"Bro's, Homes, Dudes". Men and Masculinities in the 20th Century American Family

"Bro's, Homes, Dudes". Men and Masculinities in the 20th Century American Family

Organisatoren
Prof. Dr. Isabel Heinemann, Claudia Roesch, M.A., Emmy-Noether-Nachwuchsgruppe „Familienwerte im gesellschaftlichen Wandel: Die US-Amerikanische Familie im 20. Jahrhundert“
Ort
Münster
Land
Deutschland
Vom - Bis
02.12.2010 - 04.12.2010
Url der Konferenzwebsite
Von
Jana Hoffmann / Anika Mester, Historisches Seminar, Westfälische Wilhelms-Universität Münster

Wann ist ein Mann ein Mann? Wie entstehen Männlichkeitskonzepte, Väter- und Geschlechterrollen in der US-Amerikanischen Gesellschaft des 20. Jahrhundert? An der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster fand im Namen der Nachwuchsgruppe im Emmy Noether-Programm der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) „Familienwerte im gesellschaftlichen Wandel: Die US-Amerikanische Familie im 20. Jahrhundert“, geleitet von Isabel Heinemann, eine Tagung zur aktuellen Männlichkeitsforschung statt.

Ziel der Tagung war es, durch die Vorstellung laufender Projekte, Einblick in neue Forschungen zu bekommen und Forschungsdesiderate aufzuzeigen. Dabei wurden unterschiedliche Männlichkeitskonzepte im Hinblick auf race, class und gender unter verschiedensten Fragestellungen analysiert und diskutiert: In ihrem Eröffnungsvortrag plädierte ISABEL HEINEMANN (Münster) dafür, bei der Analyse von Männlichkeitskonzepten die Fixierung auf den white heterosexual male (D. Wickberg) und das Ideal der white middle class nuclear family aufzugeben, zugunsten einer Integration von ethnischen, sexuellen und sozialen Differenzierung. Zugleich sei es zentral, die Geschichte der Männlichkeiten als Teil eines breiteren Konzepts der Gender-History, die Männer- und Frauengeschichte gleichermaßen umfasst, zu betreiben. Besonders gut eigne sich hierzu ein Fokus auf den Wandel der Gender- und Familiennormen, der sowohl die Frage nach Inklusion und Exklusion wie auch nach intergenerationalen und inter/intrageschlechtlichen Aushandlungsprozessen ermögliche. Der Workshop selbst knüpfte an die erste internationale Tagung der Nachwuchsgruppe "At the Heart of it All: Concepts of Motherhood in the 20th Century United States" an.1

In einer ersten Sektion zu Männlichkeitskonzepten von Jugendlichen („Youth and Masculinity“) stellte der Soziologe MICHAEL KIMMEL (New York) Forschungsergebnisse seiner aktuellen Studie „Guyland“ vor, in welcher er die Entstehung und Bedeutung von hegemonialen Männlichkeitskonzepten im Leben männlicher weißer Studenten untersucht hat. Fünf Kriterien seien, so Kimmel, entscheidend für den Eintritt in das Erwachsensein: Auszug aus dem Elternhaus, Studienabschluss, geregeltes Einkommen, Ehe und Familie. Kimmel nahm insbesondere die verlängerte Jugendphase in den Blick („psychosoziales Moratorium“), in der die Realisierung dieser fünf Aspekte aufgrund längerer Ausbildungszeiten oftmals nicht erreicht werden könne, und untersuchte wie sie genderspezifisch aufgeladen werde. Dabei stellte sich heraus, dass, in einer Phase weitestgehender Gleichberechtigung, männliche Studenten versuchten ihre Männlichkeit innerhalb einer homosozialen Umgebung zu definieren, indem sie auf hypermaskuline Stereotype zurückgreifen (Alkoholkonsum, Pornos, Partys, Sport, Initiationsriten, et cetera). Da die Ergebnisse der Untersuchung sich jedoch nur auf eine relativ kleine Gruppe weißer männlicher Studenten beschränken, blieb die Frage offen, inwieweit diese Untersuchungsergebnisse für die Jugendkultur insgesamt repräsentativ sind - gibt es möglicherweise mehrere Guylands? Wie definieren sich darüber hinaus weibliche Studenten in einer homosozialen Umgebung - gibt es auch ein Girlland?

