Methoden und Wege der Landesgeschichte

Methoden und Wege der Landesgeschichte

Organisatoren
AG Landesgeschichte im Verband der Historiker und Historikerinnen Deutschlands e.V.
Ort
Tübingen
Land
Deutschland
Vom - Bis
06.06.2013 - 08.06.2013
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Von
Petra Kurz/ Georg Wendt, Institut für Geschichtliche Landeskunde und Historische Hilfswissenschaften, Universität Tübingen

„Diese Tagung soll eine Standortbestimmung der Landesgeschichte in Deutschland sein!“ Mit diesen Worten eröffnete SIGRID HIRBODIAN (Tübingen) die Tagung „Methoden und Wege der Landesgeschichte“. Vom 6. bis 8. Juni 2013 lud die neu gegründete Arbeitsgruppe Landesgeschichte im Verband der Historiker und Historikerinnen Deutschlands e. V., deren Vorsitzende Sigrid Hirbodian ist, nach Tübingen. Neben einer Standortbestimmung sollte die Zukunft des Faches diskutiert werden. Die Hauptfrage lautete dabei: Was ist das Proprium, das Alleinstellungsmerkmal, der Landesgeschichte? Nach dem spatial turn arbeiten nämlich nicht nur Landeshistoriker mit Raumbegriffen. Interdisziplinarität sowie das Arbeiten über Epochengrenzen hinaus sind schon lange nicht mehr Alleinstellungsmerkmale der Landesgeschichte. Nicht nur methodisch scheint es, als hätte die Landesgeschichte in der äußeren Wahrnehmung ihre besten Zeiten hinter sich. Innerhalb der Landesgeschichte aber, so Hirbodian, diskutiere man intensiver denn je, wie sich das Fach methodisch erneuern und nach außen besser positionieren könne. Um diesem engagierten Diskussionsbedarf eine Bühne zu geben, gründeten Landeshistoriker aller Epochen und Regionen Deutschlands auf Initiative des Instituts für Geschichtliche Landeskunde Tübingens auf dem Historikertag in Mainz 2012 die Arbeitsgruppe Landesgeschichte, die sich im Verband der Historiker und Historikerinnen Deutschlands (VHD) formierte. Vorrangiges Ziel sei es, die Kommunikation innerhalb wie außerhalb des Fachs zu verbessern und sich stärker im In- und Ausland zu vernetzen.

Zu Beginn der ersten Tagung dieser neuen Arbeitsgruppe beschrieben WERNER FREITAG (Münster) und CHRISTINE REINLE (Gießen) das Profil und die Leitvorstellungen der Landesgeschichte in ihrer jüngeren Vergangenheit. Zunächst charakterisierte Werner Freitag die Landesgeschichtsforschung auf Basis der disziplinären Matrix von Jörn Rüsen, mit der dieser die Vielfalt und Deutungspluralität von Geschichtsbetrachtungen zu ordnen suchte. Demnach diente die Landesgeschichte unter anderem bei Hermann Aubin und Rudolf Kötzschke bis in die 1960er-Jahre als eine Legitimationsquelle für geltende Ideologien und erfüllte damit Orientierungsbedürfnisse der Gegenwart. Dabei dominierte die Landesgeschichte den öffentlichen und identitätsstiftenden Diskurs mit ihrer Meistererzählung, nach der „Boden“ bzw. Kulturraum Mentalitäten sowie politische und soziale Ordnungen von Gesellschaften determinierte. Die Meistererzählung umfasste, so Reinle, darüber hinaus die teleologische Genese von Landesherrschaft von der Reformation bis zur Nationalstaatsgründung im 19. Jahrhundert. Infolge der Entideologisierung in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts verlor die Landesgeschichte jedoch diese identitätsstiftende Bedeutung. Die Auseinandersetzung mit der eigenen Vergangenheit, so Reinles These, machte die Landesgeschichte vorsichtig, identitätsstiftend aufzutreten und überließ die Meistererzählung anderen Fachdisziplinen. Zur „Verlustgeschichte“ trug in Freitags Interpretation auch bei, dass die Landesgeschichte methodisch und theoretisch den Anschluss an die Nachbardisziplinen und gleichzeitig die Propria wie die Methodenoffenheit verlor.

