Lincoln und die Religion. Das Konzept der Nation unter Gott

Lincoln und die Religion. Das Konzept der Nation unter Gott

Organisatoren
Evangelische Akademie Thüringen; Friedrich-Schiller-Universität Jena
Ort
Neudietendorf
Land
Deutschland
Vom - Bis
20.11.2009 - 22.11.2009
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Von
Ralf Schröter, Friedrich-Schiller-Universität

Zum Abschluss des „Lincoln-Jahres“ 2009, das durch den 200. Geburtstag des 16. Präsidenten der USA am 12. Februar eingeleitet wurde, fand in der Evangelischen Akademie Thüringen in Neudietendorf eine Tagung zur Rolle der Religion im Leben und Handeln Abraham Lincolns statt. Das Symposium über Lincoln und die Religion kam durch eine Idee und auf Einladung der beiden Initiatoren MICHAEL HASPEL (Neudietendorf) und JÖRG NAGLER (Jena) zustande. Beide eröffneten mit einführenden Worten die Tagung. Gegenstand der Beiträge und Diskussionen waren vor allem die religiöse Lebenswelt in Amerika zur Lebzeit von Abraham Lincoln, Lincolns Einstellung zur Sklaverei und auch seine persönliche Beziehung zur Religion und zu Gott und wie die Ereignisse des Bürgerkrieges darauf Einfluss nahmen. Letztendlich sollte durch den ausführlichen Blick auf die historischen Tatsachen auch eine Verbindung zur Gegenwart unter folgenden Fragestellungen hergestellt werden: Welchen Einfluss haben religiöse Gruppierungen heute im politischen Amerika heute und welche Bedeutung hat das Erbe Abraham Lincolns für die Politik in den USA und welche Bezüge lassen sich zwischen ihm und dem amtierenden Präsidenten Barack Obama herstellen?

Zum Auftakt der Tagung sprach MICHAEL HOCHGESCHWENDER (München) zum Thema „Erweckte und Verschreckte. Der kirchlich-religiöse Kontext zur Zeit Lincolns“. Das einführende Referat bot eine sehr aufschlussreiche Kontextualisierung zur religiösen Lebenswelt in den Vereinigten Staaten in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Der Schwerpunkt lag dabei vor allem auf der Entwicklung der verschiedenen protestantischen Denominationen und Kirchen sowie ihrer geographischen Ausbreitung. Im Fokus standen dabei auch die verschiedenen Praktiken, wie die unterschiedlichen Grade der Spiritualität der einzelnen Gruppen. Weiterhin wurde thematisiert, wie diese Gruppen ihren Einfluss in der Gesellschaft des jungen Amerika geltend machten und wie sie das Entstehen neuer Gemeinden und das harte Leben an der ‚Frontier‘ beeinflussten. Ein besonderes Augenmerk legte Michael Hochgeschwender in seinen Ausführungen auch auf die großen Erweckungsbewegungen der evangelikalen Kirchen im frühen 19. Jahrhundert. Demgegenüber standen Ausführungen zur Entwicklung der katholischen Kirche, die aber im Vergleich zu den vielfältigen Formen des Protestantismus eher gering war.

Zum Auftakt des zweiten Tages referierte BRITTA WALDSCHMIDT-NELSON (München) zum Thema „Die religiöse Rechtfertigung der Sklaverei und Lincolns Einstellung zur Frage der Gleichwertigkeit schwarzer Menschen“. In diesem Beitrag stand somit erstmals Abraham Lincoln im Mittelpunkt der Betrachtungen. Einleitend beschäftigte die Referentin sich mit der Genese der Sklavereiproblematik seit der Gründung der Vereinigten Staaten. Dabei stellte sie fest, dass die Gründung einer Union mit den amerikanischen Südstaaten von vornherein gescheitert wäre, wenn man die Sklaverei verboten hätte. Deshalb war die Verfassung als wichtigstes Dokument in dieser Hinsicht nicht nur ein Kompromiss, sie war ein Dokument für die Sklaverei. Nicht zuletzt profitierte der Aufstieg der gesamten USA zur Wirtschaftsmacht enorm durch die Baumwollindustrie der Südstaaten und das System der Sklaverei. Bei der Frage der religiösen Rechtfertigung der Sklaverei kommt man nicht an dem Namen Thornton Stringfellow vorbei, der mit seinen Schriften die Sklaverei mit der Bibel rechtfertigte. Vor allem in der Geschichte vom Fluch des Noah (Gen. 9, 20–27), sah er deren göttliche Legitimation. Darüber hinaus begründete er dies aber auch mit dem Neuen Testament, vor allem anhand des Lukas-Evangeliums und der Paulusbriefe.

