Digitale Urkundenpräsentationen. Laufende Projekte und aktuelle Entwicklungen

Digitale Urkundenpräsentationen. Laufende Projekte und aktuelle Entwicklungen

Organisatoren
Generaldirektion der staatlichen Archive Bayerns
Ort
München
Land
Deutschland
Vom - Bis
16.06.2010 -
Url der Konferenzwebsite
Von
Florian Kieslinger, München

Zum Abschluss des von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) zwischen Januar 2008 und März 2010 geförderten Projekts „Urkundenportal“ fand am 16. Juni 2010 ein Workshop in München statt. Die gut besuchte Tagung wurde geleitet und moderiert von THOMAS JUST (Wien), JOACHIM KEMPER (München) sowie THOMAS AIGNER (Wien). Die Organisation erfolgte durch die staatlichen Archive Bayerns (Joachim Kemper mit KATHARINA WOLFF, FLORIAN KISLINGER sowie MICHAEL UNGER).

Elf Referenten präsentierten Vorträge, denen teilweise intensive und lebhafte Diskussionen folgten. An der Tagung nahmen insgesamt ca. 50 Referenten bzw. Gäste aus Deutschland, der Schweiz, aus Österreich sowie aus Ungarn teil. Eine Publikation der Beiträge im Rahmen der Schriftenreihe des Instituts für Dokumentologie und Editorik (<http://www.i-d-e.de/>) ist geplant.

Nach einer kurzen Begrüßung dankte CHRISTIAN KRUSE (München) von der Generaldirektion der staatlichen Archive Bayerns der DFG für die Projektfinanzierung und den beteiligten Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Projekts sowie den involvierten Einrichtungen für die stete Förderung und erfolgreiche Durchführung des Projekts.

Thomas Aigner vom ICARUS – „International center for archival research“ – stellte anschließend kurz den Umfang des aktuellen Urkundenbestandes von „Monasterium“ im Netz vor und betonte die Vorteile einer internationalen Zusammenarbeit im Rahmen des Projekts. Derzeit sind in „Monasterium“ mehr als 190.000 Urkunden online, davon stammen über 20.000 aus bayerischen Staatsarchiven (allen voran aus dem Hauptstaatsarchiv).

Im eröffnenden Vortrag „Bayerische Urkunden im Netz: Erfahrungen und Perspektiven aus dem DFG-Projekt Urkundenportal“ ging Joachim Kemper zunächst näher auf die einzelnen Projekte zur Urkundendigitalisierung bei den staatlichen Archiven ein. Neben dem DFG-Projekt „Urkundenportal“ stellte er das Projekt „Schriftlichkeit in süddeutschen Frauenklöstern“, das EU-Projekt „Charters Network“ und das im Herbst 2010 anlaufende Projekt „Virtuelles deutsches Urkundenarchiv“ vor. Zu diesen Projekten hinzu kommt bald das umfängliche EU-Projekt „European network on archival cooperation“ (ENArC). Im DFG-Projekt Urkundenportal arbeiteten zwei wissenschaftliche Mitarbeiter sowie zwei studentische Hilfskräfte. Katharina Wolff (München) gab anschließend einen kurzen Einblick in die einzelnen Arbeitsschritte während des Projekts und in die Praxis der Projektdurchführung und der zugehörigen, recht erfolgreichen Öffentlichkeitsarbeit. Derzeit stehen über 16.000 Urkunden (Images und Erschließungsinformationen), die über das Projekt bearbeitet und digitalisiert werden konnten, bereits via „Monasterium“ im Internet zur Verfügung; zum Jahresende werden sämtliche Urkunden (ca. 30.000) online zur Verfügung stehen.

