Vom Frieden von Kalisch bis zum Frieden von Oliva. Diplomatische Beziehungen zwischen dem Königreich Polen und dem Deutschen Orden/Herzogtum Preußen in den Jahren 1343-1660

Vom Frieden von Kalisch bis zum Frieden von Oliva. Diplomatische Beziehungen zwischen dem Königreich Polen und dem Deutschen Orden/Herzogtum Preußen in den Jahren 1343-1660

Organisatoren
Deutsches Historisches Institut in Warschau; Hauptarchiv Alter Akten in Warschau
Ort
Warschau
Land
Poland
Vom - Bis
24.05.2013 - 25.05.2013
Url der Konferenzwebsite
Von
Almut Bues / Grischa Vercamer, Deutsches Historisches Institut Warschau

Die Konferenz untersuchte die Begleitumstände zu den zwischen dem Königreich Polen und dem Deutschen Orden bzw. Herzogtum Preußen geschlossenen Verträgen. Präliminarien und Anschlussverhandlungen, Karrieren der Diplomaten, aber auch editorische Probleme und Fragen der Diplomatik standen dabei im Blickfeld.

MARTIN ESPENHORST (Mainz) zeigte auf, inwieweit sich die preußisch-polnischen Friedensverträge von 1411 bis 1660 in die europäischen Friedensphasen, die mit Schlagwörtern wie Hegemonie, Universalismus und Gleichgewicht beschrieben werden können, einordnen lassen. Er fasste sie, gerade auch unter Einwirkung der Nordischen Kriege, als „Ostseefriedensprozess“ zusammen, die Betonung auf den geographischen Hintergrund und prozessualen Charakter der Friedensschließung legend. Missverständnisse oder Fehlinterpretationen konnten diese Prozesse sehr lange hinziehen – die Frieden von Tannenberg, Melnosee und Brest bilden dafür ein gutes Beispiel. JANUSZ GRABOWSKI (Warschau) beleuchtete die Position der masowischen Herzöge im Kräftemessen der Luxemburger, Wittelsbacher, des Deutschen Ordens und König Kasimirs III. beim Frieden von Kalisch 1343, des ersten größeren Friedens zwischen Polen und dem Deutschen Orden. Die Masowier verfolgten dabei eine weitgehend eigene Bündnispolitik mit dem Orden, als Nachbarn waren sie von dessen Siedlungspolitik unmittelbar betroffen. SEBASTIAN KUBON (Hamburg) stellte für den aus mehreren Urkunden bestehenden Friedensvertrag von Racianz, der bisher wenig Beachtung gefunden hat, fest, dass dessen spiritus rector weder der polnische König noch der Hochmeister gewesen sind, sondern Großfürst Vytautas von Litauen, der eine Verzögerungstaktik einschlug. Das bereits im Frieden von Sallinwerder (1398) an den Deutschen Orden gekommene Samaiten wurde während der Verhandlungen erneut als Spielball eingesetzt. MAREK RADOCH (Olsztyn) untersuchte die als Protokolle in den Ordensfolianten überlieferten Verhandlungen des Hochmeisters Ulrich von Jungingen mit den polnischen Abgesandten 1409. Der Hochmeister konnte, auf seinen gut funktionierenden Verwaltungsapparat zurückgreifend, in den die Grenzstreitigkeiten betreffenden Fragen Vorteile gegenüber der polnischen Seite erzielen. Dagegen analysierte DARIUSZ WRÓBEL (Lublin) die Rolle von polnischen Diplomaten und Unterhändlern bei der Entscheidungsfindung einiger Frieden im 15. Jahrhundert. Obgleich man deren Position, Herkunft und Ausbildung erschließen kann, lässt sich über ihre Einflussnahme wenig sagen. SOBIESŁAW SZYBKOWSKI (Gdańsk) stellte die für Preußen zuständigen Diplomaten Jagiełłos aus Groß- und Mittelpolen in den Mittelpunkt seiner Betrachtungen. Während es zuerst vor allem kleinpolnische Diplomaten waren, denen an einer Aufrechterhaltung der Bestimmungen des Kalischer Friedens von 1343 lag, übernahmen seit 1405 oftmals Diplomaten aus Großpolen die Verhandlungsführung mit dem Deutschen Orden. RAFAŁ SIMIŃSKI (Szczecin) bearbeitete die Diplomatie des Herzogtums Pommern-Stolp mit dem Deutschen Orden, wobei er die Tätigkeit des langjährigen Diplomaten Klaus Kameke besonders hervorhob. MICHALINA BRODA (Toruń) analysierte die Friedensverhandlungen der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts in Bezug auf die Grenzfragen zwischen der Neumark und Großpolen. Während der Deutsche Orden oftmals auf Dokumente aus dem 14. Jahrhundert verweisen konnte, berief sich die polnische Seite auf mündliche Aussagen älterer Zeugen. Im Unterschied zur Grenzziehung des Deutschen Ordens an landschaftlich auffälligen Markierungen (Steine, alte Bäume) nutzte die polnische Seite Flüsse als Verlaufslinien. Die Vertragsverhandlungen von 1525 mündeten in die berühmte Krakauer Lehnshuldigung, das Ordensgebiet wurde in ein Herzogtum umgewandelt. Traditionell wird dieser Frieden als ein polnischer Erfolg angesehen. JACEK WIJACZKA (Toruń) legte dar, wie dieser epochemachende Frieden auf lange Sicht gesehen als preußischer Erfolg gewertet werden kann.

