At the Heart of it All: Concepts of Motherhood in the 20th Century United States

At the Heart of it All: Concepts of Motherhood in the 20th Century United States

Organisatoren
Isabel Heinemann / Anne Overbeck, Emmy Noether-Nachwuchsgruppe „Familienwerte im gesellschaftlichen Wandel“, Westfälische Wilhelms-Universität Münster;
Ort
Münster
Land
Deutschland
Vom - Bis
15.07.2010 - 17.07.2010
Url der Konferenzwebsite
Von
Anja-Maria Bassimir, Historisches Seminar, Westfälische Wilhelms-Universität Münster; Andre Dechert, Emmy Noether Nachwuchsgruppe „Familienwerte im gesellschaftlichen Wandel“, Westfälische Wilhelms-Universität Münster

„Mutterschaft“ wurde während des gesamten 20. Jahrhunderts im Rahmen öffentlicher Debatten in den USA kontrovers diskutiert, dabei aber stets als Fundament der amerikanischen Gesellschaft betrachtet. Die von der Nachwuchsforschungsgruppe im Emmy Noether-Programm der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) „Familienwerte im gesellschaftlichen Wandel: Die US-amerikanische Familie im 20. Jahrhundert“ organisierte Tagung setzte es sich zum Ziel, die sich wandelnden Vorstellungen von Mutterschaft während des 20. Jahrhunderts vor dem Hintergrund aktueller Forschung neu zu betrachten. Dabei sollten sowohl gesellschaftliche Werte und Normen der „white middle class“ als auch deren In- und Exklusionsmechanismen gegenüber Minoritäten in den Blick genommen werden. Anhand der Betrachtung einzelner Abschnitte des 20. Jahrhunderts nahm der Workshop langfristige Wandlungsprozesse in der amerikanischen Gesellschaft in den Blick, welche durch unterschiedliche Vorstellungen von Mutterschaft angestoßen oder verdeutlicht wurden. Zentrale Analysekategorien stellten die Begriffe class, race und gender dar.

BARBARA ANTONIAZZI (Berlin) wies anhand von Selbstdarstellungen von arbeitenden Immigrantinnen in Romanen und Autobiographien der Progressive Era nach, wie sich diese von traditionellen weiblichen Rollenvorstellungen, insbesondere dem historischen Konzept von „mothering the nation“, lösten und so die Gender- und Klassenstereotypen des urbanen Amerika transzendierten. Gefangen zwischen der mütterlichen „Fürsorge“ von Reformerinnen aus der Mittelklasse (wie Charlotte Perkins Gilman und Jane Addams) und der väterlichen Rhetorik der sie als günstige Arbeitskräfte ausbeutenden Fabrikanten, antworteten die immigrierten Arbeiterinnen mit einer „counterlanguage of disaffiliation“, welche auf Autonomie als soziale Gruppe abgezielt habe. Sie lösten sich von traditionellen Mutterschaftskonzepten, indem sie durch die Selbstdarstellung als „orphan“ und (bürgerlicher) „lady“ ein autonomes weibliches Subjekt kreierten: die „working women“. Dieses Konzept bezeichnete Antoniazzi als „unmothering the self“. Die berufstätigen Immigrantinnen grenzten sich zwar so von den „maternalist reformers“ ab, kopierten zugleich deren Techniken zur politischen Mobilisierung und hofften auf sozialen Aufstieg und Respektabilität.

