Ordensgeschichte der Frühen Neuzeit

Ordensgeschichte der Frühen Neuzeit

Organisatoren
Nordrhein-Westfälischer Arbeitskreis „Frühe Neuzeit“; Fachstelle für Franziskanische Forschung
Ort
Bonn
Land
Deutschland
Vom - Bis
29.10.2011 -
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Von
Yvonne Bergerfurth,Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn

Unter der Themensetzung „Ordensgeschichte der Frühen Neuzeit“ veranstaltete das Doktorandennetzwerk Nordrhein-Westfälischer Arbeitskreis „Frühe Neuzeit“ mit der Fachstelle für Franziskanische Forschung in Münster einen eintätigen Workshop, der im Gebäude der Abteilung für Rheinische Landesgeschichte der Universität Bonn stattfand. Die Veranstaltung hatte zum Ziel, eine Standortbestimmung der Ordensgeschichte mit dem Schwerpunkt auf Nordrhein-Westfalen vorzunehmen und Impulse der aktuellen Ordensforschung zu diskutieren.

Der Workshop gliederte sich in zwei Sektionen mit drei Vorträgen am Morgen und zwei Vorträgen am Nachmittag. Zwischen den Vorträgen bestand ausreichend Gelegenheit zur Diskussion, die von den Teilnehmern rege genutzt wurde. Eine Abschlussdiskussion rundete den Workshop ab.

Zunächst begrüßten die Veranstalter Jochen Hermel und Yvonne Bergerfurth vom Nordrhein-Westfälischen Arbeitskreis „Frühe Neuzeit“ und Bernd Schmies von der Fachstelle für Franziskanische Forschung in Münster die Teilnehmer.

JOCHEN HERMEL (Bonn) führte in die Thematik ein und betonte das Potenzial ordensgeschichtlicher Aspekte bei der Erforschung der Frühen Neuzeit. Anhand von neuen Erkenntnissen, die aus dem Projekt „Nordrheinisches Klosterbuch“ gewonnen wurden, stellte er den Nutzen dar, den die frühneuzeitliche Forschung bei Beachtung der gesellschaftlichen Relevanz der Orden haben kann. Gerade das Rheinland sei als Ordenslandschaft bisher nicht im ausreichendem Maße wahrgenommen und mit modernen Fragestellungen verknüpft worden.

Im zweiten Vortrag stellte WOLFGANG SCHAFFER (Pulheim) „Die Überlieferung zur Geschichte der Orden in der Frühen Neuzeit in den Archiven des Rheinlandes“ vor. Er beschrieb die Archivsituation als durchaus günstig für interdisziplinäre und überregionale Forschungsvorhaben. Zwar seien die Quellen der Orden in wenigen Fällen nur an einem Ort zentral aufgearbeitet und einsehbar, doch biete die zunehmende digitale Vernetzung hier Abhilfe. Für die Erforschung vieler gesellschaftlicher Prozesse und Phänomene würden die Orden mit ihrer starken Involvierung in den Alltag der Menschen – etwa bei der Bildung – eine nicht zu unterschätzende Erkenntnismöglichkeit bieten. Das Rheinland mit seiner hohen Dichte an Ordensniederlassungen biete hier Chancen für flächendeckende Betrachtungen.

Der Vortrag von YVONNE BERGERFURTH (Bonn) ging unter dem Titel „Sozialdisziplinierung in der Bürgersodalität der Kölner Jesuiten?“ der Frage nach, ob die Kölner Jesuiten disziplinarischen Einfluss auf ihre Marianischen Sodalitäten ausübten und wie sich ein solcher Einfluss in den Quellen festmachen lässt. Eine Untersuchung der Regelverletzungen durch Mitglieder der Kölner Bürgersodalität wirft die Frage auf, wie und in welchem Maße Sozialdisziplinierung durch die Bruderschaften erfolgte. Die religiösen und sozialen Anforderungen an die Mitglieder gerieten immer wieder in Konflikt mit sozialen Praktiken des Alltagslebens. Es zeigt sich, dass Sanktionierungen durch die Bruderschaftsleitung und nicht durch die Jesuiten erfolgten. Die Sanktionierungen stellten mit unterschiedlichem Erfolg Disziplinierung her und öffentlichkeitswirksame Maßnahmen, die dem gesellschaftlichen Ruf des Deliquenten schaden konnten, waren deutlich wirksamer als etwa Geldstrafen.

