Gefangenenloskauf im Mittelmeerraum. Ein interreligiöser Vergleich

Gefangenenloskauf im Mittelmeerraum. Ein interreligiöser Vergleich

Organisatoren
DFG-Projekt „Theologie und Sklaverei von der Antike bis zur Frühen Neuzeit“ Heike Grieser, Universität Mainz; Nicole Priesching, Universität Paderborn
Ort
Paderborn
Land
Deutschland
Vom - Bis
19.09.2013 - 21.09.2013
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Von
Nicole Priesching, Institut für Katholische Theologie, Lehrstuhl für Kirchengeschichte und Religionsgeschichte, Universität Paderborn / Heike Grieser, Katholisch-Theologische Fakultät, Seminar für Kirchengeschichte, Abteilung Altertum und Patrologie, Johannes Gutenberg-Universität, Mainz

Die Tagung „Gefangenenloskauf im Mittelmeerraum. Ein interreligiöser Vergleich“ vom 19. bis 21. September in Paderborn zielte darauf ab, den Loskauf von (Kriegs-)Gefangenen bzw. Sklaven als zentrales Thema einer interreligiösen Beziehungsgeschichte zu beleuchten. So wurde der Loskauf von Juden, Christen und Muslimen durchgeführt, um die eigenen Glaubensbrüder und -schwestern aus der Hand ihrer andersgläubigen Sklavenhalter zu befreien. Vor den unterschiedlichen kulturellen Hintergründen wurde nach Gemeinsamkeiten und Unterschieden in Theorie und Praxis gefragt. Die Tagung fand im Rahmen des DFG-Projektes „Theologie und Sklaverei von der Antike bis zur Frühen Neuzeit“ der Kirchenhistorikerinnen Heike Grieser (Mainz) und Nicole Priesching (Paderborn) statt und behandelte den Loskauf als Kehrseite der Sklaverei in einer longue durée- Perspektive.

Die erste Sektion widmete sich der Antike und wurde von Elisabeth Herrmann-Otto (Trier) moderiert.

Als Erste sprach CATHERINE HEZSER (London) über den Loskauf im antiken Judentum, der grundsätzlich dann befürwortet wurde, wenn die eigene Gruppe davon profitierte. Während die hebräische Bibel den Loskauf als individuelle Handlung der Familie schätzte, propagierte sie zugleich den Gott der Israeliten als Befreier/ Erlöser aus der Gefangenschaft. Philo von Alexandrien gebrauchte die Begriffe von Sklaverei und Gefangenschaft meist metaphorisch, um eine mangelnde Selbstkontrolle zu kritisieren, während Flavius Josephus vorwiegend den realen Loskauf von Mitgliedern königlicher Familien oder durch königliche Wohltäter thematisierte. Die rabbinische Literatur brachte den Loskauf häufig mit der Sorge um die Bewahrung des jüdischen Glaubens in Verbindung. Erörtert wurden die Frage nach dem rechtlichen und moralischen Status des Losgekauften, das Problem der Zahlung überhöhter Preise sowie die Kriterien, nach denen eine Auswahl der Loszukaufenden erfolgen sollte.

In der anschließenden Aussprache wurde betont, dass man Sklaverei nur dann als aufzuhebendes Unrecht betrachtete, wenn die eigene ethnische Gruppe betroffen war. Sich verändernde Einschätzungen der Gesamtthematik könnten auch mit der Konkurrenzsituation zum frühen Christentum in Verbindung zu bringen sein.

