36. Technikgeschichtliche Tagung der Eisenbibliothek. Wissensformen der Technik

36. Technikgeschichtliche Tagung der Eisenbibliothek. Wissensformen der Technik

Organisatoren
Eisenbibliothek, Stiftung der Georg Fischer AG, Schaffhausen
Ort
Schlatt
Land
Switzerland
Vom - Bis
08.11.2013 - 09.11.2013
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Von
Luisa Pichler / Anna Maria Winkler, Fachbereich Geschichte, Universität Salzburg

Die 36. Technikgeschichtliche Tagung der Eisenbibliothek behandelte vom 8. bis 9. November im Klostergut Paradies in Schlatt (Schweiz) das Thema „Wissensformen der Technik“. Bereits aus dem Programm ging hervor, dass die Tagung den Untersuchungsgegenstand breit anlegen und sich mit einer Vielfalt der Wissensformen der Technik beschäftigen würde – mit dem Wissenstransfer im Handwerk und der Kernkrafttechnik, mit den konkurrierenden Wissensformen auf der Baustelle, im Kleinwasserkraftwerk und in der Kfz-Werkstatt, bis hin zu unterschiedlichen Medien der Wissensvermittlung wie Film und Fachzeitschrift. Auch was den zeitlichen Rahmen betrifft, wurde auf ein umfassendes Spektrum wert gelegt: Frühneuzeitliche Wissensformen der Technik wurden ebenso behandelt wie aktuelle Methoden der Wissensgenerierung und -weitergabe, etwa am Beispiel der Firmenkultur der Georg Fischer AG.

Den ersten Sitzungsteil zu „systematischen und historischen Perspektiven“ leitete MARCUS POPPLOW (Augsburg) mit einem Vortrag zum Nutzen der Wissensgeschichte für die Technikgeschichte der Frühen Neuzeit ein. Popplow verdeutlichte, dass es bereits in der Frühen Neuzeit eine Vielfalt von Wissensformen der Technik gab. Für eine Wissensgeschichte der Technik in der Frühen Neuzeit sei bisher jedoch kein eigenständiger methodischer Ansatz vorhanden, vielmehr hätten sich vorhandene Arbeiten auf das Schnittfeld von Wissenschafts- und Technikgeschichte konzentriert. Dadurch würden jedoch zahlreiche Wissensformen, die außerhalb des wissenschaftlichen Wissens bestanden, aus der Betrachtung ausgeklammert. Popplow zeigte anhand von Beispielen zu Ingenieurtätigkeiten, Porzellanherstellung und Handwerk Dichotomien zwischen explizitem, formalisiertem und implizitem, körpergebundenem Wissen auf und betonte, dass es im Verlauf der Frühen Neuzeit zu Verdichtungen unterschiedlicher Wissensformen gekommen sei. Abschließend hielt Popplow den Nutzen einer Wissensgeschichte der frühneuzeitlichen Technik fest, der unter anderem darin bestehe, neue Perspektiven auf eine als „ereignislos“ postulierte Epoche der Technikgeschichte zu eröffnen sowie die Technikgeschichte für Entwicklungen in benachbarten Disziplinen anschlussfähig zu machen.

Anhand der „Magia Naturalis“ (1558) des Giovanni Battista della Porta fokussierte AXEL CHRISTOPH GAMPP (Basel) das Wissen als Emanationslehre in der Frühen Neuzeit. Die Naturbetrachtung der „Magia Naturalis“ basiere auf der Auffassung, dass es zwischen Himmel und Erde eine Verbindung – dargestellt als goldene Kette – gebe, die Rückschlüsse auf den metaphysischen Bereich zuließe. Es handele sich dabei um eine Vorstellung, die das abendländische Denken bis zu Leibniz und Kant geprägt habe. Am oberen Ende der Kette befinde sich Gott, von dem alles ausgehe: Geist und Seele, Gestirne, Mensch und Tier, bis hin zum Unbeseelten am unteren Ende. Am Beispiel der Schriften von Robert Fludd diskutierte Gampp den Stellenwert technischen Wissens im Gesamtpanorama solcher universalistischer Konzepte der Frühen Neuzeit. Zerrissen sei die goldene Kette erst zur Zeit der Aufklärung und in Folge des Erdbebens von Lissabon (1755), als die Philosophie in ihren Grundfesten erschüttert wurde.

