Interdependenzen von Geschlecht, Ethnizität und Klasse in der Geschichte der Deutschen in Polen im 19. und 20. Jahrhundert

Interdependenzen von Geschlecht, Ethnizität und Klasse in der Geschichte der Deutschen in Polen im 19. und 20. Jahrhundert

Organisatoren
Kommission für die Geschichte der Deutschen in Polen e.V.; Claudia Kraft, Historisches Seminar, Universität Siegen; Polnisch-Deutsches Zentrum e.V.; Isabel Röskau-Rydel, Neuphilologisches Institut, Pädagogische Universität Krakau; Markus Krzoska, Universität Gießen;
Ort
Siegen
Land
Deutschland
Vom - Bis
03.10.2013 - 05.10.2013
Url der Konferenzwebsite
Von
Justyna A. Turkowska, Historisches Institut / Osteuropäische Geschichte, Justus-Liebig-Universität Gießen

Geschlecht, Ethnizität und Klasse – die drei im 19. Jahrhundert aufgekommenen identitätsstiftenden, normierenden und zugleich stark abgrenzenden und starre Antagonismen schaffenden Hauptdifferenzierungskategorien – gehören bereits seit geraumer Zeit zu einer der wichtigsten Beobachtungs- und Analysekategorien historischer Perspektivierung und wurden, insbesondere für die Erforschung kolonialer und postkolonialer Gesellschaften und ihrer Narrative oder aber für die Erforschung nationaler und globaler Vernetzungen und Gruppendynamiken eingesetzt. Die Tagung der Kommission für die Geschichte der Deutschen in Polen, die zusammen mit den oben aufgelisteten universitären Institute von CLAUDIA KRAFT (Siegen), MARKUS KRZOSKA (Gießen) und ISABEL RÖSKAU-RYDEL (Krakau) in Siegen organisiert wurde, setzte sich zum Ziel, diese fruchtbare Analyseperspektive, die in den letzten Jahren häufiger für die Reflektierung der deutsch-polnisch-jüdischen Lebenswelten und Zusammenkünfte aufgegriffen und mit kolonialgeschichtlichen Ansätzen kombiniert wurde, zu deklinieren und zu hinterfragen. Von der Frage geleitet, wie diese drei machtgenerierenden und stratifizierenden Differenzierungskategorien relational betrachtet die wissensgeschichtlichen Narrative ergänzen und / oder neue Untersuchungsblicke aufzeigen können, wurde die Problematik aus der literaturwissenschaftlichen, historischen und kulturwissenschaftlichen Perspektive angegangen.

Die Tagung wurde dabei durch eine Keynote von IZABELA SURYNT (Breslau) eröffnet, die mit Blick auf die Geschichte des Diskurses über den (preußischen) Osten sowie mit Blick auf die Veränderung europäischer politischer Konstellationen und Interessen eine narrative koloniale Aneignung des Ostens aufzeigte, welcher im ersten Schritt als zivilisatorische Leerstelle konstruiert wurde, um anschließend durch koloniale Sinngebung besetzt werden zu können. Insbesondere der Bildungsdiskurs und das Bildungsbürgertum, so Surynt, prägten die koloniale Kodierung des Ostens, der kulturell als ein grenz- und gesetzloser Ort voller Freiheiten aber fehlender Disziplinierung, als menschenlos, fremd, unberührt und weiblich und somit als besetzbar und zu gestaltender Ort aufgestellt wurde. Die „Verweiblichung“ des Ostens wurde dabei als ein Negativ der männlich konnotierten deutschen Gebiete entwickelt und ermöglichte darüber hinaus den national „Fremden“ zu domestizieren, indem er bekannte / „weibliche“ Züge erhielt. Der deutsche koloniale Ostdiskurs schöpfte dabei aus anderen Konzepten – etwa aus den Debatten über die Geschlechterordnung – und entstand als Effekt diskursiver Überlagerung unterschiedlicher Diskursstränge. In ihrem Kommentar hob ELIZABETH HARVEY (Nottingham) die Bedeutung des Modells der zivilisatorischen Kulturstufen hervor, das seit dem 18. Jahrhundert vorherrschend war und die preußische Selbstwahrnehmung der eigenen bildungskulturellen Mission im Osten prägte. Der Osten wurde so zu einem Schauplatz des Nationalismus, zum Schauplatz männlicher Härte und zur Kompensation für die nicht vorhandenen Kolonien in Übersee. Indem Harvey unter anderem danach fragte, wie nicht nur die (deutschen) Herrschaftsdiskurse diese kolonialen Imaginationen hervorriefen, sondern vor allem wie die Subalternen diese Bilder selbst beschrifteten, wie die Geschlechtsordnung die Kolonialdiskurse veränderte, welche Stellung dabei den Frauen zugewiesen wurde und welche Relevanz die kolonialen Paradigmen für die „postkoloniale“ Polen- und die polnische Politik hatten, eröffnete sie eine Diskussion über die diskursive Verflechtung zwischen den unterschiedlich konstruierten Gruppen der gegenseitigen Begegnung, über die kolonialen Ent- und Ermächtigungsprozesse und über die zeitliche (in der Zwischenkriegszeit anhaltende) und geographische (innere versus überseeische koloniale Entwicklung) Kontinuität.

