Utrecht – Rastatt – Baden 1713/1714. Translationsleistungen in Diplomatie und Medien

Utrecht – Rastatt – Baden 1713/1714. Translationsleistungen in Diplomatie und Medien

Organisatoren
Verbundprojekt „Übersetzungsleistungen von Diplomatie und Medien im vormodernen Friedensprozess, Europa 1450-1789“, Leibniz-Institut für Europäische Geschichte Mainz; Institut für Europäische Kulturgeschichte Augsburg; Staatsgalerie Stuttgart; Heinz Duchhardt; Martin Espenhorst
Ort
Baden (CH)
Land
Deutschland
Vom - Bis
19.09.2012 - 22.09.2012
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Von
Monika Frohnapfel, Leibniz-Institut für Europäische Geschichte / Universität Mainz

Den Blick auf die Translationsleistungen und -defizite im vormodernen Friedensprozess richtete eine Konferenz anlässlich des Gedenkens an das Friedensvertragswerk von Utrecht, Rastatt und Baden (1712-14) als Abschluss des Spanischen Erbfolgekrieges. Dazu hatte das vom BMBF geförderte Verbundprojekt „Übersetzungsleistungen von Diplomatie und Medien im vormodernen Friedenprozess, Europa 1450-1789“ unter Leitung von Heinz Duchhardt und Martin Espenhorst (beide Mainz) eingeladen. Die Konferenz betrachtete sprachliche, mediale und kulturelle Translationsphänomene, wobei die Aufmerksamkeit insbesondere der Ambivalenz des Translationsbegriffs galt.

HEINZ DUCHHARDT (Mainz) betonte dies auch in seiner Begrüßung, als er davon sprach, dass das Anliegen des Kongresses weniger die Rekonstruktion der Ereignisse von 1713/14 sei, als vielmehr die Translation von friedensrelevanten Inhalten, die im Verbundprojekt in sprachlicher, medialer und kultureller Übersetzung thematisiert worden sei.

Nach den Grußworten von Paul Widmer, Botschafter der Eidgenossenschaft beim Heiligen Stuhl, Peter Gottwald, Botschafter der Bundesrepublik Deutschland in der Schweiz und Liechtenstein und dem Badener Stadtammann Stephan Attiger eröffnete Christoph Kampmann (Marburg) die erste Sektion mit seinen Überlegungen zum Friedensschluss als dynastischem Prinzip. In Mittelpunkt stand zum einem die Frage, ob das Friedensvertragswerk von Utrecht – Rastatt – Baden eine Zäsur innerhalb des Völkerrechts darstelle, und zum anderen, ob man von einem Bruch im Umgang mit Dynastie sprechen könne. Auch der Erbverzichtserklärung sowie der Frage nach dem Innovationspotential des Utrechter Friedens widmete sich der Referent, bevor er als Resümee festhielt, dass Utrecht einen Einschnitt in Bezug auf das Dynastische darstelle, das nicht relativiert werde, sondern zum Gegenstand kollektiver Verantwortung werde.

Wie sich Diplomatie an veränderte Verhältnisse anpasst, fragte HILLARD VON THIESSEN (Rostock), der dafür plädierte, sie akteurszentriert zu betrachten. Um 1700 habe es eine diplomatische Ausbildung mit wenigen Ausnahmen noch nicht gegeben, was daran lag, so von Thiessen, dass der Bedarf noch relativ gering gewesen sei, weil dies bis dahin nur als „Teilzeitjob“ eines Adeligen angesehen wurde. Hier spielte die sogenannte Aura der Doppelfunktion der Diplomatie hinein, die ihr bis heute anhaftet, denn das Amt des Botschafters hatte sich auch lohnen sollen zum Ausbau der eigenen sozialen Stellung, genauso wie umgekehrt mit dem sozialen Rang des Diplomaten „Politik gemacht werden konnte“, war doch der Diplomat das zeremonielle Abbild seines Herrn. Dennoch sei eine zunehmende Professionalisierung der Diplomaten feststellbar, was mit deren Emanzipation von der allgemeinen Hofkonversation einherging.