REINHOLD REITH (Salzburg) konzentrierte sich in seinem Vortrag auf den horizontalen Wissenstransfer im Handwerk. Zumal neuere Forschungen von einem höheren Ausmaß an Migration in der Frühen Neuzeit ausgehen, stellt sich die Frage, welche Rolle die Gesellenwanderung für den Transfer von Know-how hatte. Dazu gibt es Positionen, die davon ausgehen, dass die Arbeitsmärkte in der Frühen Neuzeit nicht frei waren und erhebliche Barrieren für solche Transfers bestanden. Reith vertrat in seinem Vortrag eine optimistischere Position und skizzierte zunächst einmal die zunehmende Reichweite des gewerblichen Arbeitsmarktes sowie den Diskurs der zeitgenössischen Kameralisten, die überwiegend von der Nützlichkeit der Wanderschaft überzeugt waren – und in Preisschriften die Empfehlung gaben, an die Orte zu reisen, die für das jeweilige Handwerk „vorzüglich wichtig sind“. Der Wissenstransfer lasse sich auch durch autobiographische Schriften, Briefe, Rezeptbücher, und nicht zuletzt durch die Anziehungskraft gewerblicher Zentren (z.B. Augsburg für die Goldschmiedegesellen) oder die Wanderschaft von für das Schaffhauser Gewerbe hervorstechender Persönlichkeiten wie Johann Conrad Fischer und Heinrich Moser erschließen. Die Wanderschaft habe die Chance geboten, „skills“ (darunter auch social skills) zu akkumulieren. Abschließend plädierte Reith dafür, der Bedeutung der Gesellenwanderung für den Wissenstransfer stärker Rechnung zu tragen.

Mit den Wissensformen auf der Baustelle um 1900 und der Diskrepanz zwischen Existenz und Einsatz von neuen Baumaschinen befasste sich CHRISTOPH RAUHUT (Zürich). Auf den Baustellen trafen über verschiedene Akteure – Architekten, Ingenieure, Bauunternehmer, Bauhandwerker – unterschiedliche Wissensformen, nämlich wissenschaftliches Wissen und Erfahrungswissen, zusammen. An historischen Quellen zum Einsatz von Baumaschinen könne man bereits die unterschiedlichen Zugänge erkennen: Während das Handbuch der Ingenieurwissenschaften der ingenieurwissenschaftlichen Elite das Potential von neuen Baumaschinen präsentierte, konzentrierte sich der Baukalender, der sich an die Entscheidungsträger auf den Baustellen richtete, auf die Darstellung jener Maschinen, die zweckdienlich erschienen und beschrieb ihre Nutzungsformen. Am konkreten Beispiel des Abpumpens von Grundwasser auf einer Zürcher Baustelle um 1900, belegte Rauhut, dass die Wahl der eingesetzten Baumaschine vom jeweiligen Wissenshorizont des Entscheiders abhängig war. Schließlich erwuchs die Art und Weise, wie gebaut wurde, aus der Konkurrenz des Wissens der Akteure und stellte keine abstrakte Synthese von theoretischen und praktischen Wissensbeständen dar.

