Medien höfischer Kommunikation

Medien höfischer Kommunikation

Organisatoren
Interdisziplinäres Institut für Kulturgeschichte der Frühen Neuzeit der Universität Osnabrück; Forschungsbibliothek Gotha; Axel E. Walter, IKFN Osnabrück / Lehrstuhl für Germanische und Romanische Philologie der Universität Klaipėda
Ort
Gotha
Land
Deutschland
Vom - Bis
17.09.2011 - 19.09.2011
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Von
Axel E. Walter, Interdisziplinäres Institut für Kulturgeschichte der Frühen Neuzeit, Universität Osnabrück

Die frühneuzeitliche Hofkultur erfährt seit langem rege Aufmerksamkeit der internationalen Forschung. Dabei sind in jüngerer Zeit verstärkt höfische Zeichensysteme und, über diese, Prozesse sowie Konstituenten höfischer Kommunikation in den Blick gerückt. Einem tragfähigen theoretischen Konzept von höfischer Kommunikation wurden durch systemtheoretische Zugänge oder über intensive Forschungen zu Formen symbolischer Kommunikation inzwischen wesentliche Grundlagen geschaffen; andere Ansätze, etwa aus der Perspektive von Wissenskulturen bzw. -repräsentationen oder zu höfischen Narrativen, bleiben aber ebenso weiterzuentwickeln. Insbesondere muss ein Forschungsfeld „Höfische Kommunikation“ eine interdisziplinäre Anschlussfähigkeit besitzen. Daraus resultiert zwar, über verschriftlichte Zeugnisse hinauszugehen, diesen kommt jedoch eine unveränderlich zentrale Bedeutung unter den kulturgeschichtlich relevanten Quellen zu.

Kommunikation braucht Medien, über die sie vermittelt und übermittelt wird. Forschungen zur höfischen Kommunikation müssen deshalb Fragen nach ihren medialen Formen, Bedingungen und Praktiken aufnehmen. Das für diese Tagung gewählte Thema „Medien höfischer Kommunikation“ bezeichnet einen bislang in den Forschungen zur höfischen Kultur vernachlässigten medien- und kommunikationstheoretischen Ansatz. Die Tagung wurde im Rahmen eines von der DFG geförderten Forschungsprojektes „Höfische Kulturräume in Mitteldeutschland. Kommunikation und Repräsentation im personalen Gelegenheitsschrifttum der Forschungsbibliothek Gotha“ vom 17. bis 19. November 2011 auf Schloss Friedenstein durchgeführt.

In den Grußworten zur Eröffnung der Tagung, die Kathrin Paasch (Gotha) und Klaus Garber (Osnabrück) hielten, wurde der Forschungskontext hervorgehoben, aus dem die Idee für diese Tagung entwickelt wurde. Im Rahmen des von den beiden Redner/innen geleiteten DFG-Projektes werden die personalen Gelegenheitsschriften des 16. und 17. Jahrhunderts, die in der Forschungsbibliothek Gotha in mehreren Tausend Drucken existieren, vollständig erschlossen, digitalisiert und für eine biographische Datenbank ausgewertet. Damit verbindet sich eine wissenschaftliche Studie, die diese und andere Medien höfischer Kommunikation in den Blick nimmt und am Beispiel des Gothaer Hofes den Zusammenhang von Herrschaftskonstitution, -präsentation und -sicherung auf der einen und den dafür eingesetzten medialen Strategien und Formen auf der anderen Seite untersuchen wird. Das für die Tagung gewählte Thema „Medien höfischer Kommunikation“ hat die für diese Studie entwickelte Fragestellung aufgegriffen und in interdisziplinärem Zugang anhand verschiedener Medien für die Frühe Neuzeit bis ins 19. Jahrhundert weitergeführt.