Nach dem Ausblick auf Entwicklung und Rechtfertigung der Sklaverei fokussierte der Vortrag sich auf die Zeit des amerikanischen Bürgerkrieges. Dabei gewährte Britta Waldschmidt-Nelson einen sehr anschaulichen und nachvollziehbaren Einblick in die innere Zerrissenheit des amerikanischen Präsidenten und seine zögerliche aber letztendlich doch entschlossene Auseinandersetzung mit der Frage der Sklaverei. Das primäre Kriegsziel Lincolns sei die Wiederherstellung der Union. Gezeichnet von der Brutalität des Bürgerkrieges und geläutert von militärischen Rückschlägen, haderte der Präsident mit sich selbst und stellte sich erstmals die Frage, ob dieser schreckliche Bruderkampf eine Strafe Gottes für die Sünden der Amerikaner sei. Deshalb sei die Emanzipationserklärung nicht nur ein entscheidender Schritt auf dem Weg zur Abschaffung der Sklaverei, sondern sie löste in Lincoln auch ein intensives Nachdenken über die Existenz eines Gottes aus und darüber, wie er selbst und wie die Union in Zukunft gottgefällig handeln könnten. So ließ er sich ganze drei Monate Zeit, bis er die Emanzipationserklärung veröffentlichte. Erst einschlägige militärische Erfolge, vor allem der Sieg der Unionsarmee in der Schlacht von Antietam, überzeugten Lincoln, dass die Befreiung der Sklaven der richtige Weg sei.

In den anschließenden Diskussionen nach diesem Tagungsbeitrag stand dann diese Emanzipationserklärung im Mittelpunkt, vor allem ihre direkten Auswirkungen auf den Kriegsverlauf, aber auch ihre Bedeutung für die schwarzen Sklaven im Süden. Auch das Verhältnis Lincolns zum schwarzen Abolitionisten Frederick Douglass, welches Britta Waldschmidt-Nelson erwähnt hatte, und dessen Auswirkung auf Lincolns Bemühungen um die Abschaffung der Sklaverei wurden diskutiert.

Im zweiten Vortrag des Tages sprach MICHAEL DREYER (Jena) über „Lincoln und civil religion: Bürgerkrieg, Verfassung und die Transformation des American Creed“. Das Konzept einer amerikanischen Zivilreligion stammt von Robert Bellah, einem amerikanischen Soziologen, der es 1967 in einem Aufsatz erstmals erwähnte.1 Bellah sagte, Abraham Lincoln sei „Civil religion at its best“. Dreyer sprach in seinem Beitrag auch über die Bedeutung der Person Lincolns für die amerikanische Zivilreligion, die man am einfachsten als eine Umformung christlicher Religion in eine demokratische oder republikanische Religion erklären könne. Zu ihr gehöre auch das „American Creed“, das William Tyler Page 1917 formulierte, genauso wie die Verfassung und die Unabhängigkeitserklärung. Aber auch Lincolns Emanzipationserklärung und seine denkwürdige „Gettysburg Adress“ sind mittlerweile Bestandteil der Zivilreligion geworden. Lincoln und die Verfassung waren ein weiterer Schwerpunkt von Dreyers Referat. Er bemerkte, dass Lincoln als Jurist wohl der Präsident war, der mit der Verfassung bei Amtsübernahme am besten vertraut war. Deshalb wusste er auch, dass die Sklaverei nicht ohne Weiteres verboten werden konnte. Lincolns Auseinandersetzungen mit dem Surpreme Court, vor allem die mit Roger B. Taney, der während Lincolns Präsidentschaft Chief Justice war, beeinflussten sein Verhältnis zur Rechtssprechung in der Sklavereifrage maßgeblich. Eines der umstrittensten Urteile Taneys war der Dread-Scott-Fall. Darin wurden die Rechte der Sklavenhalter deutlich ausgebaut. In der anschließenden Diskussion war der Einfluss dieses Urteils auf den Ausbruch des Bürgerkrieges eines der bestimmenden Themen. Ein weiteres Problem, das Dreyer ausführlich schilderte war das der Bürgerrechte und der Wahrung der Verfassung in der Zeit des Bürgerkrieges. Zu den umstrittenen Eingriffen Lincolns in das Rechtssystem zählten unter anderem die Aufhebung des Habeas Corpus, die Einführung der Wehrpflicht und des Papiergeldes. Dreyer sprach außerdem über die Verfassungszusätze, die während des Bürgerkrieges erlassen wurden. Der 13., 14. und 15. Zusatzartikel waren die bedeutendsten Veränderungen in der amerikanischen Verfassungsgeschichte. Noch nie wurden in so kurzer Zeit so viele Zusätze formuliert. Bis heute sind sie für Gleichberechtigung der Schwarzen in den USA grundlegend und sie haben auch einen großen Anteil an der Entwicklung des Lincoln- Kultes in den Vereinigten Staaten. Lincolns mutige Entscheidungen in der Zeit des Bürgerkrieges waren dann auch ein wichtiger Bestandteil der Diskussion im Anschluss an den Vortrag. Darüber hinaus wurde auch auf die außerordentliche Bedeutung Lincolns und seiner Leistungen für die amerikanische Zivilreligion eingegangen.