Der zweite Sitzungsteil stand unter dem Thema „Wissensformen in unterschiedlichen Kontexten“. Am Beispiel der (Klein-)Wasserkraftnutzung fokussierte CHRISTIAN ZUMBRÄGEL (Darmstadt) das Nebeneinander traditioneller und jüngerer Wissensformen bzw. die „Gleichzeitigkeit des Ungleich(zeitig)en“. Im 19. Jahrhundert bildete sich die Hydrotechnik als ingenieurswissenschaftliche Disziplin heraus, welche die traditionellen Technologien der Wasserkraftnutzung samt ihrer handwerklichen Wissensformen als veraltet betrachtete. Im Zuge der Verwissenschaftlichung der Hydrotechnik entstand eine Elite von Wasserbauingenieuren, die sich selbst in strenger Abgrenzung zur Handwerkskunst der Mühlenbauer positionierte, jedoch durch einen mangelnden Bezug zu örtlichen Verhältnissen auffiel. Es habe sich um eine typische Kluft zwischen Theorie und Praxis gehandelt, die bis ins 20. Jahrhundert bestehen blieb. Der Übergang vom Wasserrad zur Turbine sei insgesamt kein abrupter gewesen, vielmehr hätten sich die Wissensformen vermengt und gemeinsam neues Wissen generiert: Die „alte“ Wasserradtechnik wurde beispielsweise mit dem Methodenrepertoire der „neuen“ Technikwissenschaften verbessert und der Einsatz von eisernen Wasserrädern wurde noch in den 1920er-Jahren propagiert.

ANNA VERONIKA WENDLAND (Marburg) thematisierte die Formen der Wissensweitergabe in osteuropäischen Kernkraftwerken und bezog dabei ihre Erfahrungen im Rahmen einer teilnehmenden Beobachtung im Kraftwerk Riwne in der Ukraine ein. Der Wissenstransfer in der Kerntechnik sei über verschlungene Wege erfolgt: Die grundlegende Technologie sei von der Sowjetunion an die Länder Ostmitteleuropas weitergegeben worden, die zivilen Kerntechniker kamen entweder aus militärischen Einrichtungen oder aus der konventionellen Kraftwerkstechnik. Zahlreiche Betriebsabläufe hätten die Bediensteten erst im Alltagsbetrieb erlernen müssen. Handbücher und Instruktionen lagen nicht vor, sondern mussten vor Ort erarbeitet werden. Daran könne man erkennen, dass Wissensformen nach Bedarf generiert wurden. Die Reaktorunfälle von Three Mile Island und Tschernobyl hätten eine „Zäsur“ dargestellt, in deren Folge der Wissenstransfer angekurbelt wurde: Die Kraftwerke wurden untereinander vernetzt und das Störfallmanagement verändert, wenngleich die Störfallerfahrung aus politischen Gründen nicht weitergegeben werden durfte.

Den langwierigen Prozess der Durchsetzung von Messgeräten und ihre Konkurrenz zu den bereits bestehenden Wissensformen in der Kfz-Technik zeichnete STEFAN KREBS (Maastricht) nach. In den 1950er-Jahren wurden Testinstrumente entworfen, welche die „Fachsinne“, insbesondere das „Fachohr“, der Kfz-Mechaniker als Diagnose-Tool ablösen bzw. die Diagnoseautorität vom Mechaniker auf die Testgeräte verlagern sollten. Implizite Wissensformen, die während der Kfz-Lehre erlernt werden mussten und noch immer eine zentrale Rolle in der Diagnosepraxis spielten, verloren nun im Fachdiskurs an Bedeutung. Die Autorität des Meisters geriet gegenüber den in den Berufsschulen an den Instrumenten ausgebildeten Lehrlingen ins Wanken. Doch die Widerständigkeit der Mechaniker verzögerte die Durchsetzung der Diagnosegeräte bis zum Generationenwechsel in den 1980er-Jahren. Krebs verdeutlichte, dass das Wissen der neuen Diagnose nicht nur das Arbeitswissen, sondern auch die soziale Ordnung und Wissenshierarchien des Kfz-Handwerks in Frage stellte.

