Cultural Narratives of Race in the German Empire 1871-1945

Cultural Narratives of Race in the German Empire 1871-1945

Organisatoren
Universität Edinburgh, School of History, Classics and Archaeology
Ort
Edinburgh, UK
Land
United Kingdom
Vom - Bis
13.09.2012 -
Url der Konferenzwebsite
Von
Lara Day, University of Edinburgh; Oliver Haag, University of Edinburgh

Dieses Symposium fand am 13.9.2012 an der School of History, Classics and Archaeology der Universität Edinburgh statt. Ein international und interdisziplinär ausgelegtes Programm ermöglichte einen offenen und engagierten Dialog zu kulturellen Narrativen der Rasse im Deutschen Reich (1871-1945). Die Veranstaltung war zunächst in einem lokalen Rahmen geplant, nahm aber nach großem Interesse aus Nordamerika, Großbritannien und Europa internationale Dimensionen an. Die Gründung und Forcierung eines Forschungsnetzwerks wurde während des Symposiums angeregt und wird in den kommenden Monaten an der Universität Edinburgh umgesetzt werden. Die Veranstaltung wurde von der Innovation Initiative Grant der Universität Edinburgh, dem Centre for the Study of Modern Conflict an der School of History, Classics and Archaeology, dem Visual Arts Research Institute Edinburgh und der German History Society großzügig unterstützt.

Ein Ausgangspunkt war das Interesse an der Frage zu Kontinuitäten und Brüchen kultureller Narrative der Rasse und deren Korrespondenz zu Ereignissen aus der politischen Geschichte, besonders zu den Brüchen in den Jahren 1871, 1918, 1933 und 1945. Alle Vorträge befassten sich mit der Rolle und den Begrenzungen des Konzepts der Nation in den entsprechenden Rassediskursen. Eine zentrale Frage war, inwieweit die Nation als nützliches Analyseinstrumentarium besonders in der Erforschung der Populärkultur angewandt werden kann. Dies bezog sich vor allem auf die sensible Thematik, österreichische Debatten in ein Symposium, das sich formal mit der deutschen Geschichte befasst, zu integrieren. Die Inklusion der österreichischen Themen innerhalb des weiteren deutschsprachigen Kontexts sollte nicht als Gleichsetzung differenter nationaler Kontexte sondern als Beeinflussung hegemonialer zum Teil global geführter kultureller Narrative verstanden werden.

Das eröffnende Impulsreferat von TINA CAMPT (Barnard College, Columbia University) verdeutliche die theoretischen und praktischen Zugänge zur Geschichte afro-deutscher Individuen in den verschiedenen politischen Perioden des deutschen Reiches. Trotz aller Exklusion und rassistischer Verfolgung waren Afro-Deutsche aktiv Handelnde in einem Staat, der nie frei war von widersprüchlichen Verständnissen und Politisierungen der Rasse. Campts Vortrag führte anhand biographischer Beispiele, die durch Privatfotografien illustriert wurden, vor, dass das Thema nicht nur die abstrakten Sphären der Bürokratie, Gesetzgebung, Propaganda und Verfolgung sondern auch das tägliche Leben und die sozialen Verhältnisse bestimmte.

In einem komparativen Ansatz verdeutlichte JOHANNA GEHMACHER (Wien) die Gemeinsamkeiten und Unterschiede in der Benutzung der rassistischen Ideologie der Volksgemeinschaft in Österreich und Deutschland. Gehmacher stellte die zunächst widersprüchlich scheinenden Verwendungen des Konzepts der Volksgemeinschaft in Bezug zu den Forderungen nach Gleichberechtigung für Frauen dar und zeigte sie als Strategie konfliktreiche Geschlechterunterschiede zu lösen. Die Volksgemeinschaft wird als transformatives Konzept analysiert, das politische Differenzen überbrückt und die Zäsuren von 1918, 1933 und 1938 mildert.

LUKAS BORMANN (Erlangen) stellte die Figuren Friedrich Samuel Blach und Hans Meiser als Beispiele für den Einfluss rassischer Theorien der deutschen Kolonialwissenschaften auf jüdische und christliche Wissenschaftler der Generation 1880 vor. Die damals entstehenden kulturellen Narrative der Rasse bestimmten die kulturelle Debatte über die Konzeption der jeweiligen jüdischen beziehungsweise christlichen Gemeinschaften in den Jahren 1910 bis 1930.

Einen dekonstruktivistischen Ansatz des rassisch begründeten Antiziganismus in Tobias Portschys Pamphlet Denkschrift (1938) verfolgte MARKUS END (Berlin). End arbeitete die zentralen Elemente des von Portschy propagierten Antiziganismus heraus, die vor allem eine ‚Nicht-Identität‘, Vorstellungen eines archaischen Parasiten- bzw. Schmarotzertums und Disziplinlosigkeit umfassten.

SARAH PANZER (Chicago) fokussierte auf die Funktion der Deutsch-Japanischen Gesellschaft als ein Medium für bessere interkulturelle Verständnisse und als Organ der Fürsprache vor allem für in Deutschland lebende deutsch-Japaner. Die Publizistik des Vereins, vor allem von Professor Johannes von Leers vorangetrieben, produzierte alternative Verständnisse der Rasse, die auf Vorstellungen von kulturellen und philosophischen Sympathien zwischen den beiden Völkern basierten.

