Die Türkei, der deutsche Sprachraum und Europa

Die Türkei, der deutsche Sprachraum und Europa

Organisatoren
Institut für Geschichte der Universität Hildesheim; in Kooperation mit der Ege Üniversitesi Izmir
Ort
Hildesheim
Land
Deutschland
Vom - Bis
17.05.2012 - 19.05.2012
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Von
Simone Helmschrott, Universität Tübingen / Evangelische Akademie Bad Boll

„Die Türkei, der deutsche Sprachraum und Europa“ – Diese internationale Konferenz fand vom 17.-19. Mai 2012 im Michaeliskloster Hildesheim statt und wurde vom Institut für Geschichte der Universität Hildesheim in Kooperation mit der Ege Üniversitesi Izmir (Türkei) organisiert, die eine Universitätspartnerschaft verbindet.

Anliegen der Tagung war die „eingehende Betrachtung von Geschichte, Kultur, Sprache, Diplomatie und Politik sowie Bildung, Didaktik und Pädagogik aus vergleichender Sicht“. Nicht nur die „Aufbereitung und Analyse der wechselseitigen Beziehungen zwischen der Türkei bzw. den Türken und der deutschsprachigen Welt“ sollte erfolgen, sondern die Brücke zur Praxis geschlagen werden in Form der „Herstellung von Praxisbezügen und ihre[r] Vermittlung im Alltag“1. Diesem inter- und multidisziplinären und internationalen Anliegen wurde in 20 Einzelvorträgen nachgegangen. Als Zielfragen nannte MICHAEL GEHLER in seiner Einführung unter anderem die Rolle der beteiligten Disziplinen für das wissenschaftliche Verständnis des Verhältnisses Europas zur Türkei sowie die Hindernisse und Probleme auf dem gemeinsamen Weg. Auf das verbindende pluralistische Wissenschaftsverständnis baue die Tagung auf und knüpfe an die bisherigen Überlegungen zur Europäistik an. Der Mitorganisator und Sprachwissenschaftler REINER ARNTZ (Universität Bremen, vormals Stiftung Universität Hildesheim) ergänzte in seiner Begrüßung, dass der Sprachwissenschaft eine größere Rolle zukommen sollte, in der Erkenntnis, dass Sprachvergleich und Sprachvermittlung entscheidende Disziplinen zum gegenseitigen Verständnis sind.

Bereits im Themenbereich I wurde die Spannung zwischen Faszination und Ablehnung, zwischen Feind- und Vorbildern in der gemeinsamen europäisch-türkischen Geschichte deutlich. ARNO STROHMEYER (Salzburg) zeigte in seinem Vortrag auf, dass in den häufig geäußerten Bedenken gegen einen türkischen EU-Beitritt die alte „Inkarnation der Gegnerschaft“ (Hans-Ulrich Wehler) fortwirke, wie sie die Feindbilder der „Türkenkriege“ prägte. Dass diesem Begriff keine Memorierung von etwaigen „Türkenfrieden“ entspricht, zeige die ganz eigene Qualität der zeitgenössischen Wahrnehmungen. Hilfreich sei die neuere Deutung als transkulturelle Kriege, da sie die Entwicklung von einer ursprünglich klaren kulturellen Differenz hin zu militärischem Kulturtransfer auf beiden Seiten würdige.

In die ideologische Lage des 20. Jahrhunderts führte LUTZ BERGER (Kiel) ein. Die Türkei und Europa sollten nach den Vorstellungen des türkischen Staatsgründers Atatürk nicht mehr zwei getrennte Größen sein, sondern waren beide Teil der einen, universalen Zivilisation. Die Türkei, so Berger, wurde so einerseits aufgewertet, gleichzeitig aber in ihrer Unabhängigkeit gesichert und die koloniale Doktrin der ‚zivilisierten' Mächte abgewendet. Die anatolischen und zentralasiatischen Wurzeln wurden zur Grundlage der türkischen Staatsidentität, die den Islam oder die osmanische Vergangenheit nicht mehr miteinbezog.

