Zwei Jahrhunderte im Gedächtnis Russlands / Dva veka v pamjati Rossii

Zwei Jahrhunderte im Gedächtnis Russlands / Dva veka v pamjati Rossii

Organisatoren
Vladimir Lapin, Fakultät für Geschichte, Europäische Universität St. Petersburg
Ort
St. Petersburg
Land
Russian Federation
Vom - Bis
18.02.2013 - 19.02.2013
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Von
Regine Nohejl / Konstantin Rapp, Slavisches Seminar, Albert-Ludwigs-Universität Freiburg

Im Jahr 2012 wurde in der Russischen Föderation das 200-jährige Jubiläum des „Vaterländischen Krieges“, des Napoleonischen Feldzugs gegen Russland, begangen. Der als vermeintlich kurzer Schlag gegen einen „unzivilisierten“ Gegner begonnene Krieg endete für die Grande Armeé bekanntlich in einem Desaster und läutete den Anfang vom Ende der Napoleonischen Ära ein. Der Krieg von 1812 und seine Ereignisse, z. B. die berühmte Schlacht von Borodino, die Aufgabe Moskaus oder der Übergang über die Berezina, spielen seit jeher im russischen nationalen Selbstverständnis eine zentrale Rolle. Angesichts der verstärkten patriotischen Mobilmachung, die sich derzeit in Russland beobachten lässt, verwundert es nicht, dass das 200. Jubiläum des Vaterländischen Krieges von 1812 auf höchster staatsoffizieller Ebene aufwendig vorbereitet und gefeiert wurde. Politik und Orthodoxe Kirche nutzten das historische Gedenken an den Krieg, um zu unterstreichen, dass Russland sich im Lauf seiner Geschichte immer nur durch eine straffe staatliche und militärische Führung und durch die christlich-moralisch fundierte Integrität und Opferbereitschaft seines Volkes behauptet habe, und dass es höchste Zeit sei, sich auf diese Traditionen zurückzubesinnen. Eines der stärksten ideologischen Signale der demonstrativen Rückbesinnung auf die Vergangenheit ist zweifellos das neue „Museum für 1812“, das Anfang September 2012 in Moskau eröffnet wurde – in jenen Räumen des Historischen Museums am Roten Platz, die zu sowjetischer Zeit das Lenin-Museum beherbergten.

Unter Leitung des Historikers Vladimir Lapin fand an der Europäischen Universität in St. Petersburg am 18./19. Februar 2013 eine Tagung unter dem Titel „Dva veka v pamjati Rossii“ (Zwei Jahrhunderte im Gedächtnis Russlands) statt. 2012 hatte sich in Russland eine große Zahl von Veranstaltungen im patriotischen Geist der Betrachtung der ruhmreichen Vergangenheit gewidmet, kritische Stimmen waren nur wenige zu hören. Ziel der Petersburger Tagung war es, ein Resümee des Jubiläumsjahres zu ziehen. Die Tagungsteilnehmer kamen aus der Russischen Föderation, der Ukraine, Weißrussland, Polen, Deutschland und Frankreich. Es herrschte Einigkeit darüber, dass das Jubiläum 2012 in Russland ganz im Sinne der klassischen patriotischen Narrative begangen worden sei. Über die Frage, wie sinnvoll eine solche traditionell-normative Handhabung des historischen Gedächtnisses ist und welche Teile der Bevölkerung dadurch überhaupt noch angesprochen werden, gingen die Meinungen freilich weit auseinander.

Der einleitende Vortrag von TAT’JANA SABUROVA / NATAL’JA RODIGINA (Omsk/Novosibirsk) zeigte, dass nicht nur im 19., sondern auch im 20. Jahrhundert das Gedenken an den Vaterländischen Krieg in Russland durchgängig mit aktuellem zeitpolitischem Geschehen korreliert und entsprechend funktionalisiert worden ist. So stand etwa das 150. Jubiläum im Jahr 1962 noch ganz im Zeichen der Bewältigung des Zweiten Weltkriegs (der bekanntlich als „Großer Vaterländischer Krieg“ und damit als Steigerung des Krieges von 1812 narrativiert wurde). Aus dem Gedächtnis an den Krieg wurden alle Spuren des Leids und des Schreckens getilgt zugunsten eines triumphalen Siegernarrativs. Zum Sieger wurde im Geiste der sowjetisch-marxistischen Ideologie das „Volk“ erklärt, das 1812 einen Kampf um die Freiheit begonnen habe, der schließlich über hundert Jahre später in die Revolution mündete und sich bis in die Gegenwart immer wieder bewährt habe. Lediglich die ansonsten charakteristische Hervorhebung einzelner Helden des Krieges wurde in den 1960er-Jahren, mit Ausnahme der Literatur für Kinder und Jugendliche, stark zurückgenommen – eine Folge des Kampfes gegen den Stalinschen Persönlichkeitskult.

