Drink in the Eighteenth and Nineteenth Centuries: Consumers, Cross-Currents, Conviviality

Drink in the Eighteenth and Nineteenth Centuries: Consumers, Cross-Currents, Conviviality

Organisatoren
Susanne Schmid, Bochum/Berlin; Barbara Schmidt-Haberkamp, Bonn; gefördert von DFG und der Universität Bonn
Ort
Bonn
Land
Deutschland
Vom - Bis
05.11.2010 - 07.11.2010
Url der Konferenzwebsite
Von
Joana Stausberg, Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn

Unter dem Titel „Drink in the Eighteenth and Nineteenth Centuries: Consumers, Cross-Currents, Conviviality” fand vom 5. bis 7. November 2010 in Bonn eine international besetzte, interdisziplinäre Tagung zum Thema Getränkekulturen des achtzehnten und neunzehnten Jahrhunderts statt. Ausgerichtet wurde die von der DFG und der Universität Bonn geförderte Tagung von Susanne Schmid (Bochum/Berlin) und Barbara Schmidt-Haberkamp (Bonn).

Im Mittelpunkt des Interesses standen vor allem die Getränkekulturen Nord- und Westeuropas sowie der britischen Kolonien in Mittelamerika und der sich im Gründungsprozess befindlichen Vereinigten Staaten. Tee-, Kaffee-, Kakao- und Alkoholkonsum sowie dessen Repräsentation in Literatur und Kunst wurden dabei unter Aspekten wie Genderkonstruktion, Klassenbewusstsein und nationaler Identität, aber auch unter Berücksichtigung ökonomischer wie medizinhistorischer Fragestellungen untersucht. BRIAN COWAN (Montreal) plädierte in seinem Eröffnungsvortrag „Café or Coffeehouse? Transnational Histories of Coffee and Sociability” dafür, die Geschichte des (europäischen) Kaffeekonsums als fortlaufende, transnationale Geschichte aufzufassen, die differenziert und nicht unter der Maxime von Nationen- oder Verfallsnarrativen zu untersuchen sei. Formen des Kaffeekonsums seien allerdings zu Recht bei den Zeitgenossen und in der Forschung immer auch als Ausprägungen und Konstituenten nationaler Kultur und nationaler Stereotype verstanden worden.

KAREN HARVEY (Sheffield) eröffnete die erste Sektion „Ritual and Material Culture“ mit einem Vortrag zu „Politics by Design: Consumption, Identity and Allegiance“. Der Vorgang des Konsums von alkoholischen Getränken, so ihre These, habe im achtzehnten Jahrhundert politische Bedeutung getragen, und diese lasse sich bis hin zum Design der Trinkgefäße verfolgen. So seien die Trinkgefäße als aktive Ausdrucksform politischer Zugehörigkeit zu verstehen. CAROLINE ROSENTHAL (Jena) konzentrierte sich in ihrem Vortrag „Measuring Life in Tea Spoons: Tea and Domesticity in the Sentimental Novel“ auf die literarische Darstellung der Teezeremonie in amerikanischen Romanen des neunzehnten Jahrhunderts. Die Zubereitung von Tee werde hier als ein sozial bedeutsamer Akt beschrieben, in dem Frauen sowohl ihre Geschlechteridentität als auch ihre Klassenzugehörigkeit ausdrücken konnten. Dieser Akt sei in den Romanen zwar auf das häusliche Umfeld reduziert gewesen, habe den Frauen aber Kontrolle und eine gewisse Macht über ihre Identität zugeschrieben.

Die zweite Sektion der Tagung zu „Institutions and Social Class“ eröffnete FRITZ-WILHELM NEUMANNs (Erfurt) Vortrag „Claret at a Premium: Bourdeaux Wines in London during the French Wars and After“. Am Beispiel des Tories und „hackwriter“ Ned Ward stellte Neumann die Verwebung von Politik und Trinkgewohnheiten im London des beginnenden achtzehnten Jahrhunderts dar. Alkoholkonsum habe dazu gedient, den sozialen und finanziellen Status des Konsumenten aufzuzeigen. Zu untersuchende Kategorien waren dabei zum Beispiel Orte des Konsums, politische Implikationen der Getränkewahl und die Vermischung von Alkoholkonsum und Religiosität. SUSANNE SCHMID (Bochum/Berlin) untersuchte in ihrem Vortrag zu „Eighteenth-Century Travellers and the Roadside Inn“ die Darstellung der ländlichen „Inns“ in Romanen und Gemälden und Kupferstichen des achtzehnten Jahrhunderts. „Roadside Inns“, als Orte, an denen Reisende verschiedensten gesellschaftlichen Hintergrunds aufeinandertrafen, würden bei Fielding und Hogarth als Mikrokosmos der britischen Gesellschaft dargestellt, bei Smollett hingegen eher als die gesellschaftlichen Regeln aussetzender, dezentraler Ort des einfachen, ländlichen Lebens. Auf der Grundlage von Gerichtsakten zu tödlich verlaufenden Streitigkeiten unter Alkoholeinfluss stellte JOHN CARTER WOOD (Milton Keynes) in seinem Vortrag zu „Drinking, Fighting and Working-Class Sociability in Nineteenth-Century England“ dar, wie exzessiver Alkoholkonsum in der Alltagskultur der Arbeiterklasse als normale Erscheinung und als Mittel zur Austragung von schwelenden Konflikten gesehen wurde. Auch unter Alkoholeinfluss seien nämlich Regeln wie die Waffenlosigkeit von Kämpfen eingehalten worden, was der bisher zur Erklärung von Gewalt unter Alkoholeinfluss vorwiegend herangezogenen Time-Out Theorie widerspreche, die Alkoholkonsum als gesellschaftlich akzeptierte Entschuldigung für regelwidriges gewalttätiges Verhalten sieht.

