Grenzüberschreitendes Forschungskolloquium der Universitäten Kassel, Wuppertal und Zürich auf dem Herzberg/Schweiz

Grenzüberschreitendes Forschungskolloquium der Universitäten Kassel, Wuppertal und Zürich auf dem Herzberg/Schweiz

Organisatoren
Universität Kassel; Universität Wuppertal; Universität Zürich
Ort
Herzberg (Schweiz)
Land
Switzerland
Vom - Bis
19.06.2013 - 21.06.2013
Url der Konferenzwebsite
Von
Karin Manz, Institut für Erziehungswissenschaft, Universität Zürich

Das grenzüberschreitende Forschungskolloquium unter der Leitung von LUCIEN CRIBLEZ (Zürich), RITA CASALE (Wuppertal) und EDITH GLASER (Kassel) wurde zum zweiten Mal durchgeführt, nachdem man sich 2011 erstmals auf der Burg Ludwigstein/Deutschland getroffen hatte.

Nach einer Einführung und Kontextualisierung des Tagungsortes Herzberg und seines Begründers Fritz Wartenweiler - Schweizer Reformpädagoge, Erwachsenenbildner und Gründer des „Volksbildungsheims“ Herzberg zur Zeit der schweizerischen Volksbildungsbewegung durch Lucien Criblez (Zürich) wurde am Mittwochabend von KARIN MANZ, ANJA GIUDICI und STEFAN MÜLLER (Zürich) das Projekt „Transformation schulischen Wissens in Schweizer Lehrplänen seit 1830“ vorgestellt. Im Rahmen des Projekts entstehen zwei Dissertationen mit den Foci „Schulische Fremdsprachen“ (Anja Giudici) und „Religionsunterricht“ (Stefan Müller) sowie eine Habilitationsschrift zum „Verhältnis von Können und Wissen anhand der Einführung der Realienfächer“ (Karin Manz).

Den Anfang des ersten Tagungstages machte SELMA HAUPT (Wuppertal) mit ihrem begriffsgeschichtlich ausgerichteten Dissertationsprojekt zum Thema „Die Universität als höchste geistige Bildungsstätte. Zur Bedeutung von Bildung in den Rektoratsreden des deutschen Kaiserreichs“. CHRISTIAN LEDER (Zürich) präsentierte sein Dissertationsprojekt zu Kontinuität und Wandel der Universität („Vom vielfältigen Nutzen der Hochschulen: Kontinuität und Wandel von Differenzierungsmustern und Steuerungsrationalitäten in der Schweiz“) als bildungssoziologische Reflexion über die Entstehungszeit der modernen Universitäten (1830er-Jahre bis heute). Als für die Berufsbildung bedeutungsvoller Arbeitskreis stellte CHRISTIAN BLUHM (Kassel) den Ettlinger Kreis vor und skizzierte erstmals sein Dissertationsvorhaben („Der Ettlinger Kreis als Reformmotor für die berufliche Bildung?“) vor Publikum. Auch nahe bei der Berufspädagogik verortet ist die schon sehr weit gediehene Dissertation „Arbeitsmigration und Bildung. Selbstorganisierte Bildungsangebote und bildungspolitisches Engagement italienischer Zuwanderer in der Schweiz (1960-1980)“ von PHILIPP EIGENMANN ( Zürich). Das sorgfältige, mit eindrücklichen Textzitaten versehene und herrvorragend präsentierte Referat kann exemplarisch für einen solchen Redeanlass stehen. ISABEL CARQUEVILLE (Kassel) untersuchte in ihrer kurz vor dem Abschluss stehenden Dissertation Schulwege als Teil einer Kinderkultur („Schulwege in den beiden deutschen Staaten. Kinderkulturen zwischen Elternhaus und Schule“).

Am Nachmittag fand durch das Team der Universität Zürich eine Kurzpräsentation des neu geschaffenen Web-Portals „Bildungsgeschichte Schweiz“1 statt. Danach besuchte man unter kundiger und kurzweiliger Führung von PETER TREMP (Zürich) die Pestalozzi-Gedenkstätte in Birr sowie Pestalozzis Wirkstätte Neuhof, in der heute eine sozialpädagogische Einrichtung beheimatet ist. Anschließend führte der Historiker und Kurator DOMINIK SAUERLÄNDER (Aarau) die Gruppe durch eine Ausstellung in Aarau über Heinrich Zschokke, Schriftsteller, (Bildungs-)Politiker und ein Freund Pestalozzis.

Der zweite Tag startete mit einer Präsentation von JOACHIM SCHULZ (Berlin) über sein Habilitationsvorhaben: „Subjektivierungsprozesse in der frühen DDR-Literatur: Der Arbeitskreis Junger Autoren Thüringens“. Anhand dieses heute unbekannten Arbeitskreises soll gezeigt werden, wie junge Schriftsteller für den Aufbau einer kollektiven Identität der frühen DDR instrumentalisiert wurden und wie sie damit umgingen. LUKAS MÖLLER (Kassel) stellte danach einen Aspekt aus seiner abgeschlossenen Dissertation vor, nämlich den Umgang mit rechtem Gedankengut in der Jugendbewegung nach 1945 als Beispiel der deutschen Vergangenheitsbewältigung. Politische Aspekte in Schul- und Schülerzeitungen im Kontext der Reeducation ist die Thematik, die MARKUS GIPPERT (Wuppertal) inhaltsanalytisch bearbeitet („Politisches Interesse und journalistisches Selbstverständnis in der Schülerpresse der frühen Bundesrepublik“). Sein Dissertationsprojekt ist Bestandteil eines an der BBF angesiedelten größeren Forschungsprojektes zu einem Korpus von Schülerzeitungen aus den 1950er/60er-Jahren. Den Abschluss des Vormittags machte TOMAS BASCIO (Zürich) mit einer Dissertationsskizze zur veränderten Rolle der Lehrperson zwischen Berufungsidee und Professionalität.