In Polen (JAROSŁAW CZUBATY, Warschau) war das Gedächtnis an Napoleon und den Krieg von 1812 im 19. Jahrhundert traditionell pronapoleonisch konnotiert und mit der Hoffnung auf Freiheit und Eigenstaatlichkeit verbunden (z. B. in Adam Mickiewiczs Pan Tadeusz, 1834). Im 20. Jahrhundert änderte sich unter dem Eindruck der Abhängigkeit von der Sowjetunion das Narrativ, es wurde die kritische Frage gestellt, ob Napoleon nicht für die allgemeine Tragik Polens steht, sich in der illusionären Hoffnung auf Freiheit stets die falschen Verbündeten unter den Mächtigen zu suchen.

Derzeit zeigt sich die Neigung zur Funktionalisierung des Vaterländischen Krieges im Dienste aktueller politischer Diskurse besonders deutlich in den ehemaligen Mitgliedstaaten der Sowjetunion. Sowohl in der Ukraine (VIKTOR SARANČA / VLADIMIR MASLAK, Kremenčug) wie auch in Weißrussland (MARGARITA FABRYKANT, Minsk) lassen sich in Historiographie und Geschichtsdidaktik Tendenzen feststellen, die Vaterländischen Kriege von 1812 und 1941–45, die stets auch als „Treueschwur“, als demonstratives Fanal der Einheit der Völker des russischen Imperiums respektive der Sowjetunion dienten, zu einer rein „russischen“ oder „sowjetischen“ Angelegenheit zu erklären, zu der die Ukrainer und Weißrussen bestenfalls heldenhafte Kämpfer beisteuerten, die aber im Prinzip nicht „ihre“ Kriege waren. Auch die Aktionen im Jubiläumsjahr 2012 seien weitgehend von der russischstämmigen Bevölkerung in der Ukraine und Weißrussland getragen worden, nicht von den „Einheimischen“ selbst. Der erst in jüngster Zeit realisierte Status der Selbstständigkeit wird hier ersichtlich auf historische Epochen zurückprojiziert, in denen ganz andere Bedingungen herrschten – ein problematisches Verfahren, das mehr über die Interessen derer, die aktuell Geschichte schreiben, verrät, als über die Geschichte selbst. Die Vortragenden beurteilten die Lage denn auch vorsichtig und machten deutlich, dass eine differenziertere Sichtweise vonnöten ist.

In der Russischen Föderation selbst hat das patriotische Narrativ zweifellos in der älteren wie in der jungen Generation einen großen Kreis von Anhängern. Kritik wird hier, wie z. B. im Vortrag von VIKTOR TOTFALUŠIN (Saratov), häufig an der unzureichenden Organisation der Jubiläumsmaßnahmen, an mangelnder behördlicher Unterstützung und bürokratischen Hindernissen geäußert, aber nicht an der traditionellen Durchführung des Jubiläums als solchem. Als Vorbild wird gern die 100-jährige Gedenkfeier genannt, die 1912, noch in der zaristischen Zeit stattfand.