Dass Friedensverträge die Mächte in unterschiedlicher Weise berührten, war der Aufhänger für ANDREW THOMPSON (Cambridge), der in seiner Analyse vom Beispiel Charles Whitworths als einem britischen Repräsentanten ausging. Für die englische Politik habe der spanische Erbfolgekrieg einen wichtigen Wendepunkt dargestellt, wozu nicht zuletzt die französisch-englischen Verhandlungen beigetragen haben, die sich unter anderem aufgrund Verheimlichung und double crossing als schwierig erwiesen. Der Diplomat Whitworth, so Thompson, beobachtete von Regensburg aus die Verhandlungen in Baden. Während seines dortigen Aufenthalts wuchs seine Enttäuschung darüber, dass er selbst nicht daran mitwirken konnte.

Von der Neubewertung der Rolle der „Kleinen“ in der Forschung ausgehend, zeigte MATTHIAS SCHNETTGER (Mainz) die Chancen Mindermächtiger und ihrer Interessenvertreter beispielhaft anhand der Herzogtümer Mirandola und Guastalla auf. Im Kontext der Friedensverhandlungen von 1713/14 hielten sich, so der Referent, die Erfolge der Mindermächtigen in Grenzen. Dennoch seien „die Kleinen“ weder hilflos noch passiv gewesen. Sie konnten anlässlich der Verhandlungen ihre Anliegen einer größeren europäischen Öffentlichkeit vortragen und so im „Konzert der Großen“ gehört werden.

In seinem Abendvortrag stellte ROLF STÜCHELI (Thun/Bern), Autor der maßgebenden Monographie zum Frieden von Baden, den europäischen Friedenskongress von Baden in Beziehung zur Eidgenossenschaft. Stücheli ging es zum einen um die Erklärung der Wahl Badens als Kongressort, der gleichermaßen bekannt war für Erholung und politische Verständigung. Zum anderen beleuchtete er die Frage, was sich die sogenannten Zugewandten Orte wie auch die Drei Bünde vom Kongress erhofften. Baden 1714 war nach Stücheli ein Bestätigungs- und Stabilisierungsfrieden, der auf frühere Friedensverträge rekurrierte. Ein Novum des Friedenskongresses im Aargau war die Eidgenossenschaft als Gastgeber, womit er auch den Beginn der schweizerischen Außenpolitik der guten Dienste markiert sah.

LUCIEN BÉLY (Paris), Verfasser der wegweisenden Studie zu Utrecht, eröffnete seine Ausführungen mit der Feststellung, dass Politikkultur im 17. Jahrhundert viel mit Verborgenem und Verheimlichung zu tun habe, was man par excellence bei Ludwig XIV., der das Monopol über das secret publique hatte, sehen könne. Ein „anderes Frankreich“ sei durch die grenzüberschreitende, „ internationale“ opinion publique entstanden, sozusagen ein „Frankreich des Auslands“. Auch anlässlich des „formalen“ Friedenskongresses von Utrecht erfuhren die Verhandlungen die Wirkmächtigkeit von Propaganda und der Wichtigkeit der opinion publique – ein Grund, weshalb das Verhandeln innerhalb der Sphäre des Geheimen von großer Bedeutung war.

Die gelenkte Informationsvermittlung, so WOLFGANG E.J. WEBER (Augsburg), gewann in der Frühen Neuzeit unter anderem durch die Druckpublizistik an Bedeutung. Die im 16. Jahrhundert einsetzende Kriegsdichte habe dazu geführt, dass die herrschaftliche Publizistik struktureller wurde. Weber beobachtete eine damit einhergehende Weiterentwickelung des „arkana imperii-Denkens“ hin zur Empfehlung ständiger Vigilanz jeder Herrschaft in Bezug auf die eigenen Nachbarn, wozu auch das gezielte Einsetzen von Fehlinformationen zählte. Während der rationalistisch-idealisierten Aufklärung jedoch sei jegliche Verschleierung verdächtig erschienen.

Mit der Religionsfrage im Vorfeld der Badener Friedensverhandlungen beschäftigte sich SIEGRID WESTPHAL (Osnabrück) ebenso wie mit der Relevanz des Ignorierens in diesem Zusammenhang. Sie ging dabei auf die Rijswijker Religionsklausel von 1697 ein, die zum verfassungsrechtlichen „Dauerbrenner“ im Reich wurde, ja zum „Urkonflikt der offenen Religionsklauseln“. In Baden sei die Frage nach der Religionsklausel nur noch von geringem Stellenwert gewesen. Sie habe vielmehr in erster Linie einen verfassungsrechtlichen Konflikt dargestellt, der eng mit dem Kampf um die Anerkennung des Corpus Evangelicorum verbunden war.

