Gedenkstätten und Museen in den nationalsozialistischen Konzentrationslagern. Bestandsaufnahme und Entwicklungsperspektiven

Gedenkstätten und Museen in den nationalsozialistischen Konzentrationslagern. Bestandsaufnahme und Entwicklungsperspektiven

Organisatoren
Wissenschaftliches Zentrum der Polnischen Akademie der Wissenschaften in Wien; Institut für Kulturwissenschaften und Theatergeschichte der Österreichischen Akademie der Wissenschaften; Bundesministerium für Inneres der Republik Österreich - Mauthausen Memorial; KZ-Gedenkstätte Auschwitz; KZ-Gedenkstätte Stutthof; KZ-Gedenkstätte Majdanek
Ort
Wien
Land
Austria
Vom - Bis
09.09.2010 - 10.09.2010
Url der Konferenzwebsite
Von
Anna Głowacka / Irmgard Nöbauer, Wissenschaftliches Zentrum der Polnischen Akademie der Wissenschaften

In Wien fand in der Zeit vom 9. bis 10. September 2010 die Konferenz „Gedenkstätten und Museen in den nationalsozialistischen Konzentrationslagern. Bestandsaufnahme und Entwicklungsperspektiven“ statt. Die Konferenz wurde in Zusammenarbeit folgender Institutionen geplant und durchgeführt: Wissenschaftliches Zentrum der Polnischen Akademie der Wissenschaften in Wien, Institut für Kulturwissenschaften und Theatergeschichte der Österreichischen Akademie der Wissenschaften, Bundesministerium für Inneres der Republik Österreich - Mauthausen Memorial sowie die KZ-Gedenkstätten Auschwitz, Stutthof und Majdanek. Tagungsort war das Wissenschaftliche Zentrum der Polnischen Akademie der Wissenschaften in Wien. Sämtliche im Rahmen der zweisprachigen polnisch-österreichischen Konferenz gehaltenen Vorträge wurden simultan in die jeweils andere Sprache übersetzt.

Während des zweitägigen Symposiums wurden zur titelgebenden Problematik von zahlreichen Vertretern polnischer und österreichischer Gedenkstätten sowie weiteren Institutionen Referate zu einem umfangreichen Themenspektrum gehalten, das von theoretischen Konzepten der Erinnerungskultur, Versuchen der Periodisierung der Erinnerungskultur beginnend von der unmittelbaren Nachkriegszeit bis heute, museumspädagogischen Konzepten von deren Anfängen nach dem Zweiten Weltkrieg bis hin zu zukünftigen Entwicklungsperspektiven und einer Analyse der Besucherstruktur der Gedenkstätten im Laufe der Jahrzehnte reichte.

Seitens Österreichs nahmen als Referenten Vertreter des Mauthausen Memorials des Bundesministeriums für Inneres der Republik Österreich, der Leiter des Gedenkdienstkomitees Gusen, die Leiterin des Lern- und Gedenkortes Schloss Hartheim sowie Vertreter der Österreichischen Akademie der Wissenschaften teil.

Seitens polnischer Gedenkstätten waren der Direktor sowie Mitarbeiter des Museums Auschwitz-Birkenau, der Direktor sowie Mitarbeiter des Museums Stutthof sowie der Direktor und Mitarbeiter des Museums Majdanek vertreten.

In den einleitenden Worten erläuterte BOGUSŁAW DYBAŚ (Wien) die Entstehungsgeschichte der Konferenz – beginnend mit der ersten Idee hierzu anlässlich des Symposiums „KZ-Gedenkstätten in Europa: Majdanek und Mauthausen“ am Wissenschaftlichen Zentrum der Polnischen Akademie der Wissenschaften in Wien über das Konzept der Konferenz bis hin zur Einbindung zahlreicher Organisationen in das Vorhaben.

Breiten Raum nahmen Vorträge zu Geschichte und Gegenwart einzelner Gedenkstätten ein. IRENE LEITNER (Schloss Hartheim) betonte, dass die Idee einer Gedenkstätte zumeist von den ehemaligen Häftlingen des Lagers angestoßen wurde. Zu den Ausnahmen zählt der Lern- und Gedenkort Schloss Hartheim, der erst 1997 gegründet wurde. Wie die Referentin unterstrich, fehlte es dort an einer "Lobby" ehemaliger Häftlinge, da alle ums Leben gekommen sind.