Vor allem den Bischof als Repräsentanten seiner Gemeinde und als Verwalter ihrer Finanzen nahm HEIKE GRIESER (Mainz) in ihrer Analyse der spätantiken christlichen Quellen in den Blick. Gleichwohl galt der Freikauf seit jeher auch als humaner, solidarischer Akt und Ausdruck hervorragender Frömmigkeit einzelner Christen. Für die redemptio captivorum warben insbesondere die biographisch-hagiographische Literatur und die Predigten, auffallenderweise in Gallien deutlich intensiver als in Italien oder Afrika. Begründet wurde ein solches Engagement nicht nur mit paganen und jüdischen Traditionen sowie neutestamentlichen Texten, sondern auch mit der angestrebten Wiederherstellung einer ursprünglichen Ordnung, die man unter Einbeziehung unter anderem römischer ius naturale-Vorstellungen theologisch immer tiefer reflektierte.

Diskutiert wurde im Folgenden, ob das Werben für den (orthodoxen) christlichen Glauben und die damit verbundene Auseinandersetzung mit Heiden und Häretikern einen besonderen Einfluss auf die Loskaufpraxis ausgeübt habe. Motivierend wirkte möglicherweise auch der Wunsch einzelner Bischöfe nach einer entsprechenden Klientel von Losgekauften, die diesem ihrerseits gegebenenfalls zu Gegenleistungen verpflichtet waren.

Im letzten Vortrag der ersten Sektion beleuchtete ADRIS NASSERY (Paderborn) Sklaverei und Loskauf im Islam. Er betonte das starke karitative Anliegen des Propheten Muhammad und stellte die zentrale Bedeutung des Loskaufs als gottgefälliges Werk heraus, wobei er vor allem auf den Koran und die muslimischen Rechtsschulen einging. Nach Nasserys Interpretation lassen sich aus dem Koran Argumente für eine muslimische Abolitionsbewegung gewinnen. Die theologiegeschichtliche Annäherung kann freilich nicht darüber hinwegtäuschen, dass sich in der weiteren Geschichte Normenkonflikte sowie Diskrepanzen zwischen Theorie und Praxis ergaben.

In der Diskussion wurde festgehalten, dass sowohl für die Koranexegese als auch für die rechtlichen Entwicklungen stark regional differenziert werden muss. Von Bedeutung ist schließlich auch die politische Stabilität in den verschiedenen Regionen.

Christoph Cluse (Trier) moderierte die zweite Sektion, die das Mittelalter umfasste und dabei auch Byzanz und Russland in den Blick nahm.

In ihrem Abendvortrag widmete sich MIRIAM FRENKEL (Jerusalem) den jüdischen Verhältnissen des 11. und 12. Jahrhunderts und schlug damit einen Bogen zu den Ausführungen von Catherine Hezser. Das talmudische Gebot des Gefangenenloskaufs erhielt als mitsvah rabbah höchste Relevanz; durch seine herausragende Stellung im Gesetzbuch des Maimonides wurde es sogar möglich, Mittel, die für den Synagogenbau vorgesehen waren, zu verwenden. Der hohe Praxisbezug jenes normativen Textes dokumentiere die Aktualität des Gefangenenloskaufs zu dieser Zeit im Mittelmeerraum. Anhand verschiedener historischer Fälle, die zum Teil aus den Geniza-Briefen zu rekonstruieren sind, erläuterte Frenkel detailliert konkrete Aspekte des Loskaufs, den sie als zentralen Bestandteil des jüdischen Handels- und Wirtschaftssystems charakterisierte.

Großes Interesse bestand in der Aussprache an den Modalitäten des Freikaufs und der Rückzahlung der entsprechenden Beträge, schließlich an den häufig als Händlern bezeichneten Übermittlern des Loskaufgeldes und an den Geld- und Handelsrouten. Die Frage nach einer unterschiedlichen Bewertung der Gefangenschaft von Juden in der Hand von Christen bzw. Muslimen stelle in der Forschung weiterhin ein Desiderat dar.

