Networking across the Channel. England und der Hallische Pietismus im 17. und 18. Jahrhundert

Networking across the Channel. England und der Hallische Pietismus im 17. und 18. Jahrhundert

Organisatoren
Franckesche Stiftungen zu Halle; Deutsches Historisches Institut, London
Ort
Halle an der Saale
Land
Deutschland
Vom - Bis
10.03.2011 - 11.03.2011
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Von
Erik Nagel, Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg

In Zeiten der Kultur- und Transfergeschichten stellen die Austauschprozesse des Pietismus mit korrespondierenden Räumen einen häufig untersuchten Gegenstand dar. Die Bedeutung der Beziehungen zwischen England und dem Hallischen Pietismus gilt als ein fester, unstrittiger Wissensbestand. Jedoch ist über die konkrete Ausgestaltung dieser Beziehungen in situativen, kommunikativen Akten, deren Erfolg und zeitgenössische Wahrnehmung wenig bekannt. Dieses Problem griff die Tagung „Networking across the Channel. England und der Hallische Pietismus im 17. und 18. Jahrhundert“ auf, indem mit der Achse London-Halle einer der bedeutendsten Kommunikationswege pietistischer Welteinwirkung in den Blick genommen wurde. Der Aufgabe stellten sich als Veranstalter das Deutsche Historische Institut London und die Franckeschen Stiftungen zu Halle, in deren originären Kompetenzbereich die umrissene Fragestellung fällt.

Als Analyse- und Interpretationsmodell umklammerte ein kommunikationsgeschichtlicher Ansatz die einzelnen Beiträge. Der Organisator der Tagung, HOLGER ZAUNSTÖCK (Halle), stellte vor diesem Hintergrund einleitend sein theoretisches Deutungsangebot eines Kommunikationsraumes vor. Demnach interagierten die pietistischen Protagonisten und ihre Gegenspieler in diversen mentalen und physischen Räumen. Der Prozess der Raumergreifung durch eine „Kommunikation unter Abwesenden“ diente aus hallischer Sicht der Gestaltung einer „pietistischen Öffentlichkeit“, deren steingewordenen und sinnbildlichen Bezugspunkt stets die Franckesche Schulstadt in Halle bildete. Ein wesentliches Element dieses teils bewussten teils nichtintentionalen Vorgehens stellte die Etablierung fragiler und stabiler Netzwerke dar. Diese kommunikationsgeschichtliche Herangehensweise betont stark die Prozesshaftigkeit der Handlungen.

Mit Beispielen aus der hallischen Perspektive umriss Zaunstöck, wie sich der theoretische Anspruch in empirischer Praxis umsetzen lies. Elemente der Raumrekonstruktion könnten demnach das Armenschulwesen, der historische Gebäudebestand, die pietistischen Briefwechsel, die „Hallische Correspondentz“ oder die reichhaltigen Buchbestände der historischen Kulissenbibliothek mit Englandbezug sein. Diese Projekte dienten sowohl dem wirtschaftlichen Erfolg als auch der Positionierung des Hallischen Pietismus in translokalen Diskursräumen und der Bindung von pietistisch geprägten Netzwerkakteuren oder weitgespannteren Adressatenkreisen an die Franckeschen Stiftungen. Außerdem lässt sich anhand der konkreten englischen Bezüge und Projekte das Netzwerk des Hallischen Pietismus auf unterschiedlichen Ebenen rekonstruieren. Unter diesem vorgegebenen Blickwinkel blieb es den anschließenden Beiträgen vorbehalten, etablierte Topoi und Metanarrative über den Pietismus des 18. Jahrhundert aufzubrechen und kritisch zu hinterfragen.