Landesgeschichte zwischen öffentlichkeitswirksamen Projekten, gesellschaftlicher Serviceleistung, landespolitischem Auftrag und wissenschaftlichen Ansprüchen: Wie können diese Anforderungen von der universitären Landesgeschichte umgesetzt werden? Diese Frage diskutierte die erste Sektion anhand konkreter Beispiele aus der Praxis.

WALTER RUMMEL (Speyer) leitete die Sektion mit einem Plädoyer für die Zusammenarbeit von Landeshistorikern mit lokalen Geschichtswerkstätten oder alltagshistorischen Projekten ein. Gerade der lokale Bezug der Landes- und Regionalgeschichte sei in der Vermittlung von Geschichte und politischer Bildung ein entscheidender Bezugsrahmen. Diese Anforderungen wurden auch durch das Plenum unterstützt, da sich die Arbeit zwischen Regional- und Landesgeschichte trotz unterschiedlicher Schwerpunkte gegenseitig ergänzen kann und muss.

MICHAEL KIßENER (Mainz) illustrierte die Probleme eines modernen Landeshistorikers an einem anderen Beispiel. Er stellte die Konzeption des Handbuchs zur rheinland-pfälzischen Geschichte vor.1 Das Grundproblem dieses Handbuchs bestand von Beginn an darin, die Geschichte eines Bundeslandes darzustellen, dessen Raum historisch gesehen ein Flickenteppich ohne territoriale Kontinuitäten sei, so Kißener. Die Herausgeber wählten eine offene und diskursive Anlage, die sowohl dem landespolitischen Auftrag als auch den wissenschaftlichen Ansprüchen entsprach. Dabei sollte das Buch eine breite Öffentlichkeit erreichen, gleichzeitig aber Landesgeschichte nicht zur Heimatgeschichte oder Mikrogeschichte als pars pro toto für den Nationalstaat degradieren. Michael Kißener machte den Spagat, den die Landesgeschichte in solchen Projekten leisten muss, sehr deutlich, zeigte aber auch Lösungsvorschläge auf. Inwieweit die universitäre Landesgeschichte auf diese Weise identitätsstiftend wirke oder zumindest Identitätsprozesse mitgestalten könne bzw. müsse, war ein auch im weiteren Verlauf der Tagung immer wieder diskutierter Punkt, den Michael Kißener hier erstmals am praktischen Beispiel sehr deutlich problematisierte.

SABINE HOLTZ (Tübingen) präsentierte ein Beispiel, wie die Landesgeschichte auch online interessierten Nutzern einen Service anbieten kann: das landeskundliche Informationssystem LEO-BW.2 Das vom Land geförderte Portal bündelt Informationen über Baden-Württemberg von zahlreichen Landesinstitutionen wie Archiven, Museen, Universitäten und Ämtern. Dafür wurde ein multimediales Content Management System entwickelt, das die höchst heterogenen Datensätze grafisch anwenderfreundlich aufbereitet.Anliegen des Projekts sei es, nicht nur Universitäten oder Schulen, sondern alle Bürger zu erreichen.

Die Einbindung von landeskundlich Interessierten in wissenschaftliche Arbeit ist auch ein Kernpunkt des Archäologischen Spessartprojektes e.V. an der Universität Würzburg. Dessen Vorsitzender GERHARD ERMISCHER (Aschaffenburg) erklärte, dass für die Arbeit des auf kommunale Initiative 1994/95 gegründeten Projektes engagierte Ehrenamtliche als Kenner der Region unverzichtbar seien, um die Kulturlandschaft des Spessarts zu verstehen und um in der Bevölkerung und von politischen Institutionen wahrgenommen und unterstützt zu werden. Neben archäologischen Grabungen, dem Kern des von der Europäischen Union geförderten Projekts, organisiert der Verein auch dialektale oder kulinarische Workshops, bei denen er möglichst viele verschiedene Interessensgruppen ansprechen und zusammenbringen möchte.