In Ergänzung dazu zeigte MATTHIAS ASCHE (Tübingen) auf, welche Form der Übergang der ‚Türkengefahr‘ zur europäischen Türkenmode des 18. Jahrhunderts annahm. Bei höfischen Inszenierungen, wie der türkischen Hochzeit am sächsischen Hof Augusts des Starken in Dresden 1719, begegnete ‚der Orient‘ inklusive Asien und Afrika als exotisches Abbild, das die Vorstellungen des Fürstenhofs transportierte. Ein solcher „funktionsgebundener Exotismus“ diente in der Folge dazu, das Fremdbild zu manifestieren und das Überlegenheitsverständnis zu begründen, so Asche. Diese Faszination und der Transfer kultureller Merkmale wie Musik oder Stoff entsprangen also nicht einer wirklichen Auseinandersetzung mit dem Anderen, sondern waren klischeehafte Inszenierungen des Fremden.

HÜNER TUNCER (Ankara) ergänzte dies um die Ereignisse des 19. Jahrhunderts. Von der Entscheidung Selims III., seit 1793 feste Botschaften in den europäischen Metropolen einzurichten und die Praxis der Großbotschaften zu beenden, führte der Weg 1814/15 in die ‚Orientalische Frage‘. Die zunächst geäußerte Maxime der osmanischen territorialen Integrität wandelte sich zur kompletten Zerschlagung des Staatsgebietes zu Beginn des 20. Jahrhunderts. Hier, so Tuncer, ließen sich Parallelen zur Gegenwart finden: Denn mit der Zugehörigkeit zu Europa im Pariser Vertrag 1856 ging gleichzeitig die Selbsterkenntnis der Reformbedürftigkeit einher. Die zunehmend islamisch geprägte Politik der 1880er-Jahre führte Tuncer auf das verstärkte Engagement der europäischen Mächte zurück – ein Prozess, dessen Wiederholung es zu vermeiden gelte, so Tuncer.

Der Themenbereich II baute auf diese Vorträge auf, wie in dem Vortrag von YAVUZ KÖSE (Hamburg) deutlich wurde. Er stellte die Entwicklung von Produktrechten im Osmanischen Reich dar. Die osmanische Gesetzgebung rezipierte dabei einen ebenso in Europa und später in Amerika zu beobachtenden Prozess. Von den frühesten Formen einer ‚Markierung‘ führten kulturelle Transferbeziehungen zum Import von Luxusgütern sowie europäischer Prestigewaren, was eine Regulierung notwendig machte. Unter Rückgriff auf die erste französische Markenschutzregelung von 1857 entstand so 1871 die osmanische Markenschutzregelung ‘Alâmet-i Fârika Nizâmnâmesi. Ab den 1890er Jahren ließ sich, vermutlich aufgrund der gerichtlichen Verfolgung von Markenfälschungen, ein Anstieg von Markenregistrierungen beobachten. Das anwachsende Markenverständnis veränderte also, so Köse, die osmanische Gesetzgebung ebenso wie den Konsum am Bosporus.

Anschließend thematisierte ELISABETH RÖHRLICH (Wien) die Erfahrungen deutscher, österreichischer und amerikanischer Experten in der Türkei unter der Fragestellung, ob die Nationalstaatsbildung und Modernisierung für die Beobachter als Labor der Moderne gelten könne. Prestigebauten wie Banken, Parlament und Ministerien zeugen noch heute von der zeitgenössischen Wahrnehmung der Türkei als „Bauplatz der Moderne“. Anhand einiger Biographien, darunter Ernst Reuter und Erich Auerbach, zeigte sie die Spannbreite des technischen und ideellen Transfers sowie der individuellen Erfahrungen in der Fremde auf. Im Falle Auerbachs belege sein in der Türkei entstandenes Hauptwerk ‚Mimesis‘ deutliche Skepsis gegenüber dem Modernisierungsvorhaben und sei aufschlussreich bezüglich seiner Entwurzelungserfahrungen, so Röhrlich. Prägend für die zeitgenössische Wahrnehmung der Moderne waren Symbole des Fortschritts. So wurde der Traktor zum Sinnbild der modernisierten Türkei.

