Kulturgeschichtetag Innsbruck

Kulturgeschichtetag Innsbruck

Organisatoren
Peter Becker/Andrea Griesebner/Daniel Meßner, Universität Wien; Astrid von Schlachta/Mark Mersiowsky, Universität Innsbruck; Thomas Buchner, Universität Linz; Alexander Geppert, Freie Universität Berlin
Ort
Innsbruck
Land
Austria
Vom - Bis
07.06.2012 - 09.06.2012
Url der Konferenzwebsite
Von
Ana Djordjević, Zentrum für Südosteuropäische Geschichte, Universität Graz; Rita Garstenauer, Institut für Geschichte des ländlichen Raumes, St. Pölten; Claus Oberhauser, Institut für Geschichtswissenschaften und Europäische Ethnologie, Universität Innsbruck

Vom 7. bis 9. Juni 2012 fand in Innsbruck der 3. Kulturgeschichtetag statt. Nicht nur der Veranstaltungsort war neu, die gesamte Veranstaltung hat sich von der großangelegten Konferenz zum konzentrierten und thematisch fokussierten Workshop gewandelt. Ging es 2007 und 2009 darum, die Vielfalt kulturgeschichtlicher Forschung zu demonstrieren, so stand diesmal im Zentrum, wie Kulturgeschichte konkret praktiziert wird – welche Theorieansätze mit welchen Methoden anhand welcher Quellenkorpora umgesetzt werden oder in Zukunft werden sollen.

Im Fokus des ersten Panels stand die Beschäftigung mit Helden und Sündenböcken in politischen Mythen. CLAUS OBERHAUSER (Innsbruck) ging in einem ersten Paper der Frage nach, wie Sündenböcke und Verschwörungsmythen definitorisch zu fassen sind. Seine theoretischen Überlegungen wurden durch ANDREAS OBERHOFERs (Innsbruck) kritische Auseinandersetzungen mit dem Andreas-Hofer-Mythos gut veranschaulicht. Dabei konnte Oberhofer zeigen, wie die Figur Andreas Hofer sich im kollektiven Gedächtnis vom Sündenbock zum „guten Hirten“ veränderte. Die Sektion wurde durch eine angeregte Diskussion über Mythenbildung abgerundet und fand durch einen Kommentar der Philosophin MARIE-LUISA FRICK (Innsbruck) Ausklang.

In der Keynote-Lecture berichtete MARTIN SCHAFFNER (Basel) von der Herausforderung, eine Gebirgslandschaft zum kulturhistorischen Forschungsgegenstand zu machen. Er stellte die Topographie des Schweizer Urserentals eines indigenen Naturforschers, des aus Graubünden stammenden Benediktiners Placidus Spescha, seinen eigenen Untersuchungen derselben Landschaft in einem aktuellen inter- und transdisziplinären Forschungsprojekt gegenüber. Spescha vereinte die Perspektive des Gebirgsbewohners und des Wissenschaftlers, und bezog systematisch Beobachtungen der ansässigen Bewohner/- innen und Nutzer/-innen ein; das Team um Martin Schaffner muss überdies die Perspektiven der unterschiedlichen natur- und kulturwissenschaftlichen Disziplinen auf denselben Gegenstand integrieren. Schaffner plädierte dafür, sich auf die so entstehenden, vielschichtigen und instabile Objekte einzulassen.

Das dritte Panel wurde von den Forscherinnen des Projekts „Visualisierung von Familie, Geschlechterbeziehungen und Körper auf dem Balkan (ca. 1860 bis 1950)“ bestritten. ANA DJORDJEVIĆ (Graz) zeigte die Rolle der Atelierfotografie als Medium der Europäisierung eines sich formierenden Bürgertums in Serbien auf. In Bulgarien war, wie ANELIA KASSABOVA (Graz/Sofia) zeigte, die Fotografie stark in die Stiftung einer slawisch-bulgarischen nationalen Identität eingebunden, einerseits in der ethnographischen Dokumentation auf der Suche nach slawischen Relikten in der Volkskultur, andererseits indem sie Vorlagen für die national motivierte Malerei lieferte. BARBARA DERLER (Graz), die über Bosnien und Herzegowina forscht, kann nicht, wie ihre Projektkolleginnen auf bestehende Archive zurückgreifen, sondern muss ihren Quellenkorpus erst erstellen. Sie präsentierte aus dem bisher erarbeiteten Material eine Gegenüberstellung bürgerlicher Atelierfotografien und für den Verkauf produzierter Erinnerungs-Bildpostkarten, auf denen muslimische Frauen im einen Fall abwesend waren, im anderen Fall als häufiges Sujet von Stadtansichten oder inszenierten Szenen dargestellt wurden.

