56. Westfaelischer Archivtag

56. Westfaelischer Archivtag

Organisatoren
Westfälisches Archivamt Münster, Brakel
Ort
Brakel
Land
Deutschland
Vom - Bis
16.03.2004 - 17.03.2004
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Von
Wolfgang Bockhorst, Münster

Zum 56. Westfälischen Archivtag in Brakel konnte Norbert Reimann, der Leiter des Westfälischen Archivamtes Münster, ca. 200 Teilnehmer in der Stadthalle in Brakel begrüßen. Brakel feiert 2004 ein zweifaches Stadtjubiläum, nämlich die erste Erwähnung des Ortes in der Translatio sancti Viti und die erste Erwähnung als Stadt vor 775 Jahren. Reimann erinnerte an den letzten Archivtag in Brakel 1979 und begründete das Thema der Tagung „15 Jahre Archivgesetz Nordrhein-Westfalen – Bilanz und Perspektiven“.

In ihren Grußworten ging Bürgermeister Friedhelm Spieker auf die Archivgeschichte der Stadt und die Verbindung zum Westfälischen Archivamt ein, während Landrat Hubertus Backhaus die kulturelle Bedeutung des Kreises Höxter hervorhob und an den Archivtag 1961 in Höxter erinnerte, der damals mit 60 Besuchern 4 Tage lang währte und als Fortbildungsveranstaltung konzipiert war.
Wilfried Reininghaus stellte in seinem Grußwort kurz das seit dem 1. Januar 2004 existierende Landesarchiv Nordrhein-Westfalen vor, das unter seiner Leitung aus sieben nebengeordneten Abteilungen besteht: zwei zentralen Abteilungen für Personal und Grundsatzfragen, einer technischen Abteilung in Münster-Coerde und den vier Staatsarchiven Düsseldorf, Detmold, Münster und Brühl. Von der neuen Organisation verspricht man sich Synergieeffekte sowie Standardisierungen der archivarischen Tätigkeit.
Freiherr von und zu Brenken verwies auf die Bedeutung der Adelsarchive gerade im Kreis Höxter und im Stadtgebiet von Brakel, wo mit der Hinnenburg, Abbenburg und Rheder drei bedeutende Adelsarchive beheimatet sind.

Den Eröffnungsvortrag hielt Barbara Stambolis (Universität Paderborn) über „Des Krummstabs langer Schatten. Das Hochstift Paderborn als Geschichts- und Gedächtnislandschaft“, in dem sie die regionale und insbesondere die konfessionelle Identität des heute kurz als ‚Hochstift’ bezeichneten Paderborner Landes herausstellte.

Die erste Arbeitssitzung wurde von Norbert Reimann mit einem Rückblick auf die seit 1921 in Preußen und im Reich laufenden Bemühungen um ein Archivgesetz eröffnet, die in Nordrhein-Westfalen (NRW) erst 1989 aufgrund der Entwicklung von Daten- und Personenschutz zum Abschluss kamen.
Janbernd Oebbecke (Universität Münster) sprach zum Thema „Archivbenutzung in verändertem rechtlichen Umfeld“, wobei er u. a. auch auf vermeintliche Widersprüche zwischen dem Archivgesetz und dem Informationsfreiheitsgesetz (IFG) einging und eine erweiterte Zugänglichkeit für archivierte Bestände durch das IFG konstatierte.
Alexander Dix, Landesbeauftragter für den Datenschutz und für das Recht auf Akteneinsicht in Brandenburg, knüpfte hier mit seinem Vortrag „Gleiche Transparenz in Verwaltung und Archiven“ an, indem er die Archivgesetze als frühe Informationszugangsgesetze wertete und die in Brandenburg angewandte Praxis empfahl, dass alle Akten, auf die die Informationsfreiheitsgesetze anwendbar sind, im Archiv öffentlich zugänglich bleiben. Dix forderte ein Bündnis zwischen Archivaren und Informationsbeauftragten, das sich gegen die ‚spurlose Verwaltung’ und für eine durchgängige Dokumentation behördlichen Handelns einsetzen solle.
In der anschließenden Diskussion spielten Fragen nach der Gebührenpflicht für Akteneinsicht, die nicht prohibitiv sein darf, da Akteneinsicht ein Grundrecht darstellt, und nach der Archivwürdigkeit zuvor schon eingesehener Akten, die weiterhin ausschließlich dem Facharchivar zusteht, eine Rolle. Eine Übernahmequote, wie sie das Land einführen will, ist durch das Archivgesetz nicht gedeckt, doch bleibt das Haushaltsrecht zu beachten. Eine Zweckangabe als Voraussetzung für Aktenbenutzung kann nicht erzwungen werden. Eine Harmonisierung der in den einzelnen Ländern geltenden IFG und ihrer individuellen Bestimmungen ist nicht erforderlich, letztlich werden sich die sinnvollsten durchsetzen.
Anschließend berichtete Bürgermeister Manfred Müller aus Lichtenau über „Das Archivgesetz aus der Sicht eines Bürgermeisters einer kleinen Kommune“ und machte deutlich, dass gerade für kleine Kommunen wie Lichtenau - mit 11 000 Einwohnern in 14 Ortsteilen - die Beschäftigung mit der Heimatgeschichte einen hohen Stellenwert habe und der Blick in die Vergangenheit Argumentationshilfen für die Bewältigung aktueller Probleme hervorbringen könne. Aus diesem Grund hat die Stadt eine halbe Stelle eingerichtet, um das Archiv benutzbar zu machen.