Der Rezeption und somit Translation des Badener Friedens in der französischen zeitgenössischen Presse wandte sich BERND KLESMANN (Köln) zu. Klesmann, der das recht breite und gut erschlossene Pressespektrum ausgewertet hatte, konnte hier vor allem drei Allegorien unterscheiden, nämlich zum einen das Uhrwerk, das für gemeisterte Komplexität trotz vieler Partikularinteressen stehe, den Lorbeer, der einen Lobpreis auf den siegreichen Feldherrn, manchmal ergänzt durch den Ölzweig des Friedens, verdeutliche, sowie den Regenbogen, der einen neuen, ewig währenden Friedensbund ankündige. Ob die Badener Friedenskonferenz von der französischen Presse vielleicht doch als religiös aufgeladen übersetzt wurde, da der Regenbogen außerdem auf die alttestamentarische Erneuerung des Bundes verweist, auf Hoffnung nach der Katastrophe?

Den Fokus auf die Menschen richtete HEINHARD STEIGER (Gießen), als er nach dem Gewinn der Untertanen am Frieden fragte. In Friedens- und Amnestieklauseln wurden Untertanen zu Teilhabern und Begünstigten des neuen Friedens und konnten u.a. von Untertanenverträgen profitieren, die einen gesicherten Rechtsrahmen für den Handel und im Fremdenrecht absteckten – mit G.F. Martens gesprochen also gegenseitige Rechte, die ein Staat und seine Untertanen gegen einen anderen Staat und dessen Untertanen haben konnte – ein Vorgang, den Steiger als Translationsleistung der Friedensverträge bezeichnete. Dies habe es zwar auch schon vorher gegeben, aber: In Utrecht wurde eine neue völkerrechtliche Ordnung etabliert, es entstand das ius gentium europeorum subditorum.

RANDALL LESAFFER (Tilburg) schlug in seinem Referat die Brücke vom balance of power-​Konzept als Legitimationsmuster zum Utrechter Frieden, wo in Art. 3 explizit darauf Bezug genommen wurde. Hierzu ging er zunächst auf Text und Kontext des Utrechter Friedens ein, um danach das Gleichgewicht der Kräfte als politisches Prinzip in diesem Zusammenhang zu thematisieren. Balance of power als politisches Prinzip sei nicht immer nur positiv konnotiert gewesen. Dennoch war es als antihegemonieller Grundsatz in den Verträgen vom 13. Juli 1713 sehr präsent und stellte insofern eines der Hauptprinzipien dar, auf denen Utrecht basiert. Lesaffer stellte Auswirkungen auch auf die Entwicklung des Völkerrechts fest einschließlich des Durchbrechens der natürlichen Sukzessionsordnung.

Im Mittelpunkt der Ausführungen von MAXIMILIAN LANZINNER (Bonn) standen die Beglaubigungen im Sinne von Zeichnung und Ratifikation und insbesondere die bislang nicht untersuchten Handlungen. Davon ausgehend, dass Repräsentation das Ziel hatte, Vertrauen und völkerrechtliche Verbindlichkeit auszudrücken, fragte Lanzinner danach, ob es beim Abschluss von Friedensverträgen ein Muster gegeben habe und welche Form und Semantik ab 1648 und bis 1714 zu erkennen sei. Bei Baden 1714 machte Lanzinner die Ersetzung des Versprechens durch den Eid aus. Beglaubigungen konzentrierten sich auf den völkerrechtlichen Kern, aber symbolisches Handeln blieb bis zum Abschluss des Versailler Vertrags 1919 erhalten, wenn auch in anderer Form.

