Families and Friends: Narratives on Past, Present and Future

Families and Friends: Narratives on Past, Present and Future

Organisatoren
Université du Luxembourg; Kulturwissenschaftliches Institut Essen (KWI)
Ort
Luxemburg
Land
Luxembourg
Vom - Bis
24.06.2010 - 26.06.2010
Url der Konferenzwebsite
Von
Heike Mauer, Düsseldorf;

Formen und Funktionen des Sprechens über Vergangenheitserinnerungen, Gegenwartsdeutungen und Zukunftserwartungen standen im Mittelpunkt der Tagung „Families and Friends: Narratives on Past, Present and Future“ (24. bis 26. Juni 2010). Die internationale Konferenz, die in Luxemburg stattfand, führte rund 20 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus der Tradierungs-, Milieu- und Generationenforschung zusammen. Organisiert wurde die Tagung von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des „Comparative Family History Projects“ und des Projektes „Futures and Pasts in Transition: Family Conversations on Occupational and Personal Ambitions and Perspectives in Luxembourg” (LUXFUT). Im Rahmen dieser Kooperation wurden in Deutschland, Luxemburg und den USA qualitative Interviews und Gruppendiskussionen mit Familien durchgeführt. Das Forschungsinteresse liegt dabei unter anderem darauf, wie der sozio-ökonomische Wandel der vergangenen Jahrzehnte und die aktuelle Wirtschaftskrise intergenerationell be- und verarbeitet wird.

Dazu stellte LESLEY ANNE BLEAKNEY (Essen/Atlanta) im ersten Panel über „Orientierung in Zeiten unsicherer Zukunft“ ihre Forschungsergebnisse vor. Am Beispiel von zwei US-Mittelklassefamilien zeigte sie, wie Ansichten zu Chancen und Grenzen sozialen Aufstiegs tradiert werden können. Wenn ökonomische Misserfolge einzelner Familienmitglieder als kollektive Lernerfahrung in Form eines „Redemption Narrative“1 angeeignet werden, dann bilden laut Bleakney viele Familien ein gemeinsames historisches Bewusstsein, das zur Antizipation der Zukunft nutzbar gemacht werden könne. In diesem Sinne gelinge es Familien, sich über gegenwärtige Zukunftserfordernisse zu verständigen und das über die Vergangenheit erzählte Aufstiegsnarrativ fortzuschreiben. Bewerteten die Generationen hingegen den andauernden sozio-ökonomischen Wandel unterschiedlich, erschwere dies die kollektive Verständigung. Die Herausbildung einer familialen Tradition bleibe dann aus. So habe die Eltern- und Großelterngenerationen in einer Familie responsiv zu der durch den Strukturwandel unübersichtlich gewordenen Gegenwart und zum befürchteten zukünftigen sozio-ökonomischen Abstieg eine Gegenfolie in Form eines „simple life“ entworfen und so das Motto „einfaches Landleben“ propagiert. Hiermit sei jedoch eine Verständigung über gegenwärtige Zukunftsentwürfe und -erfordernisse mit der Enkelgeneration blockiert worden, da sich letztere positiv auf das Narrativ des technischen Fortschritts bezogen und ambivalent auf den sozio-ökonomischen Wandel reagiert habe.