Um „Die religiöse Begründung politischen Handelns bei Lincoln“ ging es im dritten Beitrag des Tages, den CHRISTIANE TIETZ (Mainz) lieferte. Die Professorin für systematische Theologie schickte ihren Ausführungen die Feststellung voraus, dass beim Thema Glauben über keinen Präsidenten so viel gesprochen worden sei, wie über den „Unglauben“ Abraham Lincolns. Er war der „ungetaufte Heilige“ im Weißen Haus. In der Folge ging es darum, was man bei Lincoln als Glauben oder zumindest als gläubige Dimension bezeichnen könnte. Der Präsident war geprägt von hohen Moralvorstellungen. Er sei auch davon überzeugt gewesen, dass Gott die Menschen für Gutes belohne und guten Vorhaben und Zielen stets seinen Segen gebe. Diese Vorstellungen Lincolns waren wohl durch seine fundierte Kenntnis der Bibel begründet. Mit einer Bibel hatte Lincoln das Lesen erlernt. Bei allen passenden Gelegenheiten fügte der begabte Redner Lincoln Bibelzitate in seine Ausführungen ein. So könnte der biblische Tun- Ergehen- Zusammenhang des Alten Testaments Lincolns Vorstellungen von Gottes Gerechtigkeit lange beeinflusst haben. Dementsprechend begründete er auch sein politisches Handeln. Er wollte stets das Rechte tun.In dieser Hinsicht müssten die Entwicklungen nach dem Ausbruch des Bürgerkrieges Lincolns Gottesbild in seinen Grundfesten erschüttert haben. Denn dieser Krieg entwickelte sich in den ersten Jahren vor allem zum Nachteil der Union. Man könnte von einer Art „Glaubenskrise“ Lincolns sprechen. Die Erfolge der Konföderation waren mit seinen Moralvorstellungen nicht vereinbar. Das führte Lincoln zu der Einsicht, dass der Bürgerkrieg der Wille Gottes war. Im Sinne der göttlichen Vorherbestimmung, der providentia dei, war der Bruderkampf in den USA ein von Gott gewollter Eingriff in die Weltgeschichte. Aus „God´s own country“ war ein Schlachtfeld geworden. Der Krieg war in Lincolns Vorstellung eine Strafe Gottes für die Sünde der Sklaverei. So beeinflusste seine Gottesvorstellung auch seinen Entschluss zur Formulierung der Emanzipationserklärung. Lincolns Auseinandersetzung mit dem Glauben begründete nicht nur sein politisches Handeln, sie war auch für ihn selbst wichtig, damit er den Weg gehen konnte, der zur Rettung der Union und der Befreiung der Sklaven führte. Im Anschluss an den Vortrag von Christiane Tietz wurden Lincolns Gottesvorstellung und vor allem seine Auseinandersetzung mit der Vorhersehung kontrovers diskutiert. Dass Lincolns Gottesvorstellung davon beeinflusst wurde, zeigte sich auch in der Gettysburg Adress. Den Zusatz „a nation under god“ fügte Lincoln dort spontan ein. Sein Aufenthalt auf dem Schlachtfeld, auf dem die endgültige Wende im Bürgerkrieg eingeleitet wurde, habe den Präsidenten wohl so sehr ergriffen, dass er öffentlich zum Ausdruck brachte, dass dieses Land nur unter der Führung Gottes einer besseren Zukunft entgegen gehen könne.

