'Übertragungen': Formen und Konzepte von Reproduktion in Mittelalter und Früher Neuzeit

'Übertragungen': Formen und Konzepte von Reproduktion in Mittelalter und Früher Neuzeit

Organisatoren
Forschernachwuchsgruppe‚ Stimme-Zeichen-Schrift in Mittelalter und Früher Neuzeit' (Albrecht Hausmann, Cornelia Logemann, Britta Bußmann mit Karen Thöle und Annelie Kreft)
Ort
Göttingen
Land
Deutschland
Vom - Bis
18.06.2004 - 20.06.2004
Von
Anja Lutz, Historisches Seminar/ AB Mittelalter, Universität Hamburg; Urte Kraß

25 Referenten und doppelt so viele Gäste kamen in Göttingen zusammen, um sich drei Tage lang mit dem Thema Übertragungen in Mittelalter und Früher Neuzeit zu beschäftigen.

In seiner Einführung stellte Albrecht Hausmann (Göttingen) Konzept und Ziel der Arbeitstagung vor: Man strebe mit dem relativ offenen Begriff "Übertragung" - methodisch und inhaltlich - eine Entdifferenzierung an.1 Im interdisziplinären Gespräch der Tagung solle diese dann zu neuen Differenzierungsmöglichkeiten führen und eventuell das spezifisch mittelalterliche bzw. frühneuzeitliche an Übertragungsprozessen im Kontrast zu modernen Reproduktionsprozessen und -konzepten aufzeigen. Diese Differenzierung könne nur durch möglichst viele Einzeluntersuchungen erreicht werden, daher habe man eine große Zahl an Vortragenden eingeladen, die jeweilige Redezeit aber auf zwanzig Minuten begrenzt. In drei Workshops (Visualisierung, Verschriftung/ Versprachlichung, Autorität und Rezeption) am Ende des zweiten Tages sollten die Zwischenergebnisse resümiert und wieder an disziplinäre Grundsätze zurückgebunden werden, um so eine Grundlage für die Schlussdiskussion zu schaffen, die - wie Hausmann ausdrücklich betonte - durchaus zu einem vorläufigen Ergebnis führen sollte.

Dem Konzept der Tagung entsprechend werden im Folgenden alle Einzelbeiträge kurz resümiert, um die angebotenen Herangehensweisen in ihrer ganzen Breite abzubilden.

Übersetzung biblischer Texte - Übertragungen von "Heiligem"

Carola Redzich (Freiburg) widersprach in ihrem Vortrag über mittelalterliche Bibelübersetzungen der gängigen These, dass bei den Übersetzern besondere Ehrfurcht vor dem heiligen Text geherrscht habe. Jegliche Bearbeitung der heiligen Schrift hatte als vorrangiges Ziel die Sichtbarmachung des heilsgeschichtlichen Sinnes, und diese Offenbarung konnte durch die verschiedensten Übertragungsmethoden gewährleistet werden. Der Umgang mit dem "verbum" war situationsgebunden und reagierte auf die intendierte Funktion des Textes. Diese Anbindung der Übertragungsleistung an den Diskurs (Exegese, Homiletik, etc.) ging erst mit dem Medienwechsel zum Druck verloren.

Die Frage nach der Verortung der Hohelied-Übersetzung Johann Georg Hamanns zwischen mittelalterlichen und romantischen Konzepten führte ins späte 18. Jahrhundert. Anne Bohnenkamp-Renken (Frankfurt a.M.) führte aus, dass der Übersetzer Hamann mit dem heiligen Text anders als mit profanen Texten verfuhr, insofern er nicht nur streng formal und wörtlich aus dem Hebräischen übertrug, sondern sich auch jeglicher eigenen Interpretation enthielt und Mehrdeutigkeiten der Vorlage beibehielt. Trotz gewisser Wurzeln in frühneuzeitlichen Konzepten scheint seine Übersetzungsweise das "verfremdende" Übersetzen Schleiermachers und Humboldts vorwegzunehmen.

Cornelia Logemann (Göttingen) behandelte Übertragung als "Réécriture". So fand sich in den Genesisprologen verschiedener Handschriften der Bible historiale des Giuart de Moulin nicht nur dessen aus dem Lateinischen übertragener und ergänzter Text, sondern eine weitere Deutungsebene im Frontispiz. Diese kann nach Logemann als visualisiertes Weltbild des jeweiligen Auftraggebers und als Reaktion auf zeitgenössische Diskurse gelesen werden. Auf diese Weise leistete das Bild immer wieder neu eine Kontextualisierung, während der Text nahezu unverändert blieb.

