„Sollbruchstelle“ – Medien und Geschichten kontrollierter Ver/un/sicherungen

„Sollbruchstelle“ – Medien und Geschichten kontrollierter Ver/un/sicherungen

Organisatoren
Graduiertenkolleg „Mediale Historiographien“, Erfurt, Weimar, Jena
Ort
Weimar
Land
Deutschland
Vom - Bis
29.11.2012 - 01.12.2012
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Von
Till Greite, Institut für deutsche Literatur, HU Berlin; Jason Papadimas; Institut für Kulturwissenschaft, HU Berlin

Ob ICE-Notausstiegsfenster, Eidechsenschwanz, Schokoladentafel oder Sicherungskasten: Sollbruchstellen durchziehen unseren Alltag. Sollbruchstellen fügen scheinbar disparate Reihen zu einem Paradigma. Denn alle diese Objekte durchzieht sicht- oder unsichtbar ein und dieselbe Sache: eine Sollbruchstelle. Als Metafigur dient sie der Beschreibung von Kontinuitäts- wie Diskontinuitätsverhältnissen in und zwischen so unterschiedlichen Disziplinen wie der Literaturwissenschaft, dem Ingenieurwesen, der Biologie oder der Ökonomie. Die Sollbruchstelle wäre mit diesem Anspruch auf Ubiquität ein Komplementärbegriff zu einem anderen Schlüsselwort auf dem Feld der kulturwissenschaftlich orientierten Medienwissenschaft: der Störung.

Diese Vermutung bestätigten die Statements von Mareike Vennen, Tobias Nanz und Sarah Sander, die die Jahrestagung des Weimarer Graduierten-Kollegs „Mediale Historiographien“ inhaltlich und organisatorisch vorbereiteten. Wie die Störung entstamme die Sollbruchstelle dem ingenieurstechnischen Begriffsfeld. Anders als die Störung folge die Sollbruchstelle weniger einer Logik der Eskalation als einer der Prävention: „Ihr Prinzip beruht darauf, eine drohende Katastrophe durch ein kleineres Übel zu ersetzen: den kontrollierten Bruch.“ Statt den Kollaps des gesamten Systems zu riskieren, griffen Sollbruchstellen im Dienst einer präventiven Versicherungslogik lokal ein und verhinderten dort das Schlimmste. Um im Bild zu bleiben: keine erstickten ICE-Passagiere, keine gefressene Eidechse, zerbröselte Schokolade oder verbrannten Hausbewohner. Die OrganisatorInnen hoben hervor, dass die Zweckentfremdung der Sollbruchstelle nicht erst durch die Kulturwissenschaften erfolgt sei, sondern als „geplante Obsoleszenz“ selbst eine Geschichte habe. So tauchte das Konzept des geplanten Produktverschleißes als Regierungstechnik während der Great Depression auf. Berühmt wurde der Fall des Glühbirnenkartells Phoebus in den 1920er-Jahren und noch zeitgenössische Abwrackprämien scheinen einer Logik zu folgen, nach der ökonomischer Verbrauch durch gezielten Verschleiß reguliert werden könne. Angesichts dieser geplanten Tücke der Dinge, die den Nylonstrümpfen, Druckern und Handys notorisch eingeschrieben zu sein scheint, ist man versucht, an den literarischen Verschleißexperten Thomas Bernhard zu denken: „[D]ie Industrie hat nichts anderes im Kopf, als Erzeugnisse auf den Markt zu werfen, die in kurzer Zeit wertlos sind. (...) Man kann anziehen, was man will, es zerreißt in kürzester Zeit, wäscht man es, geht es ein usf. Zieht man an neuen Schuhbändern, zerreißen sie, klappt man die Schnallen zu, zerbröckeln sie, bückt man sich im neuen Mantel, zerreißt er, alles zerreißt und zerbricht und zerbröckelt, das ist der Fortschritt.“ 1