Im Zentrum von JOHANNES BURKHARDTs (Augsburg) Referat stand die Frage, ob Baden 1714 ein reiner Übersetzungskongress gewesen sei, und falls ja, ob es dann notwendig gewesen sei, dafür einen ganzen Kongress ins Leben zu rufen. Burkhardt ging dem Gedanken nach, ob die Intention des Badener Kongresses vielleicht in der Revanche für Utrecht zu sehen sei. Demnach habe der Kaiser ein Pendant für Utrecht setzen wollen, dessen Regelungen sich der Kaiserhof entzogen hatte. Der Initiator des Kongresses war freilich nicht der Kaiser, sondern Frankreich! Beide Seiten, so Burkhardt, waren der Ansicht, dass zu einem „richtigen“ Friedensschluss auch ein „ordentlicher“ Kongress gehöre. Burkhards These lautete daher: Gerade dass inhaltlich in Baden nichts Neues geschaffen wurde, verweise auf Zukunftspotential. Der Sinn des Kongresses sei auf der Ebene des Symbolischen zu sehen.

GUIDO BRAUN (Bonn) fragte nach der Rolle des Italienischen in der diplomatischen Mehrsprachigkeit. Unter Nutzung des Begriffs der Translation als Analysekategorie betonte er, dass die situative Gebundenheit für die Nutzung des Italienischen eine andere gewesen sei als die geographische. So sei beispielsweise auf dem Westfälischen Friedenskongress die italienische Sprache benutzt worden nicht zuletzt wegen der Vermittler Chigi und Contarini. Teilweise sei auch dann Italienisch gesprochen worden, wenn gar kein Italiener anwesend war. Obgleich in Baden die Vertragssprachen Französisch und Lateinisch waren, könne davon ausgegangen werden, dass auch in Baden Italienisch gut verstanden wurde. Italienisch hatte, so Braun, eine hervorgehobene, jedoch nicht dominante Stellung inne und war für viele Diplomaten die Sekundärsprache.

Einen statistischen Ansatz zur Auseinandersetzung mit dem Thema der Friedenssprachen hatte ANDREA SCHMIDT-RÖSLER (Augsburg) gewählt. Wie sie anhand ihrer Auswertungen zum „Ringen um die Sprache“ zeigen konnte – sie betonte den Symbolcharakter von Sprache über die Ebene des Semantischen hinaus –, vollzog sich der Wandel der deutlichen Zunahme des Französischen zur ebenso deutlichen Abnahme des Lateinischen ab 1712, also kurz vor Utrecht. Eine „Konjunktur vieler Sprachen“ lasse sich jedoch für den Zeitraum von 1713 bis 1762 konstatieren, bis schließlich zwischen 1763 und 1789 nur noch Französisch und Latein benutzt worden seien.

Mit einem aktuellen Zitat bezüglich des aktiv und eigenmächtig eingreifenden Übersetzers als „verborgene Zensurinstanz“ wandte sich KAY PETER JANKRIFT (Augsburg) den Risiken zu, die mit dem Einsatz eines sprachlichen Vermittlers verbunden sind und waren. Diese konnten nämlich den Gang der Verhandlungen maßgeblich beeinflussen und unter anderem Missverständnisse evozieren. Im Bereich der kulturellen Gepflogenheiten haben und hatten Übersetzer einen Vorteil. Dass Gesandte auch Kulturvermittler waren, zeige am besten das Beispiel der Conversos aus Spanien, die häufig mit diplomatischen Missionen im Osmanischen Reich betraut waren, weil sie die westlichen Sprachen und Gepflogenheiten kannten. Die sich ändernden Sprachanforderungen an Diplomaten schlugen sich auch in der Traktatliteratur nieder (Bernard du Rosier, Gentili, de Maggi).

Der Verarbeitung und Übersetzung der Umbrüche im politischen und völkerrechtlichen Denken seit der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts wandte sich OLAF ASBACH (Hamburg) zu. Dabei interessierten ihn vor allem die Diskurse um das neu entstehende Europa seit dem 16. Jahrhundert und die Grundlagen und Probleme dieses Selbst- und Weltbildes, die er anhand der Schriften des Abbé Saint-Pierre untersuchte. In seinem bekanntem „Friedensprojekt“, mit dem er auch Einfluss nehmen wollte auf die Verhandlungen in Utrecht, hat der Abbé keinesfalls Interventionen im Namen des Christentums gerechtfertigt, sondern dem Osmanischen Reich einen Platz innerhalb dieser Friedensordnung zugebilligt.