VOLKER BAUER (Wolfenbüttel) nahm in seinem Vortrag die für die Herrschaftskommunikation eingesetzten und teilweise auch speziell dafür entwickelten Druckmedien in den Blick. Welche Gattungen, so lautete die Ausgangsfrage, bestimmten die Wahrnehmung eines Hofes – und welche Steuerungsmechanismen wirkten auf die Darstellung ‚nach außen’ ein. Die textuellen Zusammenhänge zwischen Spezialgenealogien der Herrscherhäuser und universalen genealogischen Nachschlagewerken oder zwischen Zeremonialordnungen und gedruckten Festberichten (als die „Kerngattung“ der höfischen Kommunikation) wurden ebenso betont wie die Bedeutung der Hofpublizistik insgesamt, die im Druck die höfische Interaktion (die eigentlich nur unter Anwesenden geführt wurde und für diese wahrnehmbar war) aufbereitete und nach außen trug. Dabei arbeitete Bauer den Unterschied zwischen Präsenzmedien und Distanzmedien heraus, deren Produktion immer stärker durch Mechanismen des Buchmarktes beeinflusst wurde und damit immer weniger vom Hof zu steuern war. Während Präsenzmedialität, so das von Bauer vorgeschlagene Schema, an die Interaktion gekoppelt bleibt, stellt Distanzmedialität in gedruckter Form die Medien zur Verfügung, die der Repräsentation von Herrschaft dienen.

Eine andere, nämlich nunmehr ‚nach innen’ gerichtete, Perspektive legte MARTIN MULSOW (Gotha/Erfurt) in seinem Vortrag an, der sich mit der Informalität am Rande des Hofes beschäftigte. Mulsow wählte dafür einen weiteren Medienbegriff, der die Orte, Räume, Gelegenheiten und Akteure der höfischen Kommunikation in den Blick zu nehmen erlaubt, wobei er die Medien dieser informellen Kommunikation als „schwache Medien“ charakterisierte. Eine über diese schwachen Medien am Hofe geführte informelle Anwesenheitskommunikation sei von der medialisierten Kommunikation einerseits abzugrenzen. Andererseits könne erst auf der Basis eines in dieser Weise erweiterten Medienbegriffs, der als Medium alles einbezieht, was die Kommunikation ermöglicht bzw. befördert, die Frage danach gestellt werden, wo der Hof aufhört, wieweit er also über den lokalisierbaren Ort hinausragt. So trügen Hofbeamte auf Reisen den Hof mit sich in Form eines symbolischen Kapitals, Gelehrte aus dem Hofstaat träfen sich bei bestimmten Ereignissen außerhalb des Landes, z.B. Buchmessen, aber auch in der umliegenden Stadt, etwa in der Buchhandlung. Auch fürstliche Liebhabereien, wie beispielsweise Münzen, fungierten als informelle Kommunikationsmedien, die auf Verbreitung angelegt waren. Die enge Verzahnung von informeller und formaler Kommunikation, so lautete das Fazit dieses Vortrags, müsse von der Forschung noch sehr viel intensiver betrachtet werden.

Der öffentliche Abendvortrag von JOHANN ANSELM STEIGER und FRANZISKA MAY (beide Hamburg) widmete sich der sogenannten Kurfürstenbibel Ernst des Frommen als Medium höfischer Repräsentation und der Operationalisierung theologisch-philologischer Gelehrsamkeit. Aus der Sicht zweier kulturwissenschaftlich ausgerichteter Kirchenhistoriker und Theologen stellten die beiden Vortragenden zunächst die philologischen Grundsätze Lutherischer Bibelübersetzung vor, die bei diesem Werk leitend blieben, wobei die Kommentare theologische Gelehrsamkeit elementarisierten. Vor allem aber zeigten sie auf, dass die konfessionspolitische Dimension dieses Prachtwerks eben auch und insbesondere eine medienpolitische Komponente besaß. Die Kurfürstenbibel bildete einen zentralen Bestandteil einer publizistischen Offensive des ersten Herzogs und ordnete sich in ein kohärentes politisches Gesamtkonzept ein, das vom Hof kommuniziert wurde – und zwar über die Grenzen des Territorialstaates hinaus wie ebenso in diesen hinein: Die Kurfürstenbibel diente gleichermaßen als Ernestinisches Alleinstellungsmerkmal wie zur Stärkung des Evangeliums unter den Untertanen. In einer eingehenden Interpretation des Titelkupfers wurde aufgezeigt, wie in der Kurfürstenbibel Bildprogramm und Text intermedial zusammenwirkten. Höfische Repräsentation und Kommunikation des Wortes Gottes fixierten sich, so demonstrierte dieser Vortrag eindrucksvoll, in der Kurfürstenbibel in einer „Strategie der multimedialen Propagation des Wortes Gottes, in der Wort und Bild miteinander interagieren“.