Für ANDREAS RÜTHER (Bochum) stand die Zeit nach der Schlacht von Tannenberg 1410 im Vordergrund seiner Untersuchung, man musste nicht nur den Kampf, sondern auch den Frieden gewinnen. Aus einem binären System der Streitenden wurden Foren der Friedensbewältigung wie das Konzil in Konstanz, die aber auch keine eindeutigen Entscheidungen herbeiführten. Dagegen konnten die Stände im Frieden von Melnosee 1422 als Garanten des Friedens ihre Teilhabe an der Herrschaft demonstrieren. Gewinner und Verlierer, die sich nicht in direkter Interaktion gegenüberstehen mussten, traten oft erst im historischen Urteil hervor. Den Kampf gegen die Heiden als besondere Problematik des Deutschordensstaates in seinen Konflikten mit Litauen stellte LOĪC CHOLLET (Neuchâtel) vor. Ein endgültiger Frieden gelang 1466 in Thorn; der Hochmeister war nun als „Fürst und Rat des Königs und Reichs zu Polen“ zur Treue verpflichtet. Den diplomatischen Kontakten zwischen Hochmeister und König bis zum Tode Jan Olbrachts 1501 ging ADAM SZWEDA (Toruń) nach. Die preußische Frage spielte auch in den habsburgisch-jagiellonischen Verträgen von 1515 eine Rolle, in denen bis zuletzt um den Wortlaut gerungen wurde und absichtlich missverständliche Formulierungen eingebaut wurden; doch bedurften alle drei verhandelnden Monarchen letztlich der Neutralität oder Unterstützung ihrer Verhandlungspartner. GREGOR METZIG (Berlin) wies darauf hin, dass fortan andere über das Schicksal des Deutschordensstaates entschieden, auch wenn sich de facto an seiner Lage vorerst kaum etwas änderte.