„Zukunft haben immer nur die anderen!“ Dieser Satz aus einem Interview, das HEIKE OHLBRECHT (Berlin) im Rahmen des Projektes „Familie und Gesundheit. Zu den Auswirkungen sozialer Benachteiligung, Armut und Exklusionsrisiken auf die Gesundheitschancen von Familien“ führte, dokumentiert eindrucksvoll ihre These, dass fehlende Zukunftsentwürfe auch aus einer sich ausdehnenden Gegenwartsbezogenheit resultieren können. In armen Familien führe dies sowohl zu einer „sozialen Vererbung stiller Entkoppelung“2 als auch zu einer Vererbung prekärer Verhaltensmuster im Bereich Gesundheit. Die aufgrund der prekären finanziellen und sozialen Situation oftmals faktisch fehlenden selbstbestimmten Gestaltungsmöglichkeiten würden durch ein resignatives Verharren im Jetzt bereits antizipiert. Damit einher gingen ein lediglich bruchstückhaftes Verweisen auf Vergangenes und eine fehlende Artikulationsfähigkeit von konkreteren Zukunftswünschen. In der anschließenden Diskussion wurde deutlich, dass die Frage, inwieweit diese Antizipation als Resignation oder als Resilienz der Familien gegenüber den prekären Kontextbedingungen (relative Armut, soziale Stigmatisierung und Exklusion – nicht zuletzt durch die Individualisierung sozialer Krisen) zu deuten sei, nur durch die Betrachtung des Einzelfalls entschieden werden könne.

Nachdem in der ersten Sektion deutlich wurde, welche Bedeutung die Verständigung über eine gemeinsame Vergangenheit für das intergenerationelle Übereinkommen über gegenwärtige Zukunftserfordernisse und deren Gestaltung einnimmt, wurden im zweiten Panel die dafür notwendigen generationsübergreifenden Tradierungsprozesse theoretisch und anhand eines Fallbeispiels in den Blick genommen.

Unter welchen Rahmenbedingungen innerhalb von Familien Tradierungsmuster entstehen und Kulturbildung stattfindet, beleuchtete JUTTA ECARIUS (Gießen). Sie betonte, dass Familien auf der Mesoebene eine wichtige Rolle für die Generierung von Kultur einnehmen. Demnach vermitteln Familien zwischen Individuen und Gesellschaft und bilden eine Struktur der liebenden Anerkennung, bei der intergenerationale Rollen nicht festgeschrieben seien. Kinder erlernten kulturelle Sinn- und Handlungsstrukturen innerhalb einer bereits gedeuteten und geordneten Welt. In den Erfahrungen der älteren Generation konkretisierten sich Familienthemen. Diese kollektiven Pools familialen Wissens seien ohne Differenz- und Fremdheitserfahrungen nicht zu denken. Vielmehr prägten Ambivalenzen, die Gleichzeitigkeit von Einheitlichkeit und Widersprüchlichkeit sowie Raum für Dynamiken, Veränderungen und Uminterpretationen die Beziehungsstrukturen.

CHRISTINA RADICKE (Göttingen), die den Tradierungsprozess innerhalb einer Drei-Generationen-Familie am Beispiel der Vermittlung des Leistungsgedankens rekonstruierte, zeigte auf, wie dieser Umgang mit Ambivalenzen und Uminterpretationen narrativ vermittelt wird. Diesen Prozess beschrieb Radicke als Wandel des familialen Bezugsrahmens vom Befehls- zum Verhandlungshaushalt. Konstant blieb in allen Generationen die Betonung und Bedeutung eigener und familiär erbrachter Bestleistungen. Wie jedoch eine hohe Leistungsmotivation zu erlangen sei, wandelte sich und wurde von den Generationen in teilweise konflikthafter Abgrenzung zueinander definiert. Während in der Großelterngeneration durch eindeutige Machtbeziehungen und Druck Bestleistungen verlangt worden seien, lehnten die nachfolgenden Generationen diesen hierarchischen Erziehungsstil strikt ab. Stattdessen sei das Leistungsnarrativ durch Förderung der Lernfreude, sorgfältige Auswahl von Bildungseinrichtungen sowie durch Betonung von emotionaler Zuwendung und Unterstützung zwischen Erziehenden und zu Erziehenden reformuliert worden.

Die Diskussion zeigte, dass diese Reformulierung des Familiennarrativs sowohl in Bezug zum Paradigmenwechsel der Post-68er-Erziehung und einem „Redemption Narrative“ der befreiten Erziehung als auch im Sinne der Foucaultschen Theorie der Gouvernementalität als Subjektivierung von Disziplinierung interpretiert werden kann.

