesetzten Referenzrahmen häufig selbst wiederum sprachlicher Erläuterung und sprechen damit eben nicht immer für sich selbst.

Wenn durch Blumen gesprochen würde, so die These von BETTINE MENKE (Erfurt), die das letzte Panel „Dissemination“ eröffnete, stehe stets ein rhetorisches Wissen auf dem Spiel, ein Wissen von „Wörtern unter der Blume“, das in einer spezifischen Zeitlichkeit von Vorlauf und Rücklauf verhaftet sei. Diese eigentümliche, paradoxe Zeitlichkeit von Blumen, die sich im Blühen, das gleichzeitig immer auch ein Verblühen ist, äußerte, arbeitete Menke an verschiedenen Beispielen heraus. Anhand der Einträge des Deutschen Wörterbuches zum „Verblümen“, der Schriften Quintilians und Ciceros, Aristoteles’ sowie anhand von Jacques Derrida und Francis Ponge erläuterte sie den jeweiligen Einsatz der Blume als Metapher. „Redeblumen“ funktionieren als Metaphern also doppelt, indem sie mit Blumen sprachliche Bilder setzen und gleichzeitig als Sprachblumen eine Form der Metapher sind.

GERHARD NEUMANN (München) ging in seinem Vortrag zwei Denkfiguren zwischen Biologie und Literatur nach: dem Heliotrop und der Herbstzeitlosen. Anhand von unter anderem Heinrich von Kleists Penthesilea beschrieb er, wie darin das Zur-Sonne-Wenden, das den Blumen als Bewegung zugeschrieben wird, eine heliotrope Weltordnung zerstöre, indem die Sonne auf die Szene der Erde geholt würde. Die Figur der Herbstzeitlosen identifizierte Neumann als Gegenbild des Heliotropen. Sie durchlaufe eine umgekehrte genealogische Abfolge und verkörpere damit eine paradoxe Zeitlichkeit in Bezug auf die Abfolge von Blüte und Befruchtung. Diese identifizierte er vor allem bei Adalbert Stifter als wichtige Schicksalsfigur der Nachträglichkeit. Die Gegenläufigkeit beider Denkfiguren liegt laut Neumann auch in der Differenz des Heliotrop als eine florale Raumfigur und der Herbstzeitlosen als Zeitfigur.

Die Abschlussdiskussion leiteten drei Kommentare von MELANIE EVA BOEHI (Basel), ALEXANDRA HEIMES (Frankfurt an der Oder) und CHONJA LEE (Zürich) ein, die die zentralen Aspekte der Tagung rekapitulierten und bilanzierten. Boehi lenkte das Augenmerk erneut auf eine wiederkehrende Frage der Tagung: Wer (oder was) spricht wenn wir über Blumensprache sprechen? Die Frage nach der Autorschaft sah sie als zentral für die Floriographieforschung an, lassen sich doch an der jeweiligen Vorstellung von der Pflanzenkommunikation die unterschiedlichen Erkenntniseinsätze der Akteure ablesen: Wird der Blume eine eigene Form der agency zugestanden oder verweist ihre Rede allein auf denjenigen zurück, der ihr horcht, sie untersucht oder über sie schreibt? Für eine weitere Ausdifferenzierung des Spektrums und der Systematik unterschiedlicher historischer und kultureller Blumensprachen können laut Chonja Lee vor allem ein praxeologischer Zugang und Bezüge zur oral history hilfreich sein, um bislang vernachlässigte Archivtypen wie den Blumenmarkt zu erschließen. In der Abschlussdiskussion wurde vor allem der transdisziplinäre Ansatz der Tagung gelobt, der einer Reflexion über die diversen Sprachen, Metaphoriken und Übertragungen zwischen unterschiedlichen Disziplinen gerecht werde. In Bezug auf Desiderate und anknüpfende Forschungsfragen für das Feld der Floriographie wurde angeregt, den eurozentrischen Zugang um Fragen nach dem Status des Floralen in anderen Kulturen zu erweitern und dezidierter politische und ökonomische Fragen in die vorwiegend ästhetische Diskussion einzubinden. Der Schlusskommentar oblag Alexandra Heimes, die noch einmal auf den konstitutiven Zusammenhang von Blumen und Medien hinwies: Erst durch technisch-mediale Vermittlungen werde die Bewegung von Blumen sichtbar und diese damit zur paradigmatischen Denkfigur der Nachträglichkeit.