Der letzte Beitrag des zweiten Tages kam von DAVID GOLDFIELD (Charlotte, CA). Der international renommierte Lincoln-Forscher von der University of North Carolina in Charlotte referierte über „Lincoln and the Evangelicals: A Matter of Faith“. Einleitend sprach Goldfield über die Bedeutung der Religionsfreiheit in den Vereinigten Staaten. Vorläufer für die Religionsfreiheit, die durch den ersten Zusatzartikel der Verfassung geschützt wird, war das Virginia Statute for Religious Freedom, das Jefferson und Madison 1779 formuliert hatten. Goldfield beschrieb die junge amerikanische Republik als einen religiösen Marktplatz. Jeder Bürger konnte seine Religion frei wählen und die Regierung garantierte, sich nicht in persönliche Glaubensfragen einzumischen. Unter den vielfältigen religiösen Angeboten spielten die evangelikalen Protestanten eine besondere Rolle. Sie sahen Amerika schon immer als das auserwählte Land Gottes. Ihr Anspruch war es, die gesamte Welt ausgehend von den Vereinigten Staaten von der Sünde zu befreien. Denn das ist ihnen zufolge die Voraussetzung für die Rückkehr Christi in die Welt. In Bezug auf die religiöse Entwicklung und die Tätigkeit der religiösen Gruppierungen charakterisierte Goldfield die Jahrzehnte vor dem Bürgerkrieg mit dem Wort „Mobilität“. Die Verbindung zu Lincoln ergab sich durch die neu entstandene Republikanische Partei, die in den 1840er/1850er Jahren zur Partei der Evangelikalen geworden sei. Gleichzeitig galten die Demokraten als Partei der Katholiken. Goldfield ging auch ausführlich auf Stereotypen und Vorurteile ein, mit denen sich die katholische Kirche in der Zeit des Bürgerkrieges in den USA konfrontiert sah. Man sprach von „Rum, Romanism and Rebellion“. Der römische Katholizismus galt als von Rom beeinflusst. Und in dieser Zeit galt der Vatikan noch als einflussreiche ausländische Macht, die nach Meinung vieler Evangelikalen die Souveränität und Freiheit der Vereinigten Staaten bedrohe. Der Bezug zwischen Lincoln und den Evangelikalen kam über die Frage der Sklaverei zustande. Die Evangelikalen, vor allem Baptisten und Methodisten als größte Denominationen sahen in der Sklaverei eine Sünde, die den amerikanischen Traum bedrohte. Sie machten sich für deren Abschaffung stark. Lincoln selbst sei kein Evangelikaler geswesen. Er war auch für die rege Missionstätigkeit während des Second Great Awakening nicht zu begeistern gewesen. Der Schnittpunkt ergab sich nur durch die Einstellung zur Sklaverei. In seiner zweiten Amtseinführungsrede wagte Lincoln einen Ausblick auf ein Amerika nach dem Bürgerkrieg und ohne die Institution der Sklaverei. Eine Vision, die die evangelikalen Christen teilten. Er sprach auch wieder davon, dass der Krieg ausgebrochen sei, weil dies Gottes Wille sei und dass nur er über die Menschen richten werde. Die Evangelikalen sahen in Lincolns politischen Handlungen trotzdem das Wirken Gottes, weshalb sie zu seinen größten Unterstützern wurden, obwohl Lincoln selbst konfessionell nicht an sie gebunden war. In der Diskussion, die auf den Beitrag David Goldfields folgte, wurde Lincolns Verhältnis zu den Evangelikalen weiter besprochen. Darüber hinaus ging es allgemein um den Einfluss dieser Gruppierungen auf die amerikanische Politik und wie er sich heute noch äußere.

Um den Einfluss religiöser Gruppen in der Politik ging es dann zum Abschluss des zweiten Tages auch am Abend in einer Lesung von MATTHIAS RÜB (Washington D.C.). Der Korrespondent der FAZ las aus seinem Buch „Gott regiert Amerika: Religion und Politik in den USA“2 und schlug damit eine Brücke von der historischen Bedeutung der Religionen in Amerika, die Michael Hochgeschwender und David Goldfield mit ihren Vorträgen eingeleitet hatten, in die Gegenwart. Rüb las exemplarische Ausschnitte, die sich mit der Vielfalt der Religionen, Konfessionen und Denominationen in den USA und deren zweifellos vorhandenen Einfluss auf die aktuelle Politik beschäftigten. Dabei thematisierte er auch den zurückliegenden Präsidentschaftswahlkampf zwischen John McCain und Barack Obama.