ROLF LESSENICH (Bonn) eröffnete mit einem Vortrag zu „Preromantic Radicalism, Abolitionism, and the Temperance Movement“ die Sektion zu „Temperance and the Misery of Alcohol“. Die Kultur des achtzehnten und beginnenden neunzehnten Jahrhunderts sei reich an künstlerischen Plädoyers für die Enthaltsamkeit, und diese Plädoyers seien sehr unterschiedlich motiviert. Die Werke reflektierten Sorge um den gesellschaftlichen Verfall durch übermäßigen Alkoholkonsum ebenso wie medizinische Bedenken, aber auch Fragen der Religionsausübung, des nationalen Selbstbewusstseins und der Nationalökonomie sowie des politischen Selbstverständnisses. Als für das Beispiel Manchesters nicht haltbar stellte GUNTHER HIRSCHFELDER (Regensburg) in seinem Vortrag „The Myth of ‚Misery Alcoholism‘ in Early Industrial England: The Example of Manchester“ die These dar, Alkohol sei von der aufkommenden Arbeiterschaft in der Phase der Frühindustrialisierung getrunken worden, um den harten Lebensverhältnissen zu entfliehen. Alkohol sei, wie Beispiele von prestigeträchtigen Berufsgruppen wie den Zugführern zeigten, als Statussymbol wahrgenommen worden und zudem teuer gewesen. Gerade der öffentliche Alkoholkonsum von jungen Frauen sei in diesem Zusammenhang ebenfalls als einzige Möglichkeit einer Zurschaustellung von sozialem Aufstieg und moderatem Reichtum zu sehen.

Die Sektion „Intoxication and Therapy“ widmete sich der unterschiedlichen Wertung von Alkoholkonsum in der englischsprachigen Literatur und in medizinischen Schriften des 19. Jahrhunderts. ANJA MÜLLER-WOOD (Mainz) stellte in ihrem Vortrag zu „George Gissing’s Aesthetics of Alcohol in ‚The Nether World’ and ‚The Odd Women’“ Alkoholkonsum als wiederkehrendes, aber subtil agierendes Element in Gissings Romanen dar. Das abweichende Verhalten von Alkoholkonsumenten würde nie direkt als solches benannt und, zwar in der Regel im Zusammenhang mit Leid und Verzweiflung, aber nicht stereotypisiert beschrieben. Vordergründig habe Gissing das Urteil über Motive und Verhalten der Betrunkenen damit den viktorianischen Lesern überlassen, welches auf Grund der differenzierten Darstellung aber wohl untypisch milde habe ausfallen müssen. Im Vortrag „Legends of Infernal Drinkers: Representations of Alcohol in Thomas Hardy and Nineteenth-Century British Fiction“ von NORBERT LENNARTZ (Passau/Bonn) trat hingegen der alkoholfeindliche Aspekt der viktorianischen Literatur in den Vordergrund. In Thomas Hardys Romanen werde Alkoholkonsum mit gesellschaftlichem Außenseitertum, Verrohung und Ausgrenzung verbunden. Der „Teufel“ Alkohol bringe hier immer moralischen, sexuellen und körperlichen Verfall mit sich. JONATHAN REINARZ (Birmingham) untersuchte in seinem Vortrag „The Spirit of Medicine: The Use of Alcohol in Nineteenth-Century Medical Practice”, wie und mit welchen Begründungen britische Ärzte Alkohol als Medizin einsetzten. Grundsätzlich sei Alkohol als Mittel gegen beinahe alle Leiden gutgeheißen worden; die Praxis habe sich dabei nicht an theoretischen Erkenntnissen orientiert, sondern sei eher Traditionen gefolgt. Die im Laufe des neunzehnten Jahrhunderts auch regional auftretenden Veränderungen zum Beispiel bei der Menge des verwendeten Alkohols seien eher auf die Kosten oder zu hohe Sterblichkeitsraten einzelner Krankenhäuser zurückzuführen.