An Heinrich Wilhelm Ludolf zeigte ALEXANDER SCHUNKA (Erfurt/ Gotha) wie aus dem eigenständigen, polyglotten Orientalisten in der Retrospektive ein zentraler Agent des Hallischen Pietismus in London und essentieller „Motor für die Ausbreitung Halles in die Welt“ wurde. Bereits vor seinem Kontakt zu August Hermann Francke wirkte er als rastlos Reisender Sprachforscher im Dienste einer christlichen Universalkirche. Als bis heute wirksames Ergebnis legt sein sprachwissenschaftliches Werk ein beredtes Zeugnis für Ludolfs Interesse an der äthiopischen, orthodoxen, griechischen und armenischen Kirche ab. Als Sekretär des Prinzen Georg, Gemahl der späteren Königin Anna, sicherte er den hallischen Bemühungen in London verlässlich Einfluss, Spenden und personelle Unterstützung. Seine konfessionelle Indifferenz, interkulturelle Kompetenz und das Selbstverständnis als Werkzeug Gottes ließ Ludolf im diffusen Feld zwischen anglikanischer Kirche, irenischer Bewegung und innerprotestantischen Reformbemühungen erfolgreich interagieren. Er war in kein Kommunikationssystem vollständig eingebunden und lehnte institutionelle Verdichtung ab. Daher konnte er auf der einen Seite unterschiedliche Netzwerke nutzen und für seine spezifischen Interessenlagen instrumentalisieren. Auf der anderen Seite garantierte er durch seine vielfältigen Kontakte für die diversen Partner hohe Nutzwerte. Schunka zeichnete überzeugend nach, wie Ludolf ein effektives Verbindungsglied zwischen existierenden Netzwerken wurde.

Der kommunikative Sonderfall Halle-London stand in einem breiteren historischen und geographischen Kontext wechselseitiger Wahrnehmung. Dessen zentrale Faktoren bildeten für JAN VAN DE KAMP (Amsterdam) die europaweite peregrinatio academiae, die weitverzweigten Wanderungsbewegungen intellektueller und religiöser Flüchtlinge, die sich intensivierenden, ökonomischen Austauschprozesse und vor allem die wechselseitige literarische Rezeption. Die Nachfrage nach englischsprachiger und übersetzter Erbauungsliteratur britischer Provenienz offenbarte inhaltliche Gemeinsamkeiten. Die ständige Thematisierung sozialer Konflikte, intensive Katechese, Selbstbeobachtung, Sonntagsheiligung usw. zeigten die großen Schnittmengen zwischen Anglikanismus, Pietismus und Reformiertentum trotz strenger Beobachtung der konfessionellen Grenzen. Die Zielsetzungen der unterschiedlichen politischen und kirchlichen Akteure verhinderten jedoch sowohl eine kirchliche Union unter den Protestanten als auch eine wechselseitige Aufnahme heterodoxer Grundsätze. Van de Kamp resümierte, dass die „wechselseitige intellektuelle Anregung und finanzielle Unterstützung“ aufgrund ekklessiologischer Unterschiede nicht in eine institutionelle und damit dauerhafte Form gegossen werden konnte.

In der Zeit sich herausbildender und etablierender naturwissenschaftlichen Standards wickelte die vormoderne Gelehrtenrepublik den Austausch und die Produktion von Erkenntnis vornehmlich über persönliche Beziehungen ab. Daher, so KELLY WITHMER (Sewanee), stellten Vertrauen und Glaubwürdigkeit die zentralen Ressourcen zur Durchsetzung und Verbreitung innovativer Gedanken dar. Am Beispiel der Wissenstransfers zwischen der Royal Society und Halle zeigte Withmer, wie Wissen in beide Richtungen über den Kanal transportiert wurde. In England übte die empirische Schule unter Observanz der Royal Society mit ihren strikten Anforderungen einen enormen Anpassungsdruck auf europäische Gelehrte aus, die in England Erfolg suchten. Einen zentralen Vermittlungsmechanismus zwischen beiden Wissenschaftstraditionen stellte in Deutschland die eklektische Methode mit ihren Adepten Johann Daniel Herrnschmidt und Johann Christoph Sturm dar. Die selektive, situative Auswahl aus dem großen Pool verfügbarer Theorien ermöglichte ihnen neuere, experimentelle Ansätze zu rezipieren. Andererseits ließ sich am Beispiel der Lumineszenzforschung demonstrieren, wie wissenschaftliche Ergebnisse von Kontinentaleuropäern keine Akzeptanz fanden, wenn sie die englischen Standards unterliefen. Den Trend zur Verwissenschaftlichung unterstützten neuere pädagogische Konzepte wie der Realienkundeunterricht in Halle. Die eklektische Methode und neue didaktische Ansätze bildeten so ein Einfallstor des Empirismus und brückenschlagenden Transmissionsriemen zwischen den beiden Wissenschaftskulturen.