Einen anderen Aspekt der Kulturbegegnung thematisierte MARTIN WIMMER (Wien) in seinen Ausführungen zu den philosophischen Beziehungen zwischen Europa und der Türkei. Er stellte den Stand der Rezeptionsforschung osmanischer Philosophie in Europa und vice versa dar. Das ausgeprägte osmanische Interesse an ‚felsefe’ zeigt sich beispielsweise in Reiseberichten, wobei ‚felsefe‘ bis heute fast nur gleichbedeutend mit okzidentaler Philosophie verwendet werde, so Wimmer. In der türkischen universitären Lehre sei diese allgegenwärtig, gleichzeitig bestünden jedoch in der Beschäftigung mit türkischer und osmanischer Philosophie in der Türkei viele Desiderate. Das sei nicht zuletzt begründet durch die politisch motivierte Gleichsetzung von ‚osmanisch‘ mit ‚islamisch‘, so Wimmer.

Den Themenbereich III eröffnete DILEK DIZDAR (Germersheim), die in ihren Ausführungen einen Überblick über die Disziplin der Translationswissenschaften bot. Translation bezeichne zunächst den Vorgang des Übersetzens, so Dizdar, wobei ein Übersetzer immer auch Erzähler sei. Translation (engl.: translation proper) diene aber gleichzeitig als Überbegriff für den Vorgang des Dolmetschens. Im weiteren Sinne sei Translation auch eine metaphorische Analysekategorie in anderen Disziplinen, als Metapher für Begegnungen.2 Als Methodik bringe Translation stets Neues und verändere immer Bestehendes. Ihre Aufgaben seien sehr weit gefasst, wie Dizdar am Beispiel der Geschichte der Übersetzung von Nietzsches ‚Zarathustra‘ ausführte.

Während FARUK YÜCEL (Izmir) anschließend der Frage auf den Grund ging, ob Deutschunterricht in der Türkei Hindernis oder Chance sein könne, wobei er an Beispielen der Ege Üniversitesi konkrete Maßnahmen zu Vertiefung der Sprach- und Kulturkenntnisse aufzeigte, bereicherte SONGÜL ROLFFS (Gießen) diese theoretischen Ausführungen mit einem sprachdidaktischen Praxisbeispiel. Anhand des türkischen Suffixes ‚​-mı¸s/-mi¸s‘ veranschaulichte sie dessen Funktion und die daraus entstehenden Probleme bei der didaktischen Vermittlung. Anschließend berichtete BRIGITTE MOSER-WEITHMANN (Passau) von ihren langjährigen Erfahrungen in der Vermittlung von interkultureller Kompetenz und Kommunikation, die in Trainings auf unterschiedlichsten Ebenen vermitteln werden.

YADIGAR und KASIM EĞİT (Izmir) stellten in ihrem Vortrag Übersetzen als interkulturellen Prozess im Rahmen eines cultural transfer dar. Translation als eine der wichtigsten Formen der Auseinandersetzung mit Fremdkultur schließe die Übersetzung von Weltbildern und geistigen Haltungen ein. Entscheidend beim Übersetzen sei jedoch die Differenz zwischen Original und Übersetzung als konstitutives Element. Anhand ihrer eigenen Übersetzung einiger Werke von Thomas Mann veranschaulichten sie dies.

Den juristisch-sprachlichen Blickwinkel brachte MEHMET TAHIR ÖNCÜ (Izmir) ein, der deutsch-türkische Beziehungen an Textbeispielen aufzeigte. Strukturell, inhaltlich und lexikalisch sei eine Ähnlichkeit zwischen dem Neuen Türkischen Strafgesetz (YTCK, 2005) mit dem deutschen StGB deutlich zu erkennen. 43,48 Prozent des Korpus des Neuen Türkischen Strafgesetzes weise eine Übereinstimmung mit dem alten (ETCK, 1926) wie auch dem deutschen Strafgesetzbuch StGB auf, so sein Forschungsergebnis.

