Friedrich der Große und die Dynastie der Hohenzollern

Friedrich der Große und die Dynastie der Hohenzollern

Organisatoren
Stiftung Preußische Schlösser und Gärten Berlin-Brandenburg (SPSG)
Ort
Potsdam
Land
Deutschland
Vom - Bis
30.09.2011 - 01.10.2011
Url der Konferenzwebsite
Von
Ullrich Sachse, Stiftung Preußische Schlösser und Gärten Berlin-Brandenburg (SPSG)

„Friedrich der Große und die Dynastie der Hohenzollern“, unter diesem Titel veranstaltete die Stiftung Preußische Schlösser und Gärten Berlin-Brandenburg die fünfte internationale Konferenz ihrer etablierten Tagungsreihe „Friedrich300“ im Haus der Brandenburgisch-Preußischen Geschichte in Potsdam. Dabei wurde sie auch in diesem Jahr von ihren bewährten Partnern, der Stiftung Preußische Seehandlung und dem Deutschen Historischen Institut Paris (DHIP), tatkräftig unterstützt. Nach „Friedrich – eine historische Bestandsaufnahme“ im Jahr 2007, „Friedrich und der Hof“ im Jahr 2008, „Friedrich und die historische Größe“ 2009 und „Friedrich der Große: Politik und Kulturtransfer im europäischen Kontext“ 2010 diskutierten ca. 160 Gäste mit den Referenten aus Deutschland, Großbritannien, Frankreich und den USA über die Rolle und Funktion der Dynastie in der Politik Friedrichs des Großen. Fragen nach der Familien- und Hauspolitik Friedrichs, konkret nach der Unterwerfung der Mitglieder der Familie unter die dynastische Raison des Hauses Hohenzollern, oder den dynastischen Verflechtungen mit anderen europäischen Herrscherhäusern wurde in den Vorträgen nachgegangen. Friedrich, der auf den ersten Blick so unkonventionell mit traditionellen Legitimationsmustern umging, setzte tatsächlich intensiv den Faktor Dynastie ein, um Preußens Position in Europa zu stärken. In diesem Umfeld waren die Mitglieder seines Hauses von zentraler Bedeutung.

Der wichtigsten dynastischen Aufgabe, einen Thronfolger zu zeugen, hatte sich Friedrich verweigert. Diese Verantwortung habe er kurzer Hand seinen Brüdern und vor allem dem Thronfolger Friedrich Wilhelm (II.) übertragen. In seinem einführenden Vortrag skizzierte JÜRGEN LUH (Potsdam) die Rolle Friedrichs als Dynast. Während der preußische König einerseits Eheschließungen als konventionelles Mittel dynastischer Politik nutzte, habe er die Thronfolger andererseits öffentlich gedemütigt und damit auch die Dynastie beschädigt. Dies mache deutlich, dass Friedrich letztlich die eigene Person über den dynastischen Gedanken stellte.

Ausgehend von Überlegungen zur Dynastie als historiographisches Konzept erörterte ANDREAS PEČAR (Halle/Saale) die dynastische Politik der Hohenzollern. Dynastien fasste Pečar als soziale Konstruktionen auf, die keine eigenen Ziele verfolgten, sondern deren einzelne Mitglieder als Akteure im Namen der Dynastie agierten, aber nach eigenen Intentionen. Dies zeige sich auch am Handeln der Vertreter des Hauses Hohenzollern. An der Politik des „Großen“ Kurfürsten wurde beispielhaft verdeutlicht, wie dieser die Interessen der Familie über die Idee eines Gesamtstaates stellte.

Dass der Konflikt zwischen Friedrich Wilhelm I. und Friedrich II. vorrangig ein politischer Konflikt war, zeigte BENJAMIN MARSCHKE (Humboldt State, USA). Spannungen zwischen Herrscher und Thronfolger seien klassische Konflikte, die auch im Hause Hohenzollern immer wieder vorkamen. Als Kronprinz habe Friedrich Wilhelm I. gegen den Vater und König am Hof opponiert; jetzt sah er seine Macht durch Friedrich bedroht. Nach der Krise im Jahre 1730 sei Friedrich durch seine „Versetzung“ auch räumlich aus den politisch-diplomatischen Kreisen am Hof gedrängt und so die Autorität des Königs am Hof gesichert worden. Dadurch habe Friedrich Wilhelm in zahlreichen Streitpunkten mit dem Thronerben einlenken können.