Unter dem Leitthema „Archivpraxis unter den Bedingungen der Archivgesetzgebung“ teilte sich das Plenum in vier Arbeitsgruppen auf, die sich mit ‚Verwaltungsinterner Öffentlichkeitsarbeit als archivischem Arbeitsfeld’ (Leitung: Hans-Jürgen Höötmann), ‚Kooperation mit Schulen’ (Leitung: Dr. Susanne Freund und Dieter Klose)‚ Stadtmarketing und Archive’ (Leitung: Michael Gosmann) und ‚Sammlungstätigkeit von Archiven’ (Leitung: Dr. Gunnar Teske) beschäftigten. In den 25-50 Personen starken Gruppen wurde lebhaft diskutiert, so dass der erstmalige Versuch, in kleineren Gruppen speziellere Themen zu bearbeiten, als erfolgreich angesehen werden kann.

Auf Einladung der Sparkasse fand am Abend ein Empfang mit Abendessen in der Stadthalle statt, der von Bürgermeister Spieker und dem Vorstandsvorsitzenden der Sparkasse Gramatke eröffnet und durch ein musikalisches Rahmenprogramm ergänzt wurde.

Die zweite Arbeitssitzung am 17. März, die sich mit „e-Government und Archive“ beschäftigte, wurde von Mechthild Black-Veldtrup (Landesarchiv NRW, Staatsarchiv Münster) geleitet, die in ihrer Einleitung auf die Notwendigkeit hinwies, schon bei der Planung von e-Government die archivischen Belange, insbesondere das Bewertungsproblem, angemessen und zukunftssicher zu berücksichtigen.
Lutz Gollan (Städte- und Gemeindebund NRW) stellte das „Gemeinschaftsprojekt e-Government NRW – Effizienz durch Kooperation“ vor, bei dem 12 Kommunen, davon acht aus Westfalen (Bergkamen, Coesfeld, Gütersloh, Herten, Lippstadt, Olsberg, Paderborn und Rietberg), beteiligt waren. Mit Unterstützung von Microsoft Deutschland wurden in acht Teilprojekten Informationssysteme entwickelt, die der Bürger im Internet nutzen kann. Einzelne Kommunen verwenden bereits die Ergebnisse, bei deren Erarbeitung die Archive freilich nicht beteiligt waren.
Andreas Kratz von der Firma DISOS GmbH berichtete über „e-business in der Wirtschaft am Beispiel von Kreditakten“. DISOS, eine IBM-Tochter, verwahrt und verwaltet für die Deutsche Bank Kreditakten in papierener und elektronischer Form und stellt auch die Benutzung für die Zeit der gesetzlichen Aufbewahrungsfrist bis zu 30 Jahren sicher. Was nach Ablauf der Aufbewahrungsfristen passieren wird, ist vorerst ungeklärt.
Gudrun Klee-Kruse, die für den Landschaftsverband Westfalen-Lippe (LWL) das Projekt „Die digitale Signatur“ durchgeführt hat, erläuterte Wesen und Sinn dieser Verschlüsselung und Beglaubigung von e-mails. Je nach Sicherheitsstufe gibt es vier verschiedene Signaturen (einfache, fortgeschrittene, qualifizierte und qualifizierte mit Anbieterakkreditierung), die bis zu 30 Jahre aufgehoben werden müssen. Für die Archive bleibt die Frage der Schlüsselverwaltung und der Transformation wichtig, da hier die Lesbarkeit zu übernehmender Daten betroffen ist.
Susanne Harke-Schmidt (Stadtarchiv Kerpen) und Martina Zech (Stadtarchiv Wesseling) berichteten in ihrem Vortrag „Einführung digitaler Archivierungssysteme – Mitwirkung der Archive“ aus ihrem Arbeitskreis im Erftkreis über ihre Erfahrungen bei der Zusammenarbeit mit EDV-Spezialisten und ermunterten die Archivare, sich intensiv im Vorfeld bei der Einführung digitaler Archivierungssysteme einzuschalten und vor allem die dauerhafte Aufbewahrung von Daten zu fordern.
In der anschließenden Diskussion spielte gerade die Frage der dauerhaften Aufbewahrung eine Rolle, die vor der Einführung digitaler Systeme zu lösen ist. Eine elektronische Signatur soll möglichst nur für die Übermittlung genutzt werden.

Nach dem Mittagessen erfolgte ein Rundgang durch die Brakeler Altstadt, dem sich die aktuelle Stunde anschloss, bei der das neue kommunale Finanzmanagement, Notfallmaßnahmen bei Katastrophen, die neuen Zuschussrichtlinien des Westfälischen Archivamtes, Massenentsäuerung von Sammelgut, der Entwurf des Elektronikanpassungsgesetzes angesprochen sowie über ein entfremdetes Kirchenbuch berichtet wurde.
Michael Pavlicic lud abschließend zum 57. Westfälischen Archivtag am 15. und 16. März 2005 nach Bad Lippspringe und damit erneut ins Hochstift ein.

Die Exkursion führte nach Rheder, heute ein Ortsteil von Brakel, wo die von Johann Konrad Schlaun erbaute Kirche und das Schloss unter sachkundiger Führung von Freiherrn von Spiegel besichtigt wurden. Nach einem Blick in die Schlossbrauerei wurde bei strahlendem Sonnenschein im Hof eine kühle Erfrischung gereicht.


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