Ergebnisse eines an der FU Berlin durchgeführten Projekts wurden unter dem Titel „Metropole erfahren. Urbane Praktiken des Vergnügens um 1900” präsentiert. DANIEL MORAT (Berlin) bekräftigte in seiner Einleitung, dass die von Akteuren erfahrene äußere Urbanisierung durch innere Anpassung qua Entstehung einer Vergnügungskultur ästhetisiert wurde. KERSTIN LANGE (Berlin) zeigte in ihrem Beitrag, dass das Tanzvergnügen einen genuinen Bestandteil der Großstadterfahrung darstellt. Als Beispiele fungierten berlinische Schiebetänze und argentinische Tangos. JOHANNA NIEDBALSKI (Berlin) zeigte anhand von urbanen Vergnügungsparks, wie die Erlebnisdimension Tempo verarbeitet und umgesetzt wurde. ANNA LITTMANN (Berlin) betonte in ihrem Referat, dass Opernhäuser und die Oper an sich Ausdruck der Moderne und Urbanisierung waren. Vor allem im Foyer konnten die unterschiedlichsten Großstadtwahrnehmungen ausgetauscht werden bzw. wurden diese sichtbar.

HUBERT STEINKE (Bern) und ELISABETH DIETRICH-DAUM (Innsbruck) stellten im ersten Roundtablegespräch der Tagung Teile eines größeren Projektes (Ärztliche Praxis 17-19. Jahrhundert) vor: Es ging dabei um die Fragen nach Kontinuität, Wandel, Innovation und Statik. Das Berner Projekt beschäftigt sich mit der medikalen Praxis Cäsar Adolf Blöschs (1804-1863), eines Bieler Stadtarztes, der ein mehrbändiges Journal mit Aufzeichnungen über seine Patienten hinterlassen hat. Die Referenten LINA GAFNER (Bern) und PHILIPP KLAAS (Bern) stellten in ihren Beiträgen zwei Teilaspekte der Praxis Blöschs vor, nämlich die Aufzeichnungen als epistemisches Schreiben und den Einfluss des Wetters auf die Behandlung von Patienten. ALOIS UNTERKIRCHER (Innsbruck) und EBERHARD WOLF (Innsbruck) setzten sich in ihren Referaten mit dem Südtiroler Landarzt Franz von Ottenthal (1818-1899) und dessen Aufzeichnungen, hierbei vor allem mit Gemütskrankheiten und dem Innovationspotential des Arztes, auseinander. Der wesentliche Unterschied zwischen den beiden Ärzten war, dass Blösch durch wissenschaftliche und praxeologische Abhandlungen durchaus am medizinischen Diskurs teilnahm, währenddessen Ottenthal verspätet auf neuere Entwicklungen der Medizin reagierte.

Die Veranstalter des zweiten Roundtablegesprächs luden ein, Organisationsgeschichte als Perspektive in die Kulturgeschichte einzubeziehen. MARTIN GIERL (München) plädierte für eine Wissensgeschichte als Organisationsgeschichte des Sozialen und argumentierte die Nützlichkeit dieses Ansatzes anhand dreier disparater Gegenstände: Zucker, Alpwirtschaft und protestantische Heterodoxie. PETER BECKER (Wien) trat dafür ein, in einer neuen Verwaltungsgeschichte, juristische Formalismen hinter sich zu lassen und Verwaltung als organisiertes Tun aufzufassen, das systematisch kulturhistorisch untersucht werden kann. CHRISTOF JEGGLE (Bamberg) trat für eine „Resozialisierung“ der Wirtschaftsgeschichte ein. Die Ökonomie, die mit ihren mathematischen Modellen von empirisch in der Regel nicht haltbaren Prämissen ausgehen muss, sei keine geeignete Dialogpartnerin für eine kulturwissenschaftliche Organisationsgeschichte der Wirtschaft; fruchtbarer sei die Auseinandersetzung mit der Wirtschaftsanthropologie.