Mit einer mikrohistorischen Studie beschrieb JULIANE JACOBI (Potsdam), wie der Versuch scheiterte, einen dauerhaften Austausch von Schülern und Lehrpersonal zwischen den Schulen in Halle und London zu organisieren. Denn den nach London entsandten Präzeptoren fehlte die Sensibilität, Spezifika der englischen Schullandschaft wahrzunehmen und in die eigene Praxis einzubeziehen. Zwar wurde die aus der institutionalisierten Kirche entspringende, englische Armenschulbewegung in Halle über die einschlägigen Publikationen aufmerksam verfolgt. Nachdem die Lateinausbildung nach hallischem Muster auf dem englischen Bildungsmarkt jedoch initiiert war, führte der Zwang zum wirtschaftlich erfolgreichen Schulbetrieb schnell zur Anpassung von Lehrsprachen und -inhalten. Auch das zweite Anliegen, Schüler und Studenten für die Bildungseinrichtungen in Halle zu werben, zeitigte im retrospektiven Resümee enttäuschende Ergebnisse. So lassen sich für den Zeitraum zwischen 1700-1720 nur 13 englische Schüler in den Franckeschen Stiftungen nachweisen. Wahrscheinlich stellte die konfessionelle Problematik das entscheidende Hindernis dar. Außerdem sei, so Jacobi, die englische Tradition nicht zu vernachlässigen, die den Eltern bis ins 20. Jahrhundert eine wesentlich größere Bedeutung bei der Kindererziehung zugestand.

Im Abendvortrag zeigte ANDREAS GESTRICH (London) überblickend, wie sich die pietistische Bewegung in deutsch-britischen Beziehungsgeflechten einpasste. Die „Umbruchs- und Aufbruchszeit“ um 1700 stellte beide Regionen vor vergleichbare Herausforderungen, die mit analogen und adaptierten Strategien bewältigt wurden. Auf zwei zentralen Problemfeldern, religiöse Erneuerung und Lebensreform entwickelten sich bspw. mit der Mission gemeinsame Arbeitsräume und durch die bidirektionale Übersetzungs- und Verlagstätigkeit ein gemeinsamer, intellektueller Wahrnehmungsraum. Während in London gerne auf die Humanressourcen und sprachwissenschaftliche Fähigkeiten aus Mitteldeutschland zurückgegriffen wurde, war der hallische Widerpart auf die englische Infrastruktur angewiesen. Die Adressaten, Zielsetzungen und institutionellen Formen zur Problemlösung konnten sich auf den gemeinsamen Tätigkeitsfeldern durchaus unterscheiden. So zielten die englische Armenschulbewegung und die Society for Promoting Christian Knowledge (SPCK) auf Problem- und Unterschichten. Die Franckeschen Stiftungen hingegen verfolgten einen umfassenderen auf die gesamte Gesellschaft gerichteten Reform- und Bildungsanspruch. Darüber hinaus sind die starke chiliastische Aufladung und Entfaltung verschiedener religiöser Denominationen in der englischen Monarchie wohl nur vor dem Hintergrund der hochgradig politischen Instabilität zu verstehen. Für die pietistische Bewegung bestand hingegen in der lutherischen Orthodoxie die wesentliche Herausforderung, da der Chiliasmus in Deutschland auf den Sektor der Laienfrömmigkeit beschränkt blieb. Insgesamt zeichnete sich ein „unvergleichliches Kommunikationsnetz der Pietisten“ ab, das in den britisch-deutschen Beziehungen lediglich von dem arkanen, unzugänglichen Korrespondenznetz der Diplomaten übertroffen wurde.

MICHAEL SCHAICH (London) zeichnete die Determinanten für eine Entfaltung des Pietismus in London nach und lokalisierte die pietistisch dominierten Knotenpunkte. Die Hauptstadt war gekennzeichnet durch eine einzigartige religiöse Vielfalt. Die Emissäre des Pietismus traten somit in einen „multikonfessionellen religiös fragmentierten Stadtraum“. Die beiden wichtigsten, deutlich pietistisch geprägten Räume bildeten die deutsche, lutherische Hofkapelle und die Marienkirche im Savoy. Für transnationale, pietistische Kommunikationszusammenhänge war die Hofkapelle zwar von herausragender, für höfische und hauptstädtische Kontexte jedoch eher von untergeordneter Bedeutung. Die Marienkirche dagegen befand sich im Liberty of the Savoy in einem einzigartigen religiösen Biotop. Hier standen sich in einem dichten Konkurrenzumfeld fünf Konfessionsgemeinschaften gegenüber Es trafen die Lobbyisten des gesamten protestantischen Spektrums aufeinander, was die Auseinandersetzung belebte und gleichzeitig die Hürden für konfessionelle Grenzüberschreitungen senkte. Nach der „Bestimmung des handlungsbegrenzenden Raumes“ ließe sich als Ergebnis zugespitzt festhalten, dass gerade die vielfältigen Freiheiten und Möglichkeiten der englischen Hauptstadt den Aktionsraum beschränkten, da sie die pietistischen Akteure den Bedingungen der freien Konkurrenz aussetzten.