Der zweite Tag wurde von AXEL E. WALTER (Klaipėda/Osnabrück) eröffnet, der verschiedene Medien der Herrschaftskonstitution und -repräsentation und ihre Funktion beim Aufbau des frühneuzeitlichen Fürstenstaates am Beispiel Gotha vorstellte. Dieser Vortrag war auch dahingehend konzipiert worden, einige Aspekte des Tagungsthemas anzusprechen, die nicht in eigenen Beiträgen behandelt werden konnten, obgleich sie zentrale Medien höfischer Kommunikation – und ebenso der kommunikativen Interaktion zwischen Hof, einheimischer Funktionselite und Untertanen sowie der Selbstpräsentation nach außen – waren. Vorgestellt wurden die Amtschriften als einflussreiches Kommunikationsmittel des Hofes wie der Funktionselite, die Herrschaft zugleich durchsetzen wie demonstrieren; das genau kalkulierte Architekturprogramm des Schlosses Friedenstein, das verschiedene Medien aufeinander bezieht; und schließlich die auf den Hof gerichtete (und nicht selten in seinem Auftrag verfasste) Gelegenheitsdichtung, die Herrschaft nicht nur bestärkt, sondern ebenso legitimiert und oft auch konzipiert. Der Vortrag legte anhand dieser Medien dar, dass in der höfischen Kommunikation der Blick nicht nur auf Einzelmedien zu richten sei, vielmehr auf deren Entwicklung und Funktion im Zusammenhang mit anderen Medien und somit auf Medienverbünde, die dann oft bemerkenswerte Kontinuitäten über längere Zeiträume aufweisen.

JILL BEPLER (Wolfenbüttel) griff in der Einleitung zu ihrem Vortrag den Gedanken des Nebeneinanders von formeller und informeller Kommunikation auf, den sie auch in ihrem Thema nachvollziehen konnte. Ihr Vortrag behandelte die Netzwerke von fürstlichen Büchersammlerinnen. Dafür sei zunächst einmal ein gewichtiges Quellenproblem zu konstatieren, führten doch die Vererbungsregeln zumeist zur Zersplitterung weiblicher Büchersammlungen nach dem Tode ihrer Besitzerin. Bepler entfaltete in ihrem Vortrag die Voraussetzungen und Praktiken des weiblichen Büchersammelns am Hof, das von ihr in den realen funktionalen Zusammenhängen mit der Rolle der Fürstin als Widmungsempfängerin und Mäzenin sowie mit der weiblichen Lektürepraxis und eigenen publizistischen Tätigkeiten kontextualisiert wurde. Diese Kontexte wurden von Bepler im Stichwort des dynastischen Netzwerkes fokussiert. Als konkretes Beispiel wählte sie Eleonore von Württemberg, die zweite Ehefrau von Landgraf Georg I. von Hessen-Darmstadt, die die „Sacra Poemata“ ihres ersten Ehemanns Joachim Ernst von Anhalt herausgegeben hat, selbst religiöse Schriften verfasste, Empfängerin verschiedener Widmungen war und in ihrer Leichenpredigt für ihre Lektürepraxis gerühmt wurde. Aus ihrer heute zerstreuten Bibliothek befinden sich in Gotha einige Exemplare, die Einträge von ihrer Hand besitzen und ihre konkreten Lektüren erschließen lassen.

STEFAN ANDERS (Osnabrück) stellte in seinem Vortrag das eingangs in diesem Bericht genannte Forschungsvorhaben der Forschungsbibliothek Gotha und des Instituts für Kulturgeschichte der Universität Osnabrück vor. Nach einer grundsätzlichen Einführung in das Projekt, das für die Erfassung und Erschließung der Gelegenheitsdrucke auf die Erfahrungen des in Osnabrück durchgeführten Langzeitprojekts des „Handbuchs des personalen Gelegenheitsschrifttums in europäischen Bibliotheken und Archiven“ zurückgreifen kann, konzentrierte sich der Referent auf die geplante biographische Datenbank, die das reiche Namensmaterial dieser Drucke ausschöpfen und für die punktuelle Rekonstruktion von Biographien zusammenführen wird. Tausende von Namen, von ihnen sicherlich ein Drittel gänzlich unbekannt, werden bei Abschluss des Forschungsprojekts in dieser Datenbank nachgewiesen sein. Damit werden zugleich auch die Austauschbeziehungen zwischen Gotha und anderen Regionen über persönliche Netzwerke abgebildet. Am Beispiel von Paul Martin Sagittarius führte Anders vor, welche Erträge aus diesem Unternehmen für die einzelne Biographie zu erwarten, welche Grenzen aber auch gesetzt sind.