Der Forschungsschwerpunkt Kulturwissenschaften an der Johannes-Gutenberg-Universität Mainz, dessen Sprecher JÖRG ROGGE (Mainz) ist, plant die Veröffentlichung eines praxeologischen Handwörterbuchs der historischen Kulturwissenschaften. Das Projekt, das von UTE FRIETSCH (Mainz) geleitet wird, steht kurz vor dem Abschluss. Den Autoren des Handwörterbuchs geht es darum, Praktiken, Räume und Stile der Kulturwissenschaften darzustellen. Der praxeologische Ansatz bringt es mit sich, dass Lemma wie Fußnote, Abstract oder Diskurs in den Vordergrund rücken. CATHLEEN SARTI (Mainz) stellte im Gespräch die Praxis des wissenschaftlichen Bloggens vor und betonte die Möglichkeiten der internationalen Vernetzung und Problemlösung via Internet. Es folgte ANDREAS HÜTIGs (Mainz) Lemma Transdisziplinarität, das als Beispiel für einen Stil präsentiert wurde. Den Abschluss bildeten ULRICH BREUER und MATTHIAS EMRICH (Mainz), die den Raum Seminar aus verschiedenen Perspektiven beleuchteten.

Panel fünf zum Thema „ Liebe geschrieben - Thematische und methodische Annäherungen an Paarkorrespondenzen des 19. und 20. Jahrhunderts“ stieß auf großes Interesse und war von einer lebendigen Diskussion geprägt. Die Referentinnen widmeten sich der Analyse von Beziehungen sowie der Rolle und dem Wandel von Liebes- und Ehekonzepten und Imaginationen von Körper und Sexualität im Medium Brief. Die untersuchte Datenbasis, wesentliche Fragestellungen und Ziele des Projekts wurden von BARBARA ASEN (Salzburg) vorgestellt. INES REBHAN-GLÜCK (Wien) diskutierte Körper/Körperlichkeit und Emotionen in sogenannten „Brautbriefen“ zwischen 1840 und 1890, während BRIGITTE SEMANEK (Wien) in einem Längsschnitt das Entstehen einer Sprache der Sexualität beleuchtete. CHRISTINA LUTTER (Wien) strich zusammenfassend die Potentiale und die Bedeutung dieses Projekts hervor.

STEFAN ZAHLMANN (Wien) moderierte und kommentierte das Panel „Kino und Geschichte. Erinnerungen in Film und als Film”. ELISSA MAILÄNDER KOSLOV (Essen/Paris) analysierte den äußerst erfolgreichen nationalsozialistischen Film “Die große Liebe” (1941/42) in Hinsicht auf Männer- und Frauenbilder, Kriegsmobilisierung sowie inszenierte Gefühlswelten. Durch diesen und andere Filme wurden Frauen wie Männer auf die Auswirkungen des Kriegs vorbereitet. EVA BINDER (Innsbruck) referierte daraufhin über den zeitgenössischen russischen Historienfilm „Admiral”, dessen Protagonist der berühmte „weiße” Admiral Aleksandr Kolčak ist. Durch den Film sollte eine neue russische Identität aufgebaut werden, wobei von großem Interesse ist, dass der historische Kolčak rückwirkend zum Helden stilisiert wurde. IRINA GRADINARI (Trier) zeigte anhand der Filme „Die Mörder sind unter uns“ (D 1946) und „Der Fall Berlins“ (UDSSR 1949) wie therapierende Narrative in Hinsicht auf Kriegstraumata nach 1945 in Filmen dargestellt und filmisch inszeniert wurden.

Das Panel „Sozialer Raum und Bedeutung von Gemeinschaft“ wurde von CHRISTINA LUTTER (Wien) mit einer Diskussion der Begriffe Gruppe und Gemeinschaft als Leitkonzepte der folgenden Beiträge eröffnet. EVA CESCUTTI (Bozen) las den Briefwechsel zwischen Abelard und Heloise als Gründungslegende des Klosters Paraklet, die als Ergänzung der benediktinischen Regel unter Berufung sowohl auf Kirchenväter als auch heidnische Philosophen begründet wurde. STEFANIE KOLLMANN (Berlin/Wien) diskutierte die Rolle von Emotionen in Gruppen- und Gemeinschaftszuschreibungen in den -„Dialogus Miraculorum“ des Cesarius von Heisterbach. MARIA MAIR (Wien) analysierte eine Episode aus dem Fürstenbuch Jans des Enikels, in der eine Allianz der Wiener Bürger mit dem Herzog gegen den Adel erzählt wird: Das historische Ereignis aus der Herrschaftszeit der Babenberger sollte die Bürgerschaft als Gruppe gegenüber dem neuen habsburgischen Herzog aufzeigen.

