Un-equal Bodies: Gender and Ethnicity. 2. Workshop des DFG-geförderten Netzwerks „Integration und Desintegration: Sozial- und Kulturgeschichte des osteuropäischen Sports im internationalen Vergleich“

Un-equal Bodies: Gender and Ethnicity. 2. Workshop des DFG-geförderten Netzwerks „Integration und Desintegration: Sozial- und Kulturgeschichte des osteuropäischen Sports im internationalen Vergleich“

Organisatoren
Netzwerk „Integration und Desintegration: Sozial- und Kulturgeschichte des osteuropäischen Sports im internationalen Vergleich“
Ort
Warschau
Land
Poland
Vom - Bis
12.11.2009 - 14.11.2009
Url der Konferenzwebsite
Von
Stefan Rohdewald, Lehrstuhl für Neuere und Neueste Geschichte Osteuropas und seiner Kulturen, Universität Passau

Das DFG-geförderte wissenschaftliche Netzwerk „Integration und Desintegration: Sozial- und Kulturgeschichte des osteuropäischen Sports im internationalen Vergleich“ hat sein zweites Arbeitstreffen am Deutschen Historischen Institut in Warschau abgehalten und dem Thema „Un-equal Bodies: Gender and Ethnicity“ gewidmet.

In einem der beiden Vorträge seitens externer Experten stellte GERTRUD PFISTER (Kopenhagen) „body cultures“ und die durch sie entstehenden Möglichkeiten und Herausforderungen für (muslimische) Frauen vor. Sport spielt eine zentrale Rolle bei der Herstellung und Reproduktion von Körpervorstellungen, wie Pfister am Beispiel der Gymnastik sowie der Sportbekleidung zeigte. In muslimisch geprägten Gesellschaften sei der verhüllte Frauenkörper wesentlich bei der Konstruktion und Aufrechterhaltung von männlicher Ehre. Die Kleiderfrage sei eines der wichtigsten Hindernisse bei der Beteiligung von Frauen aus islamischen Ländern an den Olympischen Spielen. In einem Ausblick ging Gertrud Pfister auf multiple Identitäten von muslimischen Frauen in westlichen Gesellschaften ein, die Kreolisierungen ausgesetzt sind. Beispielsweise seien sie herausgefordert Kompetenzen zu entwickeln, um situativ vom dänischen Schulalltag in den Zusammenhang einer somalischen Familie wechseln zu können.

DIETHELM BLECKING (Freiburg) sprach in dem zweiten Expertenreferat über Relationen von Sport und Ethnizität am Beispiel von Polen im Kaiserreich sowie von Juden in Polen in der Zwischenkriegszeit. Polnische Einwanderer in das deutsche Reich und insbesondere in das Ruhrgebiet wurden angesichts rechtlicher, sozialer und politischer Diskriminierung gezwungen, Gemeinschaft durch ethnische Exklusion herzustellen. Eines der markantesten Gefäße polnischer Soziabilität im Deutschen Reich waren die Sokolverbände, die in Osteuropa nach dem Vorbild der deutschen Turnvereine entstanden waren. Am Beispiel der Morgensternvereine des Bundes jüdischer Arbeiter im Polen zwischen den Weltkriegen zeigte Blecking sodann auf, wie mit einem hohen Grad an Reflexivität revolutionäre, antizionistische und antireligiöse jüdische Arbeiter eine „in-group“ konstruierten, die in ihren Sportvereinen eine spezifische und autonome „body-culture“ entwickelte.

STEFAN ZWICKER (Mainz/Bonn) schilderte Verbindungen von Fußball mit ethnischen Spannungen in den böhmischen Ländern und Oberschlesien bis 1938/39. In der ČSR entfalteten sich nach ethnisch-nationalen Kriterien organisierte Verbände (tschechoslowakische, deutsche, ungarische, polnische, jüdische) unter einem gesamtstaatlichen Dachverband, wobei sich Abgrenzung und Zusammenarbeit die Waage hielten. Integrierend und zum Überwinden der Nationalitätsgrenzen hätten die Nationalmannschaft und der professionelle Fußball gewirkt. Spiele zwischen Vereinen der gleichen nationalen Zugehörigkeit wiesen oft ein größeres Konfliktpotential auf als Matches zwischen Klubs unterschiedlicher Nationalität, so Zwicker. Aufschlussreich für die Alltagsgeschichte sei die Frage nach „kleinen“ Identitäten: sportbegeisterte Menschen definierten sich, so Zwicker, nicht pausenlos als Mitglied eines nationalen Kollektivs, sondern analog zu anderen Teilbereichen (Beruf, politische Einstellung etc.) oft auch als Spieler oder Anhänger eines Klubs: „Vereinsfanatismus“ spielte für sie im täglichen Leben keine geringe Rolle.