Am nächsten Morgen richtete JOHANNES PAHLITZSCH (Mainz) seinen Blick auf den Gefangenenloskauf in der spätbyzantinischen Zeit vom 13. Jahrhundert bis zur osmanischen Eroberung Konstantinopels 1453. Beim Loskauf von Griechen, auch aus den Händen lateinischer Christen, spielten nicht nur die byzantinischen Kaiser und ihre Familienangehörigen, sondern auch Einzelinitiativen orthodoxer Kleriker eine entscheidende Rolle. Dies illustrierte Pahlitzsch unter anderem anhand eines Spenden erbetenden Musterbriefes eines Bischofs. Einblicke in konkrete Schicksale auch der einfachen Bevölkerung gewähren daneben die Aktenbestände einzelner Klöster, während verschiedene Testamente über weitere Akteure und Motive des Loskaufs informieren.

Vor allem die religiösen Argumentationen und Interpretationen der Ereignisse nahmen in der Diskussion einen breiten Raum ein, insofern der Niedergang des byzantinischen Reiches ursächlich mit Sünden und Straftaten in Verbindung gebracht werden konnte und zahlreiche Umkehraufrufe initiierte.

Mit seinem Vortrag über die Anfänge des Mercedarierordens am Beginn des 13. Jahrhunderts korrigierte NIKOLAS JASPERT (Bochum) entscheidend die bis heute geläufige, vor allem auf der hagiographischen Literatur basierende Vorstellung von einer königsnahen Loskaufbewegung um den legendären Ordensgründer Petrus Nolascus. Vielmehr gehe der Orden ursprünglich aus einer städtischen Initiative bzw. einer Laienbruderschaft hervor und weise unter anderem deshalb Ähnlichkeiten mit den Bettelorden auf. Darüber hinaus war der Gefangenenloskauf, wie insbesondere katalanische Archivunterlagen belegen, keineswegs ausschließlich eine Sache der Herrschaft, sondern häufig das Resultat städtischen bzw. privaten Engagements.

Regen Diskussionsbedarf erzeugte insbesondere die Konkurrenzsituation der Mercedarier zu den Trinitariern und den Ritterorden in den Kreuzfahrerstaaten. Erörtert wurde darüber hinaus, ob der Loskauf im Kontext der Armutsbewegung insgesamt eine religiös motivierte Aufwertung erfuhr.

Den Abschlussvortrag in der Mittelaltersektion hielt YEHOSHUA FRENKEL (Haifa) über das Mamlukkensystem, eine nur in der muslimischen Welt verbreitete Form der Sklaverei, die von einer extremen sozialen Mobilität gekennzeichnet war. Frenkel illustrierte, dass mamlukkische Juristen den Freikauf als kollektive Pflicht unter Rekurs auf die Forderungen des Korans und Hadith-Sammlungen propagierten. War ein primär erwünschter Gefangenenaustausch nicht möglich, so finanzierte die Schatzkammer die Befreiung; daneben wurden auch private, religiöse Stiftungen zu diesem Zweck gegründet. Eine Konversion der christlichen Gefangenen sei nicht das vorrangige Ziel gewesen.

In der anschließenden Diskussion wurde nochmals die enorme politische Bedeutung des Loskaufs betont, dessen konkrete Ausgestaltung vom jeweiligen Herrscher bestimmt wurde. Die Loskaufpropaganda wiederum bezog ihre Argumente vorwiegend aus dem religiösen Bereich und dokumentiert auf diese Weise die bereits häufig konstatierte Verquickung von Politik und Religion.

In der letzten Sektion zur Frühen Neuzeit teilten sich Ludolf Pelizaeus (Mainz) und Nicole Priesching (Paderborn) die Moderation.

Zum Auftakt betonte MINNA ROZEN (Haifa) nochmals die Bedeutung der Forderung nach dem Loskauf von jüdischen Gefangenen (pidyon shevuyim) als zentrales Gebot des Talmud (mitsvah rabbah) und die damit zum Ausdruck gebrachte besondere weltweite Solidarität. So richteten jüdische Gemeinschaften in der Diaspora entsprechende Geldfonds ein, die durch zusätzliche Spendenaktionen aufgestockt werden konnten, um die vor allem durch Piraterie, Krieg oder Schulden in Gefangenschaft geratenen Juden freizukaufen. Eine bislang unedierte, in Jerusalem entstandene Briefsammlung aus den Jahren 1625-1670 gewährt detailreiche Einblicke vor allem in die finanziellen Aspekte der Abwicklung eines Loskaufs und die anschließende Rückzahlung des Loskaufpreises an die jeweiligen Stifter.

