Médialité et interprétation contemporaine des premières guerres de Religion

Médialité et interprétation contemporaine des premières guerres de Religion

Organisatoren
Lothar Schilling, Universität Augsburg; Gabriele Haug-Moritz, Karl Franzens-Universität, Graz; Deutsches Historisches Institut Paris
Ort
Paris
Land
France
Vom - Bis
08.10.2012 - 09.10.2012
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Von
Alexandra Schäfer, Johannes Gutenberg-Universität Mainz; Carolin Pfister / Marlene Kessler, Deutsches Historisches Institut Paris

Unter dem Titel „Médialité et interprétation contemporaine des premières guerres de Religion“ organisierten GABRIELE HAUG-MORITZ (Graz) und LOTHAR SCHILLING (Augsburg) in Zusammenarbeit mit dem Deutschen Historischen Institut Paris ein zweitägiges Atelier zum Verhältnis von Medien und Religionskriegen.

Die Forschung zu den französischen Religionskriegen hat sich in jüngerer Zeit verstärkt mit der Frage auseinandergesetzt, inwieweit die Ereignisse der Frühphase einen grundlegenden medialen Wandel befördert haben und inwiefern diese „Medienrevolution“ ihrerseits von den Ereignissen der frühen Religionskriege vorangetrieben wurde.1

Im gemeinsamen Einführungsreferat der Veranstalter betonte Lothar Schilling, dass die Tagung nicht auf eine Infragestellung des Forschungskonzepts „Religionskriege“ abziele. Denn dieses Konzept erlaube es, die Krise nach dem Tod Heinrichs II. in der Gesamtheit zu erfassen, und ermögliche zudem die vergleichende Analyse eines europaweit begegnenden Konflikttyps. Ziel der Tagung sei es, die Konflikte der 1560er-Jahre und die sie begleitenden zeitgenössischen Deutungsversuche in ihrer Spezifik zu erfassen, statt sie, wie bislang häufig geschehen, als Präliminarien der späteren Kriege zu bewerten.

Zum zweiten Leitbegriff des Ateliers, dem Konzept der „Medialität“ gab Gabriele Haug-Moritz anschließend eine Einführung. Nach einem Abriss des sehr heterogenen Forschungsfeldes „Mediengeschichte“ plädierte sie für eine kulturhistorische Erweiterung, da ein solcher methodischer Zugriff es erlaube, die überkommene Erzählung der Mediengeschichte als Fortschrittsgeschichte kritisch zu hinterfragen. Indem sich Medienwandel als „kulturelle Prämierung einer intermedialen Konstellation“ (Horst Wenzel) darstelle, erscheine dieser Prozess widersprüchlicher als es der Begriff der „Medienrevolution“ suggeriere. Medienwandel sei von spezifischen personalen wie gesellschaftlichen Bedürfnissen und Erwartungen geprägt, die sich im Frankreich der beginnenden 1560er-Jahre grundsätzlich veränderten. Gerade in mediengeschichtlicher Perspektive erscheine daher die Anfangsphase der Religionskriege von besonderem Interesse in Hinblick auf das Phänomen des Medienwandels und hinsichtlich der Bedeutung dieses Medienwandels für die gesteigerte gesellschaftliche Konflikthaftigkeit des 16. und 17. Jahrhunderts, welche nicht nur die Geschichte Frankreichs charakterisierte.

LUC RACAUT (Newcastle) widmete sich in seinem Beitrag der Rolle religiöser Propaganda in den Pamphleten der Zeit.2 Am Beispiel von Nicolas Chesneau, der seit Beginn der Religionskriege in Paris als Drucker tätig war und sich auf Nachrichtendrucke und religiöse Belehrungen für ein Laienpublikum spezialisiert hatte, veranschaulichte Racaut, dass bereits lange Zeit vor der Liga von katholischer Seite die „neuen“ Medien gezielt eingesetzt wurden. Chesneaus Tätigkeit changierte zwischen den wirtschaftlich-politischen Zwängen des Marktes und seinem Einsatz für den katholischen Glauben. Nicht zuletzt wegen seines weitgespannten Netzwerks von Autoren, Druckern und Förderern verdiene Chesneau besondere Beachtung, so Racaut. Chesneau war ab 1563 der inoffizielle Drucker des Kardinals von Lothringen in Paris, brachte die Werke der Theologen in dessen Entourage heraus (besonders Gentian Hervet und René Benoist) und kooperierte mit den vom Kardinal protegierten Druckereien in Reims.