REINER ARNTZ (Hildesheim/Bremen) schloss mit seinen terminologischen Betrachtungen den dritten Themenbereich ab. Er zeigte die Zusammenhänge deutscher und türkischer Terminologien am Beispiel von Fachwortschätzen auf. In der Entwicklung des lateinisch-griechischen und arabisch-persischen Erbes hin zu den europäischen Normierungen des 21. Jahrhunderts einerseits und dem wachsenden Einfluss der französischen und englischen Fachsprachen im Türkischen andererseits spiegeln sich erkennbar politisch-kulturelle Einflüsse, so Arntz. Obwohl die türkische Sprachreform als Kraftakt und oftmals mit geringer Kenntnis sprachlicher Zusammenhänge betrieben wurde, habe Türkisch in den letzten Jahrzehnten als moderne Kultursprache sehr gewonnen und könne auf neue Entwicklungen reagieren.

Themenbereich IV begann mit der Vorstellung der Präsentation von YASEMIN KARAKAŞOĞLU (Bremen). Obwohl die Armutsgefährdungsquote 2010 bei der türkischstämmigen Bevölkerung in Deutschland mit 38,9 Prozent enorm hoch lag, lasse sich ein deutlich positiver Trend im Zeit- und Generationenverlauf beobachten: Gerade die Kinder türkischer Herkunft oder Staatsangehörigkeit haben demnach einen deutlichen Bildungssprung erzielt. 3 In Statistiken zum Hochschulbesuch falle insbesondere die herausragende Rolle der Studentinnen auf, deren Anzahl sich in den vergangenen 20 Jahren verzehnfacht habe und die zu einem höheren Anteil als ihre Kommilitoninnen ohne Migrationshintergrund MINT-Fächer sowie Jura oder Wirtschaft wählen. Studierende mit türkischem Hintergrund müssen daher als besonders motivierte und mehrsprachige zukünftige Führungskräfte anerkannt werden, so Karakaşoğlu.

EVA NEULAND (Wuppertal) fokussierte in ihrem Vortrag den Sprachgebrauch deutscher Schüler, der im Laufe der Jahre eine erstaunliche Kreativität und Integrationskraft aufweise, so Neuland. Während DER SPIEGEL schon 1984 den allgemeinen Sprachverfall diagnostizierte, haben die heutigen Migrantensprachen lediglich einen allgemeinen Trend weitergetragen. ‚Kiezdeutsch‘ jedoch als Dialekt zu bezeichnen, wie es Heike Wiese in ihrem gleichnamigen Buch unternimmt 4, sei eher problematisch, so Neuland. Sprachhistorisch gesehen läge hier ein Ethnolekt vor, der zunehmend in die Jugendsprache ausstrahle. Sie konstatierte in dieser Debatte die altersspezifischen Probleme als dominierend, nicht die ‚Migrantenprobleme‘. Hier müsse in der didaktischen Anwendung ein Umdenken einsetzen, so Neuland.

Themenbereich V schließlich schlug die Brücke von den historischen und linguistisch-didaktischen Überlegungen zu politischen Fragestellungen. RUDOLF AGSTNER (Wien) stellte anhand ausgiebiger Quellenrecherchen die Sicht des österreichischen Botschafters Karl Hartl auf die Türkei und ihren politischen Betrieb 1958-1963 dar. Dessen Berichte, Briefe, und Einträge geben Auskunft über Innenpolitik, Wirtschaftspolitik und EWG-Assoziierung, zur Sozialpolitik, Religion, Außenpolitik und internationalen Beziehungen. Agstner kommt zu dem Ergebnis, dass Hartl viele Entwicklungen zutreffend einschätzte, so die Abkehr vom Laizismus Atatürks und einer zunehmenden Hinwendung zum Islam, ebenso wie die Bedeutung der Armee in ihrer Funktion als Garant der Demokratie. Diese fünf untersuchten Jahre seien daher in ihrer Bedeutung für die Türkei kaum zu unterschätzen.