RUTH FELDSTEIN (Newark, NJ) zeigte, dass auch in den 1930er-Jahren Mutterschaftskonzepte im öffentlichen Diskurs von herausragender Bedeutung blieben: der New-Deal-Liberalismus basierte auf „racialized conceptions of motherhood“. Als Reaktion auf eine durch die Great Depression hervorgerufene Krise der Männlichkeit sei die Annahme weit verbreitet gewesen, dass die Bewältigung der Wirtschaftskrise maßgeblich davon abhing, wie Frauen ihre Mutterrolle ausfüllten. „Gute Frauen“ hätten die Männlichkeit ihrer Ehemänner nicht gefährdet, ihre Arbeitsplätze für diese freigemacht und sich um ihre Familien gekümmert. Solchen Frauen half die New-Deal-Gesetzgebung mit Sozialleistungen. Schwarzen Frauen, die traditionell außer Haus arbeiteten, wurde unterstellt, dass sie ihre Männer effeminierten. Dieser neue Fokus auf das Private, insbesondere die Familie, habe auch in der Populärkultur Niederschlag gefunden. Obwohl sich Vertreter des amerikanischen Liberalismus in den 1930er-Jahren für eine Verbesserung der Rassenbeziehungen einsetzten, seien in der Populärkultur weiter auf Rasse basierende Konzepte von Mutterschaft vermittelt worden, wie Feldstein anhand des Hollywood-Films „Imitation of Life“ (1934) verdeutlichte. So verkörperten afro-amerikanische Frauen den Typus der „flawed mammy“, während weiße Frauen weiterhin oftmals als „good mothers“ beschrieben worden wären. Zugleich seien konservative Gender-Vorstellungen – wie diejenigen der Frau als „homemaker“ – transportiert worden. Feldstein betonte die Bedeutung von historischen Quellen aus dem Bereich der Populärkultur für die Geschichtswissenschaft, insbesondere die Gender-Forschung. Vor allem in den 1930er-Jahren stelle die Populärkultur einen Verhandlungsort dar, an dem ethnische oder soziale Minoritäten abseits der vorherrschenden Familienideale der „white middle class“ einen breiteren Dialog über Gender-Rollen anstoßen konnten. Kritisch anzumerken ist jedoch, dass sie – wie auch Antoniazzi – keine theoretischen Überlegungen anführte, die die Verwendung von Populärkultur als Quelle stützen.

RICKIE SOLINGER (New York) hatte bereits in ihrem Eröffnungsvortrag deutlich gemacht, dass die Kategorie Race in den USA als Voraussetzung für „legitimate motherhood“ institutionalisiert wurde. So sei der Social Security Act von 1935 effektiv nur weißen Frauen zu Gute gekommen. Sie wies ebenfalls auf die Gesetzgebung einzelner Staaten hin, die Strafen für „socially unqualified mothers“ im Sinne einer Sicherung der „white supremacy“ festlegte. Es zeigt sich somit, dass Mutterschaftsvorstellungen in den 1930er-Jahren maßgeblich durch die Kategorie „Race“ geprägt waren.

CLAUDIA ROESCH (Münster) legte am Beispiel des Handbuchs „Americanization through Homemaking“ (1929) dar, dass die Amerikanisierung von Mexican-Americans für schwierig aber dennoch möglich gehalten wurde. Zentral für das Gelingen dieses Prozesses war das Verhalten der „Mexican-American mothers“. Vermittelt wurde einerseits die Überzeugung, dass Amerikanisierung zu Hause stattfinden müsse, zum anderen das Ideal der moralisch guten und reinlichen Vollzeit-Mutter, die ihre Familie durch den eigenen Vorbildcharakter lenkte. Implizit wurden „Mexican-American women“ als unmoralisch und dreckig charakterisiert und ihnen eine lose Sexualmoral und „siesta attitude“ unterstellt. Dementsprechend räumten die Amerikanisierungsprogramme dem Erlernen von amerikanischen Hygieneeinstellungen und hausfraulichen Tätigkeiten Vorrang vor dem Erwerb der englischen Sprache ein. Die Autoren des Handbuches argumentierten an der Lebenswirklichkeit der „Mexican-American women“ vorbei, die meist außer Haus arbeiten mussten. Die Tatsache, dass dem Sprachunterricht wenig Bedeutung beigemessen wurde, erschwerte zusätzlich den sozialen Aufstieg, sodass das in dem Handbuch vermittelte Ideal weitgehend unerreicht bleiben musste.

REBECCA JO PLANT (San Diego, CA) vertrat in ihrem Vortrag die These, dass das bis dahin herrschende Ideal von Mutterschaft in den 1920ern und zunehmend in der Zeit nach dem zweiten Weltkrieg pathologisiert wurde. Während Mütter zuvor als Erzieherinnen von republikanischen Söhnen idealisiert worden seien, beargwöhnten Psychologen und andere „Experten“ nun den Einfluss von Müttern auf ihre Söhne. Ausgangspunkt des Vortrags war das 1942 veröffentlichte Buch „Generation of Vipers“ von Philip Wylie, in dem die enge Beziehung zwischen Müttern und ihren Kindern unter dem Begriff „Momism“ als krankhaft stigmatisiert wurde. Die Untergrabung der Mutter als moralische Machtinstanz brachte keine proto-feministische Kritik hervor. Vielmehr adaptierten liberale Frauen Teile von Wylies Analyse als Chance unabhängig von ihrer Mutterrolle gesellschaftlich als Individuen anerkannt zu werden. Mutterschaft wandelte sich so von einer lebenslangen, selbstaufopfernden, all-umfassenden Identität zu einer, wenn auch zentralen, Phase im Leben einer Frau.