Anschließend wurde in Anlehnung an die Entstehung der norddeutsch-protestantischen Sklavenkassen geklärt, dass die jüdischen Gemeinden der Seerepublik in religiöser und finanzieller Hinsicht zumindest freier agieren konnten als zum Beispiel in Byzanz. In Bezug auf den Umlauf der Loskaufbriefe hob Rozen hervor, dass die von ihr analysierten Briefe durch den Kollektor in den Gemeinden kursierten und im Laufe der Reisen gesammelt wurden, wodurch die mitgeführten Konvoluten stetig zunahmen.

NICOLE PRIESCHING (Paderborn) ging auf die römische Erzbruderschaft der Gonfalone ein, die 1581 von Papst Gregor XIII. mit dem Loskauf für den Kirchenstaat beauftragt wurde. Sie beschrieb die Organisation und Durchführung der ersten Loskaufaktionen in Algier und ein Netzwerk verschiedener Akteure, die zwischen 1585 und 1800 weniger als 1000 Menschen loskauften und mit den Trinitariern sowohl kooperierten als auch konkurrierten. Der Vortrag endete mit einem Plädoyer, die Bedeutung von Religion im Kontext des Loskaufs künftig unter folgenden Aspekten stärker zu berücksichtigen: 1. Religionszugehörigkeit der Sklaven, 2. vielschichtige Motivation der Loskäufer und der Almosengeber, 3. Ausdifferenzierung der Loskäufer in unterschiedliche Akteure/Gruppen (Bruderschaften/ Orden), 4. die diskursive Ebene, 5. die theologiegeschichtliche Ebene.

An ihren Beitrag schloss sich eine rege Diskussion an, die auf eine stärkere Verbindung des institutionsgeschichtlichen Ansatzes mit der Religionsgeschichte zielte. Im Hinblick auf die Frage nach dem Stellenwert des Faktors Religion beim Loskauf und die Medialität von religiösen Loskauforganisationen wurde von einigen die human-religiöse Motivation zum Loskauf weit höher als die rein ökonomische eingeschätzt, während andere die Religion nur als gesellschaftlichen Überbau bewerteten: Höher zu veranschlagen sei die primär anthropologische Erfahrung des Verlusts geliebter Familienangehöriger.

CHRISTOPH WITZENRATH (Aberdeen) gab anschließend aus einer hagiographischen Perspektive einen Einblick in die Loskaufthematik im Moskauer Reich, das sich ikonographisch als Neues Israel präsentierte. Die Aufgabe des Loskaufs aus der Hand der Tartaren beanspruchte der Zar für sich; dabei wurden Beziehungen zur Exoduserzählung, zu Moses und zur Josephsgeschichte hergestellt. Analoge herrschaftsstabilisierende Absichten lassen sich auch im Rekurs auf zahlreiche Viten und Darstellungen des sklavenbefreienden Hl. Nikolaus erkennen. In der Praxis waren im Auftrag des moskowitischen Außenamtes zahlreiche Kaufleute unterschiedlicher Herkunft in die Organisation des Loskaufs auf der Krim, in Zentralasien und im Osmanischen Reich involviert. Dementsprechend überkreuzten sich auf hagiographischer Ebene islamische und christlich-orthodoxe Sichtweisen auf Heilige und Propheten.

In der Aussprache wurde darauf aufmerksam gemacht, dass die Rezeption der Exoduserzählung im Kontext des jüdischen Loskaufs offenbar keine Rolle spielte, sondern nur in christlichen Bedrohungsszenarien auftauchte. Bemerkenswert seien schließlich die unterschiedlichen Deutungen der von Muslimen und Christen gemeinsam verehrten Heiligen.

Neue Einsichten vermittelte SALVATORE BONO (Rom) in seinem Vortrag zum Loskauf muslimischer Sklaven unter christlicher Herrschaft in Europa (16.-19. Jahrhundert). Dass sich Muslime weniger ostentativ um ihre versklavten Glaubensbrüder kümmerten, deutete Bono nicht als ein Zeichen mangelnder Solidarität, sondern als eine geschickte Loskaufstrategie. Vermehrte Initiativen marokkanischer Herrscher ab der Mitte des 18. Jahrhunderts ermöglichten den Freigekauften, entweder in ihre Heimat zurückzukehren oder sich am Ort ihrer ehemaligen Gefangenschaft als Freie zu integrieren.

In der Diskussion um die terminologische Unterscheidung zwischen (Kriegs-)Gefangenen (ital. captivi) und Sklaven (ital. schiavi) erklärte Bono, dass eine rechtlich-philosophische Definition und eher deduktive Vorgehensweise für seine Forschungen unergiebig gewesen seien. Vielmehr plädierte er dafür, die Lebenswelt von Sklaven bzw. Gefangenen am historisch-konkreten Material zu erschließen.

DANIEL STEINKE (Paderborn) stellte am Beispiel der 1625 von Vinzenz von Paul gegründeten Lazaristen den Loskauf als eine Form von Sklavenseelsorge vor. Durch die Übernahme der französischen Konsulate in Algier und Tunis Mitte der 1640er-Jahre war es den Lazaristen möglich geworden, die christlichen Sklaven langfristig religiös zu betreuen. Der Loskauf habe hierbei eine nachgeordnete Rolle gespielt. Die Hinwendung zur Sklavenseelsorge verortete Steinke in den Kontext eines neuen missionarischen Selbstverständnisses der katholischen Kirche im 17. Jahrhundert. Kennzeichnend für die spezifisch katholische Antwort auf das Sklavereiproblem sei insbesondere der Wille zur Verstetigung der religiösen Betreuung der Christensklaven vor Ort gewesen, wodurch punktuelle Loskaufaktionen an Bedeutung verloren hätten.

In der anschließenden Diskussion wurden der Zusammenhang und die Verhältnisbestimmung zwischen innerer und äußerer Freiheit thematisiert, wodurch sich jeweils Handlungsoptionen im Umgang mit Sklaverei generieren ließen. Das Christentum habe die Priorität auf die innere Freiheit verlagert. Ob dies auch der Perspektive der Betroffenen entsprach, sei mit Hilfe der Quellen nicht zu klären.

MAGNUS RESSEL (Frankfurt am Main) beschloss die dritte Sektion mit Ausführungen zum Wandel der Perzeption von Christensklaverei in Nordafrika durch die protestantische Geisteswelt. In den seit etwa 1610 nach Nordeuropa gelangten Loskaufbriefen wurden die Barbareskenstaaten unauflöslich mit der Sklaverei von Christen in Verbindung gebracht. Im Zuge des 17. Jahrhunderts setzte bei den Eliten eine Systematisierung des Wissens ein. Dabei führte die Überblendung des etablierten Osmanenbildes mit der Wahrnehmung der Barbaresken im protestantischen Nordeuropa zunächst zu einer Übernahme des „Schreckensbildes“. Um 1725 kam es zu einem Durchbruch des durch die Protestanten gepflegten Barbareskenbildes, als ihre Ansichten in die französische Literatur aufgenommen wurden. Das Barbareskenbild der Aufklärung, in dem die Korsaren teilweise sogar idealisiert wurden, hatte viele Wurzeln in den Werken der nordeuropäischen Protestanten des 17. Jahrhunderts. Dies mündete in eine Verharmlosung der Lebenssituation von christlichen Sklaven in Nordafrika.

In der Diskussion wurde festgestellt, dass es sich hierbei nicht um verhaltensnormierende Anti-Renegaten-Diskurse handelte. Angemerkt wurde, dass man zum Beispiel in den reformierten Kirchen Rutheniens die islamische Gefangenschaft als weniger schlimm als die katholische Sklaverei bei den Polen ansah. Außerdem spielte im protestantischen Diskurs Sünde als Grund für die Versklavung lediglich bei den Reformierten, nicht aber bei den Lutheranern eine Rolle.

Die lebendige Abschlussdiskussion verdeutlichte, dass der interreligiöse und interkonfessionelle Vergleich in der Forschung zu Sklaverei und Gefangenenloskauf nicht vernachlässigt und hinter die Analyse politischer und wirtschaftlicher Interessen gestellt werden dürfe: Alle Faktoren seien in einen Diskurs zu stellen und zu verlinken.
Die vertieften Einblicke der Tagung in die Thematik des Gefangenenloskaufs konkretisierten Gemeinsamkeiten und Unterschiede, wobei der Faktor Religion auf christlicher Seite wohl auch aufgrund der in religiösen Kontexten produzierten Quellen bereits stärker im Forschungsinteresse steht als auf jüdischer und muslimischer. Die Tagung eröffnete somit nicht nur neue Perspektiven auf den Gefangenenloskauf in der longue durée, sondern förderte auch Desiderate zu Tage. Deren Gemeinsamkeit besteht wiederum darin, den Zusammenhang zwischen religiösen Normen und der jeweiligen Praxis in allen drei abrahamitischen Religionen noch stärker zu erforschen.

Konferenzübersicht:

Begrüßung und Einführung: Nicole Priesching (Paderborn) und Heike Grieser (Mainz)

Sektion I: Antike

Moderation: Elisabeth Herrmann-Otto (Trier)

Catherine Hezser (London): Der Loskauf von Sklaven und Kriegsgefangenen im antiken Judentum

Heike Grieser (Mainz): Der Loskauf Gefangener im frühen Christentum: Motive und Propaganda

Adris Nassery (Paderborn): Sklaverei und Loskauf in muslimischer Perspektive

Sektion II: Mittelalter

Moderation: Christoph Cluse (Trier)

Miriam Frenkel (Jerusalem): Ransoming of Captives in the medieval Jewish Society under Islam – Theory and Practice

Johannes Pahlitzsch (Mainz): Zum Loskauf von griechischen Gefangenen und Sklaven in spätbyzantinischer Zeit

Nikolas Jaspert (Bochum): Institutionalisierter oder privater Gefangenenloskauf in Aragon und die Anfänge des Mercedarierordens

Yehoshua Frenkel (Haifa): Fikak al-Asir. The ransom of Muslim prisoners in the Mamluk Sultanate

Sektion III: Frühe Neuzeit

Moderation (Teil I): Ludolf Pelizaeus (Mainz)

Minna Rozen (Haifa): Means and Ways of Financing the Redemption of Prisoners in the Mediterranean World of the Seventeenth Century

Nicole Priesching (Paderborn): Die Erzbruderschaft der Gonfalone als Loskauforganisation für den Kirchenstaat

Christoph Witzenrath (Aberdeen): Hagiographie und Loskauf im Moskauer Reich

Salvatore Bono (Rom): Riscatto di schiavi musulmani in Europe

Moderation (Teil II): Nicole Priesching (Paderborn)

Daniel Steinke (Paderborn): Loskauf und Sklavenseelsorge – Die Missionsstrategie von Vinzenz von Paul und der Lazaristen in Algier und Tunis (1645-1660)

Magnus Ressel (Frankfurt am Main): Die Perzeption der Christensklaverei in Nordafrika durch die protestantische Geisteswelt. Ein Querschnitt in der longue durée (1623-1800)

Zusammenfassung und Abschluss: Nicole Priesching (Paderborn) und Heike Grieser (Mainz)


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