Eine für Russland relativ neue, aber inzwischen auch bezüglich des Krieges von 1812 weit verbreitete Form des Umgangs mit geschichtlichen Ereignissen sind die historischen Reenactments, über die ALEKSEJ ARANOVIČ und ANDREJ LUŽBIN (St. Petersburg), beide Vorsitzende von militärhistorischen Gesellschaften, berichteten. Die Rekonstrukteure legen großen Wert auf Detailtreue und beanspruchen für ihre Darstellungen den Status von Wissenschaftlichkeit und Authentizität. Dieser wissenschaftliche Anspruch wurde, trotz des gemeinsamen patriotischen Engagements, von den professionellen Historikern zum Teil in Zweifel gezogen. Die Vertreter einer konstruktivistischen Geschichtsauffassung kritisierten generell die Vorstellung als naiv, Geschichte sei in authentischer Form, wie sie „wirklich war“, rekonstruierbar („Wie viele Verluste hat Ihr Club auf dem Schlachtfeld von Borodino erlitten?“).

Ein Beispiel für patriotische Begeisterung unter der jungen Generation bot der Vortrag von NADEŽDA SOKOLOVA, Doktorandin und Stipendiatin an der Russischen Akademie für Malerei, Skulptur und Architektur „Il’ja Glazunov“ in Moskau, „einer der patriotischsten Hochschulen des Landes“, wie die Referentin erklärte und wie schon aus der Namensgebung deutlich wird (Il’ja Glazunov war schon zu Sowjetzeiten ein vehementer Vertreter eines rückwärtsgewandten russischen Nationalismus und gilt heute als einer der bekanntesten patriotischen Maler in Russland). An der Akademie, an der gewöhnlich Antike, Historie und Gegenwart thematisiert werden, war das Jahr 2012 aus Anlass des Jubiläums der Historienmalerei vorbehalten. Es wurden ausschließlich Themen aus dem Umfeld des Vaterländischen Krieges vergeben. Von den anwesenden Historikern und Rekonstrukteuren wurde das patriotische Engagement der jungen Künstler gewürdigt, es wurden aber auch Fehler in der Darstellung historischer Gegebenheiten und Details kritisiert.

Ein erweiterter Blick auf die zeitgenössische russische Gesellschaft zeigt, dass das patriotische Narrativ und das offizielle patriotische Engagement zwar weit verbreitet, aber keineswegs repräsentativ für die Bevölkerung insgesamt sind. Eine wichtige Rolle für die Information und die Diskussion über die Geschichte spielen inzwischen das Internet (ROMAN KONČAKOV / ELENA BARANOVA, Tambovsk) und die Blogosphäre (TAT’JANA TETEREVLEVA, Archangel’sk; OLEG REUT, Petrozavodsk). Auf diese Weise wird ein populärer, nichtprofessioneller Diskurs über die Geschichte etabliert (pop-istorija, interaktivnaja istorija), der auch zahlreiche Klischees und Stereotypen transportiert. Zugleich entsteht aber in dieser virtuellen Öffentlichkeit ein pluralistischer Kommunikationsraum, der sich der Normierung und Kontrolle durch den Staat entzieht – ein interessantes Novum und vielleicht auch ein notwendiges Korrektiv in einer Gesellschaft, in der die Sphäre nichtstaatlicher Öffentlichkeit traditionell nur schwach entwickelt ist und der Einfluss des Staates sehr weit reicht. Die großen Internetgemeinden konzentrieren sich allerdings in der Russischen Föderation bislang auf die Metropolen und ihr Umfeld. Für die Mehrzahl der Russen ist weiterhin das stark vom Staat kontrollierte Fernsehen das zentrale Informationsmedium.

Auch in den Geschichtslehrbüchern hat sich im Jahr 2012 in der Darstellung des Krieges von 1812 nichts geändert (NATAL’JA POTAPOVA, St. Petersburg). Die Gleichförmigkeit der Darstellungen fällt ebenso ins Auge wie die Tatsache, dass die alten, schon aus Sowjetzeiten bekannten patriotischen Narrative immer weiter kolportiert und lediglich im Sinne einer Affirmation des neuen starken Staates angepasst werden. Auch Potapova verwies darauf, dass die Schüler sich eher aus populären Quellen über die Geschichte informieren, was einerseits problematisch, angesichts der ewiggleichen, überholten Darstellungen in den Geschichtsbüchern aber auch verständlich, vielleicht sogar notwendig sei.