Den zweiten Sitzungsblock schloss PETER BERGER (Luzern), pensionierter Leiter des Traktionsdienstes der Luzern-Stans-Engelberg-Bahn, mit einem Vortrag über die Dokumentation der Zahnradbahntechnik durch den „Verband öffentlicher Verkehr“ ab. Zur Rekonstruktion und Sicherung des Wissens über die Technik der Zahnradbahnen, das mit dem Ruhestand der entsprechenden Fachleute verlorenzugehen drohte, trug eine vom Verband eingesetzte Arbeitsgruppe Archivwissen und Erfahrungswissen von Fachingenieuren zusammen. Schließlich konnte die Gruppe aus dem gesammelten Wissensbestand auch Empfehlungen für aktuelle Projekte ableiten.

Das Leitthema des zweiten Konferenztages lautete „Medien technischen Wissens“. JONATHAN VOGES (Hannover) führte aus, welche Strategien des Wissenstransfers die Verbreitung des Do it yourself in der Bundesrepublik Deutschland seit den 1950er-Jahren beförderten bzw. welchen Medien eine Rolle in der Wissensdiffusion vom Experten zum Laien zukam. Zunächst sei eine Didaktisierung erfolgt: einfache Anleitungen wurden in Heimwerker-Zeitschriften und -büchern herausgegeben sowie Handgriffe in Fernsehsendungen vorgezeigt. Eine zweite Strategie bestand in der Simplifizierung von Material und Geräten, welche in den neuen Do it yourself-Zentren, die als Vermittler zwischen Industrie und Verbrauchern eingerichtet wurden, gekauft werden konnten. Schließlich wurden den Heimwerkern industriell vorgefertigte Teile angeboten, welche ohne handwerkliches Wissen zu verarbeiten waren. Voges thematisierte auch die Opponenten der Do it yourself-Bewegung: Es handelte sich dabei um die professionellen Handwerker, welche einen Bedeutungsverlust befürchteten.

Am Beispiel der Sammlungen für Eisenhüttenkunde und mechanisch-metallurgische Technologie der Bergakademie Freiberg führte NELE-HENDRIKJE LEHMANN (Freiberg) aus, welche Bedeutung Sammlungen für die Etablierung technikwissenschaftlicher Disziplinen und für die Vermittlung technischen Wissens zukam. Die akademischen Sammlungen des 19. Jahrhunderts hätten nicht nur der Speicherung von Wissen gedient, sie seien viel mehr als Wissensräume, in denen auch neues Wissen produziert und strukturiert wurde, zu begreifen. Die Freiberger Sammlung diente der Institutionalisierung des Wissens aus den Hütten, wurde aber auch verwendet, um Studierenden mithilfe von Modellen Wissen zu vermitteln. Praktisches Wissen sollte in Laboratorien und im Betriebspraktikum gewonnen werden. Die Wertschätzung der Sammlungen durch die Professoren wandelte sich ebenso wie ihre Ansicht darüber, welche Wissensformen für Studierende wertvoll waren. Mit der Einrichtung des neuen Instituts in den 1930er-Jahren wurde die Sammlungstätigkeit in Freiberg eingestellt.

Wie Wissen über Filme vermittelt werden kann, zeigte MATTHIAS UNFRIED (Dortmund) exemplarisch an Arbeits- und Unfallschutzfilmen der DDR. Zwischen 1971 und 1990 ließ der „Freie Deutsche Gewerkschaftsbund“ 54 Animationsfilme produzieren, die Themen des Arbeits- und Unfallschutzes aufgriffen. Die Wissensvermittlung über Stummfilme mit animierten Figuren (Puppen oder Zeichentrick) habe den Vorteil, dass über eine szenografische Ebene eine Scheinwelt mit Bezügen zur Realität geschaffen werde, die weniger gestellt und daher weniger lächerlich wirke als ein Realfilm. Ein weiterer Vorzug des Animationsfilmes sei die weniger brutale Darstellung von Unfällen, weshalb diese Filme auch Kindern und Jugendlichen gezeigt werden konnten. Die historischen Filme werden auch gegenwärtig noch, wenngleich eher zum heiteren Einstieg, denn zur unmittelbaren Wissensvermittlung, für Schulungen herangezogen und werden durch aktuelle Animationsfilme zum Arbeits- und Unfallschutz ergänzt.