Am weitesten vom biblischen Text entfernen sich die Figurenbände zur Bibel im 16. Jahrhundert, die Imke Harjes (Augsburg) vorstellte. Während der Text in Nachdichtungen stark reduziert wurde, nahmen die Illustrationen - oft in Anlehnung an die der Lutherbibel - großen Raum ein. Holzschnitt und Vers ergänzten sich, waren aber für Ungebildete nicht voll verständlich, da die Kenntnis der biblischen Geschichten bei den Rezipienten vorausgesetzt wurde. Die Bilder gewährleisteten hier also die Authentizität des "heiligen Textes", wie Bruno Reudenbach in der Diskussion auf den Punkt brachte.

Humanistisches Übersetzen - Antikenrezeption

Regina Toepfer (Göttingen) widerlegte am Beispiel der Odyssee-Übersetzung Schaidenreissers (1537) eindrucksvoll die in der Forschung verbreitete These vom Gegensatz volksprachlicher Wiedererzählung und lateinischer Übersetzung. Die Übersetzung hatte eine Aufwertung des Deutschen und der Deutschen zum Ziel und mit dem "humanistischen" Übersetzen vier Aspekte gemeinsam: Übersetzungsstil, Homerbild, moralisch-didaktische Deutung und - in etwas geringerem Maße - die Begründungen für die Lektüreempfehlung. Es besteht somit nur ein gradueller Unterschied zu den lateinischen Übersetzungen, und auch die deutsche Übersetzung kann als genuin humanistisch bezeichnet werden.

In Verona erfolgte die Übertragung der antichità und ihrer Formensprache sowie deren Nutzbarmachung für die eigene Gegenwart im 16. Jahrhundert auf nahezu allen medialen Ebenen. Sie diente einerseits der außenwirksamen Selbststilisierung und fungierte andererseits als sozialer Code innerhalb der Aristokratie. Stefan Schweizer (Göttingen) zeigte diese interessengeleitete Form der Übertragung exemplarisch an der visuellen und sprachlichen Umsetzung antiker Veroneser Architektur durch Saraina und Caroto (1540/1560).

Eine Umdeutung des Originals konstatierte Almut Schneider (Eichstätt) in der Übersetzung von Boccaccios De claris mulieribus durch Heinrich Steinhöwel (1472): In der Vorrede findet ein Perspektivwechsel statt, indem nun das Werk als Krone der Gönnerin beschrieben wird. Zudem verlängerte Steinhöwel die Erzählung in den eigenen Bereich (Sprache, Literatur, Kultur) hinein. Er selbst betonte die Eigenständigkeit seiner Konzeption, die man - sucht man nach einer Einordnung - in der Methode spätmittelalterlich (freies Übersetzen) und in der Ausrichtung humanistisch (Renaissance deutscher Kultur und Geschichte) nennen könnte.

"Wiedererzählen" in den mittelalterlichen Jahrhunderten

Die in das sechste Buch des "Ovide moralisé" eingeschobene Philomela-Geschichte ging ebenfalls weit über den Charakter einer Übersetzung hinaus. Es handelt sich nach Lena Behmenburg (Kassel) um ein vielschichtiges Übertragungs-Palimpsest und kann geradezu als "Parabel für das Wiedererzählen" gelten, wie Andreas Kraß in der Diskussion zuspitzte. Der Autor bringt sich als strukturierende Instanz ein, sein Name (li gois = Messer) deutet den Einschnitt in der Mitte der Erzählung an. Er verschweigt seine Quellen (so wie Philomela gewaltsam zum Verstummen gebracht wurde) und webt die Geschichte eigenständig weiter (so wie Philomela ihr Unglück durch einen Teppich mitteilte). Die Bezeichnung seines Tuns als "conter" und die Legierung von Quelle und eigenen Zusätzen weisen die Erzählung somit als eigenständig aus.