Dass der offiziell verkündete Geschichtspatriotismus nicht die gesamte Gesellschaft erfasst bzw. nicht immer aus Überzeugung angenommen und aktiv unterstützt wird, darauf deuten auch allgemeine Umfragen zum Stand der Geschichtskenntnisse in der Bevölkerung hin (MARIJA MACKEVIČ, St. Petersburg). Nur 70 Prozent der Befragten antworten auf die elementare Frage, gegen wen Russland im Jahr 1812 Krieg führte, korrekt. Dazu gehören überwiegend ältere Menschen, deren Schulzeit noch in die Sowjetphase fällt. Je jünger die Befragten, desto geringer sind die Kenntnisse der Geschichte. Lediglich in der Zeit vor dem Abitur bzw. den Aufnahmeprüfungen für die Hochschulen nimmt die Informiertheit der Jugendlichen aus naheliegenden Gründen vorübergehend zu. Inhalt und Struktur des Geschichtswissens haben sich gegenüber der Sowjetzeit nicht wesentlich verändert. Auch die Maßnahmen des Jubiläumsjahres haben nicht grundlegend zu einer besseren Informiertheit und einem größeren Interesse an den Ereignissen von 1812 beigetragen.

Die Vorträge von JEAN DOMINIQUE POLI und CHRISTOPHE LUZI (Corte/Korsika) befassten sich mit der aktuellen Rezeption des Russlandfeldzugs von 1812 in Frankreich. Zwar nahmen an den Feierlichkeiten in Russland 2012 auch französische Repräsentanten teil, aber in Frankreich selbst gab es auf offizieller Ebene keine nennenswerten Gedenkveranstaltungen. Im künstlerisch-literarischen Bereich sowie im Alltagsbewusstsein sind die Ereignisse von 1812 jedoch durchaus präsent. Noch heute lautet im Französischen der Ausdruck für eine endgültig verlorene Sache „C’est la Bérézina“. Aus den literarischen Werken des Jahres 2012 ist besonders Patrick Rambauds Roman „Il neigeait“ hervorzuheben, der den Krieg von 1812 ohne jedes Pathos in seiner ganzen Grausamkeit schildert.

Der Vortrag von ELISABETH CHEAURÉ, REGINE NOHEJL und KONSTANTIN RAPP (Freiburg im Breisgau) befasste sich mit dem Jubiläumsjahr 2012 in Russland aus der Sicht westlicher Beobachter. Die Vortragenden haben die Jubiläumsereignisse im Rahmen eines Forschungsprojekts ein Jahr lang intensiv mitverfolgt. Nach Ansicht der Freiburger Forscher hat sich mit dem Krieg von 1812 in Russland ein historisches Narrativ etabliert, das Russland in einem stetigen Spannungsverhältnis zum Westen sieht, wobei der Westen eine aggressive materielle Überlegenheit demonstriert, letztlich aber immer durch die höhere Berufung, die geistige Superiorität Russlands in seine Schranken gewiesen wird. Dieses Modell werde in Krisen- und Umbruchszeiten regelmäßig aktiviert und führe zu einem fast schon rituellen Festhalten an patriotischen Pathosformeln. Das sei auch 2012 wieder deutlich geworden. Die deutschen Beobachter stellten die Frage, ob dieser rituelle Umgang mit der Geschichte den heutigen Verhältnissen noch angemessen sei und ob Russland sich damit nicht selbst im Wege stehe.

