Kulturkontakt im Mittelalter und in der Frühen Neuzeit

Kulturkontakt im Mittelalter und in der Frühen Neuzeit

Organisatoren
DFG-Graduiertenkolleg "Kulturkontakt und Wissenschaftsdiskurs", Universität Rostock
Ort
Rostock
Land
Deutschland
Vom - Bis
26.03.2010 - 27.03.2010
Url der Konferenzwebsite
Von
Silke Hoklas, Universität Rostock

Der vom Graduiertenkolleg "Kulturkontakt und Wissenschaftsdiskurs" am 26. und 27. März 2010 veranstaltete Workshop "Kulturkontakt im Mittelalter und in der Frühen Neuzeit" widmete sich den Begegnungen zwischen der christlichen, muslimischen und jüdischen Welt im 13. bis 16. Jahrhundert.

Eröffnet wurde der Workshop vom Dekan der Philosophischen Fakultät der Universität Rostock HANS-JÜRGEN VON WENSIERSKI (Rostock), der in den ersten Block der Kulturkontaktphänomene einleitete, der sich mit der Begegnung von christlichen und nicht-christlichen Kulturen im Spätmittelalter und in der Frühen Neuzeit beschäftigte. Im Eröffnungsvortrag untersuchte hierzu die Altgermanistin MONIKA SCHAUSTEN (Siegen) die Identitätskonstruktion im höfischen Roman des 12. und 13. Jahrhunderts am Beispiel der Codierung der Farbe "schwarz". Während in Wolframs von Eschenbach "Parzival" bei der Begegnung des weißen Minneritters Gahmuret mit der schwarzen Königin Belakane ausschließlich die Hautfarbe distinktiv ist (beide sprechen dieselbe Sprache und sind Teil der gleichen höfischen Kultur), verhält es sich bei Heinrichs von Neustadt "Apollonius von Tyrland" anders: Hier ist die Hautfarbe nur ein Unterscheidungsmerkmal in der komplexen Abgrenzung von Eigenem und Anderem. Das Mittelalter, so verdeutlichte der Vortrag, kennt demnach kein einheitliches Konzept vom "schwarz sein". Daher betonte Frau Schausten auch nachdrücklich, dass sich die Rassismusdiskussion des 19. / 20. Jahrhunderts nicht in das Mittelalter übertragen lasse.

ALMUT HÖFERT (Basel) beschrieb am folgenden Tag aus der Sicht einer Historikerin und Arabistin die europäisch-osmanischen Beziehungen im 15. und 16. Jahrhundert als ein Aufeinandertreffen von Kulturen, das von starker Agonalität geprägt war. Neben dem schematischen Feindbild des vorherrschenden "Türkengefahr"-Diskurses, gab es in dieser Zeit aber auch Reiseberichte, die nicht nur den apokalyptischen Beschreibungen von der "Geißel Gottes" folgen, sondern – indem sie ausführlich Sitten und Gebräuche beschreiben – wertneutrale, ethnographische Muster anwenden. Auch Religion wurde in diesem Zuge zunehmend zur ethnographischen statt theologischen Kategorie. So ließ sich in dieser Zeit z.B. die Aufhebung der sprachlich vollzogenen Unterscheidung zwischen "wahrem Glauben" und "Irrglauben" beobachten, die den bis dahin üblichen Termini für den christlichen Glauben (fides / religio) und denen der nicht christlichen Religionen (Sekte / Gesetz) innewohnt.

Dem Spezialfall der kulturellen Begegnungen im mittelalterlichen Spanien wandten sich die folgenden beiden Vorträge des zweiten Blocks zu. Der Linguist und Lyrikforscher GEORG BOSSONG (Zürich) beschrieb zunächst das Zusammengehen der christlichen, muslimischen und jüdischen Kulturen in der arabischen, hebräischen und spanischen Lyrik von Al Andalus im islamisch dominierten Spanien, das sich unter anderem an der Übernahme von Strophenformen und Motiven zeigen lässt. Als Ergebnis des Kulturkontaktes vermerkte er unter anderem Hybridität in Form und Inhalt der Lyrik.

Dagegen ging der abschließende Vortrag der Musikwissenschaftlerin SUSANA ZAPKE (Wien) der Frage nach, ob es auf musikalischer Ebene überhaupt möglich ist, von Verschmelzungsprozessen zu sprechen oder ob hier nicht die Identitätsschichten der jeweiligen kulturellen Profile eindeutig zu unterscheiden sind. Sie zeigte, dass ein ähnlich intensiver Austausch zwischen den verschiedenen Kulturen in der Musik nicht nachweisbar ist. Die Spuren des musikalischen Kulturkontaktes sind hier vielmehr außerordentlich spärlich.

Verbunden wurden die beiden Blöcke des interdisziplinären Workshops durch den Auftritt des interkulturellen Ensembles OURUD ELMAHABBE (Rostock), das unter dem Titel "Suleika und Hatem" Liebesgedichte von Johann Wolfgang von Goethe im 'orientalischen Klanggewand' präsentierten, zu denen STEFANIE AREND (Erlangen / Rostock) zuvor eine kurze literaturwissenschaftliche Einführung in Goethes "West-östlichen Divan" gegeben hatte.

Konferenzübersicht:

Monika Schausten (Siegen): Schwarz und Weiß: Zur Konstruktion kultureller und personaler Identität in Wolframs von Eschenbach 'Parzival' und Heinrichs von Neustadt 'Apollonius von Tyrland'

Almut Höfert (Basel): Der Diskurs der "Türkengefahr" und das ethnographische Wissen über das Osmanische Reich (1450-1600): Ein Phänomen des "Kulturkontaktes"?

Georg Bossong (Zürich): Die Verbindung von arabischen, jüdischen und christlichen Traditionen in der Lyrik von Al-Andalus

Ourud Elmahabbe (Rostock): Suleika und Hatem. Liebesgedichte von Johann Wolfgang von Goethe im orientalischen Klanggewand

Stefanie Arend (Erlangen/ Rostock): Einführung in Goethes 'West-östlichen Divan'

Susana Zapke (Wien): Erfindung oder Realität? Über Koexistenz-, Interferenz- und/oder Hybriditätsphänomene der drei Kulturen (arabischen, jüdischen und christlichen) auf der Iberischen Halbinsel


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