Die Kinderlosigkeit Friedrichs war ein metaphorisches und existenzielles Problem für die Dynastie, und sie schränkte die Möglichkeiten einer dynastischen Vernetzung der als „Newcomer“ betrachteten Hohenzollern in Europa ein, wie THOMAS BISKUP (Hull, UK) ausführte. Ehen mit den großen europäischen Königshäusern lehnte Friedrich für seine Verwandten ab. Er habe sie vorrangig mit Angehörigen der kleineren protestantischen Häuser im Reich verheiratet, um diese enger an Preußen zu binden und eine bessere Kontrolle über die Familienmitglieder ausüben zu können. Neben dieser Reichspolitik mit dynastischen Mitteln habe er zudem seiner Kinderlosigkeit durch die Formel vom „ersten Diener des Staates“ eine „höhere“ Funktion verliehen.

Der Frage nach Friedrichs dynastischer Strategie im Bild ging FRANZISKA WINDT (Potsdam) nach. Von den Dynastien seien die Bildenden Künste zur Darstellung der Leistungen der Familie, ihrer Dignität und Tradition genutzt worden, erörterte Windt. Friedrich II. habe sich nicht in einer Ahnenreihe mit seinen Vorfahren, sondern in der Gemeinschaft mit den Göttern gesehen, wie das Deckengemälde im Marmorsaal des Neuen Palais zeige. Er verzichtete auf die Einrichtung einer Ahnengalerie, habe aber dynastisch die Nähe zu den Oraniern und unter seinen Vorfahren vor allem zum „Großen“ Kurfürsten gesucht.

KAROLINE ZIELOSKO (Krefeld) betonte die konsequente dynastische Politik, die Friedrich als Herr des Hauses betrieb und der sich die Verwandten fügen mussten. Deren Besuche bei Friedrich seien keine Familientreffen, sondern wesentlicher Teil der öffentlichen politischen Repräsentation gewesen. Seine Brüder habe er mit militärischen und diplomatischen, ihre Gemahlinnen mit höfischen Aufgaben betraut. Resultierten aus deren Erfüllung Konkurrenzsituationen mit dem König, so Zielosko, scheute Friedrich keine öffentliche Demütigung und Zurücksetzung seiner Verwandten.

Mit dem Verhältnis Friedrichs zur Nebenlinie Brandenburg-Schwedt, die von Philipp Wilhelm, dem ältesten Sohn des Großen Kurfürsten aus dessen zweiter Ehe mit Dorothea, begründet wurde, beschäftigte sich JOBST GRAF WINTZINGERODE (Hannover). Für diese Nebenlinie seines Hauses habe Friedrich wenig Sympathien gezeigt, wohl auch, weil sich die Prinzen Friedrich Wilhelm und Friedrich Heinrich im Gegensatz zu anderen Verwandten in militärischen Positionen nicht bewährt hätten.

Den Schriftwechsel zwischen Friedrich II. und der jüngeren Schwester seiner Gemahlin, Juliane Marie, Königin von Dänemark, analysierte FRANK ALTHOFF (Berlin). Mit dem Machtzuwachs der Königin seit 1772 habe sich auch Friedrichs Interesse an der Korrespondenz gesteigert, in der sie sich nicht nur über persönliche Dinge ausgetauscht hätten, sondern vor allem auch über außenpolitische Fragen vor dem Hintergrund der preußisch-dänischen Interessenidentität bezüglich des Verbündeten Russland. So sei Juliane Marie zu einer wichtigen Vertrauensperson für Friedrich geworden.

Friedrich präsentierte sich auch in seiner Korrespondenz als Herr des Hauses, wie KATRIN KOHL (Oxford, UK) am Beispiel des Briefwechsels mit seiner Schwester Wilhelmine von Bayreuth zeigte. Dass Friedrich diese Rolle bei ihr bereits 1734 als Kronprinz erprobt hatte, habe Wilhelmine als ersten Bruch im Verhältnis zum Bruder wahrgenommen. Das dynastische Kalkül Friedrichs sei gerade auch in der Korrespondenz nach 1740 stets präsent. Über den Briefwechsel habe Friedrich versucht, Einfluss auf die Schwester und die Politik des Markgrafen zu nehmen, während er umgekehrt eine Einmischung der Bayreuther strikt ablehnte.

Die dynastische Politik der preußischen Prinzessin Ulrike Luise, die Friedrich 1744 mit dem schwedischen Thronfolger verheiratet hatte, war Thema des Vortrages von JEAN-FRANÇOIS BERDAH (Toulouse, Frankreich). Die politischen Ziele Ulrikes, eine Westorientierung Schwedens und die Stärkung der Königsmacht, seien ganz im Sinne Friedrichs gewesen. Ulrike sei jedoch mit ihren Versuchen einer Restaurierung der monarchischen Macht gescheitert und habe ihre Ambitionen fortan auf die Förderung der Künste und Wissenschaften fokussiert.

