Archaeology of Money

Organisatoren
Stefan Krmnicek, Universität Tübingen; Colin Haselgrove, University of Leicester
Ort
Tübingen
Land
Deutschland
Vom - Bis
17.10.2013 - 18.10.2013
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Von
Luisa Balandat / Maximilian Rönnberg, Institut für Klassische Archäologie, Eberhard-Karls-Universität Tübingen

Am 17. und 18. Oktober 2013 kamen am Institut für Klassische Archäologie der Eberhard-Karls-Universität Tübingen Forscher unterschiedlicher Disziplinen aus fünf Ländern für den Workshop ‚Archaeology of Money’ zusammen, um die Archäologie des Mediums Geld aus der Perspektive diverser Fachrichtungen und mit verschiedenen Forschungsansätzen zu diskutieren. Veranstaltet wurde die Tagung von Stefan Krmnicek (Universität Tübingen) und Colin Haselgrove (University of Leicester), gefördert vom Universitätsbund Tübingen e.V., dem ‚Leverhulme Trust’, dem ‚Tracing Networks Programme’ der University of Leicester, der Baden-Württembergischen Bank und dem ‚Strathmartine Trust’.

In seinen einleitenden Worten stellte Stefan Krmnicek, Leiter der numismatischen Arbeitsstelle am Institut für Klassische Archäologie, Geld als ein Medium dar, das sich in seiner Allgegenwärtigkeit besonders für den interdisziplinären Ansatz des Workshops eigne. Nach Grußworten von Dekan Jürgen Leonhardt und Richard Posamentir, stellvertretend für den Institutsdirektor Thomas Schäfer, eröffnete Lutz Ilisch als Vertreter der Numismatischen Kommission der Länder in der Bundesrepublik Deutschland den Workshop und hob in seiner Rede das Potential der Fundkontexte monetärer sowie prä- und paramonetärer Zahlungsmittel hervor.

Als Auftakt sprach BILL MAURER (Irvine) über „Cashlessness: Ancient and Modern“. Anhand des in Kenia verbreiteten Systems ‚M-Pesa’, das Transaktionen über Mobiltelefone ermöglicht, zeichnete er die Entstehung und Funktion bargeldloser Zahlungsverfahren nach. An einen Rückblick auf die antike Entwicklung des Geldes und seiner Verwendungsweise schloss ein kritischer Blick auf die Gegenwart an. Maurer wies darauf hin, dass der Staat sein Währungsmonopol an nichtstaatliche Unternehmen des bargeldlosen Zahlungsverkehrs verliere und damit seine Rolle als Kontrollinstanz einbüße.

Den zweiten Tag des Workshops leitete der Beitrag zu „Entangled Conceptions of Value, Weight and Money in Copper and Bronze Age Societies: Examples from Europe and Western Asia” von LORENZ RAHMSTORF (Saarbrücken) ein. Anhand kupfer- und bronzezeitlicher Beispiele aus verschiedenen Kulturen versuchte er zu ergründen, was die Indikatoren für Wert sind, wie er gemessen werden kann und welche Kriterien erfüllt sein müssen, um einen Wertmaßstab als Geld zu bezeichnen. Rahmstorf schloss mit dem Modell einer dreistufigen Entwicklung von einfachen Tauschmitteln über ‚weight measured money’ zum Münzgeld, wobei er betonte, dass Tauschgeschäfte zu jeder Zeit parallel existierten.

SUZANNE FREY-KUPPER (Warwick) stellte mit ihrem Vortrag die Frage: “Coin Finds from Classical Sites: The Coffee Grounds of Numismatics?”. Nach einem Blick auf die Forschungsgeschichte und die defizitäre Lage der Publikation und Interpretation von Münzfunden in ihrem archäologischen Kontext zeigte sie anhand ihrer eigenen Forschungen am Monte Iato auf Sizilien die Möglichkeiten und Herausforderungen der Beschäftigung mit Münzfunden aus Stätten der klassischen Antike. Durch diese Untersuchungen konnte sie Rückschlüsse auf die geldgeschichtliche Entwicklung Siziliens in römischer Zeit ziehen.