ELIZABETH MORE (Harvard, MA) knüpfte an Plants Ausführungen an, Vollzeit-Mütter seien von verschiedenen Experten als dominierend beschrieben worden. Während der Sorge um das Kind weiterhin eine zentrale Bedeutung für die Identität der Frau beigemessen wurde, vertraten Autorinnen wie Mirra Komarovsky, Viola Klein und Alva Myrdal in den 1950er-Jahren die originäre Meinung, dass eine arbeitende Mutter unter Umständen zum Kindeswohl beigetragen hätte. More bezog sich dabei insbesondere auf Mirra Komarovskys “Women in the Modern World. Their Education and Their Dilemmas“ von 1953 und Viola Kleins und Alva Myrdals „Women’s Two Roles. Home and Work“ von 1956. Diese Autorinnen stellten die These auf, dass Mütter, die gerne arbeiteten, aber gezwungen waren zu Hause zu bleiben, unglücklicher waren, als solche, die gezwungen waren zu arbeiten; die Gemütslage der Mütter wiederum habe Auswirkung auf das Kindeswohl. Indem sie sich der wissenschaftlichen Sprache und Methodik bedienten, verhalfen diese Autorinnen einem Kompromissmodell zu Akzeptanz, das Teilzeitarbeit für Mütter befürwortete.

STEFANIE COCHÉ (Köln) wies darauf hin, dass neuere Konzeptionen von Mutterschaft, wie sie in den Vorträgen von Plant und More angedeutet wurden, mit dem Wieder-sichtbar-werden konservativ-religiöser Gruppen zusammenfielen. Am Beispiel einer Analyse der evangelikalen „Familien-Zeitung“ Moody Monthly, zeigte sie für die 1980er-Jahre, dass in konservativ-religiösen Kreisen weiterhin an traditionellen Familienvorstellungen festgehalten wurde. Ob die Bezeichnung „viktorianisch“, die Coche für diese Vorstellungen gebrauchte, angebracht ist, wurde von den Teilnehmerinnen und Teilnehmern diskutiert. Coché beschrieb, dass die Autoren gleichzeitig eine qualitative Gleichheit von Mann und Frau postulierten und an der Unterordnung der Frau unter den Ehemann festhielten. Der Frau wurden „qualitativ gleichwertige, aber andersartige“ Werte wie moralischer Intuition zugeschrieben, während die Ungleichheit zwischen Mann und Frau bekräftigt wurde. Coché betonte, dass sich ein ähnliches Phänomen im Katholizismus erkennen ließe, wo ebenfalls physische und spirituelle Unterschiede zwischen Männern und Frauen unterstrichen wurden.

ANNE OVERBECK (Münster) zeigte, dass sich Sozialfürsorge im öffentlichen Diskurs des 20. Jahrhunderts zu einem Synonym für „race“ entwickelte. Solinger hatte in ihrem Eingangsvortrag bereits darauf hingewiesen, dass die Frage „Who gets to be a legitimate mother?“ nicht zuletzt durch die Kategorie „race“ bestimmt war. Overbeck führte aus, dass „African American families“ als etwas beschrieben wurden, das repariert und reguliert werden müsse. In der 1924 gegründeten, vornehmlich von Schwarzen frequentierten Harlem Clinic gab es bereits eine auf Geburtenkontrolle ausgerichtete Familienberatungsstelle, während in den 1950er- und 60er-Jahren in Debatten über die „Aid to Families with Dependent Children“-Sozialfürsorgereform angeregt wurde, Sozialhilfeempfängerinnen sterilisieren zu lassen oder Sozialhilfe für solche Mütter zu kürzen, die ein zweites Kind bekamen. In den 1980er-Jahren flammte eine Debatte über „crack babies“ auf. Die von den Medien hochgespielte Theorie besagte, dass in städtischen Krankenhäusern überwiegend geschädigte Babies von (schwarzen) drogenabhängigen Müttern betreut werden müssten. In allen Fällen wurde der Eingriff des Staates als notwendig empfunden, um bedürftige – implizit schwarze – Mütter, vor sich selbst zu schützen.