In einem philosophischen Ansatz umriss ULRICH CHARPA (London/Bochum) die Struktur der Imagination von Ursprung und dessen Manifestation in der deutschen Linguistik, Geschichte und Populärwissenschaft des 19. und 20. Jahrhunderts. Charpa verdeutlichte wie dieses Konzept des Ursprungs erlaubt, Menschen als spezifisch und höherwertig beziehungsweise als unspezifisch und minderwertig zu klassifizieren.

ARNDT KREMER (Malta) untersuchte die Idee der Kulturnation als Konzept basierend auf spezifischen, oftmals vage definierten kulturellen Werten und Standards. Beginnend mit den Werken von Schiller, Goethe, Lessing und über Grimm, Herder und W. v. Humboldt illustrierte Kremer den Konflikt zwischen der Idee einer Sprach- bzw. Kulturnation und jenen Befürworten des Sozialdarwinismus, deren Ideen auf einem antisemitisch und rassisch ausgerichtetem Nationsverständnis beruhten.

In ihrem Vortrag zu Karl Mays Winnetou beschrieb NICOLE PERRY (Wien) die Darstellung nordamerikanischer Ureinwohner im Zusammenspiel zwischen dem Konstrukt deutscher und indigener Kulturen. Perry fragte inwieweit das Bild der Indigenen in Winnetou nicht nur das Selbstbild der Deutschen als ‚menschliche‘ Kolonialherren sondern auch die antiamerikanische Rhetorik im Kaiserreich beeinflusste.

DAVID MOSHFEGH (Berkeley) sprach zu der Arbeit von Ignaz Goldziher, einem ungarisch-jüdischen Wissenschaftler, der die Gründung der Disziplin der Islamwissenschaften im deutschsprachigen Kontext anstieß. Moshfegh verfolgte die Rezeption und den Wandel der Disziplin im Kaiserreich anhand des Forschers C.H. Becker, der die modernistischen und progressiven Impulse der Disziplin mit den herrschenden kulturellen Verständnissen von Rasse und Nation in Verbindung brachte.

VOLKER ZIMMERMANN (Düsseldorf) warf die Frage auf, wie Kriminalität im späten 19. Jahrhundert in Deutschland rassisch ausgelegt wurde. Zimmermann erörterte unter anderem welche Verbrechen den Statistiken nach als typisch für die östlichen Provinzen galten und wie einflussreich das Stereotyp der slawischen Verbrechen im politischen und wissenschaftlichen Diskurs war. Der Vortrag beschränkte sich dabei nicht nur auf das Gebiet des sich etablierenden deutschen Nationalstaats, sondern befasste sich ebenso mit dem multinationalen und multiethnischen Kaiserreich Österreich-Ungarn.

ARNE OFFERMANNS (Hamburg) stellte in einem biographischen Exkurs zum Dichter und Literaturkritiker Ernst Lissauer die persönlichen und widersprüchlichen Auswirkungen der zweifachen Rolle als Befürworter und Opfer kultureller Narrative der Rasse heraus. Lissauer fungierte nach Offermanns als Exempel der stark assimilierten deutschen Juden die, obgleich in ihrem eigenen Interesse handelnd, an einer exkludierenden Nationskonstruktion beteiligt waren.

Das Symposium ermöglichte gerade aufgrund der Vielfalt an thematischen wie interdisziplinären Zugängen eine erhellende Sicht auf die Funktionen sowie epoche- und nationsübegreifenden Wirkungen kultureller Narrative der Rasse. Diese Wirkungen waren zwar niemals homogen, allerdings, so haben die einzelnen Vorträge verdeutlicht, waren kulturelle Diskurse ein zentraler Bestandteil für die Formation politischer und wissenschaftlicher Konzeption der Rasse. Gerade die Widersprüchlichkeiten und Komplexitäten machten den Kern an kulturellen Narrativen der Rasse aus.

Konferenzübersicht:

Welcome address by Lara Day Benjamin and Oliver Haag

Tina Campt (Barnard College, Columbia University) Keynote lecture: The Truth(s) of the Image: Race, Narrative and Black German Family Photography

Johanna Gehmacher (University of Vienna): “German Women” and the “Community of the People”: Concepts of Female Participation and Narratives of Race in German-nationalist Movements: Austria and the German Reich after the First World War

Lukas Bormann (University of Erlangen): The Jewish CEO and the Lutheran Bishop: The impact of German colonial studies on the racial cultural narratives of young Jewish and Christian academics

Sarah Panzer (University of Chicago): Honorary Aryans?: Negotiating the Status of the Japanese in the Nazi Racial State

Ulrich Charpa (Leo Baeck Institute London/Ruhr University Bochum): The Origin of the Germans. Narratives, Speculations, and Research Work

Arndt Kremer (University of Malta): ’Ist nicht die Sprache alles?’ The idea of a language defined Kulturnation in Germany versus racial- biological determinations of nationality

Nicole Perry (University of Vienna): Karl May’s Winnetou: An Example of Anti-American Rhetoric

David Moshfegh (U.C. Berkeley): On the Concept of Race in Islamwissenschaft

Volker Zimmermann (Collegium Carolinum Munich/Heinrich Heine University Düsseldorf): A Question of ‘Race’? Crime Rates and Polish Population in the Eastern Provinces of Prussia (1871–1914)

Arne Offermanns (University of Hamburg): Ernst Lissauer – Advocating Deutschtum against Cultural Narratives of Race

Markus End (T.U. Berlin): ‘Die Zigeunerfrage’: The racially based antigypsyism in Tobias Portschy’s pamphlet


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