Indem GRAŻYNA LICZBIŃSKA (Posen) mithilfe statistischer Daten eine demographische Karte der Provinz Posen zeichnete, eröffnete sie die erste Sektion und wies dabei darauf hin, dass der kulturelle und soziale Kontext der regionalen kulturellen Kontakte viel wichtiger und bei der Gestaltung familiärer Politik viel relevanter als der konfessionelle und politische war. Konfessionell und ethnisch gemischte Ehen stellten keine Seltenheit dar, wobei es häufiger zu einer Verbindung zwischen lutherischen Männern und katholischen Frauen kam als umgekehrt. Mit dem Beitrag von PASCALE MANNERT (München) wurde der regionale und konfessionelle Blick ergänzt und auf das evangelische Gemeindeleben der Zöcklerschen Anstalt (vom Ehepaar Lillie und Theodor Zöckler) und die Bilder der Pfarrer der ukrainischen Gemeinden in Galizien gerichtet. Besonders spannend wurde die (für Missionsfamilien typische) Verzerrung zwischen der weiblichen und männlichen Selbstpräsentation und den praktischen Tätigkeiten einerseits und den männlichen Machtansprüchen und ihren kapitalbedingten Anhaltspunkten andererseits skizziert – als männliche Wirkungsmacht, die ohne Rekurrierung auf die Ressourcen von Frauen kaum ausführbar gewesen wäre. Es ist eine fruchtbare Herausforderung, so MATTHIAS NIENDORF (Greifswald) in seinem Kommentar, eine Brücke zwischen dem qualitativen und dem quantitativen Ansatz zu schaffen und statistische Analysen wie diese von Liczbińska für die Erforschung von Konstruktionen der Weiblichkeit einzubinden und aus ihnen zu schöpfen.

An diesen Punkt knüpfte der Beitrag von MACIEJ GÓRNY (Warschau) an, der die semantischen, national betonten Vergeschlechtlichungsprozesse um die Jahrhundertwende bis in die Zwischenkriegszeit analysierte und aufzeigte, wie es zu einer diskursiven Übertragung von geschlechtsspezifischen Charakteristika auf nationale Entwürfe kam und wie diese (re-)kodiert wurden: Während die deutsche Ethno-Psychologie den deutschen Nationalcharakter als männlich, in Abgrenzung zu anderen, kulturell als minderwertig und als verweiblicht betrachteten Nationen, profilierte, hat die polnische Ethno-Psychologie (unter anderem Górski, Chołoniewski) gerade die feminine Prägung der polnischen Nation hervorgehoben. Diese wurde als veredelnd und zivilisierend dargestellt. Beide Konstrukte rekurrierten dabei auf ähnlichen Motiven, die bereits im 18. Jahrhundert aufkamen. Diese polnische Adoration ihrer Frauen, so DOBROCHNA KAŁWA (WARSCHAU) in ihrem Kommentar, schien allerdings stärker der maskulinen Selbstvergewisserung der Polen zu dienen als dass sie feministische Züge gehabt hätte. Umso mehr, dass diese vermeintliche Entdeckung der polnischen Weiblichkeit, die kaum mehr auf den alten Topos der „Matka Polka“ rekurrierte, durch Männer und stets im Bezug auf die (vor allem) deutschen Selbstbilder beteuert wurde. Über die femininen und maskulinen Selbst- und Fremddarstellungen wurden hier eher Diskurse über Gewalt- und Herrschaftsansprüche ausgetragen.