Es gelang dem Workshop den Wandel von Mutterschafts-Konzepten aufzuzeigen. Besonders positiv hervorzuheben ist in diesem Zusammenhang, dass sich der Workshop nicht nur auf die „white middle class“ und damit dominante Konzepte beschränkte, sondern auch Minoritäten wie die Mexican Americans oder Afro-Americans in jeweils eigenen Panels in den Blick nahm. Ebenso ist die breite Quellenbasis positiv hervorzuheben, die die Analyse von Diskursen verschiedenster Art ermöglichten.

Die Diskussionen kreisten während des Workshops immer wieder um die Definition von Mutterschaft und die Pluralität von Mutterschaftskonzepten. Die Forschung behandle zwar einzelne ethnische oder soziale Gruppen, konzeptionelle Ansätze, die es erlauben race- und class-Grenzen zu überschreiten, würden jedoch erst entwickelt. Isabel Heinemann wies in diesem Zusammenhang insbesondere auf das Potential von Langzeitstudien hin. Nur so seien Kontinuitäten und Brüche hinsichtlich gesellschaftlicher Werte und Normen zu erkennen und einzuordnen. Rebecca Jo Plant und Rickie Solinger argumentierten, dass die erst am Anfang stehende transnationale Forschung zu Mutterschaft und Familienwerten die nationale Forschung maßgeblich bereichern könne.

Es wurde zudem gefragt, wie viel Raum der Konstruktion von „Familie“ bei der Analyse von Mutterschaftskonzeptionen eingeräumt werden muss und wie die Definition von Familie (Familie als Ehepaar mit Kindern oder ohne Kinder, unverheiratete Paare mit und ohne Kinder, Adoptiv- und Patchwork-Familien, gleichgeschlechtliche Paare mit und ohne Kinder) die Bedeutung von Mutterschaft beeinflusst. Auch die Rolle der Religion(en) bei der Tradierung aber auch Transformation von Mutterschaftskonzepten müsse stärker berücksichtigt werden. Die Einbeziehung von Kindern und Vätern als ergänzende Kategorien wurde angemahnt. Der Aspekt der Vaterschaft wird bei einem weiteren Workshop der DFG-Gruppe vom 2.-4. Dezember 2010 zum Thema „‚Bro's, Homes, and Dudes‘ – Men and Masculinities in the 20th Century American Family“ erörtert werden.

Konferenzübersicht:

Eröffnungsvortrag

Rickie Solinger (New York): Qualifying for Motherhood in the United States. How the Rules Have Changed over Time

Thematische Einführung

Isabel Heinemann (Münster): Concepts of Motherhood in the 20th Century United

Panel I: Concepts of Motherhood during the Progressive Era and the New Deal

Moderation: Rebecca Jo Plant (San Diego, CA)

Barbara Antoniazzi (Berlin): Mothering the Nation, Unmothering the Self New Women and Maternal Narratives in the Progressive Era

Ruth Feldstein (Newark, NJ): Citizenship, Motherhood, and Race in New Deal Liberalism

Panel II: Mothers, Working Women, and the Expert, 1940-1969

Moderation: Isabel Heinemann (Münster)

Rebecca Jo Plant (San Diego, CA): Mom. The Transformation of Motherhood in Modern America

Elizabeth More (Harvard, MA): Women, Social Science, and the Reinvention of the Working Mother, 1945-1965

Panel III: Family Values and Reproduction. Mexican American Women in the Focus of Social Politics

Moderation: Ruth Feldstein (Newark, NJ)

Claudia Roesch (Münster): „Americanization through Homemaking“. Mexican American Mothers as a Major Factor in Americanization Programs

Panel IV: Religion, Reproduction and Welfare Politics

Moderation: Rickie Solinger (New York)

Stefanie Coché (Köln): Victorian Secrets. Promodern Patterns in Religious Concepts of Motherhood in the 1980s

Anne Overbeck (Münster): Mothering the Race. The Discourse on Welfare and Reproductive Rights of African-American Women in the 20th Century


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