Gothaer Gelegenheitsschrifttum bildete auch die materielle Basis für den nächsten Vortrag. Nach dem vorangegangenen Ausgriff auf den Einsatz Neuer Medien in der frühneuzeitlichen Forschung kehrte SERAINA PLOTKE (Basel) wieder zu intermedialen Aspekten zurück, die im zeitgenössischen Einzeldruck zu verfolgen sind. Plotke untersuchte Text-Bild-Verbindungen in der frühneuzeitlichen höfischen Festkultur, für die sich bimediale Gattungen besonders eigneten. Ausgehend von der zeitgenössischen Zeremonial-Wissenschaft (Rohr), die die Bestandteile des höfischen Fests definierte, zeigte der Vortrag auf, wie vielfältig sich Text-Bild-Kompositionen in die zeremonielle Kommunikation integrierten. Plotke analysierte verschiedene zeitgenössische Drucke. Zum einen führte sie für die visuelle Poesie vor, wie deren Sinnbildhaftigkeit die Wahrnehmung von Herrschaft verstärken kann, zum zweiten zeigte sie anhand des „EhrenGedächtnüs“ auf Herzogin Magdalena Sibylla von Sachsen-Weißenfels im Detail auf, wie sich schon in einem einzelnen Druck Machtanspruch und Herrschaftslegitimation in einer genau aufeinander abgestimmten bimedialen Text-Bild-Konfiguration abbilden und zugleich für die Dynastie behauptet werden.

Wiederum ein ganz prominenter Funeraldruck stand im Mittelpunkt des Vortrags von EVA BENDER (Marburg). Ihr ging es um die „Wolverdiente Ehren-Seule“ auf Ernst I. von Sachsen-Gotha und Altenburg. Sie erschien drei Jahre nach dem Tod des Herzogs, griff aber, wie Bender nochmals hervorhob, auf Texte zurück, die bereits unmittelbar nach dem Anlass entstanden waren. Die „Ehren-Seule“ ist seit dem Anfang des 19. Jahrhunderts in der Forschung mehrfach behandelt worden, gerade deshalb lässt sich an diesem Druck aber auch aufzeigen, welchen Erkenntnisgewinn die für die Tagung gewählte Fragestellung einbringt. Von diesem Ansatz aus untersuchte die Referentin die Form, Funktion und vor allem die Wandlungen der „Ehren-Seule“ innerhalb der höfischen Kommunikation. Die bereits 1675, unter anderem von Veit Ludwig von Seckendorff, verfassten „Personalia“ kommunizierten vom Gothaer Hof aus in das ganze Land das Selbstverständnis des neuen Fürsten, der die bestehende Ordnung garantierte. Diese Garantie wurde durch den Druck 1678 noch einmal erneuert, nun aber mit einem umfangreichen Text-Bild-Programm verbunden, dass die innerdynastische Vorrangstellung des neuen Herzogs unter seinen Brüdern demonstrierte und über die Landesgrenzen hinaus deklarierte. So bietet die „Wolverdiente Ehren-Seule“ ein – schon durch ihren drucktechnischen Aufwand – herausragendes Exempel der medialen Selbstinszenierung von Herrschaft, deren Würde und Legitimität über ein repräsentatives Druckwerk öffentlich kommuniziert wurde.