Der Friede von Oliva 1660 ist wie der Westfälische Frieden, der gewisse Standards gesetzt hatte, eine Wegmarke des 17. Jahrhunderts. Der Historiker WOJCIECH KRAWCZUK (Kraków) ermahnte, das Ringen um Frieden nicht mit dem Wissen über das Nachkommende zu werten, sondern vielmehr das Funktionieren der Kommunikationsnetze zu untersuchen, wie es etwa die Premodern Diplomatic Networks vorsehen. Während die königliche Kanzlei offiziell großes Theater spielte, handelte sie privat weitaus ruhiger, wobei die Rolle der Königin Ludwika Maria nicht zu unterschätzen ist. Aus den mehrschichtigen Friedensverfahren hatte sich MARCIN SWOBODZIŃSKI (Poznań) einen einzigen Aspekt herausgesucht, die Investiturerneuerung von 1649. Dass ein gewonnener Kampf nicht automatisch den Sieg bedeutete, unterstrich auch der Literaturwissenschaftler RALF PÄSLER (Marburg): zu Ende sei immer eine friedliche Lösung erforderlich. Ein echter Frieden könne allerdings erst bestehen, wenn das Reich Gottes auf Erden käme. Die Spiritualisierung des Kampfes erfordere den (Glaubens)kampf eines jeden Einzelnen. Der Direktor des Staatsarchivs in Lublin PIOTR DYMMEL gab abschließend einen Überblick über die editorischen Forschungen seit dem 18. Jahrhundert und einen Ausblick auf mögliche Editionsvorhaben.

Die Konferenz zeigte deutlich die Perspektivenänderung in der historischen Forschung von einer Konflikt- zur Friedensproblematik. Nicht so sehr die politischen Ergebnisse, sondern die umfangreichen Verhandlungen standen dabei im Interesse. Die Konferenz wurde von einer Ausstellung begleitet, in der die wichtigsten Originalverträge aus den Beständen des Hauptarchivs Alter Akten zu sehen waren. Die Referate sollen veröffentlicht werden.

Konferenzübersicht:

Martin Espenhorst (Mainz): „Preußisch/deutsch“-polnische Friedensprozesse 1410 bis 1660

Janusz Grabowski (Warszawa): Zwischen Polen und dem Deutschen Orden. Masowien und der Friede von Kalisch 1343

Sebastian Kubon (Hamburg): Der Friedensvertrag von Racianz 1404 im Lichte seines Entstehungsprozesses

Marek Radoch (Olsztyn): Die Verhandlungen des Hochmeisters Ulrich von Jungingen mit den Abgesandten Königs Jagiełło im Juni 1409 in Elbing

Dariusz Wróbel (Lublin): Die Unterhändler der Friedensverhandlungen mit dem Deutschen Orden zur Zeit Władysławs Jagiełło

Sobiesław Szybkowski (Gdańsk): Die für Preußen zuständigen Diplomaten Jagiełłos aus Groß- und Mittelpolen. Ein Gruppenporträt

Rafał Simiński (Szczecin): Die Diplomatie des Herzogtums Pommern-Stolp mit dem Deutschen Orden in den Jahren 1395 bis 1426

Michalina Broda (Toruń): Die Grenzfrage der Neumark in den Friedensverhandlungen der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts zwischen Polen und dem Deutschen Orden

Jaeck Wijaczka (Toruń): Der Friedensvertrag von 1525. Ein polnischer oder preußischer Erfolg?

Andreas Rüther (Bochum): „Ein bisschen Frieden“. Vorformen, Abstufungen und Übergänge des Friedens von Melnosee 1422

Loīc Chollet (Neuchâtel): Samaiten und die rechtliche Stellung von heidnischen Völkern in den Friedensverträgen bis zum Konzil von Konstanz

Adam Szweda (Toruń): Princeps et consiliarius Regni Poloniae, oder Diplomatie mit einem Vasallen. König und Hochmeister in den Jahren 1466 bis 1501

Gregor Metzig (Berlin): Preisgabe des Deutschen Ordens gegenüber Polen? Die preußische Frage in den habsburgisch-jagiellonischen Verträgen von 1515

Wojciech Krawczuk (Kraków): Diplomatik und Diplomatie. Die Friedensverhandlungen in Oliva

Marcin Swobodziński (Poznań): Umstände und Bedeutung der letzten Investiturerneuerung des Herzogtums Preußen 1649

Ralf Päsler (Marburg): Vorstellung von Krieg und Frieden des Deutschen Ordens in seinen Chroniken des Preußenlandes

Piotr Dymmel (Lublin): Geschichte der Editionen über die Friedensverhandlungen zwischen Polen und dem Deutschen Orden und Herzogtum Preußen


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Land Veranstaltung
Sprache(n) der Konferenz
Deutsch, Polish
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