Dass Verunsicherungen dieser Art nicht nur Bernhard’sche Figuren heimsuchen, machte das erste Panel zu „Ästhetiken der Krise“ deutlich. ELKE DUBBELS (Bonn) versuchte in ihrem Beitrag der Funktion des Gerüchts in Friedrich Schillers „Wallenstein“-Dramen (1799) auf die Spur zu kommen. Ausgangspunkt ihrer Überlegungen war der prekäre Wahrheitsstatus, den das Gerücht als Redeform an der Grenze zwischen Fiktion und Dokument einnimmt. Als historiographisches Problem offenbare das Gerücht eine Sollbruchstelle zwischen dem getreuen Quellenstudium und der Konstruktionsleistung des Historikers. Für Schillers historiographisches Schreiben markiere das Gerücht die Einbruchsstelle einer poetischen Wahrheitsform. Laut Dubbels stelle die indirekte Rede des Gerüchts für Schiller die Unmöglichkeit aus, zu einer historischen Wahrheit zu gelangen. Gleichwohl könne, wie der charismatische Herrscher Wallenstein zeige, mit Gerüchten Politik gemacht werden: Vom „Theaterhelden“ Wallenstein könne man lernen, dass derjenige der Souverän sei, der den Status des Gerüchts kontrolliere.

Einem buchstäblichen Wassereinbruch widmete sich STEPHAN KAMMERs (Wien) Vortrag über Theodor Storms „Der Schimmelreiter“ (1888). Der diskurs- und technikgeschichtlich angelegte Beitrag konfrontierte Storms Novelle mit den Schriften des Philosophen und Versicherungstechnikers Johannes Nikolaus Tetens, insbesondere mit seiner „Beobachtung des Deichbaus in Briefen“ (1788), die Storm als Folie für sein Deichbau-Drama diente. Das Bauwerk des Deichgrafens führe im Zeichen eines „totalen Deichbau-Paradigmas“ neben einer geplanten Sollbruchstelle den Einsatz einer – auf Figurenebene – ungewollten Bruchstelle vor, die das Dorf hinterm Deich in die Katastrophe führe. In der anschließenden Diskussion verwies Wolfgang Struck auf eine poetologische Sollbruchstelle im Text: nämlich jene zwischen phantastischer Spukgeschichte und dem Modus des realistischen Erzählens. Erstere kaschiere die Referenzialisierungsprobleme, die die Novelle als Deichbau-Pastiche zweier Jahrhunderte zwangsläufig produziere.

Einen stärker metaphorischen Gebrauch der Sollbruchstelle führte der Beitrag von NINA PETER (Berlin) über den Crash der Finanzwirtschaft 2007/08 vor. Als eingebaute Sollbruchstellen, die in der Krise ein kontrolliertes Systemversagen herbeiführen sollten, benannte Peter die Verbriefung von Krediten und Versicherungspapieren gegen Kreditausfall. Beide Instrumente seien nicht nur Ausdruck eines Sicherheitsphantasmas, sondern würden zudem einer Kontrollillusion aufsitzen, die in der Mathematisierung des ökonomischen Wissens ihre epistemische Grundlage finde. In einem zweiten Schritt untersuchte Peter die Metaphernbildung nach der Krise in populärwissenschaftlichen und literarischen Diskursen. Am Beispiel von Elfriede Jelineks Stück „Die Kontrakte des Kaufmanns“ (2009) meinte Peter in der Literatur neue „sprachliche Verunsicherungspraktiken“ ausmachen zu können, die auf ein Analogieverhältnis zwischen sprachanalytischen Techniken und Praktiken der Geldzirkulation hinausliefen.

Vergleichbare ästhetische Strategien der Verunsicherung von Sinnzusammenhängen machte KARIN WÄCHTER (Berlin) in den visuellen Arbeiten des zeitgenössischen libanesischen Künstlers Rabih Mroué ausfindig. Weniger um eine Sollbruchstelle im engeren Sinn ging es Wächter eher um einen Aspektwechsel zwischen dokumentarischen und fiktionalen Lesarten in den autofiktionalen Ausstellungsarbeiten Mroués. Christian Kassung gab in der Diskussion zu bedenken, dass derartige Referenzialisierungsstrategien einen anderen Zug bekommen würden, wenn man die Analyse um das Bezugssystem ‚Documenta’ erweitere, in dem Mourés Arbeiten präsentiert wurden.

Die Sollbruchstelle als Figur zwischen Risikokalkulation und Prävention nahm das zweite Panel „Versicherungen – Politiken des Lebens“ in den Blick. SANDRO HOLZHEIMER (Bamberg) analysierte Albrecht von Hallers Vorwort zu Buffons „Histoire Naturelle“ (1750) im Hinblick auf dessen Verständnis wissenschaftlicher Hypothesen. Stand die Hypothesenbildung lange unter dem Verdacht eine romanhafte Spekulation zu sein, welche im Widerspruch zur empirischen Genauigkeit stehe, so kündigte sich bei Haller eine Positivierung der Hypothese an. Es sei nun der Forscher selbst, der als empirisches Faktum die Bühne der Wissenschaft betrete. Mit seinen Leidenschaften zu rechnen, hieße seinen „Trieb zur Hypothesis“ als Teil einer „schöpferischen Gewalt“ und mithin als möglichen Gegenstand eines gouvernementalen Entwurfs von Wissen zu verstehen. Der Hypothese käme demnach – auch in der Widerlegung – die Rolle einer Sollbruchstelle im wissenschaftlichen Fortschritt zu, die die Anschlussfähigkeit des Erreichten für Künftiges absichere.