KATERYNA KOBCHENKO (Kiew) untersuchte das Verhältnis der Emanzipation der Frauen im Zusammenspiel mit der Rolle des Sports in der frühen Sowjetunion. Sportorganisationen dienten dem Familienersatz, als das traditionelle Familienmodell als ein Hindernis des Aufbaus einer neuen Gesellschaft erschien. Die Beteiligung der Frauen am Sport im Zeichen der militarisierten „Fizkul’tura“ sollte die Gleichheit der Geschlechter herstellen. Die Macht der alten Praktiken aber auch mangelnde staatliche Unterstützung schränkten aber die Reichweite der Umsetzung stark ein. So mangelte es oft an der Ausrüstung für weibliche Sportler wie niedrigere Hürden. Durch den Vergleich der Leistungen weiblicher Sportler mit männlichen, aber auch durch die uniforme Sportkleidung sei eine Entweiblichung gefördert worden.

STEFAN WIEDERKEHR (Warschau/Berlin) arbeitete Unterschiede der Wahrnehmung und Darstellung weiblicher Körper in der Volksrepublik Polen einerseits und andererseits in Beispielen der westlichen Presse während des Kalten Krieges heraus. Während die Normen weiblicher Schönheit auf beiden Seiten des Eisernen Vorhangs weitgehend dieselben waren – die sozialistische Presse propagierte kein alternatives weibliches Schönheitsideal –, gingen beide Seiten anders mit Abweichungen von diesem Ideal um. Sozialistische Zeitungen berichteten nie über als unweiblich wahrgenommene Körper, hingegen stellte die westliche Boulevardpresse Sportlerinnen aus dem sozialistischen Lager als männlich oder unschön dar und verschwieg vergleichbare westliche Fälle.

ANKE HILBRENNER (Bonn) stellte Vorstellungen vom weiblichen Körper im Rahmen spätsowjetischer Modernität vor. Valentina Tereškova wurde als erste Kosmonautin zum Ideal sowjetischer ženstvennost’ gemacht. Damit wurde sie zum Aushängeschild sowjetischen Technikkults sowie des wissenschaftlich und technologisch unterstützten Ausbaus des Sports. Der geschlechtlich undifferenzierte “sporting body” der 1970er-Jahre war deutlich durch technische Ästhetik und Attribute geprägt. Die Mehrheit der Illustrationen der Zeitschrift “Theorie und Praxis der fizkul’tura” zeigten Körper mit und neben mechanischen sowie technischen Instrumenten, die ihn optimieren oder seine Leistungen aufzeichnen sollten.

CARINA HAAS (Bonn) stellte die im Aufbau begriffene Website des Netzwerks vor, ehe eine sehr produktive Redaktionssitzung des geplanten elektronischen Handbuchs zu Sport in Osteuropa das Treffen abrundete.1

Die Beiträge zeigten den Ertrag auf, den die Untersuchung konkreter Körper- und Ethnizitätsvorstellungen im Sport und damit in für die jeweiligen Gesellschaften insgesamt aufschlussreichen Bereichen von Modernität verspricht.

Konferenzübersicht:

Input lectures by experts from outside the network

Gertrud Pfister (Copenhagen): Body Cultures – Opportunities and Challenges of (Muslim) Women

Diethelm Blecking (Freiburg): Sport and Ethnicity – The Polish and the Jewish Example

Presentations by members of the network and discussion of projects

Stefan Zwicker (Mainz/Bonn): Football and Ethnic Tensions in the Bohemian Lands and Upper Silesia from the Sport´s Beginnings until 1938/39

Kateryna Kobchenko (Kiev): “Wider Way for Fizkul’turnitsa!” Sport in the Early Soviet Gender Model

Stefan Wiederkehr (Warsaw): Women, Sports and the Media in the People’s Republic of Poland

Anke Hilbrenner (Bonn): Female Sportsmeny in the Brezhnev-Years

Carina Haas (Bonn): Presentation of Network Website

Digital handbook of sports in Eastern Europe (editorial meeting)

Anmerkung:
1 Vgl. <http://www.netzwerk-sportgeschichte.uni-bonn.de/> (11.01.2010).


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Sprache(n) der Konferenz
Deutsch
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