Stefanie Schmitt (Frankfurt a.M.) suchte den Grund für die signifikanten Unterschiede in den altfranzösischen und mittelhochdeutschen Alexanderdichtungen in den jeweils unterschiedlichen literarischen Kontexten. So waren im französischen Sprachgebiet die zwölf pairs fester Teil der Vorstellung von Herrschaft, während den deutschen Alexanderdichtungen eine geschichtstheologische Komponente zu Grunde lag. Maßstab für Äquivalenz war nach Schmitt also nicht die Übereinstimmung mit der Vorlage, sondern die Übereinstimmung mit den "Vorstellungswelten", was die Unterschiede systemimmanent erklärbar mache. Im interdisziplinären Kontext hätte man sich allerdings die Berücksichtigung der bereits vorliegenden methodischen Überlegungen und Ergebnisse mentalitäts- und vorstellungsgeschichtlicher Forschung gewünscht.

Eine ganz andere Herangehensweise an das Phänomen der Übertragung wählte Nikolai A. Bondarko (St. Petersburg). In strukturalistischer Tradition führte er am Beispiel des Erbauungsbuches "Geistlicher Herzen Bavngart" (1270/90) verschiedene Möglichkeiten der Übertragung eines Textes vor: Entweder wurde er in mikrostrukturelle Bausteine zersetzt und dann mosaikisch inkorporiert oder makrostrukturell vollständig überführt. Zudem bot sich die Möglichkeit partiellen Transfers. Die Kompilation eines neuen Textes erfolgte durch die Zusammenfügung neuer thematischer Einheiten. Bondarko bezeichnete dies als "transformative Textreproduktion".

J. Klaus Kipf (München) thematisierte den im 16. Jahrhundert intensivierten Austausch volkssprachlicher Schwankstoffe und lateinischer Fazetien in beide Richtungen. Von wenigen Ausnahmen abgesehen uferten die lateinischen pointierten Vorlagen bei der Übertragung ins Deutsche aus: Das "erzeugte Lachen" wurde zum "erzählten Lachen". Kipf sieht die Entscheidung für einen bestimmten Übertragungstyp (frei oder wörtlich) immer an die jeweilige Gattung gebunden, in die der Text übertragen wurde.

Ekphrasis und Text-Bild-Relationen

Schon in der Aeneis Vergils als "Abbild" der homerischen Epen wurden die Motive von Umschreibung und translatio in den Ekphrasen besonders deutlich. Haiko Wandhoff (Berlin) konnte in seiner Analyse des "Roman d'Eneas" und Hartmanns "Erec" überzeugend zeigen, dass ähnliche modi auch im 12. Jahrhundert verwendet wurden. Während die Handlung weitgehend unverändert bleibt, werden die Ekphrasen zu dem Ort, an dem der Übersetzer aktualisierende Deutungen einbringt. So wird z.B. die Beschreibung der antiken Gräber als "deskriptive Schlüsselstelle" zur Darstellung der Alterität der antiken, todesverfallenen Welt genutzt.

Auch der anonyme Autor des "Jüngeren Titurel" (ca. 1270) nutzte die Ekphrasen für eine neue Sinngebung der von Wolfram von Eschenbach übernommenen Vorlage, wie Britta Bußmann (Göttingen) ausführte. Sein didaktischer Impetus und die christliche Fundierung des Romangeschehens offenbaren sich in den Architekturbeschreibungen. Die beschriebene und allegorisch auszudeutende Architektur werden so in mehrfachem Sinne zum Lehrgebäude.

Eher "zweisprachige Ausgabe" als Übersetzung war Henrike Manuwald (Köln) zufolge die "Große Bilderhandschrift" des "Willehalm" Wolframs von Eschenbach. Die Aufteilung der Buchseiten in eine Textspalte links und einen parallel dazu laufenden Bildkommentar rechts, der durch Verweisinitialen mit dem Text verbunden ist, erzwingt den Vergleich zwischen beidem. Bei dem Rezipienten wurde die Kenntnis beider "Sprachen" vorausgesetzt. Die Illustratoren nutzten zwei Übertragungsmöglichkeiten: konnotativ und denotativ (Bezug auf die "verbale Oberfläche" des Textes oder auf größere Sinneinheiten). Die Entscheidung für die eine oder andere fiel dann jeweils situativ.