Unter der Fragestellung „Pour quoi luttaient les protestants en 1562?“ ging PHILIP BENEDICT (Genf) in einer textkritischen Analyse der Verbreitung und Rezeption der gedruckten Erklärungen des Prinzen von Condé nach der Einnahme von Orléans (April 1562) nach. Während die „Déclaration faicte par M. le Prince de Condé“ die offizielle Legitimation Condés enthielt, suchte der „Traicté d`association faicte par M. le Prince de Condé“ eine Einigung des protestantischen Lagers herbeizuführen. Die Drucke waren unterschiedlichen Teilöffentlichkeiten zugedacht. Sie bildeten einen Argumentationsfundus sowohl für die nachfolgenden Antwortschreiben, Erklärungen und Remonstranzen als auch für die Ständeversammlung der Dauphiné, welche Benedict beispielhaft herausgriff. Ausdrücklich betonten die Schriften, dass man zur Unterstützung des Königs zu den Waffen gegriffen habe, gegen die Guise und ihre „Liga“. Entlang den thematischen „Achsen“ Ehre Gottes sowie Freiheit von Krone und Königreich kehrten die gleichen Begrifflichkeiten und Motive in den unterschiedlichen Schriften wieder. Dabei variierte laut Benedict der Bezugsrahmen von der regionalen Ebene hin zu den Generalständen, denen eine verfassungspolitische Schlüsselrolle zugewiesen wurde.

MARK GREENGRASS (Sheffield) wandte sich der Sprache in den Konflikten zu Beginn der Religionskriege zu. Nachdrücklich plädierte er dafür, die soziale Dimension von Sprache und hier wiederum deren emotionalisierende Implikationen für das Verständnis der Konflikte fruchtbar zu machen. Greengrass zeigte Parallelen zwischen einer sich radikalisierenden und ein Klima der Angst schaffenden Sprache und zunehmend gewaltsamen Handlungen auf, die zunächst vor allem die Würde des Gegners beschädigten. So attackierte man in zahlreichen Städten Frauen wegen ihres protestantischen Bekenntnisses als „putaines“. Sprecherrollen waren, wie Greengrass verdeutlichte, an Erwartungshaltungen geknüpft, die von Machtpositionen (soziale Stellung, Geschlecht etc.) abhingen. Greengrass konnte anhand der Analyse von Zeugenbefragungen beim Parlement von Toulouse nach gewaltsamen Übergriffen gegen Protestanten in Cahors, welche im November 1561 kulminierten, aufzeigen, wie verbale Gewalt von den befragten Katholiken eingesetzt wurde. Aber im Zuge des Konfliktgeschehens wurden auch die an Konventionen wie soziale Stellung gekoppelten Schranken („lorsque le riche parle, tout le monde se tait“) von Protestanten mehrfach überschritten.

Der Mediävist JÖRG FEUCHTER (Berlin)3 wies zu Beginn seines Beitrags auf die Quellenproblematik der Redeforschung hin sowie auf Forschungslücken in Bezug auf zeremonielle Handlungen und symbolische Repräsentation der Oratorik. Im Zentrum seiner Analyse standen die Ständeversammlungen von Orléans 1560/Pontoise 1561 und Blois 1576. Indem er die Handschrift „De tristibus Galliae carmen in quattuor libros“, die lateinische Übersetzung der 1576 in Blois gehaltenen Reden, dem „Discours d`ouverture“ Heinrichs III. gegenüberstellte, konnte Feuchter zeigen, wie durch die gezielte Publikation von Materialsammlungen versucht wurde, eine Deutungshoheit in Bezug auf die Ergebnisse der Generalständeversammlung durchzusetzen. Den versöhnlichen, zum Teil bewusst offenen Formulierungen im „Discours” trat in „De tristibus“ eine katholisch-ligistische Deutung gegenüber. Wie Feuchter aufzeigte, wurden in „De tristibus“ auch Bilder eingesetzt, die eine dementsprechende Deutung der Beziehungsgefüge der Personen, die an den Ständeversammlungen teilnahmen, nahelegen.

TATIANA DEBBAGI BARANOVA (Paris) rückte den katholischen Laien Christophe de Bordeaux als Verfasser einer Sammlung von Lieddrucken in den Mittelpunkt ihrer Betrachtungen.4 Dabei appellierte sie zugleich für eine Öffnung der auf Drucke klerikaler oder politischer Protagonisten konzentrierten Forschung. Die Sammlung Bordeaux` („Beau Recueil de plusieurs belles chansons spirituelles“) erschien nach der Schlacht von Montcontour (Oktober 1569) und vor dem Frieden von St. Germain (August 1570). Bordeaux bezog die Informationen zu den Ereignissen der frühen Religionskriege, die er in seinen Liedern verarbeitete, vor allem aus Libellen (Schmähschriften). Er griff auch kontroverse Themen auf, wobei er „Leerstellen“ durch Fiktion auszufüllen versuchte. Dabei nahm Bordeaux die Position eines in der Gemeinschaft der Soldaten Stehenden ein und suchte Beistand zu bieten. Damit sprachen die Lieder sowohl Protestanten als auch Katholiken an, obwohl die katholische Überzeugung Bordeaux` sichtbar blieb, wenn er das Massaker von Vassy als katholischen Sieg darstellte. Zwar war die Liedpublizistik nicht unbedingt an den „petit peuple“ gerichtet, aber ein Genre, das dank der mündlichen Verbreitung und der Reduktion der Aussagen einer breiteren Öffentlichkeit zugängig war und von seiner Performativität lebte.