SONJA PETERSEN (Stuttgart) zeigte anhand des „Sprechsaales“, dem Leserforum der „Zeitschrift für Instrumentenbau“ (1880-1943), auf, wie Fachzeitschriften als „Ort“ des Wissenstransfers fungieren konnten. Der Austausch der Berufsgenossen erfolgte ohne direkten Kontakt der Beteiligten über „Rede“ und „Gegenrede“ im „Sprechsaal“. Petersen bezeichnete das Forum daher als „Ort“, an dem „grenzenlose“ (nicht ortsgebundene) Zirkulation des Fachwissens möglich war, wenngleich eine Begrenzung durch das schriftliche Format gegeben war. Während der Zeit des Wandels des Instrumentenbau-Handwerks zur handwerklichen Industrie seien über dieses Forum Erfahrungswissen und theoretisches (wissenschaftliches) Wissen ausgetauscht worden, wobei sich, wie Petersen am Beispiel des Klavierbaues verdeutlichte, bald ein Theorie/Praxis-Streit einstellte und es zu einer anhaltenden Diskussion über die Bedeutung der unterschiedlichen Wissensformen im Instrumentenbau kam.

Abschließend referierte UDO KREUTZAREK (Schaffhausen), Leiter der Abteilung Innovationsmanagement bei Georg Fischer Automotive AG, über die Formen der Wissensgenerierung und des Wissensaustausches im Georg Fischer Konzern. Grundsätzlich sei es, um neues Wissen produzieren und innovativ sein zu können, für das Unternehmen von großer Bedeutung, die Kunden zu beobachten und den Markt zu prognostizieren. Die Wissensdokumentation und die Analyse der Produktionsprozesse seien weitere Voraussetzungen. Ideen könnten schließlich von allen Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen über das Intranet vorgeschlagen werden; eigene Workshops zur Ideen-Anreicherung und -Selektion werden regelmäßig veranstaltet. Daran schloss sich eine intensive Diskussion über die Bedeutung des personengebundenen Wissens in großen Industrieunternehmen an.

In seinem zusammenfassenden Schlusskommentar betonte TORSTEN MEYER (Zürich), dass jene wissensgeschichtlichen Ansätze, die davon ausgehen, dass Wissenschaft Wissen schafft, nicht vollständig seien. Es gebe darüber hinaus – und dies sei in den Beiträgen der Tagung besonders deutlich geworden – zahlreiche andere Wissensformen, die für technikhistorische Entwicklungen relevant seien. Um eine Anschlussfähigkeit an andere Disziplinen zu garantieren, plädierte Meyer für die Schärfung der Begrifflichkeiten der Wissensformen in der Technik. Für eine „Wissensgeschichte der Technik“ gebe es aber auch noch andere Herausforderungen: Wie soll etwa mit Persistenzen von Wissen („Gleichzeitigkeit des Ungleichzeitigen“) umgegangen werden? Was zählt zu den „Orten“ des Wissens – und sollten neben den Produzenten von Wissen auch die Konsumenten in die Betrachtungen einbezogen werden? Mit diesen und anderen Fragen leitete Meyer zur Schlussdiskussion über, in welcher insbesondere drei Aspekte aufgegriffen wurden: Zunächst wurde diskutiert, ob die Dichotomie theoretisches Wissen versus praktisches Wissen zur Beschreibung der Wissensformen der Technik ausreiche. Weiter wurde nach der Bedeutung des spatial turn für eine Wissensgeschichte der Technik gefragt und was nun als „Ort des Wissens“ bezeichnet werden könne – das Notizbuch ebenso wie das Labor? Schließlich wurde der Bedarf der Konzeptualisierung der Wissensgeschichte der Technik kontrovers diskutiert.