Ihren außereuropäischen Kontext erhielten die Getränkekulturen in der letzten Sektion der Tagung zu „Rum, Cocoa, Magical Potions“. EVA-SABINE ZEHELEIN (Bonn/Duisburg-Essen) stellte die Produktion und den Verzehr von Rum in den Zusammenhang des wachsenden amerikanischen Selbstbewusstseins des ausgehenden achtzehnten Jahrhunderts. Der Rum für den reichlich konsumierenden nordamerikanischen Markt sei unter anderem auch wegen der hohen Zölle auf Zucker vorwiegend auch dort produziert worden und könne somit als das amerikanische Getränk der Zeit gesehen werden. Ähnlich der weitaus prominenter propagierten „Boston Tea Party“ sei der Überfall auf das britische Zollschiff Gaspee daher als Ausdruck des amerikanischen Unabhängigkeitsstrebens zu verstehen. MONICA ELBERTS (New Jersey) Vortrag „A Beverage for the Masses: The Proletarization of Cocoa in American Naturalist Fiction“ untersuchte Kakao als Indikator für soziale Schichtenzugehörigkeit und Geschlechteridentität in amerikanischen Romanen des neunzehnten Jahrhunderts. Insgesamt lasse sich für den Kakaokonsum eine absteigende Tendenz des Prestiges wahrnehmen. Kakao wandele sich von einem ‚aristokratischen‘ Getränk hin zu einem stärkenden Getränk für die Masse. Auch die geschlechterspezifische Zuordnung des Kakaokonsums in der Literatur habe einen Wandel durchgemacht: So sei Kakao von einem Getränk für Damen beispielsweise zu einem für Kinder geworden. Abschließend beschäftigte sich ELMAR SCHENKEL (Leipzig) mit der Darstellung von „Magical Potions in Nineteenth-Century Literature“. Das Elixir als lebensverlängerndes, stärkendes Getränk habe seit Beginn des neunzehnten Jahrhunderts eine prominentere Rolle in der Literatur eingenommen, die mit der aufkommenden Werbeindustrie auch auf andere Medien übertragen worden sei. Unter anderem am Beispiel des sich selbst vermarktenden Elixirs im Roman „Alice in Wonderland“ wurde angedeutet, wie sich hier die Leserschaft einer konsumorientierten Mittelschicht mit künstlich generierten Bedürfnissen wiederfinde.

Deutlich wurde bei der Tagung, dass Getränkekulturen im achtzehnten und neunzehnten Jahrhundert identitätsstiftend wirkten. Sie waren Ausdruck von Zugehörigkeit zu Geschlecht, Nation, politischer Weltanschauung und sozialer Schicht. Der bewusste Konsum von oder Verzicht auf Tee, Kaffee, Kakao und Alkohol wurde damit als ein Akt der subjektiven Gestaltungsfreiheit wahrgenommen. Demgegenüber steht eine Reihe von Darstellungen, in denen dem Konsumenten diese Subjektivität abgesprochen wurde – so durch die verstärkt aufkommende Werbung oder durch Abhängigkeit. Es könnte gewinnbringend sein, diesen Widerspruch weiter zu untersuchen.

Konferenzübersicht:

Brian Cowan (Montreal): Café or Coffeehouse? Transnational Histories of Coffee and Sociability

Karen Harvey (Sheffield): Politics by Design: Consumption, Identity and Allegiance

Caroline Rosenthal (Jena): Measuring Life in Tea Spoons: Tea and Domesticity in the Sentimental Novel

Fritz-Wilhelm Neumann (Erfurt): Claret at a Premium: Bourdeaux Wines in London during the French Wars and After

Susanne Schmid (Bochum/Berlin): Eighteenth-Century Travellers and the Roadside Inn

John Carter Wood (Milton Keynes): Drinking, Fighting and Working-Class Sociability in Nineteenth-Century England

Rolf Lessenich (Bonn): Preromantic Radicalism, Abolitionism, and the Temperance Movement

Gunther Hirschfelder (Regensburg): The Myth of ‘Misery Alcoholism’ in Early Industrial England: The Example of Manchester

Anja Müller-Wood (Mainz): George Gissing’s Aesthetics of Alcohol in ‚The Nether World’ and ‚The Odd Women’

Norbert Lennartz (Passau/Bonn): Legends of Infernal Drinkers: Representations of Alcohol in Thomas Hardy and Nineteenth-Century British Fiction

Jonathan Reinarz (Birmingham): The Spirit of Medicine: The Use of Alcohol in Nineteenth-Century Medical Practice

Eva-Sabine Zehelein (Bonn/Duisburg-Essen): Rumbullion, the Gaspee, and Rebellion: Rum, Race, Mercantilism, and the American Revolution

Monica Elbert (New Jersey): A Beverage for the Masses: The Proletarization of Cocoa in American Naturalist Fiction

Elmar Schenkel (Leipzig): Magical Potions in Nineteenth-Century Literature


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