Mit dem folgenden Vortrag rückte erstmals eine ‚Institution’ in den Blick, die wie keine sonst mit dem höfischen Fest und seinen medialen Inszenierungen verbunden ist: das – im weiteren Sinne – Theater, dem die letzten vier Vorträge der Tagung gewidmet waren. MARIE-THÉRÈSE MOUREY (Paris) stellte am Beispiel des Hofballets den Körper als Medium der höfischen Kommunikation in den Mi17.08.2012ttelpunkt ihrer Überlegungen, die einen ganz grundsätzlichen Charakter besaßen und das ‚Ballet’ als zentrale Gattung der höfischen Festpraxis vorstellten. Dieser Vortrag demonstrierte eindrücklich, wie fruchtbar ein offener Medienansatz ist, der sicherlich dem Gegenstand dieses Vortrags besonders zugute kommt. Das Hofballet wurde von Mourey als multimediales höfisches Kunstwerk vorgestellt, in dem der Körper das eigentliche Medium war, Musik und Text dagegen nur „Zusätze“ bildeten. Der vom Körper vollführte Tanz werde zur lebendigen Malerei und vollende den Übergang von der Metapher zur Metamorphose. Am Gothaer Hof bestand dabei eine besondere Affinität zum Ballet. Friedrich I. von Sachsen-Gotha-Altenburg war ihm besonders zugeneigt und setzte es auch für die Erziehung seiner Kinder ein. Im „Ballet Von dem beglückten Rauten-Krantz“ (1687) tanzten die Prinzessinnen und Prinzen ebenso wie einige Hofbeamte mit. Damit diente das Ballet nicht nur der Repräsentation des Hofes, sondern kommunizierte vor der Hofgesellschaft auch eine panegyrische Zuspitzung auf den Herzog. Das durch die Körper inszenierte symbolische Handeln weist somit weit über die Aufführung hinaus und wird durch das gedruckte ‚Werk’ nur unvollständig zum Ausdruck gebracht.

Den letzten Tagungstag eröffnete RENÉ STERNKE (Berlin) mit einer eingehenden Analyse von Daniel Richters „Trauer- und Lust-Spiel Von der Argen Grund-Suppen der Welt“, einem 1670 in Gotha aufgeführten und gedruckten Schauspiel. Sternke untersuchte die semantischen Implikationen höfischer Medientransposition, die in diesem Stück in der Übersetzung des Hohenliedes in das Medium des höfischen Theaters aufzufinden sind. Richter habe sein allegorisches Schauspiel als eine Form der Rede konzeptualisiert, die die direkte Kommunikation zwischen Redner und Zuhörer suchte. Das Stück war für das höfische Publikum vorgesehen. Herzog Ernst ließ ebenfalls seine Kinder mitspielen, was sein ältester Sohn Friedrich dazu nutzte, die besondere Gunst seines Vaters zu gewinnen. Die Verlegung der Handlung des Hohenliedes, einschließlich seiner erotischen Metaphorik, ins höfische Milieu sollte didaktische Funktionen erfüllen, indem das Konzept von Liebe als caritas als Verhaltensmodell vorgeführt wurde. Letztlich, so der Referent, habe das Schauspiel seine didaktische Aufgabe aber nicht erfüllt. Vielmehr hätten sich die eingesetzten Medien von ihrer Wirkung emanzipiert, so dass die Medialisierung des Sinnlichen, die Richter vorgesehen habe, jenes in diesem Stück erst herabgesetzt habe.

ROSWITHA JACOBSEN (Erfurt) legte ihren Vortrag über das Theater als Medium höfischer Kommunikation darauf aus, die aktuellen medientheoretischen Ansätze auf das höfische Theater des 17. Jahrhunderts zu antizipieren. Sie arbeitete dafür insgesamt fünf Charakteristika heraus. 1. Das Theater als Medium kommunikativer Sinnproduktion, wobei die Plurimedialität der Aufführung einen wesentlichen Einfluss besitze; 2. die wirklichkeitskonstituierende Kraft des Theaters; 3. die Sonderstellung des Theaters innerhalb der Medialität des Hofes; 4. die grundsätzliche Aktualisierungstendenz des höfischen Theaters; 5. schließlich die Theatralität der höfischen Gesellschaft. Aus diesen Charakteristika konstituierte sich, so kann man die theoretisch überaus inspirierten Ausführungen von Jacobsen zusammenfassen, das spezifisch Höfische des zeitgenössischen Theaterkonzepts, das letztlich eine permanente Selbstdarstellung gewesen sei. Das höfische Theater lieferte so einen entscheidenden Beitrag zur frühneuzeitlichen Herrschaft, die sich als Kommunikations- und Interaktionsprozess vollzogen hat.