Einen komplementären Blick auf männliche Adoleszenz richtete NINA MACKERT (Erfurt) in ihrem Dissertationsprojekt unter anderem anhand der Frage, inwieweit verschiedene Diskurse über Jugendkriminalität in den 1950er- bis 1970er-Jahren einen Indikator für die Konzeption von Männlichkeit und Vaterrolle darstellten. Hierbei könne zwischen soziologischen Diskursen zu weißen und schwarzen Kriminalisierungsmustern unterschieden werden. Im Fokus stand die unterschiedliche Bewertung weißer und schwarzer Vaterfiguren im Rahmen ihrer Familienstruktur, sowie der Zusammenhang zwischen Vaterrolle und der Entstehung von (männlicher) Jugendkriminalität. In schwarzen Familien wurden unter anderem absent fathers und die sozialen Umstände für die Dysfunktionalität von Familie und Erziehung verantwortlich gemacht. Im Gegensatz dazu fand gegenüber „weißen“ good bad boys eine positive Bewertung statt, da diese sich lediglich gegen die Gesellschaftskonformität ihrer Väter und deren Domestizierung zur Wehr setzten wollten. Weiterführend könnte überlegt werden, ob es auch für weitere ethnische Gruppen Kriminalisierungsmuster gibt und wie diese unter der Genderperspektive zu bewerten sind.

Eine zweite Sektion wandte sich den diskursiven Bezügen zwischen „Masculinity and Ethnicity“ zu. Am Beispiel der Daughters of the American Revolution (DAR) zeigte SIMON WENDT (Frankfurt a. M.) auf, inwieweit Frauen durch ihre Erziehungsfunktion als Mütter, ihrem Engagement für die die nationale Erinnerungskultur und ihren konservativen Wertvorstellungen über mehrere Generationen das Konzept der hegemonialen Männlichkeit mit konstruierten und perpetuierten. Mit seinem Ansatz versuchte Wendt die Dichotomie zwischen Frauen- und Männerforschung zu überwinden, indem er die Geschlechterbeziehungen der Frauen zu ihren Männern und Söhnen untersuchte. Daran anknüpfend kann jedoch gefragt werden, wie es zum politisch rechtsgesinnten und national ausgerichtetem Charakter der DAR kommt. Ferner kann die Frage nach der Rolle religiöser und ethnischer Aspekte bei der Bewahrung des hegemonialen Männlichkeitskonzeptes einen weiteren interessanten Anknüpfungspunkt für künftige Forschungsvorhaben bieten.

Ausgehend von Charles Burnetts Film „Killer of Sheep“ (1977) analysierte JÜRGEN MARTSCHUKAT (Erfurt) die Situation afro-amerikanischer Männer bzw. Väter nach dem Civil Rights Movement. Dabei zeigte sich, dass (trotz der rechtlichen Gleichstellung) die Akzeptanz des white nuclear family-Ideals durch viele African-American families nicht zu einer gesellschaftlichen und sozialen Besserstellung von black families führte. Jürgen Martschukat kritisierte vor allem die Wirkmächtigkeit des weißen Mittelklasseideals der nuclear family, das im Hintergrund des Films latent zum Vorschein komme und stets als Orientierungspunkt diene. So würde laut Martschukat zwar zum einen das gesellschaftliche (Familien)Bild im Film kritisiert, zugleich aber auch reproduziert.

Ebenfalls einen ethnischen Schwerpunkt wählte CLAUDIA ROESCH (Münster) in ihrem Vortrag zu Expertendiskursen über mexikanisch-amerikanische Familien. Roesch zeigte den Bedeutungshorizont und die Wandelbarkeit des machismo-Begriffs auf, welcher die Darstellung der mexikanischen Familienstruktur und des mexikanischen Männlichkeits- und Vaterbildes wesentlich präge. Hierbei könne zwischen einer negativen und positiven Aufladung des Begriffs unterschieden werden, wobei beide Vorstellungen die Exklusion aus der amerikanischen Gesellschaft begründeten. Während US-amerikanische Sozialexperten hierfür die patriarchale Familienstruktur und die damit zusammenhängende Hypermaskulinität bzw. Dominanz mexikanischer Männer (Väter) verantwortlich machten, betonte das Chicano Movement die Aufrechterhaltung kultureller Werte und Identifikationsmuster im Prozess des Othering. Einen neuen Blick warfen schließlich die Chicana-Feministinnen auf diesen Deutungsprozess, indem sie propagierten, dass das durch das machismo-Prinzip geprägte mexikanische Familienkonzept ein Konstrukt der angloamerikanischen Gesellschaft sei, um die Überlegenheit des „weißen Mannes“ zu rechtfertigen. Mit ihrem Projekt trug Roesch durch die Einbeziehung weiterer Minderheiten zu einer Perspektiverweiterung der US-amerikanischen Familienforschung bei und kolorierte somit das schwarz-weiß Bild der amerikanischen Gesellschaft.