Die übergreifenden Entwicklungen dieser Annäherung beschrieb HÜSEYIN BAĞCI (Ankara). Die Modernisierung der Türkei, so Bağcı, begann nicht mit der Mitgliedschaft im Europarat 1949, sondern in der Zeit der Tanzimat. Die Identität als europäischer Staat gehe nicht zwangsläufig einher mit einer europäischen Gesellschaft. Der Trend der Gleichsetzung von Modernisierung mit Europäisierung ändere sich langsam, wie das langsame Verlassen der eurozentrischen Identität und Geschichte zeige. Bağci beobachtete eine Hinwendung zu Russland, gleichsam eine „Putinisierung“ der türkischen Politik. Hinsichtlich der türkisch-europäischen Beziehungen verwendete er das Bild der Verlobung, die mit der Berufung von Egemen Bağış als Europaminister weiter fortschreite. Das Ziel der Türkei bleibe die EU, und diese brauche mittel- und längerfristig die Türkei als Wirtschaftsmacht, so Bağci.

MICHAEL GEHLER (Hildesheim) fokussierte in Ergänzung dazu die türkisch-österreichischen Beziehungen anhand einiger Eckdaten. 5 Eine gemeinsame Politik sei durch Partikularinteressen wiederholt behindert worden. In Bezug auf die von deutscher und österreichischer Seite vorgeschlagene „privilegierte Partnerschaft“ merkte Gehler an, dass eine solche durch die Zollunion mit der EU (seit 1996) de facto bereits besteht. Die 2005 begonnen Verhandlungen zum EU-Beitritt traten alsbald auf der Stelle, was sowohl auf österreichisch-deutscher wie türkischer Seite zu Enttäuschungen führte. Die EU-Türkei-Debatte sei letztlich von Konjunkturen abhängig, und behandle nicht die echten Probleme. Von der Türkei als Spielball der europäischen Staaten könne heute keine Rede mehr sein. Vielmehr strebe die Türkei danach, sich als eine vermittelnde Regionalmacht im Mittleren und Nahen Osten zu etablieren.

In Bezug auf sicherheitspolitische Fragen hielt MEHMET ÖCAL (Kayseri) fest, dass die Entwicklung gemeinsamer Sicherheitsstrukturen nötig sei angesichts von Herausforderungen der Globalisierung, weltweiter Armut und Nord-Süd-Migration. Die EU müsse zum sicherheitspolitischen Akteur werden. Da nationalpolitische Interessen dabei vermehrt in den Vordergrund treten, wie zuletzt bei der Debatte zum Libyeneinsatz, sei ein gemeinsames Interesse der EU derzeit zu einer Floskel geworden, so Öcal. Die Haltung zu Russland sei ebenso uneins wie die Haltung zur NATO-Raketenabwehr. Zudem wende sich die USA zunehmend gen Asien und von Europa ab. Daher, so Öcal, sei es für Europa eine große Chance, die zukünftige Sicherheitspolitik in enger Verflechtung zur Türkei zu gestalten, die mit ihrer ‚zero problem‘-Politik ein klarer Mediator sei.

Durch diese beschriebenen, teils kontrovers diskutierten Beiträge wurde das Tagungsziel erreicht, Wechselbeziehungen und Praxisbezüge erkennbar zu machen. Mehrere Synergiemöglichkeiten und Überschneidungen der Disziplinen und ihrer Fragestellungen wurden deutlich, aber auch die unterschiedlichen Deutungen einzelner Phänomene. Für eine in der Türkei geplante Folgekonferenz bleibt mit der Fülle der aufgeworfenen Fragen dennoch genügend Diskussionsstoff erhalten, der sich bei neuen Fragestellungen zur wechselvollen und nie spannungsfreien Beziehung Europas und der Türkei sicher vertiefen wird.

Konferenzübersicht:

Grußworte
Präsident Prof. Dr. Wolfgang-Uwe Friedrich
Dekan FB I, Univ.-Prof. Dr. Werner Greve
Einführung durch die Veranstalter
Michael Gehler, Kasim Eğıt, Reiner Arntz

I. Geschichte und Kulturtransfer

Arno Strohmeyer (Paris Lodron Universität Salzburg): Zwischen Krieg und Frieden: Die habsburgisch-osmanischen Beziehungen in der Frühen Neuzeit