Fazit: Insgesamt entstand der Eindruck, dass die traditionellen historischen Narrative derzeit in Russland von staatsoffizieller Seite massiv propagiert werden und daher – zumindest an der Oberfläche – nicht ohne Wirkung bleiben. Wie weit es sich dabei aber nur um eine quasi-mechanische, gewohnheitsmäßige Wiederholung lange antrainierter ritualisierter Formeln handelt, inwieweit aktuelle politische Interessen eine Rolle spielen und inwieweit persönliche Überzeugungen hinter dem patriotischen Engagement stehen, ist schwer zu entscheiden. In Bezug auf den Großen Vaterländischen Krieg, den Zweiten Weltkrieg, findet derzeit bekanntlich der Übergang vom individuellen zum kulturellen Gedächtnis statt, d.h. die Generation der Zeitzeugen, die noch die unmittelbare, persönliche Betroffenheit repräsentierte, stirbt aus, und der Ritualisierung des Gedächtnisses wird damit noch mehr Vorschub geleistet. Ein Grund für das beharrliche Festhalten an den klassischen Narrativen ist sicher auch in der anhaltenden Orientierungskrise zu sehen: ein neues produktives Verhältnis zur Geschichte ist nicht in Sicht; die Alternative zur traditionellen Geschichtsschreibung liegt in durch die neuen Medien beförderten zweifelhaften populären Geschichtsdarstellungen oder aber in der vollständigen Gleichgültigkeit gegenüber der Geschichte. So ist die Sehnsucht nach einem „Damals“, als das Volk noch ein Ideal hatte, dem es folgte und durch das es geeint wurde, tatsächlich nicht nur ein „Propagandatrick“, sondern auch ein dringendes Anliegen vieler Menschen. Veranstalter Lapin sprach vom „Balsam des Jahres 1812“ für die russische Seele. Auch die demonstrative Betonung der Bedeutung von Detailfragen, die Annahme, man müsse nur die „richtigen“ Fakten herausarbeiten und die „Fälschungen“ entlarven, um zur „authentischen“ Geschichte zu gelangen, zeugt von der Sehnsucht nach Orientierung. Vermieden wird in diesem Zusammenhang zumeist auch jeglicher kritisch-konstruktivistische Geschichtsdiskurs, der das Problem der Konstruiertheit von Geschichtsdarstellungen auf einer prinzipiellen Ebene zur Sprache bringen würde. Das russische Geschichtsdenken arbeitet, wie der Petersburger Historiker Aleksej Miller es ausdrückte, mit einem hermetisch geschlossenen, altbewährten Bestand an ideologischen Versatzstücken, die immer aufs Neue reproduziert und an die herrschenden Verhältnisse angepasst werden und die sich gegenüber provokativer fundmentaler Kritik, vor allem solcher aus dem Westen, taub stellen. Mit der letzteren Feststellung war ein weiterer wichtiger Grund für die Beharrlichkeit des patriotischen Narrativs benannt, der sich in den Diskussionen der Tagung bestätigte: Auch wenn sie untereinander durchaus nicht immer einig sind, rücken doch alle russischen Vertreter im patriotischen Geist zusammen, sobald Kritik von außen, vor allem von westlicher Seite, geäußert wird. Die Bemerkungen der deutschen Vortragenden, die patriotischen Narrative, mit denen Russland des Krieges von 1812 gedenke, seien zu Formeln und Riten erstarrte performative Akte, die sich weder der grausamen Wirklichkeit des Krieges stellen würden noch einen Bezug zu den Menschen von heute und ihren Problemen hätten, wurde von russischer Seite zum Teil mit deutlichem Unmut aufgenommen; sie wurden als eine Art „Spielverderberei“, als Ausdruck des „Neides“ der Deutschen gewertet, die in der jüngeren Vergangenheit eben keine Siege, nichts auf das man stolz sein könne, vorzuweisen hätten und insofern auch nicht „mitreden“ könnten. Auch hier wurde das „Napoleon-Narrativ“ aktiviert: Provoziert uns nicht, denn „Wer mit dem Schwert zu uns kommt, wird durch das Schwert zugrunde gehen“. Solche extremen Reaktionen blieben freilich vereinzelt.

So schwierig sich die Diskussionen um die Geschichte in Russland auch in der Auseinandersetzung mit der westlichen Forschung gestalten, bleibt doch festzuhalten, dass solche Diskussionen auf jeden Fall möglich geworden sind, und damit ist der eigentlich entscheidende Schritt getan. Die Bemühungen sollten derzeit nicht dahin gehen, Einigkeit zu erzwingen, sondern die Möglichkeiten zum produktiven Streiten und auch zum Aufeinanderhören und Voneinanderlernen unter allen Umständen zu erhalten.