Auf die protestantische Vereinnahmung des Geschehens von Vassy konzentrierte sich DAVID EL KENZ (Dijon). Er strich heraus, wie die Kommunikation des Geschehens von Vassy genutzt wurde, um die Hugenotten zu mobilisieren („un massacre qui fait du bruit“). Als Massaker 5 in Friedenszeiten („massacre pur“) unterscheide es sich von den Übergriffen, die die Religionskriege als Teil der Kriegshandlungen begleiteten. In ihrer Visualisierung von Vassy griffen Tortorel und Perrissin („Quarante Tableaux“, 1570) auf die Bildtradition des Kindermords in Bethlehem zurück, wie die besonders häufige Inszenierung von Frauen und Kindern als Opfer von Gewalt andeutet. Mit dem römischen Triumvirat integrierten Tortorel und Perrissin einen weiteren zeitgenössisch vielfach (unter anderem von Antoine Caron) aufgegriffenen Bildtypus in ihre Darstellung von Vassy. Damit trugen sie laut El Kenz dazu bei, dass sich Vassy im Verlauf der 1560er-Jahre zum Prototyp des Massakers entwickelte und für das protestantische Verständnis von Gewalt in den Religionskriegen prägend wurde.

JÉRÉMIE FOA (Aix-Marseille) diskutierte im Anschluss die Frage, inwieweit die Identität der Hugenotten von den körperlichen Erfahrungen der Gefangenschaft, der Ausweisung und des Exils geprägt wurden. Dabei, so Foa, sei der körperlichen Erfahrung eine gemeinschaftsstiftende Funktion zugekommen; sie habe dem protestantischen Wahrheitsdiskurs eine neue, nicht-intellektuelle Dimension hinzugefügt. Das Pazifikationsedikt von Amboise vom März 1563 habe für viele Protestanten eine geographische Entwurzelung mit sich gebracht. Das Edikt stellte den Baillis und Sénéchaux frei, jeweils einen Ort in ihrem Amtsbezirk festzulegen, an dem protestantische Gottesdienste stattfinden durften. Die (in der Regel katholischen) Baillis und Sénéchaux hätten meist Orte ausgewählt, die in großer Entfernung zu den protestantischen Zentren lagen – die Protestanten von Limoges etwa mussten 57 km zurücklegen, um zum „culte“ zu gelangen. Die geographische Entfernung habe es vielen, vor allem Älteren, Frauen und Kindern, allein aus körperlichen Gründen nicht erlaubt, den temple aufzusuchen. Als Konsequenz der körperlichen Erfahrungen bildete sich Foa zufolge ein neues, tragendes protestantisches Selbstverständnis als soziale Gruppe heraus.

Der Beitrag von ALEXANDRA SCHÄFER (Mainz) richtete seine Aufmerksamkeit auf die transnationale Dimension, indem sie das Blattkorpus der Hogenberg-Offizin zu den frühen Religionskriegen im „Nachrichtenzentrum“ Köln analysierte und nach der Vernetzung der Werkstatt und ihren Funktionsweisen fragte. Mit der Herausgabe einer Blattserie zu den französischen Konflikten profilierte sich der niederländische Emigrant Franz Hogenberg in Köln. Wurde das Frühwerk der Hogenbergschen Werkstatt bislang nur in seinem Charakter als Kopie der „Quarante Tableaux“ 6 bewertet, so wies Schäfer nach, dass Hogenberg in Auseinandersetzung mit dem berühmten Genfer Vorbild einen eigenen Stil entwickelte. Das Titelblatt der Serie verwies auf die französische Vorlage, welche es als Informationsquelle benannte, womit Nähe zum Geschehen, wenn nicht gar das Bild eines Augenzeugenberichts, suggeriert wurde. Das Postulat der Neutralität und Präzision im Titel griff das Bild mit seiner Detailfülle sowie Zitation von Bekanntem auf, wobei es topische und konkret-historische Elemente zusammenführte. Nicht nur ins französischsprachige Ausland exportierte die Werkstatt, sondern die Blätter erlebten auch zahlreiche Nachstiche und Imitationen.