CORNELIUS BORCK (Lübeck) hob zwei Funktionsmodi von Sollbruchstellen im Feld der Biologie hervor. Zum einen deutete Borck die Sollbruchstelle als eine Fuge, die Leben und Tod trenne und zum anderen als jene Grenze im Prozess des Werdens, die bei der Zellteilung sichtbar werde. In einer historischen Herleitung legte Borck dar, wie Tod und Zellteilung spätestens im Diskurs der 1920er Jahre als verschränkt gedacht wurden. Die Aufhebung einer scharfen Grenze zwischen Leben und Tod dokumentiere sich in der These des Physiologen Max Verworns: „Der Tod entwickelt sich.“ Der Tod als substantieller Begriff weiche in der Folgezeit einer „Mikrophysik des molekularen Sterbens“. Der Tod als biopolitische Sollbruchstelle sei zunehmend in den Plan von Verjüngung und Fortschritt eingebunden worden. Ein konkreter Fall wurde in der Diskussion am Beispiel des Hirntods besprochen. Die Brisanz der gegenwärtig aktuellen Organspenderfrage sitze quasi an der Sollbruchstelle zwischen dem Tod des Gehirns und der Intaktheit des Organismus.

BENJAMIN BÜHLER (Berlin) stellte anhand einer satirischen Miniatur aus Enzensbergers „Untergang der Titanic“ (1978) die Antizipation des Katastrophischen als Ausdruck einer ingenieurmäßigen Rationalität vor, welche mit dem Unfall schon je statistisch rechne. Die Verdichtung zukünftiger Gegenwarten in einem Narrativ bereits gegenwärtiger Zukunft führte ihn zur „Ecotage“ – einem Kofferwort aus ecology und sabotage –, die auf die Praxis des unmittelbaren Eingriffs als einer Verhinderung von prognostizierter Zukunft abziele. Mit dem „Monkeywrenching“ habe sich Mitte der 1970er-Jahre ein subkultureller Diskurs der gezielten Unterbrechung entwickelt. Der Aktivismus punktueller Sachbeschädigungen an Stromleitungen u.a. verstünde sich nicht zuletzt als eine die Zukunft „umlenkende oder präventive“ Sollbruchstelle im Spannungsfeld zwischen dem Imaginären der Ökologie und dem Realen der Aktion.

Auch im anschließenden Beitrag ging es um die Konstruktion eines ökologischen Imaginären, das als Spiegel diskursiver Trends und Techniken lesbar wurde. Im Zentrum von SABINE HÖHLERs (Stockholm) Ausführungen stand die Analyse des Resilienzkonzeptes, bei dem es sich ursprünglich um einen materialwissenschaftlichen Fachterminus gehandelt habe. Mit der nun Ökosystemen unterstellten Resilienz würden im Rahmen der „stress ecology“ Umweltschäden zu Störungen umformuliert. Sabine Höhler sah in dieser Rekonzeptualisierung des Ökosystems als eines flexibel reagierenden Akteurs den Ausdruck einer neuen dienstleistungsförmigen Sozioökologie, in der die Systemleistungen für den Menschen zunehmend in den Vordergrund rückten. Mit der Resilienz ginge ein Verzicht auf exakte Vorhersagbarkeit von Bruchstellen zugunsten von Übergangsphänomenen einher. Systeme seien so anzulegen, dass künftige Belastungen aufgefangen oder in andere stabile Zustände transformiert würden.

In der dritten Sektion „Sicherungen – Techniken der Steuerung“, in die Christoph Eggersglüß (Weimar) einführte, lag der Fokus auf den Fragen der Systemsicherung.