Konferenzübersicht

Sektion 1: Kommentator – Vladimir Lapin (St. Petersburg)

Natal’ja Rodigina, Tat’jana Saburova (Novosibirsk, Omsk): 150 летний юбилей Отечественной войны 1812 года в СССР: практики коммеморации (Das 150-jährige Jubiläum des Vaterländischen Krieges von 1812 in der UdSSR: Praktiken des Gedenkens)

Jarosław Czubaty (Warschau): Весна надежд и зима разочарований в коллективной памяти поляков в XIX и XX (Frühlingshoffnung und Winterenttäuschung. Das Jahr 1812 im kollektive Gedächtnis Polens im 19. und 20. Jahrhundert)

Christophe Luzi (Corte): Représentation de la campagne de 1812 à travers la littérature française contemporaine: images de la guerre dans le roman „Il neigeait“ de Patrick Rambaud

Sektion 2: Kommentator – Aleksej Miller (St. Petersburg, Budapest)

Aleksej Aranovič, Andrej Lužbin (St. Petersburg): Военно-историческая реконструкция в России: 200-летний юбилей Отечественной войны 1812 г. (Reenactments in Russland: das 200jährige Jubiläum des Vaterländischen Krieges von 1812)

Nadežda Sokolova (Moskau): Российская академия живописи, ваяния и зодчества Ильи Глазунова и Юбилей 2012 (Die Russische Akademie für Malerei, Skulptur und Architektur „Il’ja Glazunov“und das Jubiläum 2012)

Viktor Totfalušin (Saratov): 200-летний юбилей Отечественной войны 1812 года в Саратовской области (Das 200-jährige Jubiläum des Vaterländischen Krieges von 1812 im Gebiet Saratov)

Konstantin Žučkov (Michalovskoe): 200-летний юбилей Отечественной войны 1812 г. в Псковской области и его пропагандистский источник (Das 200-jährige Jubiläum des Vaterländischen Krieges von 1812 im Gebiet Pskov und seine propagandistische Quelle)

Sektion 3: Kommentatorin – Marija Mackevič (St. Petersburg)

Boris Pavlovič (St. Petersburg) 200-летний Юбилей Отечественной войны 1812 г. в периодической печати (Das 200-jährige Jubiläum des Vaterländischen Krieges von 1812 in den Periodika)

Roman Končakov, Elena Baranova (Tambov): билей 2012 и интернет-сообщество (Das Jubiläum 2012 und die Internetgemeinde)

Tat’jana Teterevleva (Archangel’sk), Oleg Reut ( Petrozavodsk): сторическая политика в Интернет-пространстве современной России: способы репрезентации и интерпретации истории Отечественной войны 1812 года (Die historische Politik im Internetraum des zeitgenössischen Russland: Mittel der Repräsentation und der Interpretation des Vaterländischen Krieges von 1812)

Sektion 4: Kommentatorin – Tat’jana Andreeva (St. Petersburg)

Viktor Saranča (Kremenčug): Юбилей 2012 года и Украина: между Отечественной и франко-русской войнами (Das Jubiläum von 2012 und die Ukraine: zwischen Vaterländischem Krieg und französisch-russischem Krieg)

Vladimir Maslak (Kremenčug): Юбилей 2012 в украинской исторической науке (Das Jubiläum von 2012 in der ukrainischen historischen Wissenschaft)

Margarita Fabrykant (Minsk): Юбилей 2012 и национальный исторический нарратив (случай республики Беларусь) (Das Jubiläum von 2012 und das nationale historische Narrativ (der Kasus der Republik Weißrussland))

Sektion 5: Kommentator – Vladimir Lapin

Jean-Dominique Poli (Corte): Etat des lieux le plus exhaustif possible des publications, manifestations et commémorations en France en 2012 de la campagne de Russie de 1812. Propositions d’analyse. Enjeux

Elisabeth Cheauré, Regine Nohejl, Konstantin Rapp (Freiburg) События юбилейного года 2012 в перспективе западных исследователей (Die Ereignisse des Jahres 2012 aus der Perspektive westlicher Forscher)

Natal’ja Potapova (St. Petersburg) Безразличие неразделенного патриотизма: Отечественная война 1812 в школьных учебниках юбилейного года (Die Gleichgültigkeit des ungeteilten Patriotismus: Der Vaterländische Krieg von 1812 in den Schulbüchern des Jubiläumsjahres)

Marija Mackevič (St. Petersburg) Влияет ли историческая политика государства на коллективную память о 1812 г. в современной России? (Hat die Geschichtspolitik des Staates Einfluss auf das kollektive Gedächtnis an das Jahr 1812 im zeitgenössischen Russland?)


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