Dass weibliche / männliche Kodierung in unterschiedlichen Kontexten eingesetzt wurde und mit kolonialen Diskursen einherging, zeigte deutlich JAWAD DAHEUR (Strasbourg) in seinem Vortrag über Waldbilder, -phantasien und -eroberung, die stellvertretend für koloniale Aneignungsstrategien standen und der femininen Erotisierung der polnischen Landschaft dienten. Diese wurde als zu deflorierende und der männlichen Kraft der deutschen Eroberer unterlegene stilisiert. Ein weiblich und gleichzeitig ethnisch (hier polnisch) konnotierter Wald erscheint nicht nur gefährlich, unstrukturiert und (un-)fruchtbar, sondern auch besitzlos und erhellungsbedürftig. Eine solch deutsche Kodierung des polnischen Waldes drückte aber nicht nur zivilisatorische Selbstaufwertung aus, sondern auch Angst vor Entmannung, der eben nur durch eine diskursive Ermächtigung sowie gender- und rassenbedingte Hierarchieaufstellung entgangen werden konnte. Während Daheur die deutsche Seite betrachtete, fokussierte CLARA FRYSZTACKA (Siegen) stärker die polnische Selbst- und Fremdstilisierung um die Jahrhundertwende, in der oftmals die deutschen Herrschaftsansprüche negativ, als gewalttätig, triebhaft und usurpatorisch konnotiert und gegenüber den freiheitsliebenden und friedensstiftenden polnischen Selbstbehauptungstendenzen gestellt wurden. Die deutsche Charakteristik der Polen als „verweiblicht“ wird in den polnischen Diskursen in feminine Friedlichkeit und moralische Überlegenheit umgedeutet und als solche essentialisiert, was die Herausbildung eigener Kolonialansprüche gegenüber den östlichen Nachbarn einleitete. Die Selbst- und Fremdzuschreibungen lassen sich nur schwer, wie Frysztacka betonte, auf einheitliche Bilder reduzieren, denn sie variierten je nach regionalen, sozial-politischen und diskursiven Kontexten stark. Viele dieser Bilder, so DIETLIND HÜCHTKER (Leipzig), lassen sich bereits in früheren Diskursen finden und wurden hier, sowohl bei den Walddiskursen als auch bei der Selbst- und Fremdprofilierung, wiederbelebt und in aktuelle Kontexte gesetzt. Sie werden jetzt unterschiedlich verschoben (wie bei der unzivilisierten Jadwiga, die jetzt die wilden Litauer zivilisiert), durch andere Akteure besetzt und in breiteren übernationalen Kolonialdiskursen eingeschrieben.

Den Wechsel von Diskursen zu Praktiken leitete MATTHIAS BARELKOWSKI (Berlin) ein, der die Entwicklung der Frauenaktivitäten (in diversen Wohltätigkeits- und Frauenvereinen) in den preußischen Ostprovinzen skizzierte und verdeutlichte, dass die Frauenbewegung, die vor allem in Westpreußen und Schlesien stark vertreten war, international ausgerichtet war, aber gleichzeitig kaum über ihren provinziellen Charakter hinausging. Sie bediente sich kaum nationalbedingter Kategorien, die, wenn erwähnt, dann meist von Außen herangetragen die national-politischen Vorbehalte über den täglichen Pragmatismus stellten. Schwach blieb die Beteiligung polnischer, auf eigene national-politische Themen konzentrierter Frauen. Anders sahen die deutsch-polnischen Frauenbeziehungen in ihrer literarischen Aufarbeitung aus, die MARIA WOJTCZAK (Posen) für die Zeit vor 1918 und für die Zwischenkriegszeit thematisierte, indem sie die Stimme den „Deutschenfrauen in Polen“ verlieh. Diese Stimme blieb stets klagend und durch negative Interdependenzen geprägt, die statt als Erweiterung eher als kulturelle Bedrohung angesehen wurden. Auch wenn sich die diskursiven Muster und Narrative von der Legitimierung der missionarischen Machtansprüche vor 1918 zum unentbehrlichen Schutz des Blutes und Bodens nach 1918 veränderten, blieben sie ideologisch verhaftet. Dabei wurde die Fülle unterschiedlicher, gesellschaftlich zugelassener Entwürfe und Möglichkeiten, sei es eigener (literarischer) Identitätsprofilierung, sei es Gestaltung der Frauenaktivitäten in den preußischen Ostprovinzen, wie dies CLAUDIA KRAFT (Siegen) pointierte, mit der Zeit geringer und exklusorischer, worauf die oft widersprüchlichen Sprecherpositionen und synchron auftretenden Narrative deuten.