Am Nachmittag untersuchte HILLARD VON THIESSEN (Köln) in seinem Vortrag „Die Macht der Schwachen. Zur Wirkung des Armutsideals der Kapuziner in der Frühen Neuzeit“. Von Thiessen stellte die Kapuziner in ihrer Rolle als „Agenten der Konfessionalisierung“ vor, in der ihr asketisches Leben nicht nur die Vermittlung des Transzendentalen erreichen, sondern besonders den Katholizismus stärken sollte. In der Bevölkerung wurden die Armut, Demut und Weltabgewandtheit der Kapuziner als vertrauenserweckend wahrgenommen, man sprach ihnen hohe Sakralität zu. Entsprechend wurden ihnen von Bevölkerung und Obrigkeit Aufgaben gesellschaftlicher Art zugewiesen, wie Armen- und Krankenpflege, die entsprechend finanziell unterstützt wurden. Als „Macht der Schwachen“ beschrieb von Thiessen die Wirkung der Kapuziner, die außerhalb der Gesellschaft standen, aber gleichzeitig in ihr lebten und für sie arbeiteten. Durch diese Glaubhaftigkeit genossen sie ein hohes Sozialprestige, das positiv die Hinwendung der Bevölkerung zum Katholizismus tridentinischer Prägung beeinflussen konnte.

Im letzten Vortrag des Workshops stellte P. MARCEL ALBERT (Benediktinerabtei Gerleve) das Forschungsprojekt „Atlas zur Kirche in Geschichte und Gegenwart – Nordrhein-Westfalen“ vor. Das Projekt, das von P. Erwin Gatz initiiert und bis zu seinem Tod im Mai 2011 betreut wurde, verfolgt das Ziel, aus einer Zusammenschau kirchengeschichtlicher Forschung und geografischer Kartierung strukturelle und flächendeckende Erkenntnisse zu generieren. P. Marcel skizzierte die dem Projekt zugrunde gelegten Prämissen und die Hindernisse, die es im Verlauf des Projekts zu überwinden galt. Am Schluss präsentierte er einige Karten. Der Atlas soll im Schnell-und-Steiner-Verlag im Verlauf des Jahres 2012 erscheinen.

Die Tagung bot einen Einblick in die vielen und sehr unterschiedlich gelagerten Forschungsvorhaben zur Ordensgeschichte der Frühen Neuzeit. Die Diskussionen gaben den Eindruck, dass man für die Zukunft eine erhöhte Vernetzung und regelmäßigen Austausch begrüßen würde. Dazu bot der Workshop „Ordensgeschichte der Frühen Neuzeit“ am 29.10.2011 in Bonn einen ersten, und von den meisten Teilnehmern als fruchtbar empfundenen Ansatz.

Konferenzübersicht:

Jochen Hermel (Bonn): Begrüßung und Einführung

Wolfgang Schaffer (Pulheim): Die Überlieferung zur Geschichte der Orden in der Frühen Neuzeit in den Archiven des Rheinlandes

Yvonne Bergerfurth (Bonn): Sozialdisziplinierung in der Bürgersodalität der Kölner Jesuiten?

Hillard von Thiessen (Köln): Die Macht der Schwachen. Zur Wirkung des Armutsideals der Kapuziner in der Frühen Neuzeit

Pater Marcel Albert (Benediktinerabtei Gerleve): Projektvorstellung: Atlas zur Kirche in Geschichte und Gegenwart – Nordrhein-Westfalen


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