Besondere Formen der Übertragung

Aristoteles' Poetik war dem Abendland bis ins 16. Jahrhundert nur in der arabischen Version des Averroes (12. Jh.) und der Übersetzung derselben ins Lateinische durch Hermannus Alemannus (1256) bekannt. Das griechische Original trat hinter dem arabischen Werk zurück, so Volkhard Wels (Berlin), weil die Uminterpretation der aristotelischen Theorie der Dichtung durch Averroes den lateinischen Übersetzern lange Zeit näher stand als das aristotelische Gedankengut. Begründet wurde die Auswahl der Vorlage durch die Übersetzer mit der leichteren Verständlichkeit der arabischen Fassung.

Kathrin Müller (Berlin) führte als Beispiel für "Visualisierung und Reproduktion von Wissen" sowie den "Dialog über Textwissen" Diagramme aus dem naturphilosophischen Traktat "Dragmaticon" des Wilhelm von Conches (Mitte 12. Jh.) an. Sie konstatierte eine dreifache Übertragungsleistung. Zunächst kompilierte der Autor Wissen Anderer im Text, dann bot er Vorgaben für die Visualisierung dieses kumulierten Wissens. Die individuelle Umsetzung der Vorgaben im Überlieferungszusammenhang bildete dann die dritte Stufe der Übertragung. Dabei wurden verschiedene Textstellen zusammengefügt, so dass die Form auf inhaltlichen Entscheidungen beruht, was wiederum auf eine individuelle Aneignung des Textes verweist.

Im einzigen musikwissenschaftlichen Beitrag der Tagung ging es um die Reproduktionen der Ars cantus mensurabilis musicae (1260-80). In den Abschriften dieses Lehrbuchs zur Mensural-Notation variieren die Musikbeispiele stark und sind manchmal überhaupt nicht spielbar bzw. verständlich. Christian Thomas Leitmeir (London) zog daraus den Schluss, dass die sprachlichen und musikalischen Elemente des Lehrtextes auf unterschiedlichen Überlieferungssträngen weitergegeben wurden. Wie schon bei Logemann, Müller und anderen sind es also die visuellen Elemente, die variabel sind und die individuelle Signatur eines Werkes ausmachen.

In der Übersetzung des Speculum historiale des Vinzenz von Beauvais aus dem Lateinischen ins Französische durch Jehan de Vignay (1320-30) fielen Laurent Brun und Mattia Cavagna (Paris) einige Veränderungen ins Auge, trotz der teilweise wortgetreuen Übersetzung der lateinischen Vorlage: Die Einführung von Miniaturen und Rubrizierungen und vor allem eine Zusammenfassung der schwierigen Details weisen auf divergierende Rezeptionsbedingungen hin. Nicht mehr Kleriker, sondern französische Adelige waren das Zielpublikum des zum "Unterhaltungswerk" umfunktionierten Speculum.

Druckgraphik als Medium von "Übertragungen"

Über den "durch und durch reproduktiven Charakter" der ersten gedruckten Bilder berichtete Peter Schmidt (Frankfurt a.M.). Neben der nur gelegentlichen Aufnahme berühmter Vorbilder (Gemälde, Gnadenbilder) in das neue Medium der Druckgraphik bezogen sich Holzschnitte, Kupferstiche und Metallschnitte weitestgehend aufeinander: Originale Kompositionen fanden sich laut Schmidt in diesem Medium kaum.

Karin Leonhard (Leipzig) zufolge hat das Konzept der "binären Codierung" der Welt seine Wurzeln im 17. Jahrhundert. Sie zeigte dies an den Vorstellungen Descartes' zur Übertragung außenweltlicher Reize in das Gehirn. Descartes ging von einem punktuellen Reizmuster aus, das keine Ähnlichkeit mit seinem Gegenstand hat und dennoch wie beim Kupferstich die Referentialität zu seinem Gegenstand besitzt. Leonhard verglich das Lochmusterkonzept Descartes´ mit der neu entstandenen Mezzotintotechnik, die schon ein nahezu geometrisches Raster aufweise.

Weitergeben - Abschreiben - Edieren

Markus Späth (Gießen) zeigte anhand des Liber instrumentorum seu chronicorum (San Clemente a Casauria, 12. Jh.) auf, dass bei der Übertragung originaler Urkundenlayouts in ein Kopialbuch einzelne Elemente des Schriftbildes mimetisch wiedergegeben wurden. Die exakt wiedergegebenen Urkunden-Layouts fungierten als "Erinnerungsträger" für traditionelle Rechte und Ansprüche des Klosters und ermöglichten Veränderungen im Urkundentext, die demselben Zweck dienten.