MARK MERSIOWSKY (Innsbruck), WOLFGANG GASSER (Wien), BARBARA STAUDINGER (Wien) und BIRGIT JOHLER (Wien) diskutierten im Roundtablegespräch „Vom Sammeln und Verwahren der Dinge“ Zuschreibungen und Transformationsprozesse von Dingen im Ausstellungs- und Erinnerungskontext. Mit Fokus auf jüdischer Kultur thematisierten sie die Bedeutung und Macht der „kleinen Dinge“ für die individuelle und kollektive Erinnerung und stützten sich dabei auf konkrete Beispiele aus ihrer Ausstellungspraxis und der Arbeit im Entschädigungsfonds. Gängige Ausstellungskonzepte und Sammlungs- bzw. Nichtsammlungspraktiken wurden hinterfragt, wobei ihnen neuere Ansätze entgegengestellt wurden, die sich von Objekten ab- und zu darüber und darin liegenden Texten und Kontexten hinwenden.

Panel acht setzte sich mit der Deutungshoheit über den richtigen Umgang mit der Landwirtschaft auseinander. PETER MOSER (Bern) und JURI AUDERSET (Fribourg/Bern) diskutierten, wie seit Mitte des 19. Jahrhunderts landwirtschaftliche Produktionsprozesse unter dem Paradigma der thermo-industriellen Revolution in einem laufenden Aushandlungsprozess zwischen Feld und Labor neu bestimmt wurden. VERENA LEHMBROCK (Jena) zeichnete die Kontroversen um die legitime Quelle landwirtschaftlicher Expertise im Diskurs der Ökonomischen Aufklärung im 18. Jahrhundert nach, einem Diskurs, in dem Pfarrer, Gelehrte, Verwalter und Bauern um öffentlichen Expertenstatus konkurrierten. Exemplarisch zeigte Lehmbrock, wie eine aus der akademischen Literatur gespeiste ökonomische Theorie gegenüber der auf systematischer Erfahrung basierenden Experimentalökonomie legitimiert wurde. BEAT BÄCHI (Bern) präsentierte am Beispiel der Rinderzucht, wie standardisierende Verfahren wie Hormonbehandlung oder künstliche Besamung die Rinder einmal als technisch kontrollierbare Organismen, dann wieder als psychologische Subjekte deuteten.

Panel neun, das von KARIN GOTTSCHALK (Frankfurt am Main) geleitet wurde, stellte sich die Frage, wie sich die politische Verwaltungspraxis in Zeiten von Umbrüchen (18./19.Jahrhundert) gestaltete. MICHAELA HOHKAMP (Berlin/Hannover) ging in diesem Zusammenhang auf die vorderösterreichische Obervogtei Triberg ein und verzeichnete hierbei an der Wende vom 18. zum 19. Jahrhundert eine lokale Kontinuität der Verwaltungseliten.

ELLINOR FORSTER (Innsbruck) beleuchtete die Wahrnehmungen des Umbruchs von Beamten in Salzburg und Tirol. Die Historikerin plädierte dafür, Handlungsspielräume von Personen in den Fokus neuer Verwaltungsgeschichte zu rücken. MARGARETH LANZINGER (Hannover) zeigte anhand von Akteuren der Verwaltung im illyrischen Tirol und Salzburg, wie durch die soziale Praxis der Verwaltung Interaktionsräume entstanden und dass die Kommunikation nicht einfach nur von oben nach unten verlief.

Farming Styles bzw. Landwirtschaftsstile waren der Untersuchungsgegenstand sowie die Heuristik eines von ERNST LANGTHALER (Wien/St.Pölten) geleiteten Forschungsprojekts. Die Projektmitarbeiter/innen RITA GARSTENAUER (Wien/St. Pölten) und ULRICH SCHWARZ (Wien/St. Pölten) referierten im Verbund mit Langthaler über ihre Methoden und Forschungsergebnisse. Im Mittelpunkt der Überlegungen stand der Agrarstrukturwandel in Österreich nach 1945, den das Projekt auf drei Ebenen betrachtete: die Positionen im symbolischen Raum/Agrardiskurse (Zeitschriften), materielle Ressourcen (landwirtschaftliche Betriebskarten), soziale Beziehungen/Akteure (narrative Interviews). Ein wichtiges Ergebnis des Projekts ist, dass sich ein hybrider Agrarstil entwickelt hat, der bewussten und unbewussten Resilienz-Strategien folgt. Die Akteure lassen sich auf der einen Seite als Bauern auf der anderen Seite als Unternehmer beschreiben.