Den Begriff der Übersetzungsleistungen als Zentralthema des Verbundprojekts stellte MARTIN ESPENHORST (Mainz) in den Mittelpunkt seines Vortrags. Friedensverträge generierten gleichsam eine multimediale Friedenskultur, unter anderem wissenschaftliche Friedenstexte. Diese historischen, staatsrechtlichen und geographischen Friedenstexte deuteten nämlich nicht nur die Friedensverträge, sondern teilten darüber hinaus auch mit, welchen Zugang die Autoren zum Frieden hatten. Während in Friedensverträgen die Diskussion um Schuld und Ursachen von Krieg und Frieden ausgeschlossen wurde, wurde sie hier nachgeholt. Espenhorst lenkte ferner den Blick auf Übersetzungsfehler sowie darauf, was außerdem an „Bildern“ zwischen den Zeilen transportiert wurde.

MARIA BARAMOVA (Mainz) beleuchtete die habsburgisch-osmanischen Beziehungen am Beispiel des kaiserlichen Residenten Franz Fleischmann in Konstantinopel während der Schlussphase des Spanischen Erbfolgekriegs. Fleischmann verstand es, den Frieden von Rastatt und Baden in der osmanischen Hauptstadt so geschickt in Szene zu setzen, dass die Osmanen keinen Zweifel an der neuen habsburgisch-französischen Freundschaft hatten und ihrerseits einen Angriff auf Habsburg nicht riskieren wollten, zumal sich Sultan Ahmed III. bereits in einem militärischen Konflikt mit Persien befand.

Der literarischen Übersetzung des Utrechter Friedens in zeitgenössischen englischen Gedichten widmete sich LIUDMILA IVONINA (Smolensk). Englische Dichter, so Ivonina, bewerteten durch ihre Werke die Geschehnisse und beteiligten sich so an der öffentlichen Diskussion. Dabei lässt sich feststellen, dass manche Dichter an diesem Friedensvertragswerk den Akt des Friedensschlusses und seiner wichtigsten Protagonisten hervorhoben, andere hingegen in erster Linie den vorangegangenen Krieg, dessen Blutvergießen den Frieden erzwungen habe. Wie bei jeglicher Propaganda solle man nicht vergessen, dass sich die Dichter von persönlichen politischen Überzeugungen wie auch von den eigenen Karrierewünschen leiten ließen.

Frühneuzeitliche Friedenskongresse, so CORNELIA MANEGOLD (Stuttgart), basierten auf einem breiten europäischen Wissenserbe in Bezug auf die Verhandlungspraxis, das unter anderem durch Kongressbilder tradiert wurde, die im 17. Jahrhundert zunehmend an Bedeutung gewannen. Wie dieses Wissen tatsächlich weitergegeben wurde, illustrierte Manegold unter anderem anhand eines Sitzplans der Gesandten auf dem Friedenskongress zu Vervins 1598, der als Zeichnung in den Kongressakten zum Frieden von Rijswijk abgedruckt war. Manegold veranschaulichte zum einen, dass Sitzordnungen mit dem Rang der Gesandten korrespondierten, und zum anderen, dass die Bilder der Friedenskongresse stereotyp und austauschbar wurden.

Im Anschluss daran wandte WERNER TELESKO (Wien) sein Augenmerk den Übersetzungsleistungen von Medaillen zu. Er beschäftigte sich mit der Frage, ob eine Medaille an sich schon eine visuelle Übersetzungsleistung sei und falls ja, ob es dann auch Übersetzungsdefizite gäbe. Beides bejahte er unter Hinweis auf den Balanceakt, den der Transferprozess zwischen Graphik und Medaille darstelle. Besonders Medaillen eröffneten nämlich ein weites Feld der symbolischen Kommunikation. Dem Frieden von Baden gewidmete Münzen zeigten häufig eine Ansicht der Stadt Baden, manche kombinierten auch einen Bezug zum Johannes-Evangelium mit dem genius loci, nämlich dem gesund machenden „Baden“, ebenso wie das schöne Wortspiel Genius – Eugenius.

Die ABSCHLUSSDISKUSSION griff noch einmal die drei großen Felder auf, die die Konferenz thematisiert hatte: Zum einen die „innere Architektur von Utrecht-Rastatt-Baden“, zum anderen Translationsleistungen und -defizite sowie letztlich die Wirkmächtigkeit des Friedenswerkes. Die Konferenz hatte sprachliche, mediale und kulturelle Translationsphänomene betrachtet, also nicht nur die Ergebnisse der Friedensverträge; sie betonte darüber hinaus nachdrücklich die Ambivalenz des Translationsbegriffs.