RICKY WICHUM (Freiburg i. Br.) beschäftigte sich mit biometrischen Kontrollsystemen, in denen er eine Sollbruchstelle der gesellschaftlichen Zirkulation erkannte. Die historisch vorgehende Analyse orientierte sich an Foucaults Gouvernementalitätskonzept. Demnach unterschieden staatliche Instanzen zwischen Formen zu fördernder und zu unterbindender Zirkulation, die Freiheit als Risiko kalkulierten und bestimmte Ereignisse im Rahmen von Regulationsdispositiven wahrscheinlicher als andere machten. Den Technologien biometrischer Identifizierung komme die Rolle einer Zukunftssteuerung unter gegebenen unvollständigen Informationen zu, die in algorithmisch erzeugten Mustern und Profilen Vorhersagen zu Verhaltensweisen treffen. Laut Wichum ließe sich eine Tendenz zur Vervielfältigung der Schwellen, der Minimierung des sichtbaren Eingriffs und zur steten Vermehrung der Identifizierung beobachten.

Einen spannenden Zugang wählte JÖRG POTTHAST (Berlin): Er konzentrierte sich auf Darstellungsweisen des Nicht-funktionierens technischer Systeme. Er unterschied seinen Ansatz, der sich bewusst eines zufällig ausgewählten Materials bediente – nämlich Bildern der ubiquitären „Außer Betrieb“-Schilder an Bankautomaten und Haltestellen – von Ansätzen der „unruly technology“ (Brian Wynne). Diese beschrieben das Versagen großtechnischer Systeme als eine schleichende Normenverformung. In einer solchen Betrachtung werde der Ausfall eines Systems noch innerhalb von Normenrelationen verhandelt, in der das „Außer Betrieb“ als eine Kommunikation der Technik über sich selbst nicht vollständig aufgehe. Vielmehr tauche hier ein Bruch im Handlungsgefüge auf. Insbesondere die Unterstellung, was „außer Betrieb“ sei, sei auch in Wartung, mache aus einem praktischen Hinweis ein Wissen über das System. Es sei dieser Übergang, dessen Regelung zunächst prekär sei und der Vermittlung bedürfe. Er füge der technischen Sollbruchstelle eine weitere der symbolisch eingebetteten Handlungsanweisungen hinzu, die hinüberführen würden in ein Regime des Testens und Prüfens.

Der Beitrag von ALBERT KÜMMEL-SCHNUR (Konstanz) widmete sich sowohl einem historischen Abriss der Genese des englischen Patentrechtes, wie einer strukturellen Beschreibung der mit ihm verbundenen Paradoxie, die laut Kümmel-Schnur eine doppelte Sollbruchstelle markiere. Zum einen erhoffte sich der Staat in der impliziten Gleichsetzung von Erfindung und Fortschritt durch die Vergabe von zeitlich beschränkten Monopolen Innovationen, die er aber zugleich verlangsamte. Auf der anderen Seite zahlte der Patentnehmer den gewährten rechtlichen Schutz für seine Erfindung mit der Offenlegung des Patents. In der Institution des Patentes träfen sich demnach divergierende Interessen von Patentgeber und –nehmern. An verschiedenen Inkonsistenzen griffen nun die Patentnehmer jeweils an, um Schwachstellen der Gesetzgebung und Differenzen im intertextuellen bzw. multimedialen Gefüge des Patentes als ausbeutbare Lücke zu besetzen. So wurden beispielsweise entscheidende Innovationen in Zeichnungen versteckt, im Text dagegen nicht genannt. Insgesamt erweise sich das Patentrecht als ein prekäres Arrangement von Regelungslücken.

Im Vortrag von CHRISTIAN KASSUNG (Berlin) ging es anhand des Überschallflugzeuges Concorde um die Eruierung eines ästhetischen Unbewussten des Technischen. Wie komme man zu einer Form, die nicht allein schnell sei, sondern auch so aussehe, in der sich verschiedene Formen eines technischen wie ästhetischen Wissens materialisierten? Es folgte eine kurze Geschichte der Geschwindigkeit, über die ersten Geschossaufnahmen Ernst Machs bis zum Windkanal, in dem die Formfindung der Concorde experimentell erfolgte. Die vermutete Sollbruchstelle sei nun gerade nicht das Überschallereignis gewesen. Vielmehr bestünde es im langsamen Flug eines Überschallflugzeuges. Die konstruktive Lösung, die für die Concorde gefunden wurde, sei gewesen, die unerwünschten Turbulenzen hinter dem Flügel als kalkulierte Wirbel an die Vorderkante der Flügel zu verlegen. Um den „epistemischen Knoten“ der Stromlinie organisiere sich damit nicht allein ein theoretisches und technisches Wissen, sondern auch ein visuell-experimentelles Feld, in dem Abbilden, Modellieren, Rechnen und Entwerfen in einer konkreten Form des Wissens aufgingen.