Die Rolle, die Friedrich und die Hohenzollern-Dynastie in der DDR-Presse spielten, untersuchte FRANK KALLENSEE (Potsdam) am Beispiel der Märkischen Allgemeinen Zeitung. Erst ab 1979, dem Erscheinungsjahr der Friedrich-Biographie von Ingrid Mittenzwei, hätten Friedrich und die Dynastie auch eine Rolle in der DDR-Presse gespielt. Das Epitheton „der Große“ aber sei von Mittenzwei ebenso wie von der Presse vermieden worden. Trotz der „Entdeckung“ Preußens als Bestandteil des Erbes der DDR sei das Sprachrepertoire der Printmedien in den Urteilen über Friedrich und Preußen tendenziell negativ und stark limitiert geblieben.

Friedrich II. war – wie die Vorträge zeigten – mehr im dynastischen Denken gefangen, als er und die nachfolgenden Generationen zugeben wollten. Selbst kinderlos, nahm er seine Verwandten in die Pflicht, wenn es um die Zeugung von Thronerben ging – der zentralen Frage für den Fortbestand der Dynastie. Auch Friedrich wusste, dass von einem legitimen Thronerben wesentlich des Wohl des Hauses und des Staates abhing, war er es doch gewesen, der nach dem Aussterben der Habsburger im Mannesstamme 1740 den Ersten Schlesischen Krieg begonnen und Schlesien erobert hatte. Nicht minder wichtig waren zahlreiche Kinder, um die Hohenzollern durch eine geschickte Heiratspolitik mit den angesehenen Häusern des Reiches und Europas dynastisch zu vernetzen. Wo Friedrich dies gelungen war, dienten sie ihm als Informanten, und er versuchte, mit ihrer Hilfe Einfluss auf die Politik der Staaten im Sinne Preußens zu nehmen. Vor allem die Prinzen von Geblüt wurden mit politischen und insbesondere militärischen Aufgaben betraut. Doch auch ihr Erfolg war kein Garant für Lob seitens des Königs. Erschienen sie Friedrich als Konkurrenten um seine uneingeschränkte Autorität am Hof, so wurden sie öffentlich gedemütigt. Erwiesen sie sich als ungeeignet, so drohte ihnen ebenfalls die öffentliche Maßregelung. Dieses Schicksal hatte Friedrich als Kronprinz selbst erlitten, und dieses Schicksal erlitten auch seine Thronfolger, die er wiederholt in der Öffentlichkeit desavouierte. Damit stellte Friedrich auch im Umgang mit den Verwandten seinen persönlichen Ruhm über das Wohl der Dynastie. Er tat dies mit den lebenden Familienmitgliedern und hatte dies längst in seinen negativen Urteilen über die verstorbenen Hohenzollern getan. So lehnte Friedrich es zeitlebens ab, sich mit seinen Vorfahren in einer Ahnenreihe darstellen zu lassen. Seinen Platz sah er vielmehr im Kreise der olympischen Götter.

Konferenzübersicht:

Jürgen Luh (SPSG, Potsdam): Einführung in das Thema

Andreas Pečar (Universität Halle/Saale): Dynastie. Norm und Wirklichkeit im Hochadel des Alten Reichs

Benjamin Marschke (Humboldt State University, USA): Vater und Sohn

Thomas Biskup (Universität Hull, Großbritannien): Friedrich als Dynast

Franziska Windt (SPSG, Potsdam): Friedrichs dynastische Strategie im Bild

Karoline Zielosko (Krefeld): Verwandtenbesuch. Der König und die Familie im Neuen Palais

Jobst Graf Wintzingerode (Hannover): Die Nebenlinie Brandenburg-Schwedt

Frank Althoff (GStA PK, Berlin): Friedrich und Juliane Marie von Dänemark

Katrin Kohl (Universität Oxford): Die Rolle Wilhelmines von Bayreuth in Friedrichs Dynastiepolitik

Jean-François Berdah (Universität Toulouse): Königliche Staatsräson und familiäre Bande. Zum dynastischen Bewusstsein der preußischen Prinzessin Luise Ulrike als Königin von Schweden

Frank Kallensee (MAZ, Potsdam): Friedrich und die Dynastie in der DDR-Presse am Beispiel der Märkischen Allgemeinen Zeitung


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