SCOTT FITZPATRICKs (Eugene) Beitrag “Traditional Money in Oceania” stellte das einzigartige Steingeld der mikronesischen Insel Yap vor. Neben einer allgemeinen Einführung in Geschichte, Herstellung und Verwendung dieses Zahlungsmittels erläuterte er die Ergebnisse seiner dortigen Feldforschungen. Abgesehen von herkömmlichen Kriterien wie Größe, Form und Qualität des Materials betonte er die individuelle Geschichte eines jeden Steins als Wertanzeiger. So steigerte die Anzahl der Menschen, die bei der Beschaffung verletzt oder getötet wurden, den Wert. Mit dem Beispiel des Seefahrers David Dean O’Keefe, der den Transport mit modernen Schiffen vereinfachte, konnte Fitzpatrick aufzeigen, wie die Einführung fortschrittlicher Techniken im Rahmen der europäischen Kolonisation zu einer Inflation im traditionellen Währungssystem führte – ein Aspekt, der bei vielen Prä- und Paramonetaria zu beobachten ist.

Nach der Mittagspause präsentierte HANS ULRICH VOGEL (Tübingen) unter dem Titel „‚Coment le Grant Kaan fait despendre chartre por monoie’: Currencies under Kublai Khan (1215–1294) as reported by Marco Polo and in Chinese Source“ seine neuesten Forschungen. In dem Vortrag konnte Vogel dem frühen Zahlungsmittel Papiergeld eine bedeutende Stellung als Quelle für die Rekonstruktion monetärer Abläufe in China zur Zeit Marco Polos zuweisen. Die einzigartige Ausführlichkeit von Marco Polos Berichten über diese und weitere Währungen – Kaurischnecken und Salz – sowie die reichhaltige archäologische Evidenz legt für Vogel überdies ein eindeutiges Zeugnis für Marco Polos tatsächliche Anwesenheit in China ab.

LYNN GAMBLE (Santa Barbara) sprach im Anschluss über „The Entangled Life of Shell Beads in North America“. Anhand vielfältiger Beispiele verdeutlichte sie, dass sich die Bedeutung von Muschelperlen je nach Ort und Zeit der Verwendung ändert. Dabei dürften die Perlen nur dann als Zahlungsmittel bezeichnet werden, wenn eine gewisse Standardisierung erkennbar sei. Als prominentes Beispiel führte Gamble Wampum-Gürtel an, bei denen wiederum durch die Kolonisationsbestrebungen der Europäer Veränderungen erkennbar seien: Ihre Funktion wechselte von der Erinnerung an abgeschlossene Verträge hin zu einer ökonomischen Verwendung als Zahlungsmittel. In Kalifornien seien ebenfalls Wampum-Perlen hergestellt worden, ohne jedoch jemals in der ursprünglichen politischen Dimension genutzt worden zu sein.

STEPHANIE WYNNE-JONES (York) stellte in ihrem Beitrag „Aspects of Value in Swahili Coinage” ihre gemeinsamen Forschungen mit JEFFREY FLEISHER (Houston) in der im Süden Tansanias gelegenen Swahili-Stadt Songo Mnara vor. Die Ausgrabungen in dieser Siedlung erbrachten erstmals Münzen des nahen Kilwa Kisiwani aus dem 11. bis 15. Jahrhundert n. Chr. in archäologischen Kontexten. Wynne-Jones und Fleisher konnten diesen Objekten durch ihre Forschungen nicht nur eine monetäre Funktion zuweisen – wobei hier den Wert einer Münze nicht ihr Gewicht, sondern ihr Durchmesser bestimmte – sondern auch eine symbolische Funktion als Botschaftenträger und eine Nutzung in Ritualen an einem Siedlungsplatz mit Elementen aus Swahili- und arabischer Kultur. Sie betonten erneut nachdrücklich die große Bedeutung archäologischer Kontexte in der numismatischen Forschung.