Lutz Berger (Christian-Albrechts-Universität zu Kiel): Atatürk und Europa

Matthias Asche (Eberhard Karls Universität Tübingen): Türkenbegeisterung und orientalische Sehnsüchte – Formen und Wege des Kulturtransfers vom Osmanischen Reich an deutsche Fürstenhöfe im 18. Jahrhundert. Ein Überblick

Hüner Tuncer (Atilim University Ankara): Das Osmanische Reich und Europa im 19. Jahrhundert

II. Der deutsche Sprachraum und die Türkei im Kulturvergleich

Yavuz Köse (Hamburg): Westlicher Konsum am Bosporus

Elisabeth Röhrlich (Universität Wien): Die Moderne Bauen: Deutsche, österreichische und amerikanische Experten in der frühen türkischen Republik (1923-1952)

Franz Martin Wimmer (ehemals Universität Wien): Die Türkei, Europa und die Philosophie

III. Deutsch und Türkisch im Sprachvergleich

Brigitte Moser-Weithmann (Universität Passau): Erlangung interkultureller Kompetenz für den türkischen Kulturraum

Dilek Dizdar (Universität Mainz, Germersheim): Deutsch-türkische Begegnungen – die translationswissenschaftliche Perspektive

Faruk Yücel (Ege Universität, Izmir): Deutsch als Hindernis oder Möglichkeit: Zwischen Fremdsprach- und Translationsdidaktik

Songül Rolffs (Universität Gießen): Methoden und Probleme des Türkischunterrichts für Deutschsprachige aus kontrastiver Sicht

Yadigar Egit, Kasim Egit (Ege Universität, Izmir): Literarisches Übersetzen. Deutsch-Türkisch als Sprach- und Kulturtransfer

Mehmet Öncü (Ege Universities Izmir): Lexikalische Relationen zwischen dem deutschen Strafgesetzbuch (StGB) und dem neuen türkischen Strafgesetzbuch (YTCK)

Reiner Arntz (Universität Hildesheim, Universität Bremen): Deutsche und türkische Terminologien als Spiegel europäischer Sprachkultur

IV. Bildungspolitik, Didaktik und Pädagogik

Yasemin Karakaşoğlu (Universität Bremen): Kinder türkischer Herkunft im deutschen Bildungssystem. Von Bildungsverlierern zu neuen Hoffnungsträgern im Deutschland des Fachkräftemangels?

Eva Neuland (Universität Wuppertal) : Mehrsprachigkeit und Einflüsse von Migrantensprachen auf den Sprachgebrauch von Schülern und Schülerinnen in Deutschland

V. Diplomatie, Politik und Sicherheitsfragen

Rudolf Agstner (Wien): Die Berichte des österreichischen Botschafters Hartl aus Ankara 1958-1963

Hüseyin Bagci (METU Ankara): Vom Europarat bis zur EU. Die Türkei und die europäische Integration

Michael Gehler (Universität Hildesheim): Österreich und die Türkei. Vom Europarat bis zu den EU-Beitrittsverhandlungen

Mehmet Öcal (Erciyes Universität/Kayseri): Die Türkei und die europäische Sicherheitspolitik

Anmerkungen:
1https://www.uni-hildesheim.de/media/fb1/geschichte/tagungen/2012-05-tuerkei-europa/Expose_und_Fragestellungen_FINAL.pdf, S. 1 (03.09.2012).
2 So in der Tradition von Homi Bhaba, der den Begriff der Hybridität prägte für Zwischenidentitäten.
3 Bei den 15 bis 24-Jährigen mit türkischer Staatsangehörigkeit weisen 40,7 Prozent einen mittleren bis hohen Schulabschluss auf, im Gegensatz zu 17,3 Prozent bei den 35 bis 64-Jährigen und gerade einmal 3,2 Prozent der 65 bis 79-Jährigen (Babka von GOSTOMSKI, 2010).
4 Wiese, Heike: Kiezdeutsch. Ein neuer Dialekt entsteht, München 2012.
5 Der Fall Öcalan 1998/1999; der EU-Kandidatenstatus der Türkei 1999; die gemeinschaftliche Priorität für die Osterweiterung der EU sowie der Beginn der Beitrittsverhandlungen 2004.