Die Referenten stellten die Entstehungsgeschichte der einzelnen Gedenkstätten dar. BERTRAND PERZ (Wien) referierte über die Geschichte der KZ-Gedenkstätte Mauthausen und bettete die Konzepte von dessen Nachnutzung in den jeweiligen gesamthistorischen Kontextrahmen ein. MARCIN OWSINSKI (Museum Stutthof) beleuchtete die Entstehungsgeschichte des Museums Stutthof. CHRISTIAN DÜRR und ROBERT VORBERG (Mauthausen Memorial) analysierten in ihrem Vortrag die zukünftige Gestalt der Gedenkstätte Mauthausen.

Eines der wichtigsten Anliegen der Konferenz war es, die Funktion und Bedeutung der Museen im Hinblick auf künftige Generationen zu analysieren, in deren Bewusstsein die Geschichte des Zweiten Weltkriegs in immer weitere Ferne rückt sowie im gemeinsamen Dialog Konzepte und Entwicklungsperspektiven zu erarbeiten, die die Bewahrung der Erinnerung an die nationalsozialistischen Verbrechen in angemessener Weise ermöglichen. PIOTR CYWIŃSKI (Museum Auschwitz-Birkenau) beleuchtete diese Aspekte hinsichtlich des Museums Auschwitz-Birkenau, MARIA ECKER (Mauthausen Memorial) konzentrierte sich auf das neue Vermittlungskonzept an der Gedenkstätte Mauthausen. PIOTR CHRUŚCIELSKI (Museum Stutthof) berichtete über die wichtigsten Aspekte der Oral History, die seiner Meinung nach bei der Vorbereitung der methodisch-didaktischen Konzepte besonders betont werden sollen. Der Referent demonstrierte die museumspädagogischen Einsatzmöglichkeiten von Videoberichten ehemaliger Häftlinge des Konzentrationslagers Stutthof.

Ein weiterer wichtiger Aspekt im Rahmen der Analyse der einzelnen Gedenkstätten waren auch zahlreiche Fragestellungen rund um die Problematik der Bewahrung und Rekonstruktion der Museumsobjekte. DANUTA OLESIUK (Museum Majdanek) veranschaulichte die Gestaltung der historischen Landschaft am Beispiel des Staatlichen Museums in Majdanek. Sie unterstrich, dass sich im Museum noch erhalten gebliebene Gaskammern, Krematorienöfen und Exekutionsgräben befinden, und die meisten bis heute existierenden Baracken aus den Originalmaterialien rekonstruiert wurden.

ANDRZEJ KACORZYK (Museum Auschwitz-Birkenau) stellte eine statistische und soziologische Analyse der Besucher des Museums Auschwitz Birkenau vor. Statistiken über die Besucherstrukturen der Museen zeigen, dass das Durchschnittsalter der Besucher der Gedenkstätten laufender Verjüngung unterliegt, was darauf hinweist, dass die Gedenkstätten den Bedürfnisse künftiger Generationen, die – anders als die Generationen zuvor – von der Zeit des Nationalsozialismus nicht mehr aufgrund des persönlichen Erlebens ihrer Eltern und Großeltern erfahren können, bereits heute gerecht werden. Neue Konzepte, die den Bedürfnisse der Internetgeneration entgegenkommen, wurden im Referat von PAWEŁ SAWICKI (Museum Auschwitz-Birkenau) vorgestellt. Der Referent berichtete über seine Erfahrungen im Pressebüro des Museums Auschwitz, das mit modernen Mitteln - auf Facebook und Youtube - über Auschwitz informiert.

Die einzelnen Vorträge waren von engagierten und teils kontroversen Diskussionsbeiträgen seitens der Konferenzteilnehmer begleitet, die das Interesse an einem polnisch-österreichischen Dialogforum zu dieser Thematik eindrucksvoll widerspiegeln sowie die Notwendigkeit eines solchen deutlich zeigen. Unter den Konferenzteilnehmern beteiligte sich auch eine ehemalige Insassin des Konzentrationslagers Ravensbrück an der Diskussion. Sie unterstrich das große Interesse an den nationalsozialistischen Verbrechen seitens der heute jungen Generation. Weiterhin wies sie auch darauf hin, dass diese sowie auch kommenden Generationen mit Hilfe gänzlich anderer Vermittlungsmethoden erreicht werden müssen als die Generationen zuvor.