Konferenzübersicht:

Begrüßung (Heinz Duchhardt, Paul Widmer, Peter Gottwald, Stephan Attiger)

I Mächte – Dynastien – Staaten um 1714

Sektionsleitung: Heinz Duchhardt (Mainz)

Christoph Kampmann (Marburg): Friedensschluss und dynastisches Prinzip: Wandel und Kontinuität im Zeitalter des Utrechter Friedens

Hillard von Thiessen (Rostock): Diplomatie im Europa des frühen 18. Jahrhunderts

Andrew Thompson (Cambridge): Britain-Hanover and the politics of the peace of Rastatt-Baden

Matthias Schnettger (Mainz): Die Kleinen im Konzert der Großen. Mindermächtige und ihre Interessenvertretung im Umkreis der Friedensverträge von Utrecht, Rastatt und Baden

Abendvortrag:
Rolf Stücheli (Thun/Bern): Der Badener Friedenskongress von 1714 und die Eidgenossenschaft

II Translationen in der Kommunikation: Zensur und Propaganda

Sektionsleitung: Marian Füssel (Göttingen)

Lucien Bély (Paris): Le secret et la sphère publique

Wolfgang E.J. Weber (Augsburg): Die normative Freigabe der politischen Informationslenkung im 17./18. Jahrhundert

Siegrid Westphal (Osnabrück): Frieden durch Ignorieren. Die Frage der Religionsklausel im Vorfeld der Friedensverhandlungen von Baden

Bernd Klesmann (Köln): Uhrwerk, Lorbeer, Regenbogen: Der Friede von Baden in der französischen Presse

III Translationen des Rechts und völkerrechtlicher Begründungsmetaphern

Sektionsleitung: Heinz Duchhardt (Mainz)

Heinhard Steiger (Gießen): Was haben die Untertanen vom Frieden?

Randall Lesaffer (Tilburg): The Peace of Utrecht, the balance of power and the law of nations

Maximilian Lanzinner (Bonn): Die Beglaubigung des Westfälischen Friedens – ein zukunftsweisendes Muster?

IV Friedenssprache – Friedenssprachen

Sektionsleitung: Johannes Burkhardt (Augsburg)

Johannes Burkhardt (Augsburg): Baden 1714: 180 Gesandtschaften für eine Übersetzung?

Guido Braun (Bonn): Das Italienische in der diplomatischen Mehrsprachigkeit des 17. und frühen 18. Jahrhunderts

Andrea Schmidt-Rösler (Augsburg): Die Sprachen des Friedens. Theoretischer Diskurs und statistische Wirklichkeit

Kay Peter Jankrift (Augsburg): Diplomaten, Dolmetscher und Übersetzer. Sprachwahl in Friedensprozessen des 16.-18. Jahrhunderts

V Translationen in wissenschaftlichen und literarischen Werken

Sektionsleitung: Wolfgang E.J. Weber (Augsburg)

Olaf Asbach (Hamburg): Europa und die islamische Welt in der Frühaufklärung. Translation und Konstruktion der europäischen Ordnung im Friedensprojekt des Abbé de Saint-Pierre

Martin Espenhorst (Mainz): Utrecht–Rastatt–Baden: Ein Frieden wird übersetzt. Translationsleistungen in Staatsrecht, Historie und Statistik (1713–1815)

Maria Baramova (Mainz): Der Frieden von Baden und seine Deutung am Goldenen Horn. Die Kaiserliche Diplomatie in Konstantinopel, 1713-1715

Liudmila Ivonina (Smolensk): Utrecht Peace in English Poems

VI Translationen in Bildern

Sektionsleitung: Hans-Martin Kaulbach (Stuttgart)

Cornelia Manegold (Stuttgart): Tische der Macht. Strategien der Visualisierung diplomatischer Rangordnungen, Gruppen und Versammlungen in der Frühen Neuzeit

Werner Telesko (Wien): Rastatt – „Ruhestadt“. Visualisierungen der Friedensschlüsse der Jahre 1713/1714 zwischen traditioneller Symbolik und Bildreportage

Schlussdiskussion (Moderation: Hans-Martin Kaulbach und Martin Espenhorst)


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