Aufgrund unvorhergesehener Ausfälle setzte sich das letzte Panel „nur“ aus dem Vortrag ANDREA GRIESEBNERs (Wien) und dem Kommentar MARGARETH LANZINGERs (Hannover) zusammen. Dies tat der Gesamtkonzeption aber keinen Abbruch, ganz im Gegenteil ergab sich damit die Gelegenheit in die Tiefe dieses konkreten Forschungsprojekts zu gehen, das Scheidungs- und Ehestreitigkeitsverfahren im deutschsprachigen, katholischen Raum zwischen dem 17. und 19. Jahrhundert untersucht. In ihrem Vortrag über „Sexuality and Emotions in 18th Century ecclesastical court protocolls“ gab Andrea Griesebner Einblicke zu idealtypischen Anforderungen an die Ehe sowie zu Geschlechts- und Machtverhältnissen, die aufgrund der Quellenbasis analysiert werden. Ihre Ausführungen über Bezüge zu Sexualität und Emotionen in Eheprotokollen strichen wiederholt die Relevanz der sprachlichen Ebene hervor.

Der diesjährige Kulturgeschichtetag hatte die Geschichte der „kleinen Dinge“ bzw. „großen Dinge“, die im Kleinen beobachtet werden, zum Fokus. Er zeichnete sich durch einen überwiegend praxeologischen Zugang zu hybriden Themen und komplexen Projekten aus. Die Heterogenität der Themen und Fragestellungen, die von politischen Mythen über Natur- und Kulturräume, Gender- und Emotionsforschung bis hin zur Organisations- und Wissensgeschichte reichte, zeugte von der Dynamik der Kulturgeschichte, die sich immer mehr zu einem pluralistischen Begegnungsraum entwickelt. Mit kritischem Blick auf die Zukunft kulturhistorischer Forschung entfachte sich abschließend eine Debatte darüber, ob die Kulturgeschichte ihr subversives Potential verloren hat und welche Möglichkeiten und Gefahren eine Institutionalisierung mit sich bringt. Damit einhergehend wurde die Frage aufgeworfen, ob eine neue Theoriedebatte notwendig geworden ist und wie mit parallel verlaufenden Theoretisierungsschüben bzw. Enttheoretisierungen umgegangen werden soll.

Konferenzübersicht:

Panel 1: Helden und Sündenböcke in politischen Mythen

Claus Oberhauser: Der Sündenbock. Überlegungen zum Verschwörungsmythos

Andreas Oberhofer: Der Andreas-Hofer-Mythos als Passionsgeschichte
Keynote Lecture

Martin Schaffner: “Beschreibung der Alpen, vorzüglich der höchsten” – Gebirgstopographien und Kulturlandschaften

Panel 3: Visualisierungen von Familie, Geschlecht und Körper

Ana Djordjević: Die „bürgerliche Familie“ in historischen Atelierfotografien im Kontext von Repräsentation, Reproduktion und Rezeption am Beispiel der Belgrader Atelierfotografie um 1900

Anelia Kassabova: Inklusion und Exklusion: Die Fotografien der Fotografendynastie Karastoyanov als Mittel zur Identitätsstiftung im bulgarischen Nationsbildungsprozess (1860–1918)

Barbara Derler: Der fotografische Blick auf Religion, Identität und Gender in Bosnien und der Herzegowina, 1878–1918

Panel 4: Metropole erfahren. Urbane Praktiken des Vergnügens um 1900

Daniel Morat: Theoretische Einführung und Moderation

Kerstin Lange: Berliner Schiebetänze und argentinischer Tango. Tanzvergnügen in der Großstadt

Johanna Niedbalski: Urbane Erlebnisdimensionen im Vergnügungspark

Anna Littmann: Opernhäuser für die Stadt. Berliner Opernbetriebe um 1900

Round Table 1: Kontinuität und Innovation im Alltag: das Beispiel historischer Arztpraxen

Lina Gafner: Epistemisches Schreiben? Kontinuierliches Sammeln von Erfahrung im Praxisjournal Cäsar Adolf Bloeschs (1804-1863)