Die identitätsstiftende Selbstverortung jüdisch-polnischer Frauen zwischen Emanzipierung, nationaler Selbstfindung und zionistischer Reformforderung porträtiere JOLANTA MICKUTE (Bloomington). Die zionistisch orientierten Frauen bewegten sich zwischen jüdischen Traditions-Bildern und ihrem Engagement für eine polnisch-ethnische Pluralität und eine staatlichen Patriotismus anstrebende Demokratiebewegung. Politische Inkonsequenz war ausgeprägt, so dass der Zionismus für viele, unterschiedliche Interessen repräsentierenden Frauen attraktiv war. Der Zionismus erschuf, indem er gleichermaßen ideologische, psychologische und körperlich-weibliche Umdeutung forderte, ein neues Frauenbild einer befreiten säkularisierten Frau, die erst dank dieser Befreiung traditionelle jüdische Werte kultivieren konnte. Der Vortrag von CHRISTHARD HENSCHEL (Leipzig) fokussierte ebenfalls die Zwischenkriegszeit, wechselte aber die Perspektiven und thematisierte den Umgang mit ethnischen Minderheiten in der polnischen Armee. Die ethnischen Minderheiten galten als militärisch erziehbar, wurden nach ihrem Veränderungspotenzial klassifiziert – von den als leicht polonisierbar geltenden Russen über einfügsame Deutsche, bis zu den als unmännlich, geistesinstabil und körpergeschwächt eingestuften Juden. Die negative Wahrnehmung jüdischer Soldaten war inkohärent, oft situativ und stark von antisemitischen Diskursen geprägt. Dennoch gab es Versuche, diese militärisch integrativer zu erziehen und an den polnischen Staat zu binden. Die zweite polnische Republik, wie CLAUDIA KRAFT (Siegen) in ihrem Kommentar betonte, war durch gesellschaftliche Integrationsversuche einerseits und starke Subjektivitätstendenzen andererseits gekennzeichnet und als kolonialer Raum wahrnehmbar, in dem sich komplexe Identitäten zunächst von ihren primären Zuschreibungsmustern befreiten, um sich an ihnen entlang neu konfigurieren zu können. Um diese zu untersuchen müsste man zudem stärker auf das Generationenkonzept zugreifen. Das Männlichkeitsverständnis stand auch im Fokus von JAN HENDRIK ISSINGER (Freiburg im Breisgau), der die Relevanz zwischen den Kriegsverbrechen deutscher Ordnungspolizisten und ihren eigenen Männlichkeitsbildern aufzeigte. Die Ordnungspolizisten orientierten sich stark an den als „sauber“ geltenden Wehrmachtssoldaten, die ihnen als Referenzgröße, Mobilisierungs- und Entschuldigungsmaßstab dienten, um Kriegsverbrechen zu legitimieren und sich gleichzeitig von ihnen distanzieren zu können. Die Brutalität war Teil eines Konsensus, sich ihr zu entziehen war zwar möglich, bedeutete aber eine Überschreitung gewohnter und geforderter Männlichkeitsräume.

Mit KRYSTYNA RADZISZEWSKAs (Lodz) Vortrag rückten erneut die weiblichen Lebenswelten ins Zentrum, hier die Lebenswelten der Frauen im Lodzer Getto. Radziszewska zeigte auf, wie der weibliche Körper zum Machtobjekt und gleichzeitig zum Machtinstrument werden konnte und als solcher bewusst eingesetzt wurde. Ferner verdeutlichte sie, wie heterogen die sonst für das Getto als eine Entität betrachtete Frauenkategorie war und machte sichtbar, dass die Frauenarbeit im Getto als Prozess der erzwungenen Modernisierung zu sehen ist. Den Prozessen der weiblichen Ent- und Ermächtigung widmete sich auch WIEBKE LISNER (Hannover), indem sie die nationalsozialistische biopolitische Inanspruchnahme der deutschen Hebammen im Reichsgau Wartheland schilderte, die als Kulturträgerinnen deutscher Kultur und Agenten einer antinatalistischen Geburtenpolitik gegenüber der polnischen und jüdischen Bevölkerung befähigt waren. Die Machtansprüche der reichsdeutschen Hebammen, so Lisner, erfolgten oftmals über kulturelle Unterminierung der volksdeutschen Frauen und einer Einengung nicht-deutscher Hebammen, ohne die eine biopolitische Lenkung letztendlich kaum möglich gewesen wäre. Dank Vertrauensverhältnissen entsponnen sich jedoch herrschaftsferne Räume, die sowohl von Hebammen als auch von Gebärenden als kontrollfreie Nischen genutzt wurden. Die Untersuchung der körperbezogenen Prozesse der Aushandlung von Frei- und Eigenräumen sowie von machtgenerierenden Körperregimen eröffnet, so MARKUS KRZOSKA (Gießen) im Kommentar, neue Zugänge zur Erforschung historischer Lebenswelten und Akteuren-Netzwerken und müsste, gerade im Hinblick auf die osteuropäische Perspektivierung, stärker in den Fokus gelangen.

Einen zusammenfassenden Ausblick gab WINSON CHU (Milwaukee), der unter anderem darauf hinwies, dass die koloniale Perspektivierung Osteuropas über die kolonialen Narrative hinausgehen muss. Ansonsten sei die Gefahr der (Selbst-)Peripherisierung und Wiedererzählung alter / verjüngter Geschichten hoch und wenig weiterführend. Die Forschung müsste die oft noch herrschende Überethnisierung überwinden und stärker nach Kontinuitäten und Kausalitäten fragen.

Die Konferenz zeigte, indem sie eben neue Studien und Anknüpfungspunkte präsentierte, dass eine Dekonstruktion der kolonialen Diskurse und der drei anfangs genannten Differenzierungskategorien, verbunden mit ihrer kritischen Hinterfragung, neue Perspektiven aufzeigen kann. Das wäre gerade für die Zeit nach 1918 und, bei der Tagung nicht repräsentiert, für die Zeit nach 1945 dringend nötig. Sie ist aber auch mit gewissen Gefahren verbunden. Denn wenn wir die postkolonialen Zugänge auf koloniale Diskurse reduzieren und sie lediglich kontextbezogen übernehmen, ist die Gefahr groß, in diesen Diskursen verfangen zu bleiben und ihre Hintergründe nicht ausreichend aufzudecken. Auch die Kategorie Gender müsste stärker reflektiert und über die traditionellen Frauen- und Männerbilder hinausgehend betrachtet werden. Viele der Themen, beispielsweise das der Homosexualität, stellen offenbar noch immer eine Art „black box“ dar, die erst aufgestellt werden muss. Die Tagung machte solche Forschungslücken sichtbar, gab aber auch gewiss einen wichtigen Impuls für weitere Forschungswege.

Konferenzübersicht:

Markus Krzoska (Gießen) / Claudia Kraft (Siegen), Einführung

Keynote

Izabela Surynt (Breslau), Deutscher Osten und Kolonialdiskurse

Elizabeth Harvey (Nottingham), Kommentar

Vorträge und Kommentare

Grażyna Liczbińska (Posen), Participation of women and men of the Lutheran denomination in the creation of the marriage pattern in the district of Poznań (Regierungsbezirk Posen) in the second half of the 19th century

Pascale Mannert (München), Aktiv, aber nicht erwähnt, Frauen in der Evangelischen Kirche Augsburgischen und Helvetischen Bekenntnisses

Matthias Niendorf (Greifswald), Kommentar

Maciej Górny (Warschau), „Poles adore their women“. Weiblichkeit als Nationalcharakter in der deutschen und polnischen Publizistik im Ersten Weltkrieg

Dobrochna Kałwa (Warschau), Kommentar

Jawad Daheur (Strasbourg), Der (Ur-)Wald als symbolischer Raum der Weiblichkeit im Kontext des deutschen Kolonialdenkens über Polen

Clara M. Frysztacka (Siegen), Polen als Gegenstand und Träger kolonialer Diskurse, Relevanz der Geschlechterkodierungen in historischen Zeitschriftenartikeln über die polnischen Beziehungen zu seinen Nachbarvölkern um die Jahrhundertwende

Dietlind Hüchtker (Leipzig), Kommentar

Matthias Barelkowski (Berlin), Deutschtumsarbeit statt Kampf ums Frauenstimmrecht? Die Frauenbewegung in den preußischen Ostprovinzen vor dem Ersten Weltkrieg. Eine Spurensuche

Maria Wojtczak (Posen), Frauen über Frauen. Das Bild der polnischen und deutschen Frauen in der deutschen Literatur zwischen 1890 und 1945

Jolanta Mickute (Bloomington), Polish-Jewish women who were educated in Leipzig or Berlin but returned to Poland and took up Zionist work

Christhard Henschel (Leipzig), Ethnizität und Männlichkeit im Militär der Zweiten Polnischen Republik

Claudia Kraft (Siegen), Kommentar

Jan Hendrik Issinger (Freiburg im Breisgau), Männlichkeitsverständnis und Vertrauensnetzwerke deutscher Polizisten während der Besatzung Polens im Zweiten Weltkrieg

Krystyna Radziszewska (Lodz), Frauen im Lodzer Getto

Wiebke Lisner (Hannover), Hebammen im Generalgouvernement

Markus Krzoska (Gießen), Kommentar

Winson Chu (Milwaukee), Zusammenfassung und Kommentar