HARALD WELZER (Essen) hob in seinem öffentlichen Abendvortrag die Bedeutung des Paradigmenwechsels innerhalb der historischen Forschung hervor, menschliche Handlungen innerhalb ihrer sozialen Beziehungen und nicht mehr als Folge von Kausalitäten zu deuten. Die Familie fungiere als primäre Organisationseinheit von Beziehungen und sei primäre Identitätsgeneratorin, die sich durch eine hohe Ambivalenztoleranz auszeichne und Lernen ermögliche. Flankiert werde diese Funktion durch das Instrument Freundschaft, welches bei der Herausbildung von familialen Frames wichtige Ergänzungs-, Spiegelungs- und Doppelungsfunktionen einnehme. Mit seiner Kritik an der starken Vergangenheitsorientierung der Erinnerungsdiskurse über den Nationalsozialismus unterstrich Harald Welzer die Bedeutung, die gegenwartsbezogenen Zukunftsentwürfen zukommt und die in der Familie – als die Gegenwart transzendierendes System – bereits enthalten seien. Erinnerung drohe dysfunktional zu werden, sobald im familialen Diskurs die präsente Vergangenheit für die Zukunft nicht mehr nutzbar gemacht werden könne. Kontrovers diskutiert wurde die These Harald Welzers, dass diese Dimension der Zukunftsentwürfe, der Visionen und der Utopien dem derzeit herrschenden Erinnerungsdiskurs fehle.

Wie vielfältig narrative Verarbeitungen sozio-ökonomischen Wandels ausfallen können, demonstrierten vier eindrucksvolle Beiträge. JENS KROH (Essen) konnte mit seinen im Rahmen des „Comparative Familiy History Projects“ mit Mittelschichtfamilien in Deutschland geführten intergenerationalen Familieninterviews herausarbeiten, dass die gegenwärtige Wirtschaftskrise und die damit einhergehende sozio-ökonomische Transformation innerhalb der Mittelschicht nicht zwangsläufig Abstiegsängste und „Statuspanik“ (C. Wright Mills) auslösen. Einerseits spiele nämlich die Krise keine dominante Rolle in der familialen Kommunikation. Andererseits werde sie in bestehende Deutungen integriert. Noch immer gehen Familien demnach oft davon aus, dass vorangegangene und gegenwärtige Investitionen in Bildung und Ausbildung zukünftige ökonomische Prosperität garantierten.

Mit der Situation in Ostdeutschland beschäftigten sich MARK HILLEBRAND (Potsdam) und SUSANNE LANTERMANN (Kassel). Mark Hillebrand arbeitete drei generationenspezifische Erzählhaltungen Ostdeutscher nach der Wiedervereinigung heraus. Als übergreifendes Narrativ lasse sich eine antizipierte Fremdevaluation herauskristallisieren, die sich aus dem veränderten Bewertungsrahmen aufgrund des Aufgehens der DDR in der Bundesrepublik erkläre. Zugleich konnte er spezifische generationale Deutungen in Hinblick auf die Bewertung der eigenen DDR-Vergangenheit sowie der Perzeption von Differenzen und Übereinstimmungen zu westdeutschen Lebensrealitäten identifizieren. Susanne Lantermann hingegen lotete innerfamiliäre Ambivalenzen im Umgang mit dem Strukturwandel in Wittenberge aus, einer stark schrumpfenden, postindustriellen Stadt in Brandenburg. Dort fungiere die Familie als Refugium vor einer sich wandelnden Welt, die gleichzeitig auch auf die bedrohlichen äußeren Lebensrealitäten vorbereiten solle. Die Ambivalenzen dieses Prozesses scheinen im Spannungsverhältnis zwischen der Optimierung zukünftiger ökonomischer Chancen einerseits und Loyalitätskonflikten aufgrund der eigenen familialen und geographischen Verbundenheit innerhalb der Familie andererseits auf.