Philipp Klaas: Blicke zum Himmel – Die medizinischen Wetteraufzeichnungen Cäsar Adolf Bloeschs (1804-1863)

Alois Unterkircher: Kontinuität und Wandel bei der Diagnostik von Gemütskrankheiten in der Praxis Franz von Ottenthals

Eberhard Wolff: Diagnostische und therapeutische Innovation und Kontinuität in der Praxis Franz von Ottenthals

Round Table 2: Organisationsgeschichte als kulturgeschichtliche Perspektive

Martin Gierl / Peter Becker / Christof Jeggle / Thomas Buchner

Round Table 3: Praktiken, Räume, Stil – Ein praxeologisches Handwörterbuch der historischen Kulturwissenschaften

Ulrich Breuer / Matthias Emrich / Ute Frietsch / Andreas Hütig / Jörg Rogge / Cathleen Sarti

Panel 5: Liebe geschrieben. Thematische und methodische Annäherungen an Paarkorrespondenzen des 19. und 20. Jahrhunderts

Barbara Asen: Liebesbriefe im Fokus. Quellenbestand und methodische Überlegungen

Ines Rebhan-Glück: Verkörperte Liebe?

Brigitte Semanek: Sprache der Sexualität

Panel 6: Kino und Geschichte: Erinnerungen in Film und als Film

Elissa Mailänder: „Davon geht die Welt nicht unter“: Der NS- Spielfilm „Die große Liebe“ ( 1941/1942) als Auftakt zum Vernichtungskrieg

Eva Binder: Postsowjetische Geschichtsrevision im digitalen Kino der Attraktionen: Der Historienfilm Admiral von Andrej Kravčuk

Irina Gradinari: Unmittelbarkeit der Geschichte und Erinnerungsdistanz. Etablierung deutscher und sowjetischer Erinnerungsnarrative. Erste Kriegsfilme nach 1945 im Vergleich

Panel 7: Sozialer Raum und Bedeutungen von Gemeinschaft

Christina Lutter: Soziale Gruppen und Gemeinschaft als Praxis

Eva Cescutti: Utopie oder Alltag? Wie man mittels eines Textes eine mittelalterliche Frauengemeinschaft entwirft

Maria Mair: Constructing community – bürgerliche Identifikationsmodelle in Jans des Enikels Fürstenbuch

Stefanie Kollmann: Emotionen und Gemeinschaft in Caesarius von Heisterbachs Dialogus Miraculorum

Round Table 4: Vom Sammeln und Verwahren der Dinge

Barbara Staudinger: Wolfgang Gasser: Birgit Johler: Mark Mersiowsky

Panel 8: Die agrarisch-industrielle Wissensgesellschaft: Akteure, Diskurse und Praktiken

Peter Moser/Juri Auderset: Die agrarisch-industrielle Wissensgesellschaft: Untersuchungsgegenstand, Erkenntnisinteressen, Quellenlage und methodische Überlegungen

Verena Lehmbrock: Eigenlogik und Zirkulation: Wie begründen ökonomische Aufklärer im 18. Jahrhundert ihr Wissen?

Beat Bächi: Ökonomien des Lebenden. Viehzucht in der Schweiz im 19. und 20. Jahrhundert

Panel 9: Diener neuer Herren? – Träger und Interaktionsräume politischer Verwaltungspraxis in Zeiten des Übergangs

Michaela Hohkamp: Schwarzwald oder Toskana? Die Herrschaft Triberg und ihre Obrigkeiten an der Wende vom 18. zum 19. Jahrhundert

Ellinor Forster: Zwischen den Fronten agieren und reagieren: Beamte in neuen Herrschaftskontexten zwischen Regierung und Bevölkerung – Tirol und Salzburg 1803-1814

Margareth Lanzinger: „Mein Herr Subdélégué!“ – Amtsgeschäftigkeit und Interaktionsräume im illyrischen Tirol und Salzburg 1810-1813

Panel 10: Farming Styles: die Kultur der Agrikultur

Ulrich Schwarz: Farming Styles und Agrarmediendiskurs

Ernst Langthaler: Farming Styles und Agrarsysteme

Rita Garstenauer: Farming Styles und Familienbetriebsgeschichten

Panel 11: Emotions and Agency in Medieval and Early Modern Marriage Disputes: Evidence from European and Ottoman society

Andrea Griesebner: Sexuality and Emotions in 18th century ecclesiastical court protocolls


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Land Veranstaltung
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Deutsch
Sprache des Berichts