MARK HALL (Perth, Schottland) sprach auf Basis seiner Bearbeitung der Münzfunde von Perth über “Pennies from Heaven: Money in Ritual in Medieval Europe”. Er konnte mithilfe diverser Vergleiche auch aus anderen Gebieten Europas eine Vielzahl nichtgeldlicher Verwendungsweisen mittelalterlicher Münzen, beispielsweise als schützende Amulette oder im Rahmen ritueller Handlungen, aufzeigen und verwies darauf, dass die monetäre zwar die wichtigste, auf keinen Fall jedoch die einzige Funktion dieser Objekte darstellte.

JOSEPHUS PLATENKAMPs (Münster) abschließender Vortrag “Money Alive and Money Dead. On the Cosmology of Money Transfers in the North Moluccas (Indonesia)” hatte das ‚living money’ und das ‚dead money’ im nördlichen Halmahera zum Thema. Unter den dortigen Gesellschaften war dieses System, bei dem in die nach der Kolonisation verwendeten europäischen Währungen umgerechnet werden konnte, bei Zahlungen von Brautgeld bzw. Strafzahlungen für Morde verbreitet. Die fällige Summe orientierte sich dabei am Wert der jeweiligen Gruppe, welcher über ein fiktives ‚Ahnentier’ festgelegt worden war. So zeigte sich die im Laufe des Workshops bereits mehrfach angesprochene Vielfalt der Wertmaßstäbe. Obschon diese Zahlungen mit der Einführung der Todesstrafe für Mörder formell abgeschafft worden seien, ließen sich Relikte des oben genannten Geldgebrauchs noch heute finden.

In seiner Schlussbemerkung betonte Colin Haselgrove, dass das breite chronologische und geographische Spektrum des Workshops sowie dessen interdisziplinärer Ansatz geeignet sei, um in bestehenden Fragestellungen voranzuschreiten, aber auch neue schaffen zu können. So waren in den sehr heterogenen Beiträgen einige Punkte mehrfach deutlich geworden: So etwa der Wert archäologischer Kontexte für die Beschäftigung mit klassischen Geldobjekten und prä- oder paramonetären Objekten, die Verschiedenheit von Wertmaßstäben, die Einflussnahme europäischer Kolonialmächte auf traditionelle Zahlungsmittel oder die vielfältigen Bedeutungsebenen von ‚money things’ über den rein ökonomischen Aspekt hinaus.

Die Tagung begleitete eine Ausstellung ausgewählter prä- und paramonetärer Objekte, die den Titel ‚More than Money’ trug. Die verschiedenartigen Exponate illustrierten einerseits – wie etwa ein Yap-Stein – die thematische Breite der Kongressbeiträge, und regten andererseits in den Pausen zu weiterführenden Diskussionen an.

Konferenzübersicht:

Keynote:

Bill Maurer (University of California, Irvine), Cashlessness, Ancient and Modern

Lorenz Rahmstorf (Universität des Saarlandes, Saarbrücken), Entangled conceptions of value, weight and money in Copper and Bronze Age societies: examples from Europe and Western Asia

Suzanne Frey-Kupper (University of Warwick), Coin finds from classical sites: the coffee grounds of numismatics?

Scott Fitzpatrick (University of Oregon, Eugene), Traditional Money in Oceania

Hans Ulrich Vogel (Eberhard-Karls-Universität Tübingen), "Coment le Grant Kaan fait despendre chartre por monoie": Currencies under Kublai Khan (1215-1294) as Reported by Marco Polo and in Chinese Sources

Lynn H. Gamble (University of California, Santa Barbara), The Entangled Life of Shell Beads in North America

Stephanie Wynne-Jones (University of York) / Jeffrey Fleisher (William Marsh Rice University, Houston), Aspects of value in Swahili coinage

Mark A. Hall (Perth Museum and Art Gallery), Pennies from Heaven: Money in Ritual in Medieval Europe

Josephus Platenkamp (Westfälische Wilhelms-Universität Münster), Money alive and money dead. On the cosmology of money transfers in the North Moluccas (Indonesia)


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