In seinem abschließenden Resümee hielt Bogusław Dybaś fest, dass die im Vorfeld der Konferenz formulierte Zielvorstellung, ein polnisch-österreichisches Dialogforum des Meinungsaustausches über Gegenwart und Zukunft der Gedenkstätten in den nationalsozialistischen Konzentrationslagern zu begründen, verwirklicht wurde. Gleichzeitig wurde das Desiderat der Organisation von Folgeveranstaltungen im Rahmen eines Konferenzzyklus unterstrichen, deren Auftakt die Veranstaltung „Gedenkstätten und Museen in den nationalsozialistischen Konzentrationslagern. Bestandsaufnahme und Entwicklungsperspektiven“ war. Die Konferenz, so Bogusław Dybaś weiter, war eines der bedeutsamsten Ereignisse im wissenschaftlichen Leben des Zentrums der letzten Jahre.

Konferenzübersicht:

Wacław Długoborski (Museum Auschwitz-Birkenau); Krzysztof Antończyk (Museum Auschwitz-Birkenau): Auschwitz und Mauthausen im System der nationalsozialistischen Konzentrationslagern: Eine Vergleichanalyse

Jan Gryta (Jagiellonen-Universität Krakau): Die Gedenkstätten in den Konzentrationslagern in den vom nationalsozialistischen Deutschland besetzten polnischen Gebieten. Die Geschichte ihrer Erinnerungskultur bis zum Jahr 1968

Bertrand Perz (Institut für Zeitgeschichte der Universität Wien)
Die KZ-Gedenkstätte Mauthausen: Nachnutzungen eines Konzentrationslagers im historischen Rückblick

Marcin Owsiński (Museum Stutthof): Stutthof, eine etwas andere Geschichte.

Piotr Cywiński (Museum Auschwitz-Birkenau): Auschwitz - pars pro toto

Paweł Sawicki (Museum Auschwitz): Die Gedenkstätte Auschwitz im medialen Diskurs

Danuta Olesiuk (Museum Majdanek): Zwischen Konservation und Rekonstruktion: Die Gestaltung der historischen Landschaft am Beispiel des Staatlichen Museums in Majdanek

Irene Leitner (Lern- und Gedenkort Schloss Hartheim): Lern- und Gedenkort Schloss Hartheim: eine historische und aktuelle Perspektive

Piotr Chruścielski (Museum Stutthof): Museumspädagogik im Museum Stutthof – nur Holocaust?

Andrzej Kacorzyk (Museum Auschwitz): Die Wege nach Auschwitz. Statistische und soziologische Analyse der Besucher

Christian Dürr (Archiv und Bibliothek der KZ-Gedenkstätte Mauthausen im Bundesministerium für Inneres der Republik Österreich): Die Neugestaltung der KZ-Gedenkstätte Mauthausen. Voraussetzungen, Konzeption und Umsetzungsschritte

Rudolf Haunschmied (KZ-Verband Oberösterreich): Die lokale Bevölkerung Langenstein, St. Georgen, Gusen - Umgang mit der Lagergeschichte: Ablehnung und Initiativen zur Bewahrung der Erinnerung

Hans-Peter Jeschke (UNESCO-Forum „Memorial Landscape“): „Die "stummen" Zeugen des nationalsozialistischen Terrors in Europa. Neue Strategien zur Sicherung und Pflege“

Tomasz Kranz (Museum Majdanek): Polnische Museen und Erinnerungsorte in den ehemaligen nationalsozialistischen Konzentrationslagern. Versuch einer Bestandsaufnahme sowie Zukunftsperspektiven

Heidemarie Uhl (Kommission für Kulturwissenschaften und Theatergeschichte der Österreichischen Akademie der Wissenschaften): Gedenkstätten und Erinnerungskultur

Kontakt

Polnische Akademie der Wissenschaften
Wissenschaftliches Zentrum in Wien
Boerhaavegasse 25
1030 Wien
Telefon: +43 1 713 59 29
Fax: +43 1 713 59 29 550
E-mail: office@viennapan.org

http://www.viennapan.org
Redaktion
Veröffentlicht am
Klassifikation
Region(en)
Weitere Informationen
Land Veranstaltung
Sprache(n) der Konferenz
Deutsch, Polish
Sprache des Berichts