Der Nachmittag wurde eröffnet durch THOMAS RUOSS (Zürich), der sein Dissertationsprojekt „Zur Bedeutung der Statistik für die Entwicklung kantonaler Bildungsverwaltungen am Beispiel Zürichs (1882-1914)“ präsentierte und Statistik als eine Form des Wissens definierte, die einerseits einen Blick nach außen (Vergleich mit anderen) als auch nach innen (zur Legitimierung von Bildungsreformen) ermöglicht. Ruoss‘ These machte den etwas sperrigen Forschungsgegenstand der Statistik zu einem spannenden Thema, das sich bestens in die aktuelle Forschungsbewegung der evidence-based research einordnen lässt. Zum Abschluss des Kolloquiums erfolgte eine Kurzpräsentation von ANDREAS HOFMANN-OCON (Zürich), der als Leiter des Zentrums für Bildungsgeschichte die für die Schweiz einmalige Sammlung des ehemaligen Pestalozzianums zur Schulgeschichte vorstellte.2

Diese Form des Austausches und der Nachwuchsförderung im Bereich der Historischen Bildungsforschung soll auch in Zukunft aufrechterhalten werden, darüber waren sich alle Beteiligten einig. Durch die je unterschiedlich ausgerichteten Forschungsansätze der drei Lehrstuhlinhaber/innen kamen theoretisch und methodisch anregende Lernmomente zustande. Allen Projekten gemeinsam war der Fokus einer bildungshistorischen Herangehensweise, was dem Kolloquium eine gemeinsame Klammer gab. Somit diente dieses Kolloquium nicht nur der grenzübergreifenden Vernetzung von Dokorand/innen, sondern ermöglichte zugleich auch auf eine erfrischende und unkomplizierte Art die fachliche Weiterbildung. Das dichte, vielfältige Programm sowie die anregenden Diskussionen und Gespräche dieses Forschungskolloquiums zeigten einmal mehr, dass die Historische Bildungsforschung mit interessanten Forschungsarbeiten präsent ist in der Disziplin der Erziehungswissenschaften.

Konferenzübersicht:

Lucien Criblez (Zürich): Einführung und Kontextualisierung des Tagungsortes Herzberg und seines Begründers Fritz Wartenweiler

Karin Manz / Anja Giudici / Stefan Müller (Zürich): SNF-Projekt „Transformation schulischen Wissens in Schweizer Lehrplänen seit 1830“

Selma Haupt (Wuppertal): Dissertation „Die Universität als höchste geistige Bildungsstätte. Zur Bedeutung von Bildung in den Rektoratsreden des deutschen Kaiserreichs“

Christian Leder (Zürich): Dissertation „Vom vielfältigen Nutzen der Hochschulen: Kontinuität und Wandel von Differenzierungsmustern und Steuerungsrationalitäten in der Schweiz“

Christian Bluhm (Kassel) Dissertation „Der Ettlinger Kreis als Reformmotor für die berufliche Bildung“

Philipp Eigenmann ( Zürich): Dissertation „Arbeitsmigration und Bildung. Selbstorganisierte Bildungsangebote und bildungspolitisches Engagement italienischer Zuwanderer in der Schweiz (1960-1980)“

Isabel Carqueville (Kassel): Dissertation „Schulwege in den beiden deutschen Staaten. Kinderkulturen zwischen Elternhaus und Schule“

Thomas Ruoss / Flavian Imlig / Karin Manz / Lucien Criblez (Zürich): Kurzpräsentation des neu geschaffenen Web-Portals „Bildungsgeschichte Schweiz“ (http://www.bildungsgeschichte.uzh.ch/index.html)

Exkursion zur Pestalozzi-Gedenkstätte in Birr sowie Pestalozzis Wirkstätte Neuhof und in die Ausstellung in Aarau über Heinrich Zschokke, Schriftsteller und (Bildungs-)Politiker

Joachim Schulz (Berlin): Habilitationsskizze „Subjektivierungsprozesse in der frühen DDR-Literatur: Der Arbeitskreis Junger Autoren Thüringens“

Lukas Möller (Kassel): Dissertation „Umgang mit rechtem Gedankengut in der Jugendbewegung nach 1945“

Markus Gippert (Wuppertal): „Politisches Interesse und journalistisches Selbstverständnis in der Schülerpresse der frühen Bundesrepublik“

Tomas Bascio (Zürich): Dissertationsskizze zur veränderten Rolle der Lehrperson zwischen Berufungsidee und Professionalität

Thomas Ruoss (Zürich): Dissertation „Zur Bedeutung der Statistik für die Entwicklung kantonaler Bildungsverwaltungen am Beispiel Zürichs (1882-1914)“

Andreas Hofmann-Ocon (Zürich): Kurzpräsentation des Zentrums für Bildungsgeschichte und Sammlung des ehemaligen Pestalozzianums (Archiv und Bibliothek: http://www.phzh.ch/de/Forschung/Forschungsbibliothek-Pestalozzianum/)

Anmerkungen:
1 <http://www.bildungsgeschichte.uzh.ch/index.html> (27.08.2013).
2 Archiv und Bibliothek: <http://www.phzh.ch/de/Forschung/Forschungsbibliothek-Pestalozzianum/> (27.08.2013).


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