Dem Einfluss von Sozialexperten auf die Generierung von Männlichkeitskonzepten widmete sich eine dritte Sektion („Social Experts on Fatherhood and Masculinity“). CATHERINE E. RYMPH (Missouri) sprach in ihrem Vortrag über die Entwicklung und Institutionalisierung des amerikanischen Kinderfürsorgesystems in der Mitte des 20. Jahrhunderts und untersuchte in diesem Zusammenhang die Bedeutung des Pflegevaters. Es zeigte sich, dass der Expertendiskurs Vorstellungen einer „idealen“ Pflegefamilie konstruierte, die im Hinblick auf die Voraussetzungen (Vater als Ernährer; partnerschaftliche Ehe) zwar dem Bild einer „normalen“ amerikanischen Kernfamilie (nuclear family) entsprechen sollten, zeitgleich aber die Pflegefamilie als legitime Familie diskreditierte, indem Geschlechterrollen umgekehrt wurden (matriarchale Familienstruktur). Trotz allem wurde, wie Rymph betonte, die Rolle des Pflegevaters weniger thematisiert und problematisiert, als die der Mutter, da die Vaterfigur zu diesem Zeitpunkt eine verhältnismäßig geringe gesellschaftliche Bedeutung für die Erziehungstätigkeit hatte. Mit ihrem Vortrag erweiterte Rymph insbesondere die Perspektive im Hinblick auf die Verhandlungsprozesse von Familienbildern, Vater- und Mutterrollen.

Demgegenüber untersuchte TRACY PENNY LIGHT (Ontario), wie durch den medizinischen Diskurs zwischen 1950-1970 unter diversen Aspekten (Gesundheit, Körper) Männlichkeitsbilder entstanden und welchen Einfluss diese auf die Vaterfigur innerhalb der Familie hatten. Anhand der Analyse von Werbeanzeigen erforschte Light, inwieweit sich Medikamentenhersteller und Versicherungsanbieter den Diskurs über Männer- und Vaterbilder zu Nutze machten, um ihre Produkte „an den Mann zu bringen“. Während sozialwissenschaftliche Texte die Wahrnehmung der fürsorglichen Vaterfunktion in den Vordergrund stellten, hielten zum Beispiel Autowerbungen am traditionellen Männlichkeitsideal des breadwinner fest. Light wies darauf hin, dass medizinische Werbeanzeigen beide Männlichkeitsbilder integrierten und ihre Medikamente mit der Aussage anpriesen, dass nur ein gesunder Mann beiden Rollen gerecht werden könne. Eine weitere interessante Frage in diesem Zusammenhang wäre, wie Männer selbst auf die unterschiedlichen Männlichkeits- und Vaterbilder reagierten und ob die Konzepte miteinander verknüpft werden konnten, oder zu Problemen in der Selbstwahrnehmung führten.

Welche entscheidende Rolle visuelle Medien bei gesellschaftlichen Diskursen über Normen und Werte spielen untersucht ANDRE DECHERT (Münster) in seinem Dissertationsprojekt. Anhand von Spielfilmen und TV-Serien der 1980er-Jahre versuchte Dechert die Verhandlungsprozesse zwischen Konservativen und Liberalen über die Rolle und Bedeutung der Vaterfigur innerhalb der Familie herauszuarbeiten. Obwohl die TV-Landschaft unterschiedliche Vaterrollen darbot und plurale Familienstrukturen erzeugte, ergab eine erste Analyse, dass die Darstellung von Familien der middle class bis Ende der 80er Jahre von einem traditionellen Vaterbild dominiert wurde, welches seit Mitte der 80er durch Serien wie die „Cosby Family“ und „Family Ties“ noch einmal verstärkt wurde. Erst gegen Ende dieses Jahrzehntes wurde dieses traditionelle Bild des middle class father zur Disposition gestellt. Seitdem beherrschte ein Vatertyp die Serienkultur, der als "father knows worst" zusammengefasst werden kann: Als der defizitäre, versagende Vater, der nicht mehr nur ein Phänomen der working class darstellt, sondern nun auch in der Mittelschicht anzutreffen ist (zum Beispiel Homer Simpson, Tim Taylor). Hier stellte sich die Frage, welche Effekte diese Serien auf die Konsumenten habe und inwiefern cultures of fatherhood zu einer Modifikation des medialen Männlichkeitsbildes beitragen.