ELISABETH BOESEN und FABIENNE LENTZ (beide Luxemburg) konnten in ihrer vergleichenden Studie zu gesellschaftlichem Wandel und familialer Tradition in Luxemburg belegen, dass gerade in traditionalen, bäuerlichen Familien der 1950er Jahre Zufall und individuelle Wahlmöglichkeiten einen entscheidenden Anteil an der persönlichen und der beruflichen Entwicklung einnahmen. In modernen, aktuellen Biografien hingegen präge der sozio-ökonomische Status der Familie die individuelle Berufswahl. Dieser Befund stehe im Gegensatz zur rhetorischen Figur des biografisch-handlungsfähigen Subjekts, deren Verwendung ein „kulturell unterschiedlich ausgeprägtes Vermögen“ (Elisabeth Boesen) und besonders in modernen Familien verbreitet sei.

Im folgenden Panel über Milieu- und Minderheitennarrative wurde die Bedeutung des Raumes für Familiennarrative deutlich.

So zeichnete MIRJAM TRIENDL-ZADOFF (München) nach, dass bis 1933 im Lebensweg des kommunistischen deutsch-jüdischen Politikers Werner Scholem und seiner Beziehung zu seinem Bruder Gershom zunächst nicht familiale Zukunftsentwürfe, sondern die Anhängerschaft zu zwei miteinander konkurrierenden Utopien des 20. Jahrhunderts, Kommunismus und Zionismus, bestimmend waren. So standen ihre ideologischen Differenzen und Übereinstimmungen in Abgrenzung zu ihrem deutschnationalen Elternhaus im Mittelpunkt ihrer Beziehung. Erst mit der erzwungenen räumlichen Trennung durch Verhaftung und Inhaftierung in Gefängnissen und Konzentrationslagern rückte bei Werner Scholem die Familie als utopische Vision mehr und mehr ins Zentrum seines Denkens und verdrängte im Angesicht ihres Scheiterns die Hoffnung auf eine kommunistische Utopie.

MARIE SCHNEIDER (Luxemburg) unterstrich die Funktion, die lebensgeschichtliche Narrative von Flüchtlingen bei der Wiederherstellung ihrer biografischen Kontinuität einnehmen. Eine besondere Herausforderung und Belastung im Umgang mit eigenen, durch die Migration erfolgten sozialen und räumlichen Um- und Abbrüchen stelle für Flüchtlinge ihre ungewisse Zukunftsaussicht während des Asylverfahrens dar. Verstärkt werde die Belastung dadurch, dass die Intention der Flucht in der Sicherung der eigenen Zukunft und des Überlebens liege.

Nicht Flucht, sondern die Vision einer in der Zukunft erstrebten triumphalen Heimkehr in die Türkei beleuchtete YASEMIN SOYTEMEL (Konstanz) am Beispiel deutsch-türkischer Jugendlicher aus Berlin. Mit diesem Narrativ imaginierten die Jugendlichen die Verwirklichung und die Manifestation ihres beruflichen Erfolges; eine zukünftige berufliche Anerkennung, die allein durch ihre triumphale Heimkehr in die Türkei projizierbar erscheine.

Im einleitenden Vortrag des Panels Geschlechtererzählungen lotete CLAUDIA LENZ (Oslo) die Rückgriffe auf Vergangenheit und die daraus generierten Zukunftsentwürfe der Frauen- und Geschlechterforschung aus. In der feministischen Theorie mit ihrem methodologischen Postulat, eine Wissenschaft im Dienst der politischen Emanzipation zu sein, lösten sich in drei Phasen dezidiert verschiedene Zukunftsvisionen ab. In der Phase der Frauengeschichte dominierten Matriarchatserzählungen als in die Vergangenheit projizierte Utopien. Diesen stark essentialistisch geprägten Erzählungen folgte die Dekonstruktion historischer Geschlechterordnungen. Die Beziehungen zwischen den Geschlechtern rückten gemeinsam mit bisher vernachlässigten Entwürfen von Männlichkeit(en) in den Blick. Verbunden seien diese mit der Hoffnung, gesellschaftliche Möglichkeitsräume zu öffnen und individuelle vergeschlechtlichte Zurichtungen zu überwinden. Im Mittelpunkt des Erkenntnisinteresses der Queer Theory standen in einer dritten Phase bisher ausgeschlossene Geschlechtlichkeiten und Sexualitäten jenseits der Dichotomien „Mann/Frau“ und „männlich/weiblich“. Durch den Rückgriff auf Theorien der Performanz und der Performativität erlangte die durch (Sprech-)Akte generierte Gegenwart als „die Erinnerung des in die Zukunft weisenden Augenblicks“ Bedeutung. Der Blick auf zukunftsweisende Utopien und „große Erzählungen“ werde abgelöst durch die Hinwendung zu alltäglichen und permanent sich ereignenden Verschiebungen von Identitäten.