Im zweiten Beitrag der Tagung referierte FRANCESCO ROBERG (Marburg), ausgehend von seiner Transferarbeit an der Archivschule Marburg, zum Thema Strategien, Methoden und Ziele bei der Digitalisierung größerer Urkundenbestände. Er betonte dabei einerseits die Bedeutung von Richtlinien der Archive bei der Verzeichnung von Urkunden, andererseits aber auch die Ansprüche und Bedürfnisse der interessierten Laien und wissenschaftlichen Nutzer der Urkundenbestände. Roberg ging dabei auch auf die Problematik von Vollregesten bei der Verzeichnung ein. Der Referent plädierte nicht zuletzt aufgrund einer einfachen Kosten-Nutzen-Rechnung für eine (weitgehende) Beschränkung der Archive auf Kurzregesten.

Anschießend stellte STEFFEN ARNDT (Gotha) das laufende DFG-Projekt „Von Bonifatius bis Napoleon. Online-Edition der Urkunden der Reichsabtei Fulda 751-1837“ im Hessischen Staatsarchiv Marburg vor. Er betonte dabei die besondere historische Stellung der reichsunmittelbaren Abtei Fulda, die nur dem Heiligen Stuhl unterstand und europaweite Kontakte zu geistlichen und weltlichen Herrschaften pflegte. Arndt schilderte detailliert die Arbeitsvorgänge von der Zusammenstellung des Materials über die Regestierung und Digitalisierung bis hin zur Online-Publikation. Momentan sind bereits 2100 Regesten bis zum Jahr 1700 im Internet zugänglich.

CSABA REISZ (Budapest), der Generaldirektor des Ungarischen Staatsarchivs, schilderte in seinem Vortrag die historische Entwicklung seines Archivs, das zuletzt im Jahr 2008 eine neue organisatorische Struktur erhielt. Deutlich wurde die entscheidende Zäsur des Jahres 1526, als durch die Niederlage gegen die Türken bei Mohacs viele ungarische Dokumente verloren gingen. Heute umfasst das Staatsarchiv eine diplomatische Sammlung sowie eine diplomatische Fotosammlung zu sämtlichen ungarischen Urkunden (auch außerhalb Ungarns). Momentan sind etwa 38.000 Urkunden online veröffentlicht, Tendenz stark steigend.

Nach der Mittagspause eröffneten Thomas Just und KARL HEINZ (Wien) den zweiten Teil des Workshops mit der Vorstellung des virtuellen Urkundenarchivs „Monasterium“ am Beispiel Österreichs. Ausgangspunkt des mitteleuropäischen Projekts „Monasterium“ war die Region Niederösterreich. Mittlerweile umfasst das Portal ca. 80 Einrichtungen aus 11 Staaten, darunter Staats- und National-, Stadt- und Regionalarchive, aber auch Universitäten und Bibliotheken. Durch die online befindlichen Metadaten und Digitalisate bietet diese Plattform umfassende Möglichkeiten der Recherche für die Forschung, aber auch für Universitäten und Schulen. Thomas Just ging anschließend näher auf den Stand der digitalen Urkundenpräsentationen (Monasterium) in Österreich ein. Mittlerweile sind fast alle größeren österreichischen Landes- und Klosterarchive beteiligt, nur in Kärnten, Tirol, der Steiermark und im Burgenland gibt es mehr oder weniger große weiße Flecken. Demnächst soll auch die Digitalisierung der historischen Staatsverträge und der slowenischen Urkunden im Haus-, Hof- und Staatsarchiv in Wien beginnen.

SEBASTIAN MÜLLER (Marburg) thematisierte ein weiteres DFG-Projekt, nämlich das Marburger Lichtbildarchiv Online (LBA Online). Müller gab anschließend einen kurzen Einblick in die Praxis und Modalitäten der zugrunde liegenden Urkundendatenbank und stellte verschiedene Recherchemöglichkeiten im Netz vor.