Der letzte Vortrag von KLAUS GERLACH (Berlin) stellte den Theaterzettel als Medium höfischer Kommunikation und höfischer Erinnerungskultur vor. Theaterzettel sind von der Theatergeschichte als besonders ergiebige Quelle stets ausgeschöpft worden, wobei sie gerade aus der frühen Zeit nur unvollständig überliefert sind. Gerlach definierte zunächst das Medium des Theaterzettels, für das noch zu untersuchen bleibt, ob es in der höfischen Kultur eine besondere Ausprägung erfahren hat. Der ‚bürgerliche’ Theaterzettel, dessen früheste Exemplare aus der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts vorliegen, ist dagegen gut erforscht. Da die Wandertruppen in der Regel ein fürstliches Privileg besaßen, das auf den Theaterzetteln ausdrücklich ausgewiesen war, erfüllte dieses Medium, das überall ausgehängt oder verteilt wurde, durchaus kulturelle Ambitionen der Fürsten. Während der Theaterzettel für das städtisch-bürgerliche Publikum als Einladung konzipiert war, musste er am Hofe diese Funktion nicht erfüllen. Dort war es stattdessen häufiger der Fall, dass das Stück selbst, wenn auch oft nur als Szenar, gedruckt wurde. Dadurch war nicht nur der Zusammenhang mit dem Text viel dichter, sondern es realisierte auch Funktionen der Dokumentation und Erinnerung, die dem ‚bürgerlichen’ Theaterzettel nicht aufgetragen waren.

In der Schlussdiskussion, die von Siegrid Westphal (Osnabrück) geleitet wurde, richtete sich ein besonderer Fokus auf den Zusammenhang zwischen Herrschaft als Kommunikationsprozess und der Funktion von Medien darin, wobei Kontextualisierungen vorzunehmen sind, wie sie auch die Beiträge dieser Tagung suchten. Der für die Tagung gewählte Ansatz, so stimmten die Tagungsteilnehmerinnen und Tagungsteilnehmer überein, habe sich als tragfähig bewährt und weitere Forschungsperspektiven eröffnet, zumal von einem offenen Medienmodell ausgegangen wurde. Die Fokussierung auf einen Hof erwies sich dabei als äußerst gewinnbringend, ermöglichte sie doch den Blick auf ganz verschiedene Medien, Medienverbünde und Formen von Intermedialität, die die Konstitution, Repräsentation und Wahrnehmung eines Hofes als Fürstenhof entscheidend und gezielt beeinflussten.

Konferenzübersicht:

Begrüßung durch Kathrin Paasch und Klaus Garber

Einführung durch Axel E. Walter

Volker Bauer: „Die Druckmedialisierung von Herrschaftskommunikation zwischen Hofsteuerung und Marktzwängen.“

Martin Mulsow: „Anwesenheitskommunikation unter Gelehrten am Gothaer Hof.“

Johann Anselm Steiger/Franziska May: „Ernst der Fromme und die sog. Kurfürstenbibel (1641): Höfische Repräsentation und Kommunikation des Wortes Gottes.“

Axel E. Walter: „Medien der Herrschaftskonstitution und -repräsentation und ihre Funktionen beim Aufbau des frühneuzeitlichen Fürstenstaates am Beispiel Gotha.“

Jill Bepler: „Im dynastischen Netzwerk: Die Fürstin und ihr Umgang mit dem Buch.“

Stefan Anders: „Selbstrepräsentation und narrative Identität: Zur Auswertung biographischer Daten im personalen Gelegenheitsschrifttum.“

Seraina Plotke: „Text-Bild-Verbindungen im (Gothaer) Gelegenheitsschrifttum.“

Eva Bender: „Die 'wohlverdiente Ehren-Seule' für Herzog Ernst I. von Sachsen-Gotha und Altenburg als Medium der höfischen Kommunikation.“

Marie-Thérèse Mourey: „Der Körper als Medium der höfischen Kommunikation am Beispiel des Hofballets.“

René Sternke: „Semantische Implikationen höfischer Medientransposition. Die Übersetzung des Hohenliedes in das Medium des höfischen Theaters in Daniel Richters ‚Trauer- und Lust-Spiel | Von der Argen Grund-Suppe der Welt’.“

Roswitha Jacobsen: „Das Theater als Medium höfischer Kommunikation.“

Klaus Gerlach: „Theaterzettel als Medium höfischer Kommunikation.“

Abschlussdiskussion


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