Welche vergangenen und gegenwärtigen Männlichkeits- und Weiblichkeitsvorstellungen in einer Familie des gehobenen Bürgertums Luxemburgs hinsichtlich der Vereinbarkeit von Berufstätigkeit und Kindererziehung vorherrschen und wie diese intergenerationell verhandelt werden, stellte SOPHIE NEUENKIRCH (Luxemburg) vor. Sie ging der Frage nach, inwieweit Erzählungen von den älteren Familienmitgliedern den jüngeren Generationen heute noch als Orientierung für die Zukunft dienen, oder ob sich dazu die heutigen Möglichkeiten der selbständigen Lebensgestaltung zu sehr von denen der VorfahrInnen unterscheiden. Der Analyse eines Familiengesprächs konnte Sophie Neuenkirch die Aushandlung der Gültigkeit verschiedener Geschlechterbilder zwischen den Generationen und den Bezug auf unterschiedliche Referenzrahmen aufzeigen. Dabei stellte sich dieser Prozess vor allem für die Zweite Generation als konfliktbeladen dar: In der Selbsteinordnung zwischen dem „Hausfrauenmodell“ der 1950er Jahre und dem Anspruch eines gelebten feministischen Frauenbildes wurden Mutterschaft und die damit verknüpften Erziehungsaufgaben als Belastung empfunden und die Erfüllungen des Berufslebens idealisiert.

Dass Frauenbeziehungen und Geschlechtererzählungen oft auch que(e)r zu familialen Beziehungen gezeichnet werden müssen, verdeutlichten die Ausführungen zu Frauenfreundschaften von MARGRET HANSEN (Freiburg). In ihrem Beitrag rückten zum ersten und einzigen Mal im Verlauf der Tagung dezidiert Freundschafts- und nicht Familienbeziehungen in den Mittelpunkt des Erkenntnisinteresses. Das Besondere der Freundschaften zwischen den Frauen liege in ihrer Wahl- und Zweckfreiheit. Außerdem betonte Margret Hansen den bedeutenden Einfluss von biografischen Übergängen (Studienbeginn, Geburt des ersten Kindes, Unterstützung in Lebenskrisen) auf den Verlauf der Freundschaften zwischen Frauen.

Der abschließende Vortrag von PETER KAISER (Vechta) und die darauf folgende Diskussion fokussierte noch einmal auf das autopoietische System der Familie. Durch den von Peter Kaiser gewählten therapeutischen Zugang rückte die große Bedeutung der Forschungsethik in den Mittelpunkt des Austauschs. Die Methode der Einzel- und Gruppeninterviews stelle ein quasi-therapeutisches Setting ohne psychologische Begleitung dar, das einen reflektierten und sensiblen Umgang mit den gewonnenen Einblicken in die Lebensrealitäten der Familien zwingend erforderlich mache.

Als Ausblick für die weitere Forschung diskutierten die Teilnehmenden, ob und unter welchen Gegebenheiten Heterotopien im Sinne Foucaults das Potential entfalten könnten, temporale Kontexte (etwa die gleichzeitige Abwesenheit von Vergangenheit und wirklichen Zukunftsutopien) zu durchbrechen. Betont wurde die Notwendigkeit, Verräumlichung und Verzeitlichung zusammen zu denken.