Friedrich Michael Ziegenhagen (1694-1776) entwickelte seit 1722 die Hofkapelle in London zu einem eigenständigen, pietistischen Zentrum. CHRISTINA JETTER (Tübingen) zeigte, wie er sich im Spannungsverhältnis zwischen Halle und London als strenggläubiger Lutheraner und zölibatärer Diener für das Reich Gottes stilisierte. Die persönliche Profilierung als Pietist erfolgte vor seiner Negativfolie Londons, dem Hort der Freiheit und Sittenverderbnis, des Wohlstandes und Unglaubens. Die Aufnahme Ziegenhagens in die SPCK sichert ihm den Zugang zu Mitgliedern von Parlament und Ostindiengesellschaft. Er verfügte zudem über ein weitgespanntes Kommunikationsnetz in Deutschland, indem Halle nicht den einzigen aber gemessen an Korrespondenzfrequenz und Kapitalakquise sicher wichtigsten Knoten bildete. Ziegenhagen begründete seinen Erfolg als Vermittler, indem er die wechselseitigen Erwartungshaltungen einbezog und Informationen Adressaten orientiert filterte.

Die Korrespondenz und das private Schriftgut Ziegenhagens wurde mit seinem Tod ein umstrittener Besitz, der einerseits Herrschaftswissen mitteilt und andererseits die legitime Nachfolge auswies. Mit archivarischer Sorgfalt verfolgte JÜRGEN GRÖSCHL (Halle) die Überlieferungspfade des Nachlasses von Ziegenhagen. Er beschrieb, wie jüngst ein lang gesuchter Teilnachlass des Londoner Hofpredigers in den Aktenbeständen der Franckeschen Stiftungen entdeckt wurde und stellte den Bestand als eine wichtige Grundlage künftiger Forschung vor. Predigten, Predigtverzeichnisse und -dispositionen (ca. 400 Stücke) bilden den Großteil des Handschriftenfundes. So ist durch die unterschiedlichen, überlieferten Bearbeitungsstufen erstmals die Arbeitsweise des „gerühmten Exegeten“ Ziegenhagen zur Ausarbeitung von Predigten rekonstruierbar. Die gesuchten Briefwechsel dieser Schaltstelle zwischen England, Deutschland, Ost- und Westindien etwa über konkurrierende Religionsgemeinschaften bleiben jedoch weiterhin ein Desiderat.

DANIEL JEYARAJ (Liverpool) stellte erste Beobachtungen zur Rezeption von Christian Friedrich Schwartz (1726 1798) im englischsprachigen Raum vor, der als Gründervater der lutherischen, tamilischen Kirche in Südindien gilt. Die Auswertung der publizistischen, erbaulichen und biographischen Literatur um 1800 ergab, dass die Erinnerung von einem stark idealisierten Bild des Missionars dominiert wurde. Hagiographische Anekdoten und ikonographische Stilisierung verdichteten sich rasch zur stabil erinnerten Legende eines christlichen Missionars. Dabei blieben und bleiben sowohl die durch Kriege, Territorial- oder Religionsgrenzen eingeschränkten Arbeitsmöglichkeiten als auch die Konflikte des Lutheraners Schwartz mit anderen religiösen Gemeinschaften und Missionarsgruppen sowie Verwaltungsbeamten und Herrschaftsträgern im verworrenen, politischen Umfeldes Südindien ausgeblendet.

Der konzeptionell anspruchsvolle Beitrag von ALEXANDER PYRGES (Trier) führte die Teilnehmer zum Abschluss auf theoretisches Terrain, von dessen Höhen ein neuer Blick auf die „Topographie des Sozialen“ geworfen und die „Vernetztheit als Naturzustand des Sozialen“ am empirischen Beispiel konkretisiert wurde. An dem Kolonisationsprojekt für die Salzburger Emigranten in Ebenezer (Georgia) zeigt sich aus einer Außenperspektive wie der etablierte Kommunikationszusammenhang Halle-London nutzbar gemacht wurde. Die Beteiligten griffen u. a. auf die Fähigkeit des hallischen, an prekäre Kommunikationszusammenhänge gewöhnten Waisenhausnetzwerkes zurück, fremde Kommunikationssysteme anzuzapfen. Die polypolaren Transfers und die von latenten zu manifesten verdichteten Interaktionen dienen den Beteiligten der Optionensteigerung durch Grenzüberschreitung und Ressourcenvermehrung. So gelangt Pyrges zu dem Schluss, dass in einem relativ dauerhaften Interaktionskontext wie dem Ebenezerprojekt die Zugehörigkeit zum Netzwerk und die Netzwerkstruktur das Handeln der Akteure vorfestlegte, wenn nicht gar steuerte.