Schließlich stellte FLORIAN SPRENGER (Gießen) Überlegungen zur „Domestizierung der Elektrizität um 1900“ an, die sich als Beitrag zu einer „Epistemologie des Randständigen“ (M. Krajewski) verstanden: Wie veränderte die elektrische Infrastruktur den Charakter der Wand als „Sollbruch-Schwelle“ einer Vermittlung von Innen und Außen, zwischen Stabilität und Permeabilität? Am Beispiel der elektrischen Türklingel führte Sprenger vor, wie sich die Wege des Signals von jenen der Körper unterschieden, wie das elektrische Haussignalwesen als Distribution von Schaltzuständen die Schwellensituation etwa des Korridors als einer Organisation des erwartbaren Erscheinens veränderten. Abschließend skizzierte Sprenger die Elektrifizierung als eine Ausgangsbedingung sowohl des Verständnisses der Leitungen als eines Filters der Welt, wie sie sich später in den Medien Radio und Fernsehen realisierten, als auch einer architektonischen Auflösung des Hauses als Gehäuse.

Insgesamt erwies sich der Begriff der Sollbruchstelle als eine ausgesprochen produktive, wenn auch nicht immer bruchlos in das eigene Material zu integrierende Herausforderung an die Referenten. Das imperative „Sollen“ vergegenwärtigter Zukunft und die Techniken der Risikobewältigung verwiesen einerseits auf jene Signatur moderner Gouvernementalität, die sich als Erfassung und Planung, Identifizierung und Berechnung, Steuerung und Hegung überall manifestiert und materialisiert. Damit lenkte der Begriff andererseits den Blick auf Übergangszonen, Schwellen und Passagen zwischen Bruch und Kontinuität als prekäre Operationen. Die Sollbruchstelle wäre somit eine Kulturtechnik, die mit der Unzulänglichkeit der Welt zu rechnen weiß und vom provisorischen Charakter der Welt und des Wissens über sie zeugt.

Konferenzübersicht

Begrüßung: Bettine Menke (Erfurt)

Einführung: Tobias Nanz, Sarah Sander, Mareike Vennen

Sektion I: Verunsicherungen - Ästhetiken der Krise
Moderation: Hannah Borisch & Karin Kröger

Elke Dubbels (Bonn): Gerüchte als historiographische und politische (Soll-)Bruchstelle. Zu Schillers »Wallenstein«

Stephan Kammer (Wien): Flickstellen, schwache Glieder. Storms Krisenerzählungen

Nina Peter (Berlin): Systemischer »Crash« statt kontrollierter »Bruch«. Kritische Perspektive auf das Sicherheitsphantasma der Finanzwirtschaft

Katrin Wächter (Berlin): A Matter of Representation. Die Sollbruchstelle als künstlerische Strategie in den Arbeiten Rabih Mroués

Sektion II: Versicherungen - Politiken des Lebens
Moderation: Julia Heunemann & Mareike Vennen

Sandro Holzheimer (Bamberg): Gouvernementalität der Naturwissenschaft im 18. Jahrhundert. Albrecht von Hallers Vorrede zu Buffons »Histoire naturelle« (1750)

Cornelius Borck (Lübeck): Todesfuge: Sollbruchstelle, biologisch

Benjamin Bühler (Berlin): Sollbruchstellen der politischen Ökologie

Sabine Höhler (Stockholm): Der kreative Kollaps: Resilienz als Überlebensmodell in Zeiten der Flexibilisierung

Sektion III: Sicherungen - Techniken der Steuerung
Moderation: Christoph Eggersglüß & Sarah Sander

Ricky Wichum (Freiburg): Wenn, dann hier - Biometrische Zugangskontrollen als »Sollbruchstelle«

Jörg Potthast (Berlin): »Unruly technology« vs. Technik »außer« Betrieb. Eine serielle Analyse zu öffentlich genutzten Infrastrukturen und ihren Bruchstellen

Albert Kümmel-Schnur (Konstanz): Sollbruchstelle Patent

Christian Kassung (Berlin): Stromlinien und epistemische Knoten. Die Flügel der »Concorde«

Florian Sprenger (Gießen): Wände und ihr Durchbruch

Anmerkung:
1 Thomas Bernhard, Watten. Ein Nachlass, in: ders. Erzählungen II. Werke Band 12. Herausgegeben von Hans Höller und Manfred Mittermayer, Frankfurt am Main, 2006, S. 93.


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