Am Ende der umfangreichen und gut besuchten Tagung wurde deutlich, dass die Frage nach den Sprachen der Blumen nur mit einem inter- bzw. transdisziplinären Ansatz beantwortet werden kann. Dies gilt ebenso für die unterschiedlichen Wissensformen über Blumensprache(n), die den Bereichen der Esoterik, des Alltagswissens, der Kunst oder der Wissenschaft entstammen wie auch für die materiellen, medialen und diskursiven Bedingungen der Erforschung von Blumen und ihrer Sprachen. Besonderes Potential für die weitere Floriographie-Forschung hält dabei ein verstärkter Blick auf die politischen und ökonomischen Funktionen und Einsätze von Blumen bereit.

Auch für die Frage nach dem Anspruch der „Wissenschaftlichkeit“, die sich als fruchtbar und in jedem Gebiet unterschiedlich erwiesen hat, wären weitere Fallstudien und insbesondere ein vergleichender Forschungsansatz wünschenswert, der etwa die Ideengeschichte der „Pflanzenseele“, die Blumen-Animation im Tanz und die Diskussionen um pflanzliche Kommunikation in der Biologie in Beziehung setzt. Auch pseudowissenschaftliches oder esoterisches Wissen ist oftmals eine Kombination aus verschiedenen Disziplinen und gerade deshalb so nahe an den grenzüberschreitenden Herangehensweisen, die auch immer wieder bei den Sprachen der Blumen auf dem Spiel standen. Insgesamt machten die vielfältigen Diskussionen deutlich, dass in Zukunft bei der hier betriebenen Floriographieforschung die unterschiedlichen Ansätze zur Erforschung der „Sprachen der Blumen“ sehr wohl zusammenlaufen könnten, wofür die Tagung als erster Schritt gewertet werden kann. Die Herausforderung wird nun vor allem darin bestehen, den Blick um die auf der Tagung angesprochenen Desiderate zu erweitern ohne jedoch die Spezifik des floriographischen Gegenstandes einzubüßen.

Konferenzübersicht:

Einleitung: Isabel Kranz (Erfurt) / Alexander Schwan (Berlin) / Eike Wittrock (Berlin), „And there is pansies/That’s for thoughts“. Reflections on Floriography

Panel 1: Zirkulation

Stefan Rieger (Bochum), Was spricht? Zur Epistemologie der Pflanzenkommunikation.

Nils Güttler (Erfurt), Ein Blumenstrauß an den Verleger: Pflanzen, Karten und ihre Zirkulation im 19. Jahrhundert

Hans Werner Ingensiep (Duisburg-Essen), Wie viel Mensch steckt in den Vegetabilien? Zur Ideengeschichte und Philosophie der Blumen

Panel 2: Animation

Eike Wittrock (Berlin), Choreographie als Floriographie.

Gabriele Brandstetter (Berlin), Ephemere Plastiken: Loïe Fullers Choreographie des Floralen.

Oliver Gaycken (College Park), Notes from Underground: Percy Smith and the Time-Lapse Plant-Growth Film

Abendvortrag im Deutschen Gartenbaumuseum Erfurt

Dieter Volkmann (Bonn), Die Sinne der Pflanze: Wie Pflanzen mit ihrer Umwelt kommunizieren

Panel 3: Attraktion

Carol Armstrong (New Haven), The Sexual Politics of Flowers

Alison Syme (Toronto), Vegetable Vampires.

Alexander Schwan (Berlin), „Blumen müssen oft bezeigen, was die Lippen gern verschweigen.“ Floriographie an der Grenze des Sagbaren

Panel 4: Dissemination

Bettine Menke (Erfurt), Durch Blumen sprechen.

Gerhard Neumann (München), Heliotrop und Herbstzeitlose

Abschlussdiskussion
Melanie Eva Boehi (Basel) / Alexandra Heimes (Frankfurt an der Oder) / Chonja Lee (Zürich)