ERIC DUROT (Paris) fragte danach, wie das negative Bild von François und Charles de Guise entstanden sei und inwiefern dieses von den Guise rezipiert und beeinflusst wurde. Die Konzentration der protestantischen Propaganda auf die Guise erkläre sich dadurch, dass die beiden die einzigen Akteure waren, die zwischen 1550 und 1560 kontinuierlich über bestimmenden politischen Einfluss verfügten. War zunächst Kardinal Charles de Lorraine Hauptziel der protestantischen Anfeindungen gewesen, löste ihn im Gefolge des Blutbads von Vassy 1562 sein Bruder François de Lorraine in dieser Rolle ab. Die Guise hätten sich, führte Durot aus, in diesem Kampf um mediale Präsenz an die neuen Formen von Öffentlichkeit angepasst.

Abschließend bleibt festzuhalten, dass das Atelier mit der Fokussierung auf die frühen Religionskriege und die Medialität dieser Ereignisse ein bislang wenig bearbeitetes Forschungsfeld behandelte. So überrascht es nicht, dass in der Abschlussdiskussion Forschungsdesiderate und offene Fragen angesprochen wurden: Dies gilt für das Verhältnis von handschriftlichen und gedruckten Medien ebenso wie für die systematische Erschließung bislang kaum beachteter Quellenbestände, etwa zum zeitgenössischen Theater. Auch die europäische Dimension der zeitgenössischen medialen Auseinandersetzung mit den Religionskriegen und deren Rückwirkung auf Frankreich birgt noch interessante Forschungsperspektiven.

Konferenzübersicht:

Introduction

Gabriele Haug-Moritz (Graz), Lothar Schilling (Augsbourg)

Panel: Libelles, production pamphlétaire

Luc Racaut (Newcastle): Le rôle de la propagande religieuse dans la production pamphlétaire

Philip Benedict (Genf): Pour quoi luttaient les protestants en 1562 ? Sur la dissémination et réception des déclarations du prince de Condé

Mark Greengrass (Sheffield): Langage et conflit pendant les premières guerres de religion

Panel: Communication orale, communication scripturale

Jörg Feuchter (Berlin): Le rôle de la communication oratoire aux états généraux d’Orléans et de Pontoise (1560/61)

Tatiana Debbagi-Baranova (Paris): Combat d’un bourgeois parisien : Christophe de Bordeaux et son « Beau Recueil de plusieurs belles chansons spirituelles » (vers 1570)

Panel: Corps, espace

David El Kenz (Dijon): Le massacre de Wassy : de la banalité de la violence à la violence extraordinaire

Jérémie Foa (Aix-Marseille): Les dimensions spatiales et corporelles des premières guerres de Religion

Panel: Images, visualité

Alexandra Schäfer (Mainz): Les guerres de Religion en France dans les gravures de Hogenberg

Éric Durot (Paris): François et Charles de Guise comme figures médiatiques

Discussion finale

Anmerkungen:
1 Vgl. nun Jérémie Foa/Paul-Alexis Mellet (Hrsg.), Le bruit des armes. Mises en formes et désinformations en Europe pendant les guerres de Religion (1560-1610), Paris 2012.
2 Siehe auch: Luc Racaut, Nicolas Chesneau, Catholic Printer in Paris during the French Wars of Religion, in: The Historical Journal 52, I (2009), S. 23-41.
3 Siehe Feuchters Beitrag in einem Sammelband zum Thema: Jörg Feuchter, Zur Oratorik der französischen Generalstände im späten Mittelalter und zu Beginn der frühen Neuzeit (1302-1561), in: ders./Johannes Helmrath (Hrsg.), Politische Redekultur in der Vormoderne. Die Oratorik europäischer Parlamente in Spätmittelalter und Früher Neuzeit, Frankfurt am Main 2008, S.189-218.
4 Vgl. Tatiana Debbagi Baranova, Les batailles en chanson. Le cas du « Beau recueil de belles chansons spirituelles » de Christophe de Bordeaux, in: Jérémie Foa/Paul-Alexis Mellet (Hrsg.), Le bruit des armes. Mises en formes et désinformations en Europe pendant les guerres de Religion (1560-1610), Paris 2012, S. 305-316.
5 Vgl. David El Kenz, Les massacres au temps des guerres de Religion, Encyclopédie en ligne des violences de masse, publié le 4 janvier 2010, <http://www.massviolence.org/Les-massacres-au-temps-des-guerres-de-Religion> (19.10.2012).
6 Von Benedicts zentraler Untersuchung zu den „Quarante Tableaux“ liegt nun eine französische Übersetzung vor: Philip Benedict, Le regard saisit l'histoire. Les Guerres, Massacres et Troubles de Tortorel et Perissin, aus dem Engl. übers. von Anna Alvarez, Genf 2012.


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