Die nur scheinbar simpelste Art der "Übertragung", nämlich die der Informationsüberbringung durch einen Boten, thematisierte Volker Scior (Osnabrück) an Hand eines gut dokumentierten Beispiels. Als Bonifatius im 8. Jh. einen Boten an den Hof des Königs Aethelbald sandte, gab er genaue Anweisungen, wie dem angelsächsischen König die Mahn-Botschaft interpretando et recitando überbracht werden sollte: So durfte die Reihenfolge nicht verändert und nichts ausgelassen werden. Sollicite - gewissenhaft - sollte der Bote die audiovisuell zu rezipierende Botschaft vortragen. Die Wahl eines Priesters als Boten sollte gewährleisten, dass beim Empfänger auch wirklich eine Mahn-Predigt ankam. Letztlich stelle sich die Frage, so Scior, inwiefern man es mit einem Reprodukt der Vorlage oder einem neuen Produkt des Boten zu tun habe.

Dass die Sorgen mittelalterlicher Autoren um Fälschungen und Textkorruption begründet waren, machte Jürgen Wolf (Berlin) an einigen frappierenden Beispielen deutlich. Wenn im frühen 15. Jh. ein Kaplan eine alte Chronik in die Gegenwart fortführte und dabei schon beschriebene Ereignisse wiederverwandte, und wenn ein Heldenbuch nur noch unsinnige Strophen enthält, dann ist die naheliegende Erklärung dafür, dass das Buch zum Schauobjekt verkommen war, zum "Accessoire der Hofkultur".

Im letzten Vortrag der Tagung stellte Klara Vanek (Köln) mit ihren Überlegungen zu "Übertragungen antiker Literatur auf dem Weg der humanistischen Kritik" eine Verbindung zur Sektion "Humanistisches Übersetzen - Antikenrezeption" her. Die von ihr untersuchten Abhandlungen über Textkritik (16. Jh.) forderten eine Rückversetzung des korrupten Textes in den fehlerfreien Urtext und nahmen dabei den Korruptionsprozess in den Blick. Der Zustand eines Textes wurde als Ergebnis von Handlungen und Eigenschaften von Individuen verstanden und aus seinem historischen Kontext gelöst. Die angestrebte Übertragung diente also nicht der Reproduktion, sondern der Wiederherstellung.

Fazit

Abschließend wurde - mit Blick auf die Ergebnisse der Workshops - die Leistungsfähigkeit des Begriffes "Übertragung" diskutiert. Als ebenso weit gefasster Alternativbegriff wurde "Bearbeitung" vorgeschlagen (Volker Honemann, Münster). Albrecht Hausmann (Göttingen) erläuterte jedoch, dass der Begriff "Übertragung" nicht nur methodisch unbelastet sei und auf die Prozesshaftigkeit des Vorgangs verweise, sondern auch die Interdisziplinarität der Diskussion gewährleisten könne. Das Potential des Begriffs sahen auch Andreas Kraß (München) und Haiko Wandhoff (Berlin) vor allem darin, dass er noch offen für eine Definition sei und als Dachbegriff für das interdisziplinäre Gespräch dienen könne.
Im Workshop "Visualisierung" war deutlich geworden, dass in der Kunstgeschichte noch großer Nachholbedarf bezüglich der Terminologie herrscht, während methodische Überlegungen in den Philologien schon etabliert sind. Als Angebot zum interdisziplinären Austausch brachte Cornelia Logemann (Göttingen) ein kunsthistorisches Konzept ein, das zwischen Übertragung von Form, Inhalt und Funktion unterscheidet.

Der eindeutige Erfolg der Tagung zeigte sich nicht zuletzt in der Bereitschaft aller Teilnehmer, sich immer wieder aufeinander zu beziehen und miteinander ins Gespräch zu kommen, wie dies im kleinen Kreis der Forschernachwuchsgruppe schon seit bald drei Jahren praktiziert wird.

Die Publikation der Vorträge ist geplant.

Anmerkung

1 "Übertragung" im Sinne von "Wiedererzählen, Abschreiben, Kopieren, Edieren", zur ausführlichen Definition des Konzepts und der Basisliteratur vgl. Hausmann/Bußmann/Logemann: "Einführung", S. 7-10, unter http://wwwuser.gwdg.de/~zmf/Nachwuchs/Programmheft.pdf

http://wwwuser.gwdg.de/~zmf/Nachwuchs/aktuell.html