Den Auftakt am letzten Tag machte JÖRG NAGLER (Jena). Der Professor für Nordamerikanische Geschichte an der FSU Jena hat 2009 seine Lincoln-Biografie3 veröffentlicht, in der er sich auch umfangreich der Religion Lincolns widmet. Sein Vortrag zum gleichnamigen Thema behandelte nicht nur Lincolns Einstellung zu Gott und Religion, Nagler versuchte auch einen Einblick in Lincolns Persönlichkeit und seine inneren Widersprüche zu geben. So habe der Präsident seine klinischen Depressionen als integralen Bestandteil seiner Persönlichkeit akzeptiert. Sie spielten auch bei seinen Auseinandersetzungen mit Gott eine tragende Rolle. In den Jahren des Bürgerkrieges sei diese Auseinandersetzung intensiver geworden. Lincolns Gottesbild war geprägt von Fatalismus und Prädestination. Jörg Nagler konnte in seinem Beitrag auf viele Fragen eingehen, die im Laufe der Tagung aufgeworfen worden waren. So konnte er sagen, dass Lincoln definitiv kein Mitglied einer christlichen Glaubensgemeinschaft gewesen ist aber, dass er die Wahrheit der Bibel trotzdem nie in Frage stellte. Und Lincoln sei davon überzeugt gewesen, dass die amerikanische Demokratie von Gott gewollt sei. Wie sehr ihm die Rettung dieser Demokratie und die Rettung der Union am Herzen liege, formulierte der Präsident in einem Brief an James C. Conkling, in dem er auch die Befreiung der Schwarzen durch die Emanzipationserklärung verteidigte. Mit Auszügen dieses Briefes verdeutlichte Jörg Nagler abschließend, dass Lincolns eigentliche Religion Amerika gewesen sei und seine heilige Schrift die Unabhängigkeitserklärung. Aus keinem anderen Text habe Lincoln öfter zitiert. Mit Blick auf die zweite Inaugurationserklärung des Präsidenten dürfe man nicht vergessen, dass sie zwar ein Text mit religiösem Charakter, aber trotzdem auch ein politischer Text gewesen sei. In diesem Sinne hatte Lincoln auch selbst schon so etwas wie eine amerikanische Zivilreligion. Abschließend bliebe aber festzustellen, dass Lincoln, obwohl er an einen Gott glaubte, kein Christ war.

Den Abschluss dieser spannenden Tagung bildetet ein Podiumsgespräch. Unter dem Thema „Die Nation unter Gott: Von Lincoln bis Obama“ ging es darum, wie die Religion und wie das Leben und Wirken Abraham Lincolns noch heute die tagesaktuelle Politik in den Vereinigten Staaten beeinflussen.

Konferenzübersicht

Erweckte und Verschreckte

Michael Hochgeschwender (Ludwig-Maximilians-Universität München): Der kirchlich-religiöse Kontext zur Zeit Lincolns

Britta Waldschmidt-Nelson (Ludwig-Maximilians-Universität München): Die religiöse Rechtfertigung der Sklaverei und Lincolns Einstellung zur Frage der Gleichwertigkeit schwarzer Menschen

Lincoln und „civil religion“

Michael Dreye ( Friedrich-Schiller-Universität Jena): Bürgerkrieg, Verfassung und die Transformation des „American Creed“

Christiane Tietz (Johannes-Gutenberg-Universität Mainz): Die religiöse Begründung politischen Handelns bei Lincoln

David Goldfield (University of North Carolina): Lincoln and the Evangelicals: A Matter of Faith (Vortrag in englischer Sprache)

Lesung

Matthias Rüb (Washington D.C): Gott regiert Amerika. Die öffentliche Bedeutung der Religion in den USA von Lincoln bis Obama

Jörg Nagler (Friedrich-Schiller-Universität Jena): Die Religion Lincolns

Podiumsgespräch: Die Nation unter Gott. Von Lincoln bis Obama.

Jörg Nagler, Christiane Tietz, Matthias Rüb

Anmerkungen:
1 Robert Bellah: Civil Religion in America, in: Daedalus. Journal of the American Academy of Arts and Sciences. Religion in America, Winter 1967, S. 1-22.
2 Matthias Rüb: Gott regiert Amerika: Religion und Politik in den USA, Wien 2008.
3 Jörg Nagler: Abraham Lincoln: Amerikas großer Präsident. Eine Biografie, München 2009.