Der Workshop gab einen differenzierten Einblick in die aktuelle Männlichkeitsforschung zur US-Gesellschaft und zeigte an unterschiedlichen Beispielen auf, wie Männlichkeits- und Vaterschaftskonzepte konstruiert, perpetuiert und verändert werden. Dabei wurde nicht nur die white middle class in den Blick genommen, sondern auch soziale Randgruppen und ethnische Minderheiten, deren Vorstellungen von Männlichkeit und Vaterschaft oftmals vom nuclear family Ideal abweichen. Insbesondere die Vielfalt der verschiedenen Forschungsansätze und methodischen Herangehensweisen (zum Beispiel die Verknüpfung von Geschichtswissenschaft, Soziologie, Erinnerungskultur), sowie die breite Quellenbasis (unter anderem Expertenliteratur, Zeitungsartikel, Filme, Interviews) sind in diesem Zusammenhang hervorzuheben, die die Grundlage zu intensiven Diskussionen und unterschiedlichen Fragestellungen boten. Insgesamt haben die Beiträge gezeigt, dass die Aushandlung und Etablierung von Männlichkeitsbildern stets relational ist und von einer Vielzahl unterschiedlicher Faktoren abhängt, wie zum Beispiel von dem Geschlecht, dem Alter, dem ethnischen Hintergrund, der sozialen Schicht oder dem Zusammenhang zu vorherrschenden Männlichkeits-, Vaterschafts- und Familienidealen.

Die Abschlussdiskussion konzentrierte sich auf drei wesentliche Aspekte. Zum einen forderte Martschukat der Diskursanalyse eine größere Bedeutung beizumessen, indem er fragte, welche Intentionen Experten in ihren Diskursen verfolgen und welche Gesichtspunkte anschließend internalisiert werden. Ebenso sollte die Wechselwirkung der verschiedenen Diskurse näher in den Blick genommen werden. Zum anderen wies Heinemann darauf hin, dass die Weitergabe bestimmter Gendervorstellungen noch mehr in den Mittelpunkt der Forschung gerückt werden müsse, vor allem unter besonderer Berücksichtigung intergenerationeller Verhandlungsprozesse. Drittens müsse daran gearbeitet werden das dichotome Geschlechterdenken zu überwinden, wie es beispielsweise Wendt mit seinem Ansatz versuchte. Denn auch bei der Durchführung der beiden Workshops wurden Männlichkeits- und Weiblichkeitskonzepte getrennt voneinander diskutiert. Eine Gender-Tagung könnte erste Schritte zur Überwindung leisten.

Ein weiterer zentraler Punkt, der bei zukünftigen Untersuchungen ebenfalls eine Beachtung finden müsse, wie unter anderem Kimmel und Stieglitz betonen, sei die Einbeziehung zusätzlicher Forschungsschwerpunkte wie zum Bespiel Relgion, Minderheiten, soziale Schichtung und deren Wechselbeziehungen. Schließlich bleibt laut Heinemann die Frage offen, ob und inwieweit das Konzept der white middle class nuclear family immer der Ausgangspunkt der Analyse sein muss.

Konferenzübersicht:

Thematische Einführung
Isabel Heinemann (Münster): Men and Masculinities in the 20th Century U.S. American Family

Panel I: Youth and Masculinity
Comment: Catherine E. Rymph (University of Missouri)

Michael Kimmel (Stony Brook University, NY): Bros, Homes, Dudes – or Just Guys? Mapping Young American Masculinities

Nina Mackert (Erfurt): Of “Johnny Reb” and “Violent Vandals” – Juvenile Delinquency, Interdependent Masculinity and the Government of Families

Panel II: Masculinity and Ethnicity
Comment: Michael Kimmel (Stony Brook University, NY)

Simon Wendt (Frankfurt): Nationalist Women, the American Family, and the Perpetuation of Hegemonic Masculinity in the 20th Century: The Daughters of the American Revolution as a Case Study

Jürgen Martschukat (Erfurt): “You be a man if you can, Stan”: Families, Fathers, and the Black Community after the Civil Rights Movement

Panel III: Social Expterts on Fatherhood and Masculinity
Comment: Jürgen Martschukat (Erfurt)

Catherine E. Rymph (University of Missouri): Absent Fathers, Substitute Fathers: Understandings of Fatherhood in the Post-War U.S. Foster Care System

Tracy Penny Light (Waterloo University, Ontario, CA): “Healthy Men make Good Fathers: Masculine Health and the Family in 20th Century America

Panel IV: Fatherhood in Popular Culture
Comment: Olaf Stieglitz (Erfurt)

Claudia Roesch (Münster): The Social Experts’ View on Machismo

Andre Dechert (Münster): Cultures of Fatherhood between Tradition and Change: US-American Movies and TV Series in the 1980s

Anmerkung:
1 Tagungsbericht At the Heart of it All: Concepts of Motherhood in the 20th Century United States. 15.07.2010-17.07.2010, Münster, in: H-Soz-u-Kult, 02.09.2010, <http://hsozkult.geschichte.hu-berlin.de/tagungsberichte/id=3255>.


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