Insgesamt zeigte die Tagung das weiterführende Potential auf, das von wissensgeschichtlichen Ansätzen in der Technikgeschichte – oder gar einer Wissensgeschichte der Technik – ausgeht. Auch wenn die Anschlussmöglichkeiten an benachbarte Disziplinen noch keineswegs umfassend sondiert sind, so legten die Vorträge der Tagung offen, dass es zahlreiche Anknüpfungspunkte gibt: Die Dichotomie von Theorie und Praxis, von explizitem und impliziten Wissen, von wissenschaftlichem Wissen und Erfahrungswissen, ist nicht nur den Entwicklungen im technischen Bereich eigen. Auch bei den Medien der Wissensvermittlung und -weitergabe wie Fachzeitschriften, Sammlungen, Film und Fernsehen, handelt es sich um universelle Wissensträger. Dass die Eisenbibliothek mit dem diesjährigen Konferenzthema einem aufstrebenden Feld ein Forum bot, kann man auch an der großen Beteiligung junger Historikerinnen und Historiker erkennen, die ihre Forschungsthemen präsentierten. Man darf mit Spannung die Entwicklungen auf dem Sektor einer wissensgeschichtlich orientierten Technikgeschichte beobachten.

Konferenzübersicht:

Begrüßung und Eröffnung (Yves Serra, CEO Georg Fischer AG & Präsident der Eisenbibliothek)

1. Sitzung: Systematische und historische Perspektiven
Moderation: Friedrich Steinle (Berlin)

Marcus Popplow (Augsburg), Vom Nutzen der Wissensgeschichte für die Technikgeschichte der Frühen Neuzeit

Axel Christoph Gampp (Basel), Magia Naturalis. Wissen als Emanationslehre in der Frühen Neuzeit

Reinhold Reith (Salzburg), Arcana artis? Wissens- und Technologietransfer im frühneuzeitlichen Handwerk

Christoph Rauhut (Zürich), Wissensformen auf der Baustelle – Oder warum neue Baumaschinen auf den Baustellen von Hochbauten zur Jahrhundertwende (nicht) benutzt wurden

2. Sitzung: Wissensformen in unterschiedlichen Kontexten
Moderation: Reinhold Reith (Salzburg)

Christian Zumbrägel (Darmstadt), Gleichzeitigkeit des Ungleich(zeitig)en – Wissensformen und Wissenstransfer der (Klein)wasserkraft im 19. und 20. Jahrhundert

Anna Veronika Wendland (Marburg), Wissensformen der Kerntechnik im transnationalen Vergleich

Stefan Krebs (Maastricht), Diagnose nach Gehör? Die Aushandlung neuer Wissensformen in der Kfz-Diagnose (1950-1980)

Peter Berger (Luzern), Dokumentation der Zahnradbahntechnik basierend auf Archiv- und Erfahrungswissen durch den Verband öffentlicher Verkehr

Exkursion zum Heinrich Moser Familienmuseum im Schloss Charlottenfels, Neuhausen am Rheinfall

3. Sitzung: Medien technischen Wissens
Moderation: Kilian T. Elsasser (Luzern)

Jonathan Voges (Hannover), Vom Handwerk zum Heimwerk? Zur Diffusion professionellen Wissens in den Haushalten im Zuge der Do it yourself-Bewegung in der Bundesrepublik Deutschland

Nele-Hendrikje Lehmann (Freiberg), Wissen in der Sammlung. Das Beispiel der Sammlungen für Eisenhüttenkunde und mechanisch-metallurgische Technologie der Bergakademie Freiberg 1875-1930

Matthias Unfried (Dortmund), Historische Arbeits- und Unfallschutzfilme der DDR – Eine analytisch filmische Betrachtung zentraler Wissensvermittlung

Sonja Petersen (Stuttgart), Die Zeitschrift für Instrumentenbau und ihr Sprechsaal – Ein „begrenzt-grenzenloses“ Forum zum Austausch von Wissen

Udo Kreutzarek (Schaffhausen), Die Bedeutung und Handhabung von Wissen in einer Gießereigruppe

Resümee

Torsten Meyer (Zürich), Schlusskommentar

Schlussdiskussion

Franziska Eggimann (Leiterin Eisenbibliothek), Schlusswort


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