Abgerundet wurde die Tagung durch eine Stadtführung von SONJA KMEC (Luxemburg), die anhand von luxemburgischen Frauenlegenden und Frauenleben noch einmal den Blick auf die gegenwärtigen Rekonstruktionen von (nationaler) Vergangenheit und Identität warf.

Konferenzübersicht

Begrüßung: Michel Margue (Luxemburg)

Orientierung in Zeiten unsicherer Zukunft

Lesley Anne Bleakney (Essen/Atlanta) „The future ain’t what it used to be“ – Generationsspezifische Wahrnehmungen vergangener und gegenwärtiger Zukunftsperspektiven in den USA

Heike Ohlbrecht (Berlin): Armut und Gesundheit in Familien. Familiengeschichtliche Gespräche über Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft

Familien, Generationen, Tradierung

Jutta Ecarius (Gießen): Familienthemen, Biographie und Lernen: Tradierung und Wandel in drei Generationen

Christina Radicke (Göttingen): Tradierungsprozesse und Erziehung in Drei-Generationen-Familien

Öffentlicher Vortrag

Harald Welzer (Essen): Familiengeschichten. Über die Funktionalität von Fiktionen

Narrative Verarbeitungen des sozioökonomischen Wandels

Jens Kroh (Essen) „Guter Nachwuchs ist immer gesucht.“ Formen und Funktionen von Familiennarrativen in Zeiten der Wirtschaftskrise

Elisabeth Boesen/Fabienne Lentz (Luxemburg): Gesellschaftlicher Wandel und familiäre Tradition in Luxemburg

Mark Hillebrand (Potsdam): Narrative Strategien und Erzählhaltungen Ostdeutscher nach der Wiedervereinigung im Generationenvergleich

Susanne Lantermann (Kassel): Die Sehnsucht nach Gestern – Kollektive Narrative und familiäre Zukunftsvorstellungen

Milieu- und Minderheitennarrative

Mirjam Triendl-Zadoff (München): Bei „Kommunistens“. Familienleben im Schatten der Revolution

Yasemin Soytemel (Konstanz): Triumphale Heimkehr als Selbstbehauptung. Narrative türkisch-deutscher Jugendlicher in Berlin

Marie Schneider (Luxemburg): Narrationen als Elemente von Identitätskonstruktion und kultureller Annäherung bei Flüchtlingen

Sonja Kmec (Luxemburg): Frauenleben/Frauenlegenden – Stadtführung

Geschlechtererzählungen

Claudia Lenz (Oslo): Erinnerungsprojekte und Zukunftsentwürfe in der Frauen- und Geschlechterforschung

Sophie Neuenkirch (Luxemburg): „Heute wäre sie bestimmt Lehrerin geworden“ – Vergangenheitsbilder und Zukunftserwartungen im intergenerationellen Gespräch

Margret Hansen (Freiburg): Narrative im lebensgeschichtlichen Erzählen über Frauenfreundschaften

Methoden und Abschlussdiskussion

Peter Kaiser (Vechta): „Hans ist so geworden, weil sie ihm immer alles haben durchgehen lassen...“. Narrative Methoden in der familienpsychologischen Forschung

Anmerkungen:
1 Als „Redemption Narrative“ sei in der Familienforschung die kollektive Nutzbarmachung eines Missgeschicks/einer Fehlentscheidung eines einzelnen Familienmitglieds zu verstehen. Indem die Familie „eine Lehre“ aus dem Ereignis ziehe, werde es möglich daraus Handlungsoptionen für die Zukunft abzuleiten, erläuterte Bleakney.
2 Heinz Bude / Andreas Willisch, Das Problem der Exklusion, in: Dies. (Hrsg.): Das Problem der Exklusion. Ausgegrenzte, Entbehrliche, Überflüssige, Hamburg 2006, S. 7-26, bes. S. 22.


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