Nach einer kurzen Kaffeepause eröffnete GEORG VOGELER (München) die abschließende Sektion des Workshops („Das Verhältnis von Archiven und Diplomatik im Netz: Von der Bereitstellung zur Kollaboration“). Zunächst ging er näher auf die verschiedenen Darstellungsmöglichkeiten von Urkunden im Netz ein, die sich über retrodigitalisierte Urkundenbücher, über Neueditionen bis hin zu Findbüchern und Bildern erstrecken. Für diese Projekte leisten sowohl die Archive wie auch die Diplomatik bzw. die Mediävistik ihren je eigenen Beitrag. Für das Archiv besteht der Vorteil der Digitalisierung vor allem in der Schonung der Originale und der Zugänglichmachung für die breite Öffentlichkeit. Konkurrierende Ansprüche, aber auch eine erforderliche umfangreiche Forschungsleistung könnten jedoch auch in dieser Hinsicht Probleme bereiten. Vogeler betonte, dass es mittlerweile unumgänglich sei, die zukünftigen Urkundendigitalisierungsprojekte kollaborativ im Sinne des Web 2.0 zu konzipieren, und führte intensiv in eine überarbeitete Version des kollaborativen Werkzeugs im Rahmen von Monasterium ein.

In einem letzten Beitrag referierten MANFRED THALLER (Köln), MARIA MAGDALENA RÜCKERT (Stuttgart) und Joachim Kemper gemeinsam zum Thema „Urkundendigitalisierung und virtuelle Netzwerke“. Kemper skizzierte das für den Vortrag namengebende neue DFG-Projekt „Virtuelles deutsches Urkundenarchiv“. Thaller stellte anschließend die praktische Umsetzung der Urkundendigitalisierung am Beispiel der Universität Köln vor. Vorrangige Aufgabe seines am Projekt beteiligten Instituts ist dabei die technische Unterstützung der geisteswissenschaftlichen Forschung und Archivpartner, die Arbeit an einer virtuellen Forschungsumgebung im Bereich der Urkundendigitalisierung.

Maria Magdalena Rückert erläuterte abschließend die Zusammensetzung des DFG-Projekts, das im Herbst 2010 anlaufen wird. Neben einigen kleineren Archiven sind die Archivverwaltungen von Bayern, Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz beteiligt; hinzu kommen mehrere Partner aus dem Bereich der historischen und landeskundlichen Forschung sowie das Kölner Institut von Manfred Thaller.

Die Beiträge des Workshops haben auf vielfältige Weise die Praxis der Urkundenpräsentation im Netz sowie der Digitalisierung verdeutlicht. Neben der Vorstellung aktueller Projekte nahmen die konkreten Arbeitserfahrungen einen großen Raum in den Vorträgen der Referenten ein. Insbesondere die Behandlung technischer Fragen, der Blick auf die Zukunft der Urkundendigitalisierung im zweiten Teil der Veranstaltung und die rege Diskussion zeigten, dass nach wie vor ein großer Informationsbedarf in diesem Zusammenhang besteht und eine kritische Hinterfragung der aktuellen Arbeitsabläufe notwendig bleibt.

Konferenzübersicht

Begrüßung durch Christian Kruse (München) und Thomas Aigner (Wien)

Joachim Kemper (München) und Katharina Elisabeth Wolff (München): Bayerische Urkunden im Netz: Erfahrungen und Perspektiven aus dem DFG-Projekt „Urkundenportal“

Franceso Roberg (Marburg): Die Digitalisierung größerer Urkundenbestände in Archiven: Strategie, Methoden und Ziele

Steffen Arndt (Gotha): Von Bonifatius bis Napoleon. „Online-Edition“ der Urkunden der Reichsabtei Fulda 751 – 1837 im Hessischen Staatsarchiv Marburg

Csaba Reisz (Budapest): Collectio Diplomatica Hungarica. Mittelalterliche Urkunden online

Thomas Just (Wien) und Karl Heinz (Wien): Das virtuelle Urkundenarchiv “Monasterium” am Beispiel Österreich

Sebastian Müller (Marburg): Das DFG-Projekt „Marburger Lichtbildarchiv Online“

Georg Vogeler (München): Das Verhältnis von Archiven und Diplomatik im Netz: Von der Bereitstellung zur Kollaboration

Manfred Thaller (Köln), Maria Magdalena Rückert (Stuttgart) und Joachim Kemper (München): Urkundendigitalisierung und virtuelle Netzwerke

Schlussdiskussion


Redaktion
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