Alemannisches Recht und alltägliches Leben – das frühe Mittelalter im interdisziplinären Gespräch

Alemannisches Recht und alltägliches Leben – das frühe Mittelalter im interdisziplinären Gespräch

Organisatoren
Forschungsverbund „Archäologie und Geschichte des ersten Jahrtausends in Südwestdeutschland“, Albert-Ludwigs-Universität Freiburg im Breisgau; in Verbindung mit dem Alemannischen Institut Freiburg und dem Historischen Institut, Universität Duisburg-Essen
Ort
Freiburg
Land
Deutschland
Vom - Bis
11.07.2013 - 13.07.2013
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Von
Christine Kleinjung, Historisches Seminar, Lehrstuhl für Mittelalterliche Geschichte I und Abteilung für Landesgeschichte, Universität Freiburg

Der Forschungsverbund Archäologie und Geschichte des ersten Jahrtausends in Südwestdeutschland widmet sich seit seiner Gründung 1984 dem interdisziplinären Gespräch zwischen Mittelalterlicher Landesgeschichte und Archäologischen Wissenschaften. Vom 11. bis 13. Juli 2013 stand die Lex Alamannorum und ihr Verhältnis zu Recht und Alltag aus archäologischer, historischer und rechtshistorischer Sicht im Mittelpunkt. Es sollten die dringlichen Forschungsfragen in Bezug auf Gens, Recht und Lebenswirklichkeit sowie die vor einigen Jahren neu aufgeworfene Fälschungsthese bezüglich der Entstehung der Lex diskutiert werden.

Ein zentrales Forschungsproblem bleibt der Raumbezug der Lex Alamannorum, ihre Reichweite und historische Kontextualisierung. Die Grenzen der Alemannia, worunter der Siedlungsraum der Alemannen und der Herrschaftsraum des/der alemannischen Herzogs/Herzöge zu verstehen ist, können weder aus sprachlichen Zeugnissen (Dialektgrenzen) noch durch Grabbeigaben bestimmt werden. Dies betonte DIETER GEUENICH (Duisburg-Essen) in seinem Eröffnungsvortrag. Es gebe zudem keine Schriftquellen, welche das alemannische Siedlungsgebiet klar benannten. Dieter Geuenich verortete die Abfassung der Lex Alamannorum auf der Reichenau unter Herzog Lantfrid 709-730. Über welche Kompetenzen genau aber ein Herzog verfügte, sei unklar; inwieweit er das Land mit Herrschaft überzog und durchdrang, bleibe aufgrund der unsicheren Quellenlage ebenfalls ungewiss.

Es folgte ein Überblick von EVA SCHUMANN (Göttingen) über Entstehung und Charakter der frühmittelalterlichen Leges aus rechtshistorischer Sicht. Sie hob den Unrechtsausgleich als zentrale Funktion der Lex hervor. Nach der Behandlung der Aufzeichnungszeiträume, Überarbeitungsvorgänge und der Effektivität widmete sich Eva Schumann der Frage nach der Verbindung von Gens und Lex. Sie betonte, dass die Leges als identitätsstiftendes Moment dienten und zur Ausbildung eines gentilen Bewusstseins beitragen konnten. Sie wies jedoch auch darauf hin, dass noch viele Fragen offenblieben, etwa ob sich die Gentes der Gemeinsamkeiten ihrer Leges bewusst gewesen und volkssprachliche Rechtsbegriffe als Teil der gemeinsamen gentilen Identität anzusehen seien. Der gentile Bezug werde dabei schon im Titel sichtbar: Selbst wenn die Lex Alamannorum eine Fälschung sein sollte, gab der Autor der Lex eben das Gewand eines Stammesrechtes.

Eva Schumann sah durch die Fälschungsthese das Verhältnis von Text und Rechtswirklichkeit nicht berührt. CLAUS-DIETER SCHOTT (Zürich) stellte seine These im Anschluss an Schumanns Vortrag auf der Tagung vor. Er lehnte die gängige Datierung in die Zeit Herzog Lantfrids ab. Seine Argumentation stützte sich vor allem auf zwei Indizien: zum einen auf die Textgestaltung und -entwicklung, die verschiedene Zuschreibungen kenne, einmal auf Chlothar sowie einmal auf Lantfrid. Den Hauptgrund für einen Fälschungsverdacht sah Schott im Artikel I der Lex, der das freie Verfügungsrecht zugunsten der Kirche vorsah. Schott halte eine solche Erbbestimmung für „unerhört“ und sah sie im Widerspruch zur bestehenden Gesellschaftsordnung, die auf der Gebundenheit des Eigentums basierte. Den Artikel der Lex zu Vermögensvergaben zu Gunsten der Kirche und die Umfirmierung auf Chlothar wertete Schott als klare Indizien für eine Fälschung der Lex Alamannorum auf der Reichenau zu ihren Gunsten, entstanden kurz nach Lantfrids Tod um 740 herum, nachdem die Karolinger die neuen Herren in Alemannien geworden waren.

WOLFGANG HAUBRICHS (Saarbrücken) widmete sich den volksprachlichen Begriffen in der Lex Alamannorum. Er bot einen detaillierten Überblick zu den verschiedenen Handschriftengruppen und ihrem volkssprachlichen Bestand. Manche Handschriften zeigten ein deutliches Unverständnis gegenüber dem theodisken Wortschatz, wie drastische Verschreibungen zeigten. Einen Schwerpunkt legte Haubrichs auf Funktion und Semantik. Die pragmatische Funktion der volkssprachlichen Wörter habe in der Spezifizierung des lateinischen Textes in einheimischen Fachbegriffen aus dem lebenspraktischen Wortschatz gelegen. Andere Rechtsfachwörter bezeichneten ganze Rituale und fassten sie als eine Art Kennwort zusammen. Hingegen dienten unspezifische volkssprachliche Ausdrücke zur Erläuterung eines lateinischen Begriffs und bezweckten die Einordnung eines Details in sonstige umliegende Delikte. Nach sprachgeschichtlichen Kriterien sei die Lex Alamannorum auf die 1. Hälfte des 8. Jahrhunderts zu datieren.

Im Abendvortrag griff HEIKO STEUER (Freiburg) die Frage nach der Raumausdehnung der Alemannia auf. Die Leges betrafen ohne Zweifel in erster Linie Personen und nur indirekt ein Territorium. Wer aber seien die Alemannen und wie lasse sich eine Begrenzung der Alemannia beschreiben? Weder anhand von Grab- noch anhand von Siedlungsbefunden könne eine ethnische Einheit erfasst werden. Erfasst würden Traditionsgemeinschaften. Die Grenzen einer Alemannia für das 6. bis 8. Jahrhundert seien aus den Schriftquellen nicht auszumachen. Auch die Archäologie könne nicht weiterhelfen, sie erfasse Nachbarschaften, große und kleine Räume, in denen Güter verteilt würden. Die Archäologie könne Lebensstil und weitverbreitetes Verhalten beschreiben, aber kein Verhalten der Alemannen. Aus Sicht der Archäologie sei die Alemannia daher eine Konstruktion.

Der nächste Tag behandelte vor allen Dingen sozialgeschichtliche Fragen. HEINZ KRIEG (Freiburg) beschäftigte sich mit der Sozialstruktur, die uns aus Pactus und Lex entgegentrete. Eine konstitutive Bedeutung komme der Unterscheidung zwischen Unfreien und Freien zu. Die Dreiteilung innerhalb der Freien spiegele sich im Wehrgeld wieder. Doch eine nach Rang und Status differenzierende Behandlung des Denkens und Handelns nach den Leges sei, so Heinz Krieg, nicht möglich. Leges böten vor allen Dingen die kirchliche und herzogliche Perspektive. Das hohe Maß an Gewaltbereitschaft könne als prägendes Element der Lebenswelt gewertet werden, die zudem landwirtschaftlich ausgerichtet war. Im Anschluss an die Fälschungsthese Schotts hob auch Krieg die bevorzugte Behandlung von Kirchensachen in der Lex hervor. Doch relativierte er die Bedeutung des Artikels I: das am Familienverband orientierte Denken sei stark gewesen und es sei davon auszugehen, dass der Artikel daher kaum auf gesamte Erbgüter zielte, sondern zunächst die Ansprüche der Kinder und anderer Verwandter berücksichtigt werden mussten. Noch auf einer anderen Ebene könne die Kollektivgebundenheit des Eigentums beobachtet werden: Niemand durfte einen Unfreien außerhalb der Provinz verkaufen. Wobei weiterhin unklar bleibe, welches Gebiet mit dieser provinica eigentlich gemeint sei.

SEBASTIAN BRATHER (Freiburg) konnte mit seinem Vortrag an die bisher geäußerten methodischen Überlegungen zu den Alemannen und „ihrer“ Alemannia anknüpfen. An einer Bestattung waren der Verstorbene, die Bestattenden (Familie, soziale Gruppe) und ein Publikum (Lokalgesellschaft) beteiligt. Greifbar seien lokale Eliten, über rechtlichen Status könnten jedoch keine Aussagen gemacht werden. Rechtstexte und archäologischer Befund stünden aber nicht im Widerspruch zueinander, sondern ergänzten sich, da die Lebenswelt Niederschlag in normativen Texten fand. So reflektierten Lex und Grabfunde soziale Hierarchien über ein größeres Spektrum. Es seien dabei kaum Unterschiede zwischen Männern und Frauen zu erkennen - nicht Geschlecht, sondern sozialer Rang und familiäre Herkunft dürften entscheidend gewesen sein. Königliche oder herzogliche Amtsträger ließen sich dort vermuten, wo die Archäologie traditionell den Adel suche. Gräber fänden sich auf dem Hofareal von Herrenhöfen oder in der Nähe von frühen Kirchen.

Für eine beträchtliche Anzahl der merowingerzeitlichen Gräber lässt sich eine spätere Öffnung feststellen. Dieses Phänomen wurde bisher allgemein als Grabraub bezeichnet. STEFANIE ZINTL (Thierhaupten) thematisierte in ihrem Vortrag die Gräberöffnungen anhand einer Mikroraumstudie zum Umland von Regensburg. Auf einem über 200 Jahr genutzten Friedhof mit stabilen Begräbnis-Bräuchen ließen sich regelmäßige Graböffnungen feststellen. Die Öffnungen hätten offenbar keinerlei negativen Einfluss auf die weitere Nutzung gehabt. Graböffnungen zielten auf Beigaben, die inkonsequente Entnahme mache materielle Bereicherung als Hauptmotiv aber unwahrscheinlich. Männer-, Frauen- und Kindergräber wurden gleichermaßen geöffnet. Zintl kontrastierte diesen Befund methodisch umsichtig mit den Aussagen der Leges, um zu diskutieren, ob die Graböffnungen durch die Bestattungsgemeinschaft oder durch andere Gruppen erfolgen, und ob die Bestimmungen der Leges sich in den beobachtbaren Gräberfeldern wiederspiegelten. Viele Zusammenhänge und auch die Intention für die Graböffnungen bleiben aber, so die Referentin, weiterhin unklar.

THOMAS ZOTZ (Freiburg) eröffnete die Vorträge zu Siedlungsformen und untersuchte Haus und Hof in schriftlichen Zeugnissen. Als Quellenbegriffe erscheinen domus, casa, curtis und villa. Zotz untersuchte das Verhältnis der Begriffe zueinander und kam zu einer begriffsgeschichtlichen Bestimmung: casa begegne sehr viel seltener als domus, in der Lex Alamannorum praktisch gar nicht, in der Lex Baiuwaiorum seien damit die Hütten der Kirchensklaven gemeint. Villa werde in der Lex Alamannorum in der Bedeutung „Fronhof“ verwendet, die Wortbedeutung „Dorf“ finde sich jedoch in Traditionsnotizen und Schenkungsurkunden für St. Gallen. Zotz erweiterte den Blick auf Siedlungsformen in der schriftlichen Überlieferung der frühen Karolingerzeit. Mit Ausdifferenzierung sei grundsätzlich zu rechnen, allerdings nicht unbedingt in der Alemannia, in der das Königtum nicht so präsent war wie in zentralen Regionen des Frankenreichs. Als Ergebnis für die Alemannia lasse sich festhalten, dass das Wort domus für das Haupthaus einer Siedlungseinheit verwendet wurde, wohingegen casa im grundherrschaftlichen Kontext eher die Hütten der Abhängigen meinte. Curtis sei über die häufig belegte Bedeutung von Hofstatt hinaus eine Bezeichnung für den herrschaftlichen Besitz eines Bischofs, Königs,Herzogs etc.

VALERIE SCHOENENBERG (Freiburg) stellte anschließend Siedlungsformen aus archäologischer Sicht am Beispiel der Siedlung Lauchheim vor. Anders als die Geschichtswissenschaft, erfasse die Archäologie die horizontale Struktur einer Siedlungsform. Die Archäologie fördere eine Vielfalt an Gebäuden zu Tage, die in den Leges erwähnten Bauteile könnten hierbei allerdings nicht als „Checkliste“ dienen. Es gebe keine Regelhaftigkeit, es sei keine spezifisch alemannische Bauweise festzustellen. Durch eine verstärkte archäologische Forschung differenziere sich das Bild laut Schoenenberg weiter aus, statt sich zu vereinheitlichen. Ein Abgleich der Aussagen der Leges mit dem archäologischen Befund sei nicht möglich, da die Quellengattungen „archäologischer Befund“ und „Schriftquelle“ unterschiedlichen Kategorien angehörten und Kongruenz allenfalls zufallsbedingt sei. Daher hätten die Ergebnisse eigenständig nebeneinander zu stehen.

Aus der Lex Alamannorum entsteht das Bild einer landwirtschaftlich geprägten Gesellschaft. HUBERT FEHR (Freiburg) behandelte Agrarwirtschaft und Handwerk vor dem Hintergrund der Historischen Narrative über Verfall und Untergang Roms sowie über die landwirtschaftliche Revolution des frühen Mittelalters. Fehr stellte die Frage nach der Effektivität frühmittelalterlicher Agrarwirtschaft und des Handwerks vor dem Hintergrund des Narrativs vom „Decline of the Roman Empire“. Er erteilte den auf der Klimaforschung basierenden Thesen der Klimaverschlechterung und eines daraus resultierenden Nahrungsmangels eine klare Absage. Es gebe keine Hinweise auf eine Krise, vielmehr sei der Lebensstandard der ländlichen Bevölkerung im Frühmittelalter nicht schlechter gewesen als in der römischen Epoche, der Ernährungsstatus sei sogar höher gewesen. Aus archäologischer Sicht erscheine so eine ländlich geprägte Gesellschaft, die über einen gewissen Wohlstand verfügte.

WILFRIED HARTMANN (Tübingen) griff mit seinem Vortrag zum Einfluss des Christentums eine Thematik auf, die sich auf der Tagung an vielen Stellen als signifikant für die Lex Alamannorum herausstellte. In ihren inhaltlichen Bestimmungen griffen die Leges Verstöße gegen christliche Gebote auf und thematisierten an vielen Stellen das Verhältnis von Glaube und Recht (Kirchengut, Angriffe auf kirchliche Amtsträger, den Verkauf von christlichen Sklaven, Kirchenasyl). Die Lex Alamannorum (ebenso wie die Lex Baiuwaiorum) bestünde in weiten Teilen aus Gewohnheitsrecht, aber in sprachlicher Gestalt und in inhaltlichen Punkten gebe es große Nähe zu christlichen Vorstellungen, die aus christlichen Texten entnommen worden seien. Die Lex Alamannorum sei in der Zeit Karls des Großen so oft abgeschrieben worden, da sie der Vorstellung von einem christlichen Leben entsprach. Unabhängig von der Frage, ob sie vor Gericht verwendet wurde, passe sie den Mönchen, die sie geschrieben haben sehr gut für ihre Vorstellungen von christlichem Leben.

An die Überlegungen von Wilfried Hartmann schloss NIKLOT KROHN (Freiburg) mit seinem Vortrag zu frühen Kirchen und christlichem Symbolgut an. Er zeigte auf, wie schwierig die Deutung von Grabbeigaben mit vermeintlich christlichem oder heidnischem Symbolgut ist. Auf die Glaubensvorstellungen der Menschen könne dadurch nur wenig geschlossen werden, auch wenn der Herzog als Gefolgsmann der Merowinger seit Eingliederung der Alemannia christlich war. Das Christentum wanderte vom linksrheinischen Raum hinüber, es ließen sich kurz nach Eingliederung der Alemannen in das Frankenreich Gräber in Kirchen nachweisen. Krohn plädierte dafür, diese frühen Gebäude als mit Gräbern gefüllte Räume anzusehen und nicht zwangsläufig als Kirchen, da sie weder Baptisterium noch Altar aufwiesen. Dieser Befund weise auf einen vor-institutionellen Zustand, das Kirchengrab sei somit im Entwicklungsprozess der christlichen Institutionalisierung zu sehen.

Die christliche Prägung der Lex Alamannorum wurde in den Vorträgen betont, fraglich blieb jedoch, ob von der privilegierten Behandlung der Kirche (besonders in Vermögensfragen) ein Fälschungsverdacht abgeleitet werden kann. Es erschien in der Diskussion als lohnenswert von einer starren Dichotomie von Adelswelt und Kirche abzusehen. Die Ausdehnung der Alemannia bleibt weiterhin unklar, über die Ämterstruktur im Merowingerreich und eventuelle römische Vorbilder muss weiter nachgedacht werden. Aus Sprachzeugnissen, Grabbeigaben und Siedlungen kann jedenfalls nicht, wie die ältere Kulturraumforschung meinte, auf ethnische Einheiten geschlossen werden. Vielmehr weisen die Zeugnisse (besonders die archäologischen) auf lokale Gesellschaften und ihre soziale Praktiken hin. Der Bezug der Lex Alamannorum zur Lebenswirklichkeit dieser Gesellschaften sowie die Geltungskraft der Lex in der Rechtspraxis konnten zwar an einigen Punkten erhellt werden, blieben aber in weiten Teilen noch diffus.

In seiner Zusammenfassung der Tagung ging JÜRGEN DENDORFER (Freiburg) besonders auf die methodischen Herausforderungen ein. Der Ausgangspunkt der Tagung war es, die Leges als Quelle für das Alltagsleben und das Recht zu thematisieren. Dieses Ziel sei mit einer Reihe von Problemen verbunden, die in der Tagung immer wieder zur Sprache kamen: der Quellenarmut, den forschungsgeschichtlichen Vorbelastungen und der neuen Kritik an den archäologischen Quellen. Die Leges könnten nicht als Logbuch für die verwirrende Vielfalt frühmittelalterlicher Lebenswirklichkeit stehen, wie es zum Beispiel an den Grabbräuchen, den Siedlungsformen und dem Phänomen des Grabraubs deutlich wurde. Dieses Quellenproblem war laut Dendorfer während der Tagung nur zum Teil in den Griff zu bekommen. Auch wenn es kein zentrales Ziel der Tagung war, den Quellenwert zu diskutieren, sei man vielleicht etwas zu bereitwillig über die Frage nach der Geltungskraft der Lex und der Frage danach, welche Gesellschaft hier angesprochen wurde, hinweggegangen. Handelte es sich um Ordnungsversuche eines Reichenauer Mönches oder spricht in der Lex das Alemannentum der Völkerwanderungszeit zu uns? – so könne man überspitzt fragen. Wo nun die Lex in einem Ethnogenese-Prozess stehen mag und welche ethnogenetischen Faktoren sich bei den Alemannen bestimmen lassen, mögen Fragen für weitere Forschungen zu den Alemannen und der Alemannia sein, die auch in einem größeren Kontext zur Gesellschaft der Merowingerzeit eingebunden werden können.

Konferenzübersicht:

Dieter Geuenich (Duisburg-Essen): Einführung: Geschichte, Sprache und räumliche Ausdehung der Alemannen im 7. und frühen 8. Jahrhundert

Eva Schumann (Göttingen): Die Leges aus rechtshistorisches Sicht

Clausdieter Schott (Zürich): Die Überlieferung von Pactus und Lex Alamannorum

Wolfgang Haubrichs (Saarbrücken): Quod Alamanni dicunt. Die volkssprachlichen Wörter in der Lex Alamannorum

Abendvortrag:
Heiko Steuer (Freiburg): Die Alamannia vom 6.-8. Jahrhundert aus der Sicht der Archäologie

Heinz Krieg (Freiburg): Sozialstruktur und Habitus anhand der Schriftüberlieferung

Sebastian Brather (Freiburg): Sozialstruktur und Habitus anhand der Bestattungen

Stephanie Zintl (Thierhaupten): Grabraub? Graböffnungen und ihre Erklärung

Thomas Zotz (Freiburg): Siedlungsformen in der schriftlichen Überlieferung: domus, casa, curtis – Haus, Hof, Herrensitz

Hubert Fehr (Freiburg): Agrarwirtschaft und Handwerk in der Alamannia

Wilfried Hartmann (Tübingen): Glaube und Kirche im Spiegel der Leges

Niklot Krohn (Freiburg): Frühe Kirchen und christliches Symbolgut in Gräbern

Jürgen Dendorfer (Freiburg): Zusammenfassung der Ergebnisse