Für die Zusammenschau einer gelungenen Tagung bleibt zu konstatieren, dass die Referenten dank thematischer Fokussierung unter einer enggeführten Fragestellung die frühneuzeitliche Kommunikationssituation zwischen London und Halle dicht beschrieben. Ein Vorzug dieser methodisch lohnenden Herangehensweise zeigte sich in den engen Bezügen der einzelnen Beiträge. Die wechselseitige Verschränkung schlug sich in intensiven Diskussionen nieder, die mit ihren unterschiedlichen Bewertungen und Betrachtungsweisen öfter zu kontroversen, aber anregenden Befunden führten. Ein weiteres Ergebnis ist mit der Gewichtung und Bedeutung der Transfers festzuhalten. Da fast alle vorgestellten Akteure, Transfers und Themen dem Umfeld des Hallischen Pietismus entsprangen, schien Halle in der bilateralen Beziehung der aktivere Part zu zukommen. London stellte für die pietistischen Netzwerker ein Medium im Wortsinne dar. Als ein Transmissionsraum und Durchlauferhitzer verlangte der Stadtraum Konzessionen und stellte Herausforderungen, ließ aber attraktive Mehrwerte schöpfen. Ein letzter Punkt sei zu Gegenstand und Begrifflichkeit der Tagung, dem Hallischen Pietismus, angemerkt. Mit unterschiedlichen Brennweiten nahmen einzelne Beiträge die Reformbewegung in den Blick. Im Detail ließ sich oft nicht trennscharf die Zurechnung einzelner Akteure oder Erscheinungen zum Phänomen Pietismus vornehmen, da im konkreten historischen Beispiel viele Grenzen verschwammen – was im Blick auf die Bestimmung des polymorphen Pietismus-Begriffs allzumal unter dem Epitheton „Hallischer Prägung“ eine wichtige Beobachtung ist.

Konferenzübersicht:

Sektion I
Leitung und Einführung: Holger Zaunstöck (Halle)

Alexander Schunka (Erfurt/Gotha): Heinrich Wilhelm Ludolf als Reisender zwischen den Welten um 1700

Jan van de Kamp (Amsterdam): Theologischer und religiöser Austausch zwischen England und Deutschland im 17. Jahrhundert und der Beginn der England-Halle-Kontakte.

Britta Klosterberg (Halle): Thematische Führung insbesondere in die Kulissenbibliothek der Franckeschen Stiftungen

Sektion II
Leitung: Michael Schaich

Kelly Whitmer (Sewanee: The University of the South): Halle and the British Royal Society at around 1700 – Die Ausdehnung eines experimentellen Netzwerks: Halle und die British Royal Society um 1700

Juliane Jacobi (Potsdam): Halle in England, England in Halle. Bildungstransfers im frühen 18. Jahrhundert.

Abendvortrag Andreas Gestrich (London): Der Pietismus und die deutsch-britischen Beziehungen um 1700

Sektion III
Leitung: Claus Veltmann

Michael Schaich (London): Die sakrale Topografie Londons als Handlungsraum hallischer Pietisten

Christina Jetter (Tübingen): »da sie keinen Scrupel machen, mit uns in guter gemeinschaft zur beforderung des Reiches christi zu leben…«. Der Londoner Hofprediger Friedrich Michael Ziegenhagen (1694-1776) als Mittler zwischen Halle und dem Anglikanismus

Jürgen Gröschl (Halle): »Ach ich küsse seine zitternde Hände im Geist«. Präsentation des wiederentdeckten Teilnachlasses Friedrich Michael Ziegenhagen im Archiv der Franckeschen Stiftungen.

Sektion IV
Leitung: Thomas Müller-Bahlke

Daniel Jeyaraj (Liverpool): Mission und Ökumene aus Indien: Christian Friedrich Schwartz (1726-1798) und seine Bedeutung in englischsprachigen Zeitschriften des 18. und 19. Jahrhunderts.

Alexander Pyrges (Trier): Sprungbrett London. Annäherungen an die englisch-hallischen Beziehungen aus der Perspektive des Kolonialprojektes Ebenezer (1730-1780)

Schlussdiskussion


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