OLIVER AUGE (Kiel) widmete sich in seinem Beitrag landesgeschichtlicher Projektarbeit in der universitären Lehre. Dabei verwies er auf verpflichtende Projektseminare an der Universität Kiel, die den Studierenden möglichst praxisnah Schlüsselqualifikationen für das Berufsleben vermitteln sollen. Gerade die Landesgeschichte biete in diesem Bereich ideale Voraussetzungen durch ihre Vernetzung zu Institutionen wie etwa Archiven, Museen, Bibliotheken, Geschichtswerkstätten oder Vereinen, die für die erfolgreiche Projektarbeit unabdingbar seien. Die zeitlich engen Vorgaben der neuen Studienordnungen und die nötige intensive Betreuung der Studierenden seien neben der Frage der Finanzierung solcher Projekte meist die größte Hürde bei der Umsetzung. Der öffentliche und wissenschaftliche Ertrag sowie die Vermittlung von berufsnaher Praxis böten gleichzeitig aber einen entscheidenden Vorteil für die Studierenden.

Die Beispiele aus der Praxis zeigen – hier waren sich die Referenten einig –, dass die Landesgeschichte in Zusammenarbeit mit verschiedenen Landesinstitutionen (Museen, Archive, Vereine) Ergebnisse wie Publikationen, Ausstellungen, Internetpräsentationen präsentieren könne, die eine gesellschaftliche Breitenwirkung erlangen und gleichzeitig hochrangigen, wissenschaftlichen Ansprüchen entsprechen. Dieser Spagat könne jedoch nur durch außergewöhnliche personelle und finanzielle Mittel und mit der Unterstützung aus Politik und Gesellschaft in der Region gelingen.

Wie Landesgeschichte aus niedersächsischer Perspektive gleichzeitig eine europäische bzw. internationale Landesgeschichte werden kann, stellte ARND REITEMEIER (Göttingen) in seinem Beitrag vor. Dies illustrierte er am Beispiel der Personalunion zwischen Großbritannien und Hannover im 18. Jahrhundert. Gerade mit dem Blick auf die Kommunikationswege und -prozesse ließen sich diese beiden Untersuchungsräume gewinnbringend erforschen, so Reitemeier.

In Sektion 2 diskutierten die Referenten, wie die Landesgeschichte neueren Herausforderungen durch Theorien und Modelle – vornehmlich aus der Kulturwissenschaft – begegnen kann. BERNHARD LÖFFLER (Regensburg) untersuchte, inwiefern Landesgeschichte von der historischen Bildforschung profitieren könne. Die traditionell piktophobe Geschichtswissenschaft, so Löffler, habe lange Zeit davor zurückgeschreckt, sich mit der Emotionalität und Symbolik von Abbildungen analytisch zu befassen. Der moderne Ansatz des visual oder iconic turns ermögliche aber die Analyse von historischen Abbildungen, die über die traditionelle Betrachtung von Bildern als Dokumente des Zeitgeists (schon bei Jacob Burckhardt und in der Annales-Schule) weit hinausgeht. Die neuere visual history betrachte Abbildungen als „selbst konstruierende Bildakte“ (Horst Bredekamp). Als Umsetzungsmöglichkeit für die Landesgeschichte empfahl Löffler, Seheorte als ikonografische Erinnerungs- und Identifikationsorte zu untersuchen: Inwiefern fördern historische Bilder und Karten beispielsweise das Image und die Vorstellung von einer Region?

Mit Identitätsstiftung in der Landesgeschichte beschäftigte sich auch WINFRIED SPEITKAMP (Kassel) in seinem Vortrag. Er untersuchte die Bedeutung von Erinnerungsorten für die Landesgeschichte. Dabei vertrat Speitkamp die These, dass die Raumgeschichte in Deutschland vor allem durch Erinnerungsorte geschaffen werde. Dies begründete er damit, dass sich die deutsche Erinnerungskultur im Vergleich zu anderen europäischen Erinnerungskulturen sehr viel stärker auf nationale Erinnerungspunkte fokussiere. Dadurch entstünde, so Speitkamp, ein abgeschlossener und mythendurchsetzter deutscher Erinnerungsraum, der gleichermaßen identitäts- wie raumbildend wirke. Aufgrund ihres gesellschaftlichen Auftrages beteilige sich nolens volens die Landesgeschichte an der Verfestigung dieser nationalen Erinnerungsorte.

Der zweite Teil dieser Sektion widmete sich dem spatial turn. Die Vorträge kreisten um die Fragen, inwieweit Landesgeschichte und der spatial turn einander verwandte Ansätze seien, wie sie voneinander abzugrenzen seien und wo sie voneinander profitieren können.

ANDREAS RUTZ (Bonn) machte für seine Forschung zur Entstehung und Festigung territorialer Herrschaft in der Vormoderne das Raummodell der Soziologin Martina Löw stark. Löw gehe davon aus, dass Räume nicht als gegebene Containerräume verstanden werden können, sondern durch ihre Akteure erst konstruiert werden. Diese Dynamik des Raumes sei durch die Landesgeschichte zwar beachtet, bisher aber zu deskriptiv behandelt worden, so die Ansicht von Rutz. Daher sollte, wie er am Beispiel der Herrschaftspolitik in der Vormoderne deutlich machte, die Handlungsebene des „doing territory“ nicht nur durch die Herrschaftsträger, sondern auch bei verbalen Beschreibungen, materiellen und symbolischen Markierungen sowie Vermessung und Kartierung stärker beachtet werden.

MARTIN OTT (München) beschäftigte sich damit, wie sich die Landesgeschichte bisher gegenüber der „Raumwende-Diskussion“ positioniert hat und welche neuen Wege sie in Zukunft gehen könne, um die spatial turn-Diskussion mitzugestalten und sich auf diese Weise in der Geschichtswissenschaft auch neu zu profilieren. Er sprach sich dafür aus, an kleinen Untersuchungsräumen festzuhalten und den regionalen Bezug der Landesgeschichte als klaren Vorteil zu verstehen. Gleichzeitig könne sich die Landesgeschichte dadurch aber auch für europäische und globale Forschungsfelder öffnen, indem breit anwendbare und transregionale Raumkonzepte verwendet würden.

JÜRGEN DENDORFER (Freiburg) konfrontierte die Fragen zur „Raumwende“ mit Überlegungen zur Konstituierung des schwäbischen Herzogtums im Früh- und Hochmittelalter. Dabei erörterte er die Raumfragen auf drei unterschiedlichen Ebenen: „Orte und Räume“, „Raumpraktiken und Raumwahrnehmungen“ sowie „Macht, Herrschaft, Raum“ und illustrierte sie an oberrheinischen Beispielen zur Herrschaftsentwicklung.

Im letzten Teilbereich der Sektion diskutierten DIETMAR SCHIERSNER (Weingarten), MICHAEL HECHT (Münster) und SABINE ULLMANN (Eichstätt), wie die Ideen des cultural turn in den methodischen Kanon der Landesgeschichte eingebunden werden können. Dietmar Schiersner zeigte dabei eine neue wissenschaftliche Tendenz auf, spatiale und kulturwissenschaftliche Zugriffe methodisch zu integrieren. Beispielhaft dafür seien „Kultur-Bindestrich-Raum“-Geschichten bei Tagungen und Publikationen, in denen Begriffe wie „Gefühlsräume“, „Gewalträume“ oder „Geselligkeitsräume“ auftauchen, wobei Raum bei diesem praxeologischen Ansatz als konstruiert wahrgenommen wird. Es gebe „ebenso viele Räume wie Raumerfahrungen“ (Michel de Certeau). Die Landesgeschichte habe sich bisher schwer getan, diesen offenen und unkonkreten Raumbegriff in den eigenen Kanon aufzunehmen. Darüber hinaus stoße sich die raumgeleitete Landesgeschichte (Raum zu Phänomen) an der radikal konstruktivistischen Kulturgeschichte (Phänomen zu Raum). Dennoch warb Schiersner dafür, sich kritisch der Erweiterung des Raumbegriffs zu öffnen, da sich dieser als ungemein ertragreich in der Kulturwissenschaft erwiesen habe.
Michael Hecht und Sabine Ullmann überprüften dann, inwiefern neue Ansätze der Kulturwissenschaft auch die (territorial-)politische Geschichtswissenschaft ergänzen können. Die theoretischen Prämissen der Kulturgeschichte des „Politischen“ (Achim Landwehr) setzen dabei eine dezentrale, mehrakteurgetragene Konzeptualisierung der politischen Geschichte voraus, wobei die lebensweltlichen Perspektiven der betroffenen Personen aufgenommen werden. Typisch für einen kulturwissenschaftlichen Ansatz sei, so Hecht, ein „ethnologischer Blick“, der als selbstverständlich angenommene Definitionen hinterfragen soll. Dem Untersuchungsgegenstand nähere man sich dabei in der Tradition der Kommunikationswissenschaft diskursorientiert (das „Politische“ statt „Politik“): Wie gestaltet sich politische Sprache, welche Symbolik und Rituale sind sinnstiftend für die Herrschaftsausübung und wie wird dabei Legitimität und Sinnstiftung erzeugt?

Zur Integration dieses kulturwissenschaftlichen Ansatzes des „Politischen“ in die Landesgeschichte schlug Sabine Ullmann eine systematisch-vergleichende und regionalübergreifende Analyse vor. Sie veranschaulichte dies anhand einer mikrohistorischen Studie über das Kondominatsdorf Gundelsheim. In Räumen mit geringer territorialer Integrität, so argumentierte Ullmann, könnten vergleichend allgemeine Handlungsweisen im Territorialisierungsprozess erforscht werden. Durch eine diskursive Analyse der Quellen als kommunikative Formen der Konfliktlösung ergäben sich ganz neue Einblicke in den frühmodernen Staatsbildungsprozess: Territorialkonflikte wären dann weniger die Folge einer expansiven und gewaltvollen Politik, vielmehr entwickelte sich erst im Verlauf dieser Konflikte eine politische Ordnungsvorstellung.

FERDINAND KRAMER (München) bot in seinem Schlussstatement einen Ausblick, wie die deutsche Landesgeschichte sich europaweit vernetzen und profilieren könne. Eine Perspektive, die bereits auf die nächste Tagung der Arbeitsgemeinschaft im Jahr 2015 hinführen sollte. Er betonte dabei die regionale Dimension der europäischen Geschichte, warnte aber vor Untersuchungen engführender Regionalismen. Die Landesgeschichte sei dafür prädestiniert, vom lokalen Nahraum den Blick auf die Makroebene der europäischen Geschichte zu lenken. Zu untersuchen seien auf europäischer Ebene etwa Transferprozesse, Enkulturation, Integration, Wahrnehmungsprozesse usw. Die Landesgeschichte erhalte durch diese Wendung eine wichtige gesellschaftliche und politische Funktion und müsse sich den damit einhergehenden Problemen wie etwa Sprachkompetenz im wissenschaftlichen Output, internationaler Präsenz und Vernetzung oder neuen Wegen in der Kartographie stellen.

In der Zusammenfassung und abschließenden Diskussion herrschte in vielen Bereichen Einigkeit. Eindeutiger gemeinsamer Bezugspunkt der landesgeschichtlichen Forschung sei der enge Bezug zur Region nicht nur als Untersuchungsgegenstand, sondern auch in Form von Kooperation und Vernetzung zwischen Universität und lokalen Institutionen und Vereinen. Methodisch sei die Landesgeschichte daher ausgelegt auf Kooperation. Sie arbeite interdisziplinär und epochenübergreifend, wobei, so Ferdinand Kramer, noch Ausbaupotenzial in der Kooperation zu weiteren Nachbardisziplinen wie etwa der Politikwissenschaft oder den Wirtschaftswissenschaften vorhanden sei und die universitäre Landesgeschichte noch stärker die zeithistorische Forschung einbeziehen müsse. Darüber hinaus bestand Konsens darüber, dass die Landesgeschichte sich als Wissenschaft versteht, die quellennah und induktiv arbeitet und sich gleichzeitig modernen kulturwissenschaftlichen Fragestellungen nicht entzieht. Gerade die Vernetzung mit Museen, Archiven, Landesbibliotheken oder ähnlichen Institutionen sei ein großer Vorteil der Landesgeschichte an den Universitäten. Dies wurde nicht nur, aber auch in der Lehre als ein Alleinstellungsmerkmal der Landesgeschichte verstanden.

Werner Freitag fasste in seinem Betrag zur Schlussdiskussion die Problematik der universitären Landesgeschichte treffend zusammen. Der Landeshistoriker werde oftmals als Alleskönner verstanden. Er sei hin- und hergerissen zwischen innovativer landesgeschichtlicher Forschung und der gleichzeitigen Servicefunktion, die er für das „Land“ leisten möchte bzw. die von ihm erwartet werde. Die landesgeschichtlichen Lehrstühle stellten sich neuen kulturwissenschaftlichen Ansätzen und Verbundprojekten, blieben aber gleichzeitig ihren Grundlagen in solider Quellenarbeit sowie als Experten der Region treu. Dieser Dualismus sei für landeshistorische Lehrstühle nicht zu überwinden. Es gelte ihn aber zu erkennen und damit offen umzugehen. Damit nehme die Landesgeschichte an den Universitäten eine Sonderstellung ein, ohne sich von den allgemeinen Geschichtswissenschaften abzugrenzen zu wollen.

Konferenzübersicht:

Sigrid Hirbodian (Tübingen): Einführung

Michael Matheus (Mainz): Moderation

Werner Freitag (Münster): Die disziplinäre Matrix der Landesgeschichte. Ein Rückblick

Christine Reinle (Gießen): Identitätsstiftung durch Landesgeschichte? „Meistererzählungen“ der älteren Landesgeschichte

Sektion 1: Was ist Landesgeschichte heute? Beispiele aus der Praxis

Walter Rummel (Speyer): Landes- und Regionalgeschichte. Komplementärdisziplinen im gesellschaftlichen Umfeld

Michael Kißener (Mainz): Ein „Handbuch“ für Rheinland-Pfalz. Zwischen Landes- und Regionalgeschichte, zwischen Wissenschaft und Identitätsstiftung

Sabine Holtz (Stuttgart): Vorstellung des landeskundlichen Informationssystems für Baden-Württemberg (LEO-BW)

Gerhard Ermischer (Aschaffenburg): Ansätze einer partizipativen Erforschung und Vermittlung der Kulturlandschaft am Beispiel des Archäologischen Spessart-Projekts

Stephan Laux (Trier): Moderation

Oliver Auge (Kiel): Studium und Öffentlichkeit: Projektarbeit in der Landesgeschichte

Arnd Reitemeier (Göttingen): „Internationale Landesgeschichte": Das Beispiel der Personalunion zwischen Großbritannien und Hannover 1714-1837

Sektion 2: Herausforderungen durch Theorien und Modelle

Bernhard Löffler (Regensburg): Die Macht der Bilder. Historische Bildforschung, mental mapping und Landesgeschichte

Winfried Speitkamp (Kassel): Erinnerungsorte und Landesgeschichte

Enno Bünz (Leipzig): Moderation

Andreas Rutz (Bonn): Doing territory! Politische Räume als Herausforderung für die Landesgeschichte nach dem spatial turn

Martin Ott (München): Raumkonzepte in der Landesgeschichte nach dem spatial turn

Jürgen Dendorfer (Freiburg): Landesgeschichte und spatial turn – Politische Räume des Früh- und Hochmittelalters

Michel Pauly (Luxemburg): Moderation

Dietmar Schiersner (Weingarten): Nach den cultural turns: Landes-geschichte oder „Historische Raumwissenschaft“?

Michael Hecht (Münster): Landesgeschichte und die Kulturgeschichte des Politischen

Sabine Ullmann (Eichstätt): Methodische Perspektiven der Territorial- und Verfassungsgeschichte

Ferdinand Kramer (München): Landesgeschichte in europäischer Perspektive. Zusammenfassung und Schlussdiskussion

Anmerkung:
1 Kreuz, Rad, Löwe: Rheinland-Pfalz. Ein Land und seine Geschichte (3 Bände, 1 DVD), hrsg. v.: Kommission des Landtages für die Geschichte des Landes Rheinland-Pfalz, Mainz 2012.
2 <www.leo-bw.de> (29.08.2013).


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