FUER Doktoranden-Kolloquium

FUER Doktoranden-Kolloquium

Organisatoren
Lehrstuhl für Mittlere und Neuere Geschichte und Didaktik der Geschichte, Historisches Institut, Universität zu Köln
Ort
Köln
Land
Deutschland
Vom - Bis
13.02.2014 - 15.02.2014
Url der Konferenzwebsite
Von
Waltraud Schreiber, Katholische Universität Eichstätt-Ingolstadt

Vom 13. bis 15. Februar 2014 fand an der Universität zu Köln das FUER-Doktoranden-Kolloquium 2014/I statt.1 Organisiert wurde es von Mitarbeitern des Lehrstuhls von Wolfgang Hasberg. Acht Vortragende aus Deutschland, Österreich und der Schweiz nutzten die Gelegenheit, ihre Arbeiten mit weiteren Nachwuchswissenschaftlern und den sechs anwesenden Professoren zu diskutieren.

Die Palette der vorgestellten geschichtsdidaktischen Themen war breit und reichte von Arbeiten mit explizit theoretischen Schwerpunkten, über empirische, zu anwendungsbezogenen und disziplinhistorischen Dissertationen. Berichtet wurde über unterschiedliche Arbeitsstände; die Moderation übernahmen jeweils Nachwuchswissenschaftler. Die Regel, dass sich zuerst der Nachwuchs äußert, dann erst die Professoren in die Diskussion einsteigen, erwies sich einmal mehr als gewinnbringend.

Alle Beteiligten profitierten von den offenen, jeweils von Wohlwollen und dem Ziel, die Arbeiten voranzubringen, getragenen Diskussionen. Die Doktoranden entscheiden dabei, ob sie Rat zu einem bestimmten Aspekt einholen, den Gesamtrahmen zur Diskussion stellen, ihre Fragestellung weiter schärfen, ein Theorieproblem näher beleuchten oder methodische Fragen diskutieren wollen.

Im ersten Vortrag skizzierte INGMAR SCHINDLER (Köln) wie er vorhat, sich mit „historischer Imagination“ auseinander zu setzen. Der Blick in die Disziplingeschichte zeigte beides: Relevanz und Desiderat seines Themas. Um eine Systematisierung zu erreichen, hat er vor, sich auf Jörn Rüsens Konzept von der disziplinären Matrix zu beziehen und dadurch beides zu schärfen: das Verständnis von historischer Imagination und die Aussagekraft der in unterschiedlichen Varianten vorliegenden Modellierung.

MATTHIAS HIRSCH (Eichstätt) nutzte die Gelegenheit, die theoretische Modellierung vorzustellen, durch die er in seiner Masterarbeit versucht hat, die Kompetenz historischen Lesens zu fassen. Die Dissertation zielt darauf, diesen Ansatz empirisch zu überprüfen. Ausgehend von aktuell in der deutsch- und englischsprachigen Literatur vorgelegten Modellierungen gerade auch des fachspezifischen Lesens skizzierte Hirsch, welche spezifischen Leseanforderungen sich in einem „Modus des historischen Lesens“ stellen und wie das Verhältnis zwischen historischem Lesen und den Kompetenzen historischen Denkens gedacht werden kann.

BENJAMIN BRÄUER (Eichstätt) entwickelt derzeit die Fragestellung seiner Dissertation. Er will untersuchen, inwiefern die Orientierungsangebote in Schulbüchern oder durch Akteure der Geschichtskultur den realen Orientierungsbedürfnissen von Schülern entsprechen. Als Bezugspunkt seiner Untersuchungen plant er, die Auseinandersetzung mit dem Ersten Weltkrieg anlässlich dessen 100. Anniversariums in Geschichtsunterricht und Geschichtskultur zu nutzen.

JULIA THYROFF (Basel) stellt sich die Frage, welche Ansätze und Kompetenzausprägungen historischen Denkens bei (Einzel-) Besuchern historischer Ausstellungen zu beobachten sind, ausgehend von der Annahme, dass historische Ausstellungen potenziell vielfältige Gelegenheiten für historisches Denken anbieten. Dabei sucht sie nach theoretischen und empirischen Wegen, die Rolle des Ästhetischen und Emotionalen auch in ihrem Verhältnis zu Kognition zu erfassen. In welcher Form die Rolle mitbedacht wird, die das Konzept der Kuratoren, Gestalter, Museumspädagogen für die Rezeption der Ausstellung spielt, ist noch offen.

NICOLAI WEIGEL (Kassel) will untersuchen welche Kenntnisse und Kompetenzen historischen Denkens bei Schülern bzw. Studierenden in der Studienanfangsphase aktiviert werden, wenn sie sowohl mit kontrafaktischer Geschichtsschreibung, wie auch mit methodisch regulierten Re-Konstruktionen der Vergangenheit konfrontiert werden. Die Beobachtung, dass durch Kontrafaktizität stärkere Verunsicherung als bei der Erfahrung von historiographischer Kontroversität ausgelöst werde, verspricht aussagekräftige Einblicke in das historische Denken der Probanden.

PHILIPP MITTNIK (Wien) unternimmt eine vergleichende Analyse britischer, deutscher und österreichischer Schulbücher zum Thema Nationalsozialismus. Das Corpus besteht aus Büchern der 1980er- und 2000er-Jahre. Im Vorgehen stützt er sich unter anderem auf die Methoden kategorialer Schulbuchanalysen wie sie in Eichstätt von Schreiber/Schöner entwickelt wurden. In den untersuchten Schulbüchern fragt er danach, inwiefern neuere fachwissenschaftliche Erkenntnisse oder geschichtsdidaktische Innovationen wie die Kompetenzorientierung, Eingang in die aktuelle Schulbuchgeneration gefunden haben.

ROBERT DITTRICH (Köln) stellt als Beispiel für seine disziplingeschichtliche Auseinandersetzung mit bildungstheoretischen Ansätzen in den Arbeiten deutschsprachiger Geschichtsdidaktiker diesmal Jörn Rüsen vor. Er kann zeigen, dass Rüsen historische Bildung als geschichtsdidaktisches Paradigma nutzt, dass er dabei in unterschiedlichen Schaffensphasen aber recht verschieden vorgeht: Dittrichs Analysen bringen zutage, wie Rüsen dabei die Rolle der Fachwissenschaft und des Bildung ermöglichenden bzw. sich bildenden Subjekts neu definiert bzw. wie die Bedürfnisse, die dabei als Movens wirken, gesehen werden.

ALEXANDER BUCK (Hamburg) will sich mit subjektiven Theorien von Geschichtslehrern zum elaborierten historischen Denken auseinandersetzen. Ob er in der Fragestellung „Dürfen Schüler werten?“ schon einen geeigneten Ansatzpunkt gefunden hat, stellt er zur Diskussion. Als Suchraster dienen ihm vorfindliche Modellierungen für elaboriertes historisches Denken. Dabei erweitert er die vorliegenden Ansätze zum Teil um zusätzliche Dimensionen.
Der Bezug der einzelnen Dissertationsprojekte auf die Arbeiten der FUER-Gruppe zu Geschichtsbewusstsein, Operationen und Kompetenzen historischen Denkens oder zu Medien der Geschichtskultur erwies deren theoretische und empirische Nutzbarkeit. Zugleich wurden durch die einzelnen, spezifischen Zugriffe Möglichkeiten theoretischer Weiterentwicklung oder Vertiefung beispielsweise hinsichtlich des Verhältnisses von historischem Denken zu Kenntnissen, Kulturtechniken oder Medien verdeutlicht. - Der Wert des Austausches lag für die Promovierenden mit ihren unterschiedlichen Schwerpunkten in den geschichtsdidaktischen Forschungsfeldern der Pragmatik, Theorie und Empirie sowie Disziplingeschichte in der konstruktiven Kritik und den Anregungen der Professoren und Nachwuchswissenschaftler zu den vorgestellten Arbeiten. Darüber hinaus profitierten alle anwesenden Wissenschaftler davon, dass sich durch die gemeinsame Diskussion der verschiedenen Felder der Blick auf weitere Forschungsfelder eröffnete.

Der intensive Gedankenaustausch zur Beratung der vortragenden Nachwuchswissenschaftler wird im Herbst fortgeführt (23.-25. Oktober 2014), dann in der Schweiz. Nachwuchswissenschaftler können ihre Bewerbungen an beatrice.ziegler@fhnw.ch richten. Das Kompetenzstrukturmodell der FUER-Gruppe soll eine Rolle in den Arbeiten spielen.

Konferenzübersicht:

Ingmar Schindler (Universität zu Köln): Methodische Überlegungen zur Erforschung historischer Imagination

Philipp Mittnik (PH Wien): Kategoriale Schulbuchanalyse von britischen, deutschen und österreichischen Geschichtsschulbüchern zum Themenbereich Nationalsozialismus

Benjamin Bräuer (KU Eichstätt-Ingolstadt): Projekt 100 Jahre erster Weltkrieg

Julia Thyroff (Forschungs- und Studienzentrum für Pädagogik der Universität Basel / PH FHNW): Ausprägungen historischen Denkens von Ausstellungsbesuchenden

Nicolai Weigel (Universität Kassel): Erste Entwürfe zur Durchführung der empirischen Untersuchung mittels kontrafaktischer Geschichte

Matthias Hirsch (KU Eichstätt-Ingolstadt): Kompetenzen historischen Lesens

Robert Dittrich (Universität zu Köln): Jörn Rüsen als Bildungstheoretiker

Alexander Buck (Universität Hamburg): Dürfen Schüler werten? Subjektive Theorien von Geschichtslehrkräften zu elaboriertem historischen Denken

Anmerkung:
1 Die aus dem Comenius-Projekt "FUER Geschichtsbewusstsein" hervorgegangene FUER-Gruppe beschreibt mit dem Akkronym ihr Ziel der Förderung und Entwicklung